ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Von dem Schafte des Kreuzes geht ein in drei Blättern endigender Zweig nach jeder Seite aus. Den Kreuzesstamm faßt eine Hand gerade unter dem Kreuze. Auf der linken Seite des Stammes sieht man unter dem Zweige ein langgestrecktes Tier mit langem Schweif und aufrechtstehenden Ohren, dessen Maul gegen den Zweig gerichtet ist, wohl ein Eichhörnchen. Darunter sind zwei Vögel, der eine unter dem andern, rechts befindet sich ein Adler, der wie die beiden andern den Schnabel vom Stamme weg richtet. Darunter umfaßt ein Drache, den Kopf nach unten, mit seinen Kinnladen das unterste Ende des Stammes, um die Wurzel durchzubeißen. Wir finden also den Drachen, den Adler, den Habicht und das Eichhorn, außerdem noch einen dritten Vogel, jedenfalls dieselben Tiere, die in der späten isländischen Dichtung auf Yggdrasil erwähnt werden; es fehlen der Hirsch und die Ziege.

Nicht unbedingt nötig ist die Annahme, daß die Vorstellung von Nidhögg, der an Yggdrasils Wurzel nagt, durch das Christentum hervorgerufen sei, durch die Schlange, die an der Wurzel des Baumes der Erkenntnis oder am unteren Ende des Kreuzes nagt (S. 59). Auch das Märchen erzählt von einem herrlichen Baume, der verdorrte, weil an seiner Wurzel eine Maus nagte, und von einer Quelle, die versiegte, weil eine Kröte ursprünglich wohl eine Schlange einem Steine im Brunnen lag (K. H. M. Nr. 29; über die Ziege Heidrun und den Hirsch vgl. S. 280).

Untergang und Erneuerung der Welt.

unter

Man hat gewiß mit Recht angenommen, daß der Glaube an den künftigen Weltuntergang durch Feuer seine Ausbreitung über die germ. Welt nur in der Form einer Verkündigung und Prophezeiung gefunden hat. Dieses letzte Schicksal der Götter, ihren Untergang und damit das Weltende bezeichneten die Nordleute als die Ragnarök (Nom. pl. das Göttergeschick, Götterende), späteres Mißverständnis sagte dafür irrtümlich Ragnarökkr (Nom. sg. die Götterdämmerung), d. h. die nächtliche Dämmerung, die über die Götter hereinbricht. Den bevorstehenden Untergang der alten Götterwelt, wie er im tieferen religiösen Glauben von früher her ausgebildet oder doch vorbereitet war, schildert von allen Eddaliedern (Vafp. 17, 44-53, 54-55, 39; Grímn.

17, 23; Lok. 39, 41, 42, 44; Baldrs dr. 14; Fjølsv. 14; Sigrdr. 19; Fáfn. 14/5) und Skaldenliedern (Em, Hkm, Snt 24, 25; vgl. Saxo 262; s. o. S. 297) am ergreifendsten das Gedicht, „der Seherin Weissagung" (Voluspá). Bei aller Bewunderung der meisterhaften Gruppierung und der dramatischen Steigerung des Stoffes, der tiefsinnigen Verknüpfung der einzelnen Begebenheiten, der sittlichen Hoheit der Auschauung und der erschütternden Sehnsucht nach Frieden darf man nicht übersehen, daß es die erhabenen Gedanken eines einzelnen, gottbegnadeten Dichters sind, nicht die des gesamten Volkes. Blutenden Herzens sieht er den Verfall der alten Götterherrlichkeit und den unwiderstehlichen Siegeseinzug der neuen Lehre. Da will er noch einmal den alten heiligen Glauben rein und unverfälscht den Zeitgenossen vorführen, zusammenfassen und erklären, was er an tiefen und erhabenen Gedanken enthält; er will den Bekehrern zeigen, daß der heidnische Glaube keinen Vergleich mit dem eindringenden fremden zu scheuen braucht: einen jüngsten Tag, eine Wiedergeburt, eine Auferstehung von den Toten lehrt auch seine Religion wozu also das bewährte Alte aufgeben?

