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„Stimmen aus Zion" enthalten viel schöne Empfindungen; überhaupt war seine Mystik nichts weiter als unfertige Poesie.

Daß Francke für diese Keßereien Partei nahm, gab um so größern Anstoß, da die Bedeutung Halle's im Wachsen war: der Hof hatte beschlossen, die Ritteracademie zu einer wirklichen Universität zu erweitern.

Die Stadtpfarrer in Halle lärmten gegen den „Winkelprediger“, der ihnen die Beichtkinder abspenstig machte. Aber Francke griff durch; er zwang mit schonungsloser Energie seine verwilderte Gemeinde in die kirchliche Ordnung, predigte Buße und hielt erbauliche Hausversammlungen, zu denen von allen Seiten die Freunde zuströmten: Petersen, die Asseburg u. s. w. Endlich stiftete Seckendorf als kurfürstlich brandenburgischer Commissarius eine Aussöhnung, die 16. Dec. 1692 von allen Kanzeln verlesen wurde. An demselben Tage zog der berühmte Jurist Samuel Stryk, als erster College des Thomasius, „unter Pauken und Trompeten" in Halle ein. Danckelmann that alles Mögliche für die neue Universität. Zwei ausgezeichnete Mediciner wurden gewonnen, Stahl und Hofmann, der lettere Leibniz' besondrer Freund. Professor der Beredsamkeit war Cellarius, dessen Handausgaben der Classiker berühmt waren. Ein junger Theolog aus einer alten französischen Familie, Buddeus, vertrat die strengere Gelehrsamkeit. An Stryk und Thomasius schlossen sich im Lauf der nächsten Jahre jüngere Juristen von hervorragender Bedeutung an: Hieronymus Gundling, Just Henning, Böhmer, P. Ludewig. Nach manchen Schwierigkeiten seßte Danckelmann in Wien 14. Oct. 1693 für die Universität ein kaiserliches Privilegium durch. So wurde Halle ein rechter Brennpunkt der geistigen Bewegung, in welcher sich die aufgeklärte Richtung des Thomasius und der Pietismus Francke's wunderlich durchkreuzten; ja durch seinen Einfluß auf die jüngern Pietisten brachte es Thomasius allmälig dahin, daß diese excentrisch fromme Gesinnung in ihrem Widerspruch gegen den Zunftzwang der Rechtgläubigen zu Consequenzen getrieben wurde, die nicht weit von den leßten Resultaten der Aufklärung ablagen. Der Empirismus, der die Aufklärer und die Pietisten zuerst zusammengeführt und sie zum Kampf gegen die schulgerechten Formeln der Facultäten veranlaßt hatte, machte sich auch in den Endresultaten geltend.

Es war ein nicht unwesentliches Motiv für den Fortschritt des Pietismus, daß er auch dem weiblichen Geschlecht Gelegenheit bot, sich im kirchlichen Leben geltend zu machen. Durch Aufhebung der Ohrenbeichte war den Frauen der interessanteste Theil ihrer religiösen Beschäftigung entzogen: sie hatten nun Niemand mehr, den sie mit dem Roman

ihres Herzens unterhalten konnten. Luther hatte das irdische Weib als Hausfrau in seine Rechte eingesetzt, aber das ideale Weib, die Himmelskönigin, Jungfrau und Mutter, hatte er vom Thron gestoßen, und ihren ganzen himmlischen Hofstaat verabschiedet. Mulier taceat in ecclesia! Das galt, so lange die Lehre die Hauptsache blieb. Nun ging man aber auf eigne Erfahrungen aus, auf Erweckungen und Herzensstöße, und darin ist das weibliche Nervensystem bei weitem fruchtbarer. Das hatten die Frauen zu ihrem Schaden erfahren, als man alle Erscheinungen der Art dem Einfluß des Teufels zuschrieb, und ihre Träger in die Marterkammer und auf den Scheiterhaufen schickte; jest änderte sich die Physiognomie der Einbildungskraft, die Geister zeigten ein füßes, ein zärtliches Gesicht.

