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EINLEITUNG

In Zeiten der politischen Gärung und Umgestaltung, wenn schon die äußeren Lebensumstände dem Einzelnen die Problematik des Daseins fast in jedem Augenblicke zum Bewußtsein bringen, findet der Individualismus und Subjektivismus seinen fruchtbaren Boden. Das Individuelle, Subjektive, sofern es noch nicht zur Allgemeinheit des Gesetzes durchgedrungen ist, wurzelt selbst im Problematischen. So ist das kräftige Betonen des Subjektiven in solchen Zeiten zumeist nur eine versteckte Ankündigung und ein Ausdruck der Sehnsucht nach neuer Lebenssicherheit, neuer Gemeinschaft. Die Fehler und Gebrechen der Sophistik lagen nicht darin, daß sie auf das Subjekt und den Einzelnen hinwies, sondern daß sie diesen an Stelle des Gesetzes, an Stelle der Gemeinschaft setzen wollte. Wenn sich alte Formen objektiver Existenz, in denen sich die Seele bis dahin wiederfand, auflösen und die neuen noch in der Bildung begriffen sind, irrt der geistige Blick leicht vom Ziele ab und verwechselt Problem und Lösung.

Wir haben im ersten Band die Entwicklung der religiössittlichen Anschauungen der Griechen von einem Zustand der Gebundenheit und des Autoritätsglaubens zur Autonomie des Bewußtseins verfolgt; aber wir erkannten auch in den Erscheinungen der Sophistik die Gefahren, welche auf diesem Wege drohen. Solange der Mensch sein Wohl und Wehe leidend und gläubig, sei es aus der Hand der Götter oder eines außervernünftigen Schicksals, empfängt, ist er sich gewissermaßen in seinem eigenen Wirken und Schaffen fremd. Der Gott, das Schicksal wirkt aus ihm. Wenn aber die Erkenntnis der Selbsttätigkeit erwacht; wenn die Einsicht aufgeht, daß des Menschen Gemüt sein Schicksalsdämon ist; - dann geht leicht der Blick für die Abhängigkeit des Einzelnen von der Allgemeinheit verloren. Das Individuum als solches scheint gleichsam die Stelle Gottes einnehmen zu können. Wir sehen dann,

Kinkel, Philosophie. II

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wie eine maßlose Überschätzung der Selbsttätigkeit, des bloßen Wirkens (im Gegensatz zum rezeptiven Empfangen des Autoritätsgläubigen) um sich greift. Im Zeitalter der Renaissance, welches die Fesseln des Mittelalters abwarf, bemerken wir so, daß die moralische Beurteilung selbst stillschweigt vor der Anerkennung einer kraftvoll wirkenden Persönlichkeit. Ein Cesare Borgia fand auch bei sittlich denkenden Zeitgenossen allein um seines rücksichtslosen kraftvollen Handelns willen Bewunderung. Und Thukydides hat uns aus dem Athen seiner Zeit in dem Verhalten der siegreichen Athener gegen die Bundesgenossen das politische, wie Plato das philosophische Gegenstück in der Figur des Sophisten Thrasymachus gezeichnet.

Empfindung, Gefühl und Leidenschaft, das Unsicherste, Ungewisseste, welches im Sein zu befestigen Aufgabe der Vernunft und des Willens ist, sollten selbst den Inhalt und die Gewißheit des Daseins bestimmen. Der Mensch, das Maß aller Dinge. Aber so war der Wissenschaft und Sittlichkeit, so waren der Philosophie und dem Leben durch die Sophistik in Wahrheit vielmehr aller Inhalt genommen. Die Sprache selbst, die vernunftentsprossene, ward ihrem Ursprung untreu, konnte und sollte nicht mehr alleine dem Ausdruck der Wahrheit und der Vernunft dienen. Schon Gorgias hatte gelehrt, sie dem Ohre gefällig, dem lauschenden Sinn erfreulich zu gestalten. Die Freude an der bloßen Form, die Gleichgültigkeit gegen den vorgebrachten Gehalt an Vernunft und Wahrheit nannte man nach Gorgias' Art der Redekunst direkt: ropriάZeiv.1 Aristophanes sagt: „Durch Worte wird der edle Geist dem Staub entrückt, fühlt sich gehoben, steigt empor." Sicherlich ist auch die Bewunderung der Macht der Rede berechtigt, solange nicht der ästhetische Schein das ernsthafte Wahrheitsinteresse erstickt. Aber man sehe sich daraufhin die Reden eines Isokrates und seiner Schüler an; allzuoft hat hier das Innerliche, der Gehalt sich an die schöne Form verloren. Dies ist auch unzweifelhaft eine der Nachwirkungen der Sophistik.2

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