Mit dem Erscheinen der Nornen ist das Schicksal und dadurch das Unheil in die Welt gekommen. Nicht nur die Menschen sind ihm unterworfen, sondern auch die Götter; sie haben mannigfache Einbußen erfahren und Konflikte heraufbeschworen, die ihnen verhängnisvoll werden sollen. Das Auftreten der Nornen vor der Tötung der Hexe Gullweig und dem Wanenkriege deutet Mord und Unheil an, wie das der streitgerüsteten Walküren. Das goldene Zeitalter ist vergangen, der erste Totschlag ist verübt, der erste Krieg entbrannt, und seine Folge ist der erste Eidbruch, begangen an dem riesischen Baumeister. Beim Weltende rächt sich das an dem Riesen verübte Unrecht, denn dann stehen die Riesen in den Reihen der Gegner der Götter. Der Weltenbaum ist von feindlichen Gewalten gefährdet. Verhängnisvoll wird den Göttern auch der Handel, den Odin mit Mimi geschlossen hat, die Verpfändung seines Auges. Verhängnisvoll für Frey ist der Verlust seines goldenen Schwertes und für Ty die Preisgabe der rechten Hand. Aber die verhängnisvollste Einbuße für die Götter ist der Tod Baldrs. Mit der Fesselung Lokis haben sich die Götter einen neuen grimmigen Feind gemacht: mit den Hel-Dämonen wird Loki am jüngsten Tage gegen die Götter heranziehen so weist auch dieser Konflikt auf das Weltende hin. Da trifft der Göttervater seine Gegenmaßregeln: er macht den Fenriswolf, die Midgardsschlange und die Hel unschädlich,

er nimmt tapfere Helden nach ihrem Tode bei sich in Walhall auf, er sucht Weisheit und Wissen zu erwerben, selbst unter den größten Gefahren und Opfern. Abwehren kann er das Verhängnis nicht, aber aufhalten: in Bereitschaft sein ist Alles.

So bringt der Dichter die Schicksale der Götter aus der Vergangenheit in geschichtlichen Zusammenhang. Baldrs Tod und Lokis Fesselung freilich reichen bereits in die Gegenwart hinein und gehören zu den Vorzeichen des bevorstehenden Weltunterganges.

Die Wölfe werden geboren, von denen einer das Himmelslicht verfolgt und den Sitz der Götter mit Blut rötet; Sonnenfinsternisse treten ein, und alle Wetter werden übelgesinnt. Die Götter und ihre Gegner sind ängstlich auf der Hut. Wo das Reich der Riesen den Wohnsitz der Menschen berührt, hält der Grenzwart Eggther Ausschau nach Süden zu den Menschen und nach oben zu den Göttern. An der Grenze von Muspellsheim, dem Lande der Feuerriesen, sitzt Surt, das glühende Schwert in der Hand. An dem Höllenflusse hält der furchtbare Hund Garm die Wache, um die von ihm Behüteten zur Abwehr aufzurufen. Bei den Göttern aber ist Heimdall der Wächter und sitzt am Rande des Himmels, und wenn er auch weniger Schlaf bedarf als ein Vogel und Tag und Nacht gleich gut sieht, so wird sich doch Loki seines Schwertes bemächtigen oder einen Waffentausch mit ihm bewirken, und wenn er auch das Gras und die Wolle auf den Schafen wachsen hört, so wird er doch erst ins Horn stoßen, wenn das Riesenland bereits im vollen Aufruhr ist. Ein weiteres und immer drohenderes Vorzeichen ist das Krähen der Hähne in den drei Reichen, der Riesen, Götter und der Hel: über dem riesischen Wächter, der sich übermütig ein Lied zur Harfe singt, läßt der schönrote Hahn seinen gellenden Ruf erschallen; ob den Göttern kräht Gullinkambi, die Helden in Heervaters Halle zu wecken; in den Räumen der Hel kräht der Hahn mit rußbraunem Gefieder. Zum erstenmal ertönt das laute Bellen des Höllenhundes Garm: es ist die letzte, eindringlichste, schauerliche Mahnung zur Wachsamkeit. Wehe, wenn der Fenriswolf die Fesseln zerreißt, mit denen ihn die Götter gebunden haben!