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Man würde sehr fehlgreifen, in dieser Beziehung der Pietisten zum schönen Geschlecht wenigstens damals etwas Unlauteres zu suchen. Spener, von früher Jugend auf unter Frauen aufgewachsen, hatte gleichwohl die Besorgniß, sein natürlicher Ernst möchte ihn hindern, einer jungen Frau so liebreich zu begegnen als sie verlangte, und nahm sich vor, eine Wittwe zu heirathen, damit es ihr leichter werde, sich an ihn zu gewöhnen. Das geschah nicht, aber er sah bei der Wahl der Gattin (im 29. Jahr) hauptsächlich auf die soliden Eigenschaften, und rühmte ihr nach, daß sie ihm alle Haushaltungssorgen abnahm und der Kinderzucht die Ehe war sehr fruchtbar verständig vorstand. Das war die Regel. Ein andrer Pietist, Joachim Lange charakterisirt nach sechzehnjähriger Ehe seine Gattin in folgender Grabschrift: „Der Geist Jesu Christi verleidete ihr diese Welt schon in ihrem zartesten Alter, und ihre Liebe zum Heiland wurde so brünstig, daß sie ihn schon in den Spieljahren um eine selige Heimholung fehnlich gebeten, und zuweilen ge=" meint, sie würde ihrer Bitte gewährt werden. Wenn sie zu den gewöhnlichen Weltlichkeiten angelockt wurde, ließ sie sich, vermöge der in ihr wohnenden züchtigenden Gnade, nicht davon beflecken." — Francke heirathete 4. Juni 1694, eine Adlige, gegen den heftigen Widerspruch der Verwandten; es war eine gute, gesegnete Ehe, obgleich die beiden harten Köpfe zuweilen unsanft aneinanderstießen: noch nach der silbernen Hochzeit kam es beinahe zur Trennung! Abgesehn von den gottseligen Gedanken klingen übrigens die noch erhaltenen Brautbriefe dieser Männer grade so wie die andrer Leute.

Ehrlicher und gewissenhafter als seine Vorgänger, suchte der Pietismus, was er that, mit dem was er lehrte in Einklang zu bringen. Auf der andern Seite war es wieder Ehrlichkeit, wenn die Orthodoxie über

die Consequenzen ihrer eignen Lehre erschrak, und sie mit den üblichen Fechterkünften ihrer Facultätswissenschaft abzuwehren suchte. Sie hatten von Kanzel und Katheder bekannt - denn sie hatten es nicht anders gelernt daß die Erde ein Jammerthal und der Mensch ein verworfenes Geschöpf sei, das in beständiger Herzensangst sich mit seinen Sünden beschäftigen müsse: als nun aber gemeine Leute anfingen, in der Betstube und auf den Straßen von der Verworfenheit der menschlichen Natur zu reden, da wurde ihnen unheimlich. Spener und seine Anhänger, erklärte Carpzov in Leipzig, leugneten die Amtsgnade, indem sie behaupteten, daß durch das böse Leben eines Predigers die Gnadenwirkung aufgehoben werde; sie bestritten der Obrigkeit das Recht, Irrlehrer zu strafen; sie entschuldigten alle Schwärmer und Fanatiker; sie suchten die symbolischen Bücher los zu werden, sie verachteten jede scharfe Fassung der theologischen Begriffe, sie wollten aus dem theologischen Studium alle Logik und Metaphysik entfernen. Die Wittenberger Theologen gaben ein Bedenken heraus, in dem sie Spener nicht weniger als 283 Frrthümer nachwiesen; diesem kezerischen System seßten sie ein rechtgläubiges entgegen, wobei die Heißsporne den offenbaren Unsinn nicht scheuten: manche gingen soweit, einen schlechten Lebenswandel als Förderung der Gottseligkeit darzustellen! Sie beschuldigten die Pietisten der Scheinheiligkeit, hinter welcher sich geheime Laster versteckten. Sie bringen", schreibt Francke entrüstet, „Unflätereien vor, vor denen selbst ein Heide erröthen würde, um ihre Lästerungen den Weltsäuen, die gern in solchem Unflat wühlen, schmackhaft zu machen!" Dafür will denn auch sein College und Freund Joachim Lange diesen orthodoren Wölfen in Schafskleidern die Larve abreißen: sie seien Epikureer und Atheisten, fie lieben die Wollust mehr als Gott, ja die Wollust sei Nerv und Centrum der ganzen Orthodorie!

Hauptgegenstand der Verleumdungen war das Hallische Waisenhaus, welches Francke durch eine wunderbare Verbindung von frommer Hingebung und weltlicher Klugheit in wenig Jahren fertigstellte: grade dieser Erfolg erregte den Neid der Orthodoren. Schon 1707 zählte die Anstalt 1066 Waisenknaben. „Gott hat mich hineingeführt“, schreibt Francke, „ich weiß nicht wie: die Sache rührt nicht aus meinem Vorsah, sondern aus einer verborgenen Handreichung Gottes her!" Mit dem Waisenhaus war ein Pädagogium verbunden. Arme Studenten wurden als Lehrer beschäftigt, Francke verschaffte ihnen den Hausunterricht in adligen Familien; sie wurden unter strenger Zucht gehalten und mußten nicht blos ein heiliges Leben führen, sondern über Zeugnisse

