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ser führen. Es war das 9te Regierungsjahr des Tiberius, also das 23ste Jahr unseres Herrn, als plözlich das Schicksal des römischen Staats eine trübe Wendung nahm. Denn Tiberius selbst begann zu wüthen, und gab auch Wütherichen die Macht dazu. Der Urheber hieß Aelius Sejanus, der Gouverneur der kaiserlichen Truppen in der Hauptstadt, ein Vulsiner von Geburt, und Sohn des römischen Ritters Sejus Strabo, ein Mensch, der jeder Art von Unzucht ergeben war. Er fesselte bald durch mancherlei Künste den Kaiser so sehr, daß dieser, statt gegen Andre verschlossen zu sein, für ihn allein unbehutsam und unverdeckt ward (ut obscurum adversum alios, sibi uni incautum intectumque efficeret), und dies war nicht so sehr das Werk der Schlauheit, als bes sonders eine Wirkung des Zorns der Gottheit gegen das römische Wesen, zu dessen Verderben er lebte und unterging (non tam sollertia, quam deûm ira in rem Romanam, cujus pari exitio viguit, ceciditque). Sein Körper vertrug Anstrengung, sein Geist war verwegen, er verhehlte sich, war aber ein Verläumder Andrer, beides Heuchelei und Hochmuth eigeben, stellte sich äußerlich verschämt, doch im Innern saß die Sucht nach den höchsten Dingen (palam compositus pudor; intus summa adipiscendi libido). Die Macht seiner Gouverneurschaft, die vorhin nur mäßig war, dehnte er dadurch aus, daß er alle in der Stadt umher verlegten Regimenter in Ein Lager zusammenführte, damit sie auf Einmal die Befehle erhielten, beim Erblicken ihrer Zahl und Stärke aber größre Zuversicht zu sich selbst gewännen, den Uebrigen zum Schrecken. Er schüzte die Ausschweifungen des Militärs vor, während es vertheilt läge, und wenn sich plözlich etwas ereigne, könne man auf einmal mit größrer Hülfe zur Hand sein. Uebrigens würden sich die Soldaten mit mehr Ernst benehmen hinter den Wällen, und abgelegen (procul) von den Reizungen der Stadt. Als das Lager fertig war, wußte er sich allgemach in die Herzen seiner Untergebenen einzuschleichen, ernannte selbst die Centurionen und Tribunen, ja er nahm sogar an dem Werk des Senats Theil, und versah seine guten Freunde mit Ehrenzeichen und auswärtigen Aemtern (provinciis), und dabei war Tiberius ihm so gewogen, daß er nicht nur in Gesprächen, sondern vor Senat und Volk den Mitgenossen seiner Mühen lobte, und es gern erlaubte, daß dessen Bildern anf den Märkten und Theatern, wie in den Lagern der abwesenden Heere (legionum) Verehrung erwiesen ward. Aber die Zahl der Cäsaren im Palast, der Kaisersohn, und die erwachsenen Enkel des Kaisers hießen ihn fürerst mit seinem Plan noch warten, denn so viele auf einmal mit Gewalt zn verderben, war unsicher, die Arglist foderte Zwischenzeiten für seine Verbrechen. Doch schien ihm ein verborgner Weg der beste, mit Drusus müsse angefangen werden, auf den er seit jüngsthin erbittert war. Denn Drusus, der den Nebenbuhler

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nicht vertragen konnte, und leidenschaftlich war (animo commotior), war bei entstandnem Streit mit Sejan handgemein geworden, und hatte ihm Ohrfeigen gegeben. Sejan nun, der kein Mittel unversucht ließ, hielt es für ein sehr geräthes (cuncta tentanti promptissimum visum), wenn er sich an des Prinzen schöne Gemahlin Livia wende, deren Bruder der verstorbene Germanicus war. Entbrannt von Lust zu ihr, verführte er sie zum Ehebruch (hanc ut amore incensus, adulterio pellexit), und als er erst nur Eine Schandthat ihr abgewonnen hatte (ein Weib aber, die ihre Keuschheit weggegeben hat, ist auch zu andern Verbrechen fähig neque femina amissa pudicitia alia abnuerit), regte er sie an, die Vermählung mit ihm zu wünschen, nach Theilnahme an der Herrschaft zu streben, und ihren Mann aus dem Wege zu räumen (ad conjugii spem, consortium regni & necem mariti impulit). Sie aber, deren Oheim Augustus, deren Schwiegervater Tiberius war, die mit Drusus Kinder hatte, beschimpfte sich, sammnt ihren Vorfahren und Nachkommen durch einen Ehebrecher vom Lande her (municipali adultero). Ihr Günstling und Arzt Eudemus ward in das Geheimniß eingeweiht (sumitur in conscientiam), und wohnte oft unter dem Schein seiner Kunst den heimlichen Berathungen bei (specie artis frequens secretis). Sejan jagte seine Frau Apicata, mit der er 3 Kinder gezeugt hatte, fort, um die Buhlerin nicht argwöhnisch zu machen. Aber die Bedeutsamkeit des Vorhabens wirkte Furcht, Aufschub, zuweilen ganz veränderte Plane (sed magnitudo facinoris metum, prolationes, diversa interdum consilia adferebat). Als der Bösewicht endlich sah, daß er eilen müsse, ward Gift gewählt, das langsam tödtet, damit es scheine, als wenn Drusus von ungefehr krank geworden sei. Dessen vertrauter Bedienter Lygdus, den Sejan durch Unzucht für sich gewonnen hatte, ward zum Mörder seines Herrn gewählt, Drusus trank das Gift, starb aber erst nach geraumer Zeit 16). Vieles von dem, was ich bisher mitgetheilt habe, und was noch mitzutheilen ist, weiß ich wohl, mag kleinlich und gering erscheinen, weil meine Mühe ja eingeengt und ruhmlos ist 11). Doch es möchte nicht ohne Nuzen sein, in dasjenige hinein zu schauen, was auf den ersten Anblick unbedeutend ist, denn daraus gehen oftmals die Bewegungen großer Dinge hervor 162). Das ist aber gewißlich war, daß von dem Palast der beiden ersten römischen Kaiser und von dem sejanischen Standlager aus die ganze römische Menschheit völlig verdorben und zu aller Knechtschaft reif geworden ist. Durch die römischen Tyrannen auf ihren despotischen Thronen wurden

160) Ann. 4, 1-11. Ueber die kaiserliche Leibwache und das übrige Stadtmilitär ibid. cap. 5. 161) Ann. 4, 32 Nobis in arto, & inglorius labor. 162) ibid.

die Millionen römische Staatsbürger vereinzelt, nachdem die Einheit zerrisen war, und alle einzeln daran gewöhnt, auf die Befehle des Herrschers hinzulauschen 163). Aus seiner despotischen Macht kam die Furcht, die Furcht hemmte Wort und Gedanke, hieraus nach und nach die Schmeichelei, die Falschheit und die Geistesohnmacht der römischen Menschheit. Es ist nicht nöthig, und dieses Orts nicht möglich, die Regierun gen der folgenden Tyrannen durchzugehen, durch Augustus und Tiberius war das Römervolk - und damit auch die eroberten Länder, die ihre ganze Nationalität nach und nach mit ihrer Sprache verloren - auf den Weg des Unterganges gewiesen, wovon nach dem geschichtlichen Gesez der Völker keine Rückkehr und Rettung zu hoffen war. Alle römischen Kaiser waren Despoten, alle waren Tyrannen auf irgend eine Art, sie konnten auch nicht anders sein, denn sie wurden schon als Tyrannen geboren. Die Staatsgährungen freilich dauerten fort von der Zeit an als die Wahrheit auf vielfache Weise zertrümmert ward, zuerst durch Unbekanntschaft mit dem fremd gewordenen Gemeinwesen 164), hernach durch Lust zum Heucheln 165) oder durch Haß gegen die Tyrannen, bis auf die Gotten und auf Odowaker von der Ostsee, allein die niedergetretenen Menschenmassen der Römerwelt waren viel zu schwach, natürlich als Nömer, um das von den ersten beiden Kaisern Noms auf schrecklich kluge Weise gebaute eiserne Staatssystem zu durchbrechen. Was übrigens die kleinern römischen Tyrannen an diesem System zu festigen versäumten, das festigten solche um desto härter, wie der Muttermörder 166) Nero, der liederliche Nachtschwelger 17, unter dessen Scepter bei allem dem (nihilominus), wie Tacitus sagt, noch immer ein gewisser Schein von Regierung übrig blieb 168), oder Domitian, der schon ehe er an den Staatsgeschäften Theil nahm, durch Modelaster seine Herkunft zu erkennen gab 169), der durchtriebene Heuchler, der mit dem Gesicht zu lächeln pflegte, wann's ihm im Herzen ängstlich war 170), der Fürst, der die Tugenden haßte ), der Jähzornige, dessen Charakter eben so hartnäckig, als verschlossen war 172). Ich will noch etwas hinzufügen, und damit schließen, was der edle Hochtory Cornelius Tacitus von jener Zeit sprach, als das freie und nicht freche Wort ein Capitalverbrechen war 17), und

163) Ann. 1, 4. 164) inscitia reipublicae ut alienae Tac. Hist. 1, 1. 165) libidine assentandi. ibid. 166) Ann. 14, 18. 167) Ann. 13, 20. 25; 14. 2. 168) quaedam imago Reipublicae. Ann. 13, 28. 169) nondum ad curas intentus, sed stupris et adulteriis filium principis agebat. Tac. Hist, 4, 2. 170) ut Domitiano moris erat fronte, laetus, pectore anxius. Tac. Agr. 39. 171) infensus virtutibus princeps. Tac. Agric. 41. 172) Domitiani natura praeceps in iram et quo obscurior, eo irrevocabilior. Tac. Agr. 42. 173) Ann. 4, 34. 35; Agr. 2.

Fürsten alles Gute mit Gewalt vertilgten 174): „Wir haben wahrlich eine große Probe von Geduld gegeben, und wie die alte Zeit gesehen hat, was die unbeschränkteste Freiheit sei, so wir was die größte Knechtschaft, indem uns selbst der Verkehr der Rede und Antwort durch Häscher bes nommen ward (adempto per inquisitiones & loquendi audiendique commercio). Auch unser Gedächtniß selbst würden wir mit der Stimme verloren haben, wenn es eben so sehr in unsrer Macht stände, zu vergessen, als zu schweigen 175).

In dem Bishergesagten haben wir einen wiewol geringen Begriff von dem politischen Zustande des Römerstaats eben vor und nach Christo gegeben. Der unkundige Leser wird aus diesem Wenigen sich selbst seine Folgerungen machen können, mit Bezug auf die nachfolgenden Zeiten der römischen Kaiserherrschaft, wenn er in Erwägung zieht, daß ein so verzweifelter Zustand in der politischen Verfassung eines Staats schwerlich eine Wendung zum Bessern nimmt, am wenigsten, wo er sich findet bei den Völkern der alten Welt. Der Gelehrte aber, der aus eignem Studium schließen kann, wird wissen, daß es immer schneller mit der Kaiserherrschaft seinem Ende entgegengeht, je näher dem 5ten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung, und wer die römischen Schriftsteller von Tacitus bis auf Ammianus Marcellinus und Salvian von Massilien gelesen hat, dem wird bekannt sein, daß die Knechtschaft der Hauptstadt über den ganzen Römerstaat verbreitet war, daß das römische Sittenverderbniß immer weiter und tiefer riß, daß also alle eroberten Länder im Osten und im Westen, im Süden und im Norden das allgemeine Geschick der eigentlichen Römer theilen mußten. Aus diesen Gründen war es nothwendig, in diesem Werk einen solchen Blick auf die politische Geschichte Noms zu werfen, sowol mit Bezug auf die berühmteste Insel der Welt, als auf die Einbrüche der Nordlandshelden in fast alle Länder des Römerreichs, woraus der große noch nicht geendete Kampf der Freiheit mit der Knechtschaft folgte, des Geistes mit der Materie, des nordgermanischen Protestantisms mit Römer- und Keltenthum, des belebenden Princips mit dem vernichtenden, der Kampf, dessen Wunden noch die Römersprachen Italiens, Spaniens und Frankreichs tragen, welcher der Kampf im Teutburgerwald, der Kampf der Engländer bei Waterloo ist 176).

