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Über die Entstehungszeit der Scene besteht demnach kein Zweifel. Sie gehört in die zweite dramatische Epoche des jungen Goethe der Frankfurter Jahre. Shakespeares Geist schwebt über ihr; wir spüren die Nähe des Egmont, der sich damals ebenfalls bildete. Sie zeigt uns den Übergang von dem Vers der satirischen Dialoge zu der Prosa dramatisch bewegter Handlung, für die der Dichter erst später die entsprechende metrische Form fand. Die Scene ist jedenfalls nach der Schweizerreise gedichtet, mit grosser Wahrscheinlichkeit im September 1775. Es ist darum ganz ansprechend, den 17. September als den Tag ihrer Entstehung anzunehmen, obwohl der Beweis dafür nicht mit völliger Sicherheit erbracht werden kann. Man könnte vielleicht einwenden, die Lieder, auf die sich die Zeitberechnung vor allem stützt, seien vor der Ausbildung der Scene selbst gedichtet; aber dann wäre das Rattenlied im September verfasst, und die Scene könnte dann nicht viel später entstanden sein. Völlig verkehrt wäre aber anzunehmen, die Lieder seien etwa nachträglich in die Scene eingetragen worden; denn die beiden ersten Teile derselben verlangen von Anfang an durchaus die Lieder und verlören ohne sie ihren inneren Zusammenhang 1).

Nach alledem sind wir zu der Annahme berechtigt, dass die Scene in Auerbachs Keller im September 1775, vielleicht in der Morgenfrühe des 17. September vom Dichter mit rascher, glücklicher Hand hingeworfen sei.

1) S. Pniower. Vjschr. f. Litt.-Gesch. 2. S. 146 ff. — K. Fischer, Goethes Faust (3. Aufl.) Bd. 2. S. 48.

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Landstrasse.

(V.453-456.)

An die Scene in Auerbachs Keller schliesst sich im ältesten Faust als eine Art Übergang die kleine Scene an, die mit ,,Landstrasse" überschrieben ist. Faust und Mephistopheles kommen auf ihrem Wege zur Stadt an einem Kreuze vorbei. Der Teufel beeilt sich vorüber zu kommen. Man kann sie mit der kleinen Übergangsscene,,Nacht. Offen Feld." vergleichen. Mephistopheles, drängt dort Faust, der auf das gespenstige Treiben am Rabenstein aufmerksam geworden ist, vorbei. Hier will Mephistopheles rasch am Kreuze vorüber und schlägt dabei die Augen nieder; zur Rede gestellt, meint er, es sei zwar ein Vorurteil, aber es sei ihm einmal zuwider. Diese Antwort ist für uns von einer gewissen Bedeutung. Denn wir begegnen hier dem Versuch zum ersten Male, den überlieferten Charakter des Teufels, dessen sich der Dichter mit geheimen Widerwillen bediente, durch Selbstironie gleichsam aufzuheben. So bezeichnet der Teufel hier die zu seinem Wesen gehörige ängstliche Scheu vor dem Göttlichen als ein blosses Vorurteil. Übrigens darf doch auch daran erinnert werden, dass auch Goethe allerdings aus ästhetischen und religiösen Gründen eine Abneigung gegen das Kruzifix hatte.1)

1) S. Wanderjahre II. 2. W. Bd. 24. S. 255.

Des Mephistopheles Gebahren vor dem Kreuz erinnert an einen ähnlichen Zug in der Christophoruslegende. Soll auch hier darauf hingewiesen werden, dass der Teufel sich vor einem Höheren beugen muss?

Wann die Scene gedichtet ist, dafür ergibt sich kein bestimmter Anhalt. Wenn wir jedoch bedenken, dass sie auch noch auf einem einzelnen Blatt, das, wie Erich Schmidt bemerkt, in Papier und Schrift genau zur Reinschrift des Ewigen Juden stimmt, überliefert ist, so ist es sehr wohl möglich, dass sie erst nachträglich zur Verbindung der Gretchentragödie mit der vorhergehenden Partie eingeschoben wurde.1) Dann ist sie aber nicht vor 1775 entstanden, worauf auch ihre Ähnlichkeit mit der Scene,,Nacht. Offen Feld." hinweist. Später fiel sie, als die Hexenküchenscene eine tiefere Verbindung herstellte, und es mit der redaktionellen Verknüpfung ernster genommen ward, von selbst weg. Auch erblicken wir seit dem Fragment von 1790 Faust nicht mehr zu Fuss auf seiner Weltreise, sondern auf dem Zaubermantel die Fahrt unternehmen. Von unserer Scene hatte sich durch K. Ph. Moritz die Kunde erhalten.2)

1) W. Bd. 14. S. 294. (Paralip. N. 21.)
2) a. a. O. S. 288 f.

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B

ie Gretchentragödie behandelt das Thema der Untreue, das sich durch die ganze Poesie des jungen Goethe seit dem Jahre 1771 hindurchzieht. Es ist zum ersten Male in der Nebenhandlung des Götz angeschlagen. (1771 und 1773.); im Clavigo (1774.) ist dann der Ungetreue zur Hauptperson geworden. In der Stella (1775.) hat der Dichter darauf einen für alle versöhnlichen Ausgang versucht. Auch der Crugantino in der Claudine von Villa Bella gehört hierher, wenn auch das Motiv der Untreue hier nicht weiter ausgenützt ist. Ebenso bezeichnend ist es aber, wenn er dort das Lied von der Untreue vorträgt: „Es war ein Buhle frech genung", wie wenn Gretchen das von der Treue bis in den Tod singt: „Es war ein König in Thule". Selbst im Werther klingt es anfangs leise mit; 1) dagegen ist es bei seiner Verteidigung des Selbstmords in der Geschichte von der Verlassenen, die sich selbst den Tod gibt, verwertet und dem Zweck entsprechend geändert. Es hat einmal seine litterarische Vorgeschichte und zwar vor allem als Lieblingsgegenstand des Volkslieds, für das Goethes Teilnahme durch Herder erweckt worden war. Unter den von ihm in Strassburg gesammelten Volksliedern behandelt das Lied vom Herrn und der Magd das Thema

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1) In der Geschichte der Leonore. (D. j. G. 3. S. 233 f.)

der Untreue, das bekanntlich auf den Schluss des Clavigo eingewirkt hat. 1) Auch Bürger, der ja den Spuren des Volksliedes in seiner Poesie wieder eifrig nachgegangen ist, konnte vorbildlich sein. Von ihm stand im Göttinger Musenalmanach für 1774 das Gedicht des armen Suschens Traum", das den Jammer der treulos Verlassenen besingt. Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang auch Shakespeares Ophelia zu nennen, aber auch die Geschichte der Olivia im Landprediger von Wakefield. Ferner hat aber dann vor allem Selbsterlebtes den Dichter dazu gebracht, dies Thema immer wieder in seiner Dichtung anzuschlagen. Von eigener schwerer Schuld bedrückt, hat er sich nach seiner Art durch dichterische Darstellung von ihr zu befreien gesucht. Im Werther werden wir wohl mehr an sein schuldigunschuldiges Verhältnis zu Lucinde in Strassburg denken müssen. Dagegen hat die mehr und mehr zum Tragischen fortschreitende Darstellung in der Weisslingentragödie, dem Clavigo, der Gretchentragödie ihren Grund in der an Friederike Brion begangenen Untreue. Hier war er zum ersten Male schuldig; er hatte, wie er bekennt, das schönste Herz in seinem Tiefsten verwundet. Die Epoche einer düsteren Reue begann;

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der Zeit, als der Schmerz über Friederikens Lage mich beängstigte, suchte ich nach meiner alten Art abermals Hilfe bei der Dichtkunst. Ich setzte die hergebrachte poetische Beichte wieder fort, um durch diese selbstquälerische Büssung einer inneren Absolution würdig zu werden. Die beiden Marien im Götz von Berlichingen und Clavigo und die beiden schlechten Figuren, die ihre Liebhaber spielen, mögen wohl Resultate solcher reuigen Betrachtungen gewesen sein".2) Im Oktober 1773 schickte er durch Salzmann ein Exemplar des Götz 1) Im Neudruck der Volkslieder (Deutsche Litteraturdenkmale. N. 14.) S. 44.

2) D. W. T. 3. B. 12. W. Bd. 28. S. 120.

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