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Isländers aus der letzten Hälfte des 12. Jhd. von Lokis Nachkommenschaft zusammen (Hyndl. 42, 43):

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In einer bitteren Satire hat ein Dichter die ganze Schlechtigkeit und Ungläubigkeit seiner Zeit gegeißelt und zu ihrem Vertreter den alten Götterfeind und Spötter Loki gemacht. Im tiefsten Innern hofft er freilich, daß der Unglaube seiner Tage vor der Wahrheit des alten Glaubens weichen werde: die Götter werden untergehen, aber mit ihrem Untergang ein neues goldenes Zeitalter heraufführen, und diesen Glauben. hält er für ebenso gut und schön wie die christliche Lehre von der Ewigkeit. So fordert er, trotz aller scheinbaren Lästerung, die er mit feiner, künstlerischer Erwägung lediglich dem Spötter Loki in den Mund legt, seine Zeitgenossen auf, dem hereinbrechenden Unglauben mit aller Macht entgegen zu arbeiten. Man darf daher die Gedanken des Gedichtes keineswegs verallgemeinern, man muß sie als wertvolle Äußerungen eines einzelnen Mannes auffassen; man darf nicht hinter jeder Schmähung einen mythologischen Kern suchen wollen, sondern man muß das ganze Gedicht als ein Zeugnis für die Art und Weise betrachten, mit der hervorragende Geister des sterbenden Heidentums ihre gute Sache zu retten und zu verteidigen suchten. Fast dramatisch mutet uns der Aufbau des Gedichtes an: wie scharfe Pfeile schleudert Loki seine Schmähungen gegen Götter und Göttinnen; dramatisch ist die Steigerung, die durch Lokis wachsenden Übermut hervor gerufen wird, bis er endlich der rohen Gewalt weicht. Aber eine,,Götterkomödie in einem Akt" ist es darum noch nicht. Sicher und fest ist Loki gezeichnet, beredt, lügnerisch und feig. Selbst der harmloseste Umstand kann von einem Lügner und Ehrabschneider so dargestellt werden, daß er wie ein Unrecht,

Herrmann, Nordische Mythologie.

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ja wie ein Verbrechen aussieht. Loki verspottet Ty, daß er seine rechte Hand eingebüßt habe; aber er verschweigt die aufopfernde Heldentat, durch die es geschehen ist. Ebenso grundlos, ebenso halbwahr oder unwahr und nur auf Verdrehung und Übertreibung beruhend sind die anderen Schmähungen, wenn wir auch nicht immer mehr ihre Grundlage erkennen können (Lokasenna):

Ægi hat die Götter eingeladen; nur Thor ist nicht erschienen, da er sich auf einer Ostfahrt befindet. Die Bewirtung ist ausgezeichnet, und die Stimmung der Gäste darum vortrefflich. Da erscheint Loki in der Vorhalle; vergebens verlegte ihm Eldi, Ægis Diener, am Eingange den Weg und warnte ihn vor der drohenden Rache der Götter: niemand unter den geladenen Göttern und Elben sei gut auf ihn zu sprechen. Aber das reizte gerade Lokis Trotz, höhnisch erwiderte er: er werde den Asen Ärger und Unlust bringen und ihnen gründlich die Freude am goldenen Mete verderben. Er verschmäht es, sich mit einem Diener in weitern Wortwechsel einzulassen und wendet sich dem Gelage zu. Als die Götter ihn an der Tür erblicken, verstummt ihr frohes Gespräch; frostiges Schweigen zeigt, wie wenig willkommen ihnen der ungebetene Gast ist. Mit bescheidenen Worten führt sich der Heuchler ein; seine Absicht, die Götter zu schmähen, läßt er nicht merken; er bezeichnet sich als durstigen Wanderer, der, nur um einen Labetrunk bittend, die jedem Fremdlinge gern gewährte Gastfreundschaft in Anspruch nimmt. Das weitere, verletzende Schweigen der Götter reizt seinen verhaltenen Grimm, wenn er sich auch noch immer Mäßigung auferlegt: entweder solle man ihm einen Sitz anweisen oder ihn mit deutlichen Worten fortschicken. Die Götter wollen es vermeiden, die selbst dem Todfeinde gewährte Gastfreundschaft zu verletzen, nur Bragi, der wohl, wie er König Hakon in Walhall begrüßt hat [S. 284], das Amt hat, die Gäste willkommen zu heißen, schlägt ihm rundweg seine Bitte um einen Platz an der Tafel ab. Da wendet sich Loki, immer noch die Formen des Anstandes wahrend, unmittelbar an Odin und erinnert ihn an die uralte Brüderschaft und an jene Zeiten, da der Göttervater geschworen, nur mit ihm gemeinschaftlich die Freuden des Gelages genießen zu wollen. Diese Berufung ist nicht vergebens. Odin befiehlt Widar aufzustehen und Loki den Platz einzuräumen; denn von dem starken, aber schweigsamen Sohn erwartet er mit Recht stille Nachgiebigkeit. Widar erhebt sich und schenkt Loki ein. Bevor er aber trinkt, stattet er, scheinbar freundlich, den Göttern und Göttinen seinen Dank für den ihm gewährten Sitz ab, indem er ihnen zutrinkt; dann aber entsendet er seinen ersten Pfeil, indem er ausdrücklich betont, daß dieser Gruß nicht Bragi gelte. Bragi fürchtet Lokis boshaften Charakter und bietet freiwillig, aber eines Recken wenig würdig, Buße für seine Worte. Aber hat er vorher den händelsüchtigen Loki durch seine Schroffheit gereizt,

so fordert er ihn durch seine unzeitige Nachgiebigkeit nur noch mehr heraus: ein so unkriegerischer, feiger Mann, wirft ihm Loki vor, wie Bragi, werde schwerlich Überfluß an Roß und Waffen haben; während andere kämpften, ziere er die Bänke. Da legte sich Idun, Bragis Gattin, ins Mittel und beschwört ihn, sich nicht mit Loki in ein Gezänk einzulassen. Nichts wirkt auf den Streitenden verletzender, als wenn seinem Gegner zugerufen wird: laß dich nicht mit dem ein! In der Tat kommt jetzt Lokis Grimm zu voller Entladung. Aus "bloßer Schmähsucht wirft er den Göttern die schandbarsten Ereignisse ihrer Vergangenheit vor, mit unfehlbarer Sicherheit weiß er bei jedem den wunden Punkt zu treffen. Die Göttinnen Idun, Gefjon, Frigg, Freyja, Skadi und Sif beschuldigt er der Buhlerei und rühmt sich bei Tys Gattin, Skadi und Sif selbst ihre Gunst genossen zu haben. Mit cynischer Offenheit prahlt er vor Skadi, sich bei dem Tod ihres Vaters besonders hervorgetan zu haben, und in dramatischer Steigerung gesteht er Frigg, daß er es gewesen sei, der Baldrs Rückkehr von Hel hintertrieben habe. Keiner von den Göttern kann sich mit Loki im Wettstreite messen; er übertrifft an Witz und Schlagfertigkeit alle, selbst Odin, den Gott der Redegewandtheit und Klugheit.

Den Höhepunkt erreicht die Handlung, als Sif, Thors keusche Gattin, Loki einen Becher Met zu trinken bietet und ihn bittet, wenigstens sie mit seinen spitzen Reden zu verschonen. Aber trotz dieses freundlichen Entgegenkommens wird sie beschuldigt, mit ihm selbst dem Gatten die Treue gebrochen zu haben. Kaum aber hat Loki den Namen des Donnerers ausgesprochen, da setzt die Peripetie ein, und jäh folgt die Katastrophe. Die Berge dröhnen, der Donnergott ist auf seinem Wagen heimgekehrt und stürmt in den Saal, um den Schändlichen endlich zum Schweigen zu bringen. Daß Thor die Lage beherrscht, zeigt sich sofort, indem er Loki ,schweig', elender Wicht!" zudonnert und droht, ihm mit seinem Hammer den Mund zu schließen und die Knochen zu zerschlagen. Zwar kann Loki auch gegen ihn sich nicht der verkleinernden Spottreden enthalten, aber er hat doch offenbar Angst und Achtung vor ihm, und vor ihm allein tritt er den Rückzug an: er weiß, daß Thor auch wirklich zuhauen wird. Er verläßt Egis Halle, doch nicht, ohne dem Gastgeber alles Unheil zu wünschen: niemals wieder solle er ein Fest veranstalten, all seine Habe solle in Flammen auflodern. Mit dieser Hindeutung auf seine eigene verderbte Natur und den Weltbrand verschwindet er.

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Ull ist der Sohn der Sif, Thors Stiefsohn. Er ist im Bogenschießen und im Schneeschuhlaufen so tüchtig, daß niemand darin mit ihm wetteifern kann. Schön ist er von Ansehen und besitzt alle Vorzüge eines Kriegsmannes; darum ist es auch gut, ihn in Zweikämpfen anzurufen (Gg. 31). Von Eibenholz wurden die Bogen gefertigt, im Eibental hat sich

Ull in der Vorzeit die hohe Halle gebaut (Grímn. 5). Er ist der BogenAse, mit dieser Waffe zieht er als Jagd-Ase auf die Schneefelder und Schneeberge zur Jagd aus.

Wie die Göttin Skadi eine treffliche Bogenschützin und Schrittschuhläuferin ist, so schnallt sich Ull in Norwegen zur Winterszeit die Schneeschuhe unter oder bedient sich in Dänemark primitiver Schlittschuhe aus Renntierknochen. Die Sage berichtet, daß er ein so geschickter Zauberer gewesen ist, daß er sich zur Überschreitung der Meere eines Knochens, auf den er Zaubersprüche eingegraben, wie eines Schiffes bediente und mit ihm eben so rasch wie mit dem Ruder die hemmende. Wasserflut vor ihm überwand (Saxo 81). Unglaublich ist die Vorstellung, daß er auch seinen Schild als Fahrzeug benutzt habe. Ull wird als der Schild - Ase bezeichnet (Sk. 14), der Schild heißt auch Ulls Schiff (Sk. 46). Man sollte er warten, daß Schneeschuhe oder Schlittschuhe Ulls Fahrzeug genannt würden. Nun aber bedeutet das gebräuchlichste nordische Wort für Schneeschuh zugleich auch „Brett, Schild“. Die Annahme ist sehr wahrscheinlich, daß die dichterische Bezeichnung,,Ulls Schneeschuh" in einer Gegend, wo Schneeschuhe nicht gebräuchlich waren, irrtümlich als Schild aufgefaßt, und daß dafür das gangbarere Wort für Schild einge setzt wurde. Auch die Benennung Schild-Ase meint eigentlich den Schlittschuhgott.

Trotzdem die Edda nur diese wenigen Züge von Ull zu berichten weiß, muß er immerhin ein hoher Gott gewesen sein. Als Odin von Geirröd zwischen zwei Feuern gemartert wird, verspricht er dem Ulls Huld und die aller Götter, der zuerst ihn aus seiner qualvollen Lage befreit (Grímn. 42). Gudrun verflucht Atli bei Odins Berg und bei Ulls Ringe (Atl. 31). Auffallend groß ist die Zahl der nach Ull benannten Ortsnamen z. B. in Schweden Ullevi (Uppland und Vestmanland); in Norwegen begegnet sein Name mindestens 13 mal; zwei Gehöfte am Sognefjord heißen Ydal (Eibental).

Was Saxo von Ollerus berichtet, entspricht durchaus der hohen Stellung, die Ull im Norden eingenommen haben muß. Schon der Name läßt keinen Zweifel, daß Ollerus der mythi

sche Ull ist; noch deutlicher spricht dafür Saxos Erzählung von den Schlittschuhen aus Knochen, auf denen Ollerus über das Meer fährt.

Nachdem Odin die Rinda überwältigt hatte, wurde er von den Göttern verstoßen, weil er den erhabenen Glanz seiner Göttlichkeit befleckt hatte. Sie nahmen ihm auch jede gewohnte Ehre und jedes Opfer und wiesen ihn ins Elend. An seine Statt wählten sie den Ollerus, nicht allein zur Nachfolge in der Herrschaft, sondern auch in der Göttlichkeit; sie gaben ihm auch den Namen Odin. Ungefähr zehn Jahre lang führte Ollerus die Leitung der Götter. Da schien endlich Odin den Göttern, die die Härte seiner Verbannung bemitleideten, genug der schweren Strafe getragen zu haben. Odin vertauschte nun wieder seine häßliche Erniedrigung mit der früheren glanzvollen Stellung. Ollerus aber ward vertrieben, er ging nach Schweden, um dort seine Verehrung weiter auszubreiten, wurde jedoch von den Dänen erschlagen (Saxo 81/82).

Von einem anderen Zauberer, der ebenfalls einen an Odin erinnernden Namen, Mitothin trägt, und von einer zweiten Verbannung Odins weiß abermals Saxo zu erzählen:

Frigg hatte von der goldenen Bildsäule ihres Gemahls Gold entwendet und war ihm untreu geworden. So zweimal von der Gattin mit Unbill behandelt, ging Odin freiwillig in die Verbannung. Während seiner Abwesenheit machte sich ein gewisser Mitothin, angesehen durch seine Zaubereien, zum Gott. Als aber Odin zu Reich und Gemahlin zurückkehrte, war es für ihn mit seiner Zauberei zu Ende. Er entfloh nach Finnland und wurde getötet. Odin aber erlangte seinen früheren Ruhm fleckenlos wieder und zerstreute die Zauberer wie eine dunkle Wolke durch den Glanz seiner göttlichen Majestät (Saxo 25, 26).

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Mitothin ist kein Eigenname, sondern ist mitođinn. aisl. mjotudr der Richter, die Entscheidung bestimmende, also eine Bezeichnung für einen Gott, höchst wahrscheinlich. für Ull.

Die Geschichte von Odins zeitweiliger Verdrängung durch Ollerus-Ull oder Mitothin wird gewöhnlich als ein Jahreszeitenmythus erklärt. Der Winter ist der Tod des Naturlebens. Odin der Todesgott ist auch Wintergott. In Ull, der Odins Sohn genannt wird, ist diese Eigenschaft zum selbständigen Gotte entwickelt worden. Sein Name wird als der Herrliche, Majestätische gedeutet. Weil man sich den Wintergott im hohen Norden heimisch dachte, da wo die Finnen oder Lappen hausten, tritt Ull wie Skadi ganz in der äußern Erscheinung

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