Wohl mag der Dichter aus der zeitgenössischen Geschichte. die traurige Gewißheit entnehmen, daß die Schrecken des Weltendes nicht mehr fern sind, daß er vor der Katastrophe steht. Die Söhne König Haralds des Haarschönen kämpfen um die Macht, Eirik Blutaxt hat mehrere (fünf oder sechs) von seinen eigenen Brüdern aus dem Wege geräumt, teils im Kampfe, teils auf andere Weise; den Brudermörder nennt darum das entrüstete Volk,,Blutaxt“ (S. 5).

Unauslöschlichen Eindruck mußten diese blutigen Brüderfehden gerade der Königsfamilie auf die Zeitgenossen machen. Voll Schmerz und Zorn ruft der Dichter aus:

Brüder befehden sich und fällen einander, die Bande der Sippe achten Schwesterkinder nicht mehr. Zucht und Sitte verfallen, der Weltuntergang muß nahe sein. Arg ist es in der Welt, viel Ehebruch gibt es; nicht einer der Menschen wird den andern noch schonen. Noch im 12. Jahrh. wird der Eintritt des Weltuntergangs an die Auflösung der ersten Grundlagen der sittlichen Welt angeknüpft: sehr schlimm geht es in der Welt zu; der Sohn kennt seinen Vater nicht, und so machen die Söhne ihre Väter zu Hahnrein: die Menschen kennen ihre Verwandten nicht [Merlinus spa]. Denn die sittliche Ordnung des öffentlichen wie des besonderen Lebens der Einzelnen ruhte bei den Germanen ganz und gar auf dem Grunde der Familie. Wenn die Familie zerrüttet ist, fehlt auch dem öffentlichen Leben aller Halt: jeder spricht und tut, was er will, keiner schont des andern. Hart, gewaltsam, wild und schrecklich ist die Zeit; Schwertzeit, Beilzeit heißt sie darum. Der sittlichen Verwilderung entspricht die Verwilderung der Natur. Ein Schneesturm ist wohl die grauenvollste Naturerscheinung des nordischen Winters. Eisige Winde tosen über das Land das ist die Windzeit, Sonne und Mond werden verfinstert das ist die Wolfszeit. So kündet sich der letzte große Winter an. Aus allen Himmelsrichtungen stellt sich Schneegestöber ein, scharfer Frost und Sturm, und der Sonne versagt ihr Schein. Aus drei aufeinander folgenden Wintern besteht der lange Winter, und kein Sommer trennt sie (Vafpr. 44; Hyndl. 44; Gg. 51). Allgemeiner Aufruhr, Ratlosigkeit und Unsicherheit herrscht vor der Katastrophe.

Mimis Söhne, die Riesen (oder die Gewässer?) geraten in unruhige Bewegung, und sobald sie übermütig werden, stößt Heimdall, der die Götterbrücke gegen sie bewacht, schmetternd in sein Horn. Das Ende bricht an, die Entscheidung tritt ein. Noch einmal redet Odin mit Mimis Haupte, um sich Rat zu holen und erfährt, was unabwendbar bevorsteht. An seiner Fessel reißt und zerrt der Fenriswolf; seine furchtbaren Anstrengungen, von den Banden loszukommen, lassen die Erde erbeben und den. Weltenbaum rauschen. Entsetzt sind die Helleute über das Wüten des Tieres, und die Wut des Ungetüms und das Entsetzen seiner Umgebung, der Helbewohner, legt sich erst, als die Fessel ausgedehnt ist. Vor den Ritzen, die in die Berge führen, stöhnen die Zwerge: sie können die Eingänge jetzt nicht mehr finden, obwohl sie sonst kundig der Felswände sind.