des Geistes zu berichten wissen; in ihnen hatte der Pietismus eine treue Schaar gewonnen, welche gleich Aposteln seine Botschaft über Deutschland verbreitete. Das Waisenhaus war eine der ersten Schulen, in welcher die Realien gepflegt wurden: nicht blos Mathematik, sondern auch Anatomie und Naturwissenschaft. Francke legte einen botanischen Garten an, ein chemisches Laboratorium und verschiedene Werkstätten; seine Apotheke fand ansehnlichen Zuspruch. In der Buchhandlung des Waisenhauses ließ die ganze Partei ihre Schriften drucken, theolo= logische, philologische, juristische und medicinische. Das Hauptwerk des Verlags war die von Canstein geleitete für die untern Stände berechnete wohlfeile Ausgabe der Lutherischen Bibel, durch welche die heilige Schrift erst recht Besitz des gesammten Volks wurde. Ferner die Ausgabe der Hebräischen Bibel von Michaelis, die griechische und lateinische Grammatik von Lange, die als Schulbücher in unzähligen Eremplaren verbreitet wurden. Auch des geistvollen aber verworrenen Professors Stahl, der zu den Pietisten hielt, „Theoria medica vera", erschien in dieser Buchhandlung: er ist der Erfinder der Lebenskraft, als der letzten Quelle aller Veränderungen im thierischen Körper, einer Theorie, die einige Menschenalter hindurch in Ansehn stand.

Spener, bis an seinen Tod (5. Febr. 1705) der anerkannte Führer der Partei, wurde nicht müde, seine übereifrigen Anhänger zur Vorsicht zu ermahnen. „Mein theuerster Vater," erwidert ihm einmal der ungeduldige France, „halte mir ein Wort zu gut: wenn er solche ängstliche Briefe schreibt, fürchte ich zuweilen, die Kraft des Glaubens sei niedergeschlagen. Gott aber hat mir in allen Dingen, die ich im Glauben unternommen, Sieg gegeben; er wird's auch ferner thun! Ich habe meine Arbeit um Menschenwillen nicht angefangen, um Menschenwillen will ich's nicht unterlassen!"

Die Orthodoren hatten mit ihrem Mißtrauen gegen Halle keine schlechte Witterung; es währte nicht lange, so wandte sich die Bewegung gegen alles, was bis dahin die Kirche für unzweifelhaftes Recht ausgegeben.

Thomasius hatte sich auf das Studium der Kirchengeschichte geworfen, und suchte nachzuweisen, daß alles Unheil von der Scholastik käme. Der Antichrist sei nicht erst im sechsten oder siebenten Jahrhundert aufgetreten, er habe sich bereits zu der Apostel Zeit eingeschlichen, zur Zeit Constantins auf den Thron gesetzt; die Reformation habe mit nichten allen Unflat weggeschwemmt, noch heute brandmarke die Zunft alles Suchen der Wahrheit als Keßerei. Er hielt die Geistlichen für

die schlimmsten Feinde der Freiheit: jede Beschränkung ihres Einflusses, gleichviel durch welche Macht, käme der Freiheit zu gut. Wenn Fürsten Kezer verfolgten, sei es nur eine vorübergehende Laune, bei den Geistlichen gehöre es zum Geschäft.

Angeregt von Thomasius, schrieb 1699 Arnold in Quedlinburg die „Unparteiische Kirchen- und Keßergeschichte". Schon auf der Universität Wittenberg hatte er eine tiefe Abneigung gegen das wüste Studentenleben eingesogen; in Dresden wurde er Spener's Schüler. Immer mehr versenkte er sich in eine beschauliche Mystik, die er als eine über alle bildliche Erkenntniß erhabene unmittelbare Anschauung Gottes beschrieb. Sein Amt legte er nieder, weil die Beschäftigung mit den Wissenschaften seinem Seelenheil hinderlich sei. Die Rechtgläubigen suchten die wahre Kirche in der erscheinenden, wie sie sich durch Concilien und Symbole allmälig gebildet hatte; die Pietisten forschten nach den Offenbarungen des Geistes, die im Verborgenen geschehen, und begrüßten jeden Empörer gegen die verweltlichte Kirche, jeden Kezer, der mit eignen Augen sehn wollte, als Zeugen Gottes. In der Ueberzeugung, daß niemals die sichtbare Kirche die wahre ist, daß diese vielmehr im innern Leben der Frommen wohnt, verweilte Arnold überall mit Neigung, wo ungewohntes Herzensleben sich regte. Die Keßerrichter haben sich nach ihm nur durch Hochmuth und Eigennutz bestimmen laffen: sie unterdrückten alle, die gegen die gemeinen Greuel zeugten, mit Hintanseßung alles Rechts, sie arbeiteten Symbole aus und zwängten sie mit Hülfe der Obrigkeit allen Gemeinden auf. Das dickleibige Buch, viel besser geschrieben als die meisten theologischen Streitschriften, erregte einen ungeheuren Sturm, that aber seine Wirkung: Thomasius begrüßt es als das beste Buch seit der heiligen Schrift. Noch nie seit der Reformation waren die Schäden der Kirche so schonungslos aufgedeckt. Arnold, behauptet der leidenschaftliche Pietist in Halle, Joachim Lange, habe die Greuel, die von der Zeit des pseudoorthodoren Kain bis zur letzten Zeit im Namen der