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des Wilden Gedanken und Motive unterzuschieben, die dieser noch gar nicht hat, weiss er die Vorgänge in den Vorstellungen des Wilden psychologisch so treffend zu zeichnen, dass er sein Werk mit Recht einen Beitrag zur Psychologie nennt, und mit nicht minderem Recht einen Beitrag zur Mythologie, insofern in dem Verständniss des Fetischismus, als der Ausgangsstufe der Religion, in der That das Verständniss des Wesens der Religion überhaupt enthalten liegt. Welchen Werth im Uebrigen die Betrachtung des Fetischismus nicht blos für das Verständniss der Religion, sondern auch für die Psychologie, für die richtige Kenntniss des Menschen und damit für die Erfassung einer gesunden Philosophie habe, hat dieser Verfasser vollständig erkannt, und ich brauche in dieser Hinsicht nur seine eigenen Worte anzuführen: „Eine Philosophie, sagt er, die sich nicht auf Psychologie begründet, ist ein Unding, denn wie kann man gesunde Resultate von einer Wissenschaft erwarten, der die Zusammensetzung des Instrumentes, mit dem sie operirt, nicht bekannt ist. Die Philosophie ist nicht sich selbst Zweck, ihr Zweck ist der Mensch. Bisher hat sie allerdings denselben kaum eines Blickes gewürdigt und ihn lieber nach ihren Phantasien gedacht, jetzt aber stellen sich ihr zwei Gehülfinnen dar, die das Darlehen ihrer Operationsmethoden reichlich vergelten werden: die Psychologie und die Mythologie. Das Feld derselben liegt noch brach und kaum ist hier und da der erste Spatenstich geschehen, denn ich verstehe unter Mythologie nicht die abgezogenen Systeme der Schulen oder die Ausschmückungen der Poeten, sondern die eigentlichen Volksreligionen, die überall aus der tiefen Sehnsucht der Menschennatur emporgewachsen sind. Die Geschichte der Mythologien, d. h. der Erscheinungsweisen, wie sich die religiösen Bedürfnisse in den Anfängen des erwachenden Bewusstseins zu verwirklichen streben, muss der Psychologie die Stelle der Experimente vertreten. Auf die Naturreligionen zurückgehend, werden wir einen Blick

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in die aufgeschlossene Werkstatt des arbeitenden Geistes thun und Schritt vor Schritt verfolgen können, wie die durch sinnliche Erfahrungen angeregten Gehirnfunctionen jene Begriffe erst schaffen, von denen die Philosophie, als gegebenen, aussetzt. So könnte der religiöse Ideenkreis des Fetischanbeters die Embryologie des menschlichen Geistes ersetzen, um die mechanischen Associationsgesetze der Vorstellungen zu verdeutlichen. Auch in der Psychologie haben wir vor Allem zu vergessen, auch hier haben wir auf den Beginn zurückzugehen; und vorläufig wird die Betrachtung des einfachsten Fetischdienstes lehrreicher sein, als alle idealistischen Wolkenflüge. Gerade je höher wir uns schon aufgeschwungen haben, je tiefer die Nächte der Barbarei unter uns liegen, desto dringender wird es, die versäumte Untersuchung derselben nachzuholen, ehe sie ganz aus den Augen entschwinden, denn je weiter man eine Leiter hinaufklimmt, desto gefährlicher würde es sein hinabzustürzen, und um so wünschenswerther ist es, sich selbst versichert zu haben, dass ihr Fuss auf sicherem Boden ruht. Erst seit den neueren Entdeckungen wurde wieder eine Gelegenheit gegeben, den Menschen in den einfacheren Verhältnissen seiner Existenz zu betrachten, aber bisher nur wenig benutzt. Die nach Europa gesandten Mittheilungen rührten von ungebildeten Schiffern oder bigotten Mönchen her und konnten in ihrer entstellten Form nur zu verkehrten Folgerungen führen. Gegenwärtig aber, wo sich die entfernteren Gegenden dem Reisenden mit Leichtigkeit aufschliessen, ist die Möglichkeit gegeben, auch unter den Wilden wissenschaftliche Beobachtungen anzustelleu, aber der günstige Augenblick wird rasch vorübergehen, da mit dem Eindringen höherer Lehren und dem Austausch der Ideen sich die Originalitäten bald verwischen müssen. So sollte man nicht säumen, wie die Museen mit Steinen und Pflanzen, so die Psychologie mit Begriffen zu bereichern, oder vielmehr mit primitiven Gedankenassociationen, von

denen sie vielleicht einige brauchbar finden mag, um sie unter ihre Bausteine aufzunehmen oder sich ihrer, als vergleichender Maasse, zu Illustrationen zu bedienen“ 1).

1) Afrikanische Reisen von Dr. A. Bastian. Ein Besuch in San Salvador, der Hauptstadt des Königreichs Congo. Bremen 1859. S. 322 ff. a. a. O.

Zweites Capitel.

Der Bewusstseinszustand des Wilden in logischer und ethischer Beziehung.

Unter Fetischismus versteht man die religiöse Verehrung sinnlicher Gegenstände. Soll nun der Mensch diese Gegenstände verehren, so müssen ihm dieselben vor Allem verehrungswürdig erscheinen, oder, was dasselbe sagt, er muss sie als verehrungswürdig vorstellen. Der Fetisch, z. B. ein Stückchen Metall, bleibt aber seiner äusseren Gestalt und seiner Wesenbeschaffenheit nach ganz dasselbe Ding, ob nun ein Europäer oder ein afrikanischer Neger es betrachtet. Es kann also dasjenige, welches das Ding verehrungswürdig oder zum Fetische macht, nicht in dem Dinge selbst, sondern nur in der Vorstellungsweise des Menschen davon liegen. Um das Wesen des Fetischismus zu verstehen, gilt es also, die Vorstellungsweise oder das Bewusstsein derjenigen Menschen zu untersuchen, welche Fetischisten sind. Der Fetischismus findet sich historisch bei denjenigen Völkern, die an geistiger Entwicklung noch am niedrigsten stehen, bei den sogenannten Wilden. Wir können also unsere nächste Aufgabe auch kurz so formuliren: Es gilt, den Bewusstseinszustand der Wilden zu verstehen. Wir

entwerfen daher zuerst das Bild des wilden Bewusstseins einmal in logischer, zweitens in ethischer Beziehung

I.

Das Denken des Wilden.

Der Mensch hat im Bewusstsein nur dasjenige, was er in Erfahrung gebracht hat. Sein Bewusstsein reicht also stets nur so weit, als seine von ihm in Erfahrung gebrachten Objecte. Und welche Objecte bringt er in Erfahrung? Diejenigen, welche er in seiner Welt findet. Sein Bewusstsein reicht also immer nur so weit, als seine Welt. Wir sagen: seine Welt, d. h. also diejenige Welt, welche er kennt, denn wir verstehen unter der Welt eines vorstellenden Wesens den Inbegriff seiner Objecte. Wir müssen also, um den Bewusstseinszustand eines Menschen zu verstehen, fragen, was an Objecten und was für Objecte dieser Mensch in Erfahrung gebracht hat.

Da das Bewusstsein nur die Vorstellungen haben kann, welche es aus seiner Welt schöpft, so muss sowohl die Beschaffenheit als die Zahl dieser Vorstellungen oder Objecte d. h. der empirische Inhalt des Bewusstseins, so verschieden sein, als diese Welt, in welcher sich der betreffende Mensch befindet, verschieden ist von der Welt eines andern Menschen. Der Vorstellungsinhalt eines Bergbewohners ist ein anderer, als der eines Seefahrers. Ein Eskimo hat andere Vorstellungen im Bewusstsein, als ein Hindu, so weit verschiedene Vorstellungen, als ihre Welten verschieden, und so weit gleiche Vorstellungen, als ihre Welten gleich sind. Auch die Zahl der Objecte ist so verschieden, als die Welt des Menschen verschieden ist. Die Zahl der Objecte eines Wilden ist ganz beschränkt, die Menge der Vorstellungen eines gebildeten Europäers unendlich viel grösser. Aus der

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