174) Agric. 2. 175) Tac. Agric. 2.

176) Das Studium der Geschichte der römischen Kaiserzeit ist nothwendig, um die der nordgermanischen Menschheit zu verstehen. Nur Wenigen ist das Studium aus Quellen vergönnt. Darum will ich hier 2 Werke nennen, die jedem Einsichtsvollen zu empfehlen sind, und die kein Gelehrter entbehren sollte. Das erste ist Gibbon History of the decline and fall of the Roman Empire,"

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Drittes Kapitel.

Die 6 ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt.

Nicht der Samniter und der Puner, auch nicht Hispanien und die Länder der Galen, ja nicht einmal die Parther haben öfter gewarnt. Denn schärfer als das Neich der Arsaciden, ist der Germanen Freiheit." So spricht der Verfasser der Germania 177), wo er von den Kimbern erzählt. Der Schrecken vor den Kimbern und den Theuten war vorüber, ihre Leichenhaufen lagen bei Air und bei Vercelli. Noch war bis auf die Geburt des Welterlösers den römischen Republikanern ein ganzes Jahrhundert übrig, um in grausenhaften Bürgerkriegen ihre militairische Monarchie, die tyrannische Kaiserherrschaft vorzubereiten, in welcher der Soldat mit seinem Degen Alles lenkte, und im ganzen Staate für das Größte galt. Auch in diesem Jahrhundert war es, als die römischen Adler mit dem Schrecken des römischen Namens (terrore nominis Romani. Ann. 4, 24.) vom Mittelmeer bis an die Nordsee drangen, und alle keltischen und belgischen Völkerschaften unterjochten von Narbonne bis nach Flandern. In der Folgezeit dehnten sie im Continent bis an das Harlemer Meer, und vom Niederrhein bis nach Elsfleth an der Weser ihre Macht aus, auf der Britteninsel aber von Cornwall bis an die Clydemündung, und von Dover bis an den nördlichsten Rücken von Drum Alban am Spey in Murray 178), Diese Erobrungen in Westen

das großartig in seiner Anlage ist. Der Gedanke des Großbrittaniers, ein solches Werk zu schreiben, ist das großartigste, die Darstellung ist meisterhaft, allein sie behüllt leider zu oft große Irrthümer, die Wenige zu merken im Stande find. Denn grade ausgesagt, das Studium des Verfassers war einer solchen Aufgabe nicht gewachsen, sein Geist allerdings. Jedoch wir müssen gestehen, daß kein andres Volk ein so rühmliches Werk der Art aufzuweisen hat. Das zweite ist die „Weltanschauung des Tacitus“ von Herrn Hofmeister (Direktor am Gymnasium zu Kreuznach). Wenn die Regierung des Tibers das Meisterwerk des Tacitus ist, so sagen wir mit Ueberzeugung, daß die „Weltanschauung des Tacitus" das Meisterwerk eines Filologen ist. Der Verfasser hat den Tacitus tief begriffen. Schon 6 Jahre find es, als ich dieses Buch las, und noch ist es mir lebhaft in Erinnerung. Auch die Idee, ein folches Werk zu schreiben, war großartig. Kein Schüler in lateinischen Schulen sollte mit Tacitus und mit der „Weltanschauung“ unbekannt bleiben. 177) cap. 37. 178) Agric. cap. 29 ad montem Grampium pervenit. Mons Grampius darf nicht durch Grampian (the Grampian Mountains) übersezt werden. Es ist der Gebirgszweig, der fich von dem Winkel zwischen den Landschaften Inverness, Aberdeen und Perth oder vom eigentlichen Grampian aus nordwärts zieht, und im

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