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die göttliche Vergeltung, dieses in die Rechte des Begnadigers seyn.

Auf diese Weise ist es nur der Verbrecher ohne den Menschen, den der Staat in Untersuchung zieht, und wiederum nur der Verbrecher ohne den Menschen, den der Staat durch die von ihm angeordneten Strafgerichte verurtheilen läßt. Damit stimmt denn auch zusammen theils die nach dem inquisitorischen Strafprocesse bestehende Trennung der untersuchenden und erkennenden Strafbehörde, indem lettere den Verbrecher ohne den Menschen sehr wohl auf den Grund todter Acten verurtheilen kann; theils die mehr oder minder engen Schranken, welche überall dem richterlichen Ermessen gesezt sind, damit der Richternur nicht in Versuchung gerathe, menschliche Schuld menschlich zu beurtheilen.

Allein sollte eine solche nur formelle Strafjustiz die wahre menschliche Gerechtigkeit seyn? Sollten mit der Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen um der verlegten Ordnung des Staats willen alle Rücksichten der Moral und Religion, der Humanität und der Billigkeit unvereinbar seyn? Unmöglich.

Vorerst erzeugt der, auch in den neuesten Strafgesetzgebungen vorherrschende Gegensatz zwischen dem Recht, der Moral und der Religion in der Person des Richters ein unnatürliches Doppelwesen, welches ihn recht eigentlich nöthigt, sein Gewissen und seine Ueberzeugung, also seine menschliche Natur, zu verläugnen, wie wenn an ihrer Statt, es sey durch ein Machtgebot des Gesetzgebers, oder durch Angewöhnung (Schlendrian der Praris), willkürlich etwas Anderes gesezt werden könnte.. Hinsichtlich der Beurtheilung der Thatfrage hat man diese Unnatur auch bereits anerkannt, indem an die Stelle der früheren beschränkten (positiven) Beweistheorie durch Doctrin, Praris und Gesetzgebung nach und nach die freie innere, also moralische, Ueberzeugung des Richters von der Schuld oder Nichtschuld des Angeschuldigten getreten ist. Wie sollte daher ohne Widerspruch des Gesezes mit sich selbst die Rechtsfrage nach entgegengesezten Principien beurtheilt werden können? Dort läßt man die freie Ueberzeugung des Richters, und zwar vom Standpuncte des be

Stebenden Inquisitionsprocesses oft zu frei walten, hier dagegen soll er fortwährend genöthigt werden, gegen seine Ueberzeugung nur formell (geseglich) gerechte, d. h. materiell ungerechte Strafurtheile zu fällen? Dieser zwischen den neueren Strafproceßund Strafgeseßgebungen bestehende Widerspruch drückt mit andern Worten den Sah aus, daß den Gerichten, namentlich in schwereren Straffällen (denn bei unbedeutenden Vergehen läßt man schon mehr ihr freies Ermessen walten), eine größtmögliche Freiheit zu materiell ungerechten Verurtheilungen gewährt werden soll; ein Sag, woran nur ein consequent durchgeführtes Abschreckungssystem keinen Anstoß nehmen kann.

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Sodann erscheint es weder als ein Eingriff in die göttliche Vergeltung, wenn der Richter die bürgerliche Verschuldung zwar nicht ausschließlich, aber doch zugleich nach sittlich - religiösen Momenten beurtheilt, noch als ein Eingriff in die Nechte des Begnadigers, wenn er daneben auf Humanität und Billigkeit Rückficht nehmen darf. Jenes nicht, weil, so sehr sich auch die Wissenschaft abmühen mag, Recht und Moral einander möglichst schroff entgegenzusehen, gleichwohl der Richter bei der Würdigung der inneren Seite der That niemals des fittlichen Maaßstabes entbehren kann, und man bei jenem, besonders seit Feuerbach für nothwendig gehaltenen Gegensage auffallend genug ein sehr lares Sittengeseß im Auge zu haben pflegt, während vom Standpuncte der christlichen Religion, welche, wie überall, so auch hier allein die Wahrheit enthält, das Sittengesez vielmehr ein so strenges ist, daß nach dem Maaßstabe desselben der Mensch für das Diesseits und das Jenseits rettungslos verloren wäre. Leßteres nicht, weil schon die Trüglichkeit der menschlichen Erkenntniß, der auch der gewissenhafteste Richter unterworfen ist, in Verbindung mit andern, bei minder gewissenhaften Richtern leicht zutreffenden Menschlichkeiten, vom Standpuncte der menschlichen Gerechtigkeit also nicht bloß aus politischen Gründen gewisse Beschränkungen des richterlichen Ermessens erfordern, wo aber diese bestehen, der Begnadigung immer noch ein freier Spielraum gegeben ist. Keine schlimmere Thesis kann dagegen aufgestellt werden als die: recht strenge

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Strafen, damit für die Begnadigung recht viel übrig bleibe, d. h. damit der Schuldige planmäßig in ein doppeltes Abhängigkeitsverhältniß gebracht werde, zuerst von nur formell richtenden Strafbehörden, dann von dem Begnadiger, oder vielmehr von dem empfehlenden oder nicht empfehlenden Vortrage des Justizministers (denn den mißlichen Actenrelationen begegnet man auch hier noch an den Stufen des Throns), ohne daß in dieser Beziehung dem geseßlich Verurtheilten irgend eine Garantie zur Seite steht, weil es keinen rechtlichen Anspruch auf Begnadigung giebt.

Das System der Strenge und des Mißtrauens gegen das richterliche Ermessen mußte unvermeidlich zu einer unnatürlichen, den Regenten selbst lästig werdenden Ausdehnung des Begnadigungsrechts auf Kosten der Gerechtigkeit führen, und es ist die Aufgabe der Theorie der bürgerlichen Gerechtigkeit, das Recht des Begnadigers wieder in seine natürlichen Gränzen zurückzuweisen, innerhalb welcher es dann aber, als den Schlußstein der unvollkommenen menschlichen Gerechtigkeit bildend, um so bedeutsamer hervortritt, zu welchem Behuf es aber nicht auf einseitigen Vortrag des Justizministers ausgeübt, sondern legterem aus der Zahl der nicht - juridischen Beamten ein Correferent zur Seite gegeben werden sollte.

Aber nicht nur eine Erweiterung des richterlichen Ermessens, und in Folge davon eine Beschränkung des ungebührlich ausgedehnten Begnadigungsrechts, sondern auch eine andere Form des Strafverfahrens wird durch die Theorie der bürgerlichen Strafgerechtigkeit geboten. Soll nämlich der Richter in dem Verbrecher zugleich den Menschen beurtheilen, so darf dieß nicht durch Verurtheilung auf den Grund todter Acten geschehen, sondern dazu bedarf es der eignen lebendigen Anschauung, durch welche, in Verbindung mit der unmittelbaren Abhörung der Zeugen und Sachverständigen, der Richter zwar keine untrüg= liche Erkenntniß (denn diese giebt es einmal nicht), aber doch ein viel sichereres und selbstständigeres Urtheil gewinnt, als wenn er auf Treu und Glauben fremden Auctoritäten zu folgen, und durch die nur zu oft getrübten Brillen des Inquirenten und

dann des Referenten zu sehen genöthigt wird. Bei der Unvollkommenheit der menschlichen Strafjustiz wird aber durch die Gerechtigkeit jedes Mittel geboten, welches zu einer sichereren Erkenntniß der Schuld oder Nichtschuld, und des Grades der Verschuldung führt. Dazu kommt noch, daß eine collegialische Berathung ihren Zweck, d. h. eine Garantie gegen Irrthum, Uebereilung und Leidenschaftlichkeit zu gewähren, nur dadurch erfüllen kann, daß die Mitglieder des Gerichts selbstständig gewonnene Ansichten und Ueberzeugungen gegen einander austauschen und ausgleichen. Sonst streiten sie nur über verschiedene Auffassungsweisen einer fremden Auffassung, über welche sie nicht hinaus

fönnen.

Die Trüglichkeit der menschlichen Erkenntniß erkannten schon unsere Vorfahren in den Gottesurtheilen an, indem sie sich nicht getraueten, die wahre Schuld des Angeklagten auszumitteln und daher Gott selbst, als höchstem Richter, die Entscheidung überlassen zu sollen glaubten. Aber auch später, als die Ordalien verschwanden, sorgten unsere Vorfahren wenigstens für ein Verfahren, durch welches eine menschliche Beurtheilung menschlicher Schuld möglich gemacht wurde. Dieses Verfahren beruhte auf Privat-Anklageschaft in Verbindung mit Deffentlichkeit und Mündlichkeit, und Volksgerichtsbarkeit. In dem Ankläger und in seinen Richtern erkannte der Angeklagte seines Gleichen, und er wurde gerichtet unter den Augen des Volks, dessen Frieden, er gebrochen hatte, nicht nach streng juridischen Normen, sondern nach denjenigen Momenten, welche dem gemeinen Verstande zur Abwägung der Schuld und des Grades der Verschuldung gegeben find. Den Volksgerichten war der Gegensaß zwischen der streng rechtlichen und der sittlich - religiösen Beurtheilung eine eben so fremde Idee, als die scharfe Gränze zwischen der Person des Richters und des Begnadigers, wie solche sich in neuerer Zeit ausgebildet hat. Auf diese Weise konnte und sollte in dem Verbrecher zugleich der Mensch beurtheilt werden. Dieß Alles verschwand mit dem Anklageprocesse und der Volke gerichtsbarkeit. Seitdem wurde das Rechtsprechen zu einer juridischen Kunst nach juridischen Regeln, was besonders dem Einflusse falscher

Theoricen zuzuschreiben ist, welche bis auf die neueste Zeit herab in der Praris Geltung gefunden, und der wahren, d. h. menschlichen, Ausbildung des Strafrechts unendlich geschadet haben. Namentlich gilt dieß von Feuerbach. Denn so Treffliches der= selbe im Allgemeinen auf dem Gebiete der Strafrechtswissenschaft geleistet hat, so ist doch nicht zu verkennen, daß sein System der Abschreckung, die überall bei ihm hervortretenden Gegensäge zwischen dem Recht und der Moral, und die enge Begränzung des richterlichen Ermessens sehr nachtheilig auf den Gang der deutschen Praris und der deutschen Legislationen eingewirkt haben. Je mehr das Juridische auf die Spige getrieben wird, um so mehr wird es dem Menschlichen entfremdet, und muß daher nothwendig sein Vertrauen bei dem Volke verlieren. So lange es freilich keine Oeffentlichkeit des Strafverfahrens giebt, können die Geseze was immer für Strafen androhen; denn das Volk erfährt von der Anwendung derselben so gut wie nichts, indem der Straffall regelmäßig innerhalb der Wände der Gerichte verhallt. Aber Oeffentlichkeit des Strafverfahrens muß dem Volk die Augen über das zu strenge und starre Strafgeset öffnen, und hat sich darüber erst eine öffentliche Meinung gebildet, so wird fie den Gesetzgeber nöthigen, menschliche Schuld mehr menschlich zu beurtheilen.

Die Worte der Schrift: richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet" sollen freilich weder das Urtheil der Menschen über gut und bös ausschließen, denn die heilige Schrift selbst preiset ja überall das Gute an, und verdammt das Böse; noch viel weniger sollen sie ein Verbot gegen die weltliche Obrigkeit, bürgerliche Strafen zu verhängen, aussprechen, indem Christus und seine Apostel vielmehr die bürgerliche Strafgerechtigkeit, als auf dem Willen Gottes beruhend, ausdrücklich anerkennen. Aber fie sprechen doch das in christlichen Staaten auf die menschliche Gerechtigkeit anwendbare Gebot aus: nicht zu streng, nicht schonungslos zu richten, auf daß nicht der Gesezgeber und der Richter durch ihre Herzenshärtigkeit ihr eignes Verdammungsurtheil aussprechen. Denn sind sie Christen, so sollen sie auch christliche Gesetzgeber und christliche Richter seyn, mithin die durch das

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