Zum zweitenmal heult der Höllenhund laut auf, um zum Vorgehen der höllischen Mächte aufzumuntern, aber auch vor wilder Freude über das Loskommen des Wolfes. Denn das ist das Hauptmerkmal dafür, daß die Zeit der Ragnarök gekommen ist; sein Losbrechen ist die Vorbedingung zum allgemeinen Aufbruche der Weltmächte und zum Umsturze dieser Welt

(Grímn. 23, Hyndl. 45; vgl. Em. Hkm.). Nach anderer Auffassung bricht der jüngste Tag mit dem Freiwerden Lokis an (Baldrs dr. 14).

Eingeleitet wird die eigentliche Katastrophe mit dem Anmarsche der Feinde.

Ihre Führer sind Hrym „der Kraftlose", Loki mit dem Fenriswolfe, und Surt, der Herrscher der Feuerwelt. Hrym kommt von Osten, d. h. dem Hauptgebiete der den Göttern feindlichen Riesen; er führt die Riesen zum Kampfe gegen die Götter; mit vorgehaltenem Schilde, zum Kampfe bereit, steht er mutig da, mit der Rechten lenkt er das Steuer des Leichenschiffes. Die Riesenschlange windet sich ihm zur Seite und schlägt die Wogen im Riesenzorne, die Brandung peitschend mit dem Schweife, und dadurch entsteht eine große Flut. Durch diesen hohen Wogengang ist das Totenschiff Naglfar flott geworden. Darüber krächzt der riesische Windadler Hräswelg; die Leichen zerreißt der Schnabelfahle. Ein anderes Schiff schießt von Norden daher, Muspells Söhne (der Fenriswolf und die Heldämonen? a. L.: die Leute der Hel) kommen übers Meer gesegelt; der Fenriswolf führt das Schiff, und Loki steuert es. Aus seinen Kiefern hat Fenri das Schwert gespieen, das Ty, seinen Arm dabei opfernd, ihn bändigend als Keil in den Rachen gezwängt hat: Feuer glüht ihm aus Augen und Nüstern, mit klaffendem, bluttriefendem Rachen fährt er einher, daß sein Oberkiefer den Himmel, der Unterkiefer die Erde streift und wenn noch mehr Raum vorhanden wäre, er sperrte noch weiter den Rachen auf. Von Süden aber kommt Surt mit dem Feuer einher, hell leuchtet der Glanz seines Schwertes, aus den Erdspalten brechen Feuerflammen hervor. Bei seinem Erscheinen schlagen die Steinfelsen zusammen, und die Bergriesinnen verlieren das Gleichgewicht und kommen zu Falle. Hel schlingt die Menschen, großes Sterben tritt ein. Da birst des Himmels eherne Wölbung entzwei, geschmolzen von Glut oder gesprengt von dem dröhnenden Lärme, und als die Feuersöhne über die Regenbogenbrücke reiten, gerät sie in Brand und zerbricht.

Nach altgermanischem Brauche ist Ort und Zeit des Kampfes zwischen den Göttern und ihren Widersachern vorher vereinbart.

Wigrid (Feld des Kampfes) heißt das Feld vor Walhall, das zur Walstatt bestimmt ist; hier treffen sich zum Kampfe die seligen Götter und Surt; hundert Meilen mißt es im Geviert (Vafpr. 18; Fáfn. 15). Kampfgerüstet eilen die Götter und Einherjer dahin. Der Götterkönig, den goldenen Helm auf dem Haupte mit den gewaltigen, vorgesträubten Adlerflügeln, den Speer Gungni in der Hand, fliegt sausend wie ein Windstof voran, ihm folgen die andern, aus ihren Hallen und Wohnungen stürmend. Auch die Göttinnen scheuen den Flug der Speere nicht, die Walküren brausen auf lichten Rossen einher; schier zahllos ist die Schar der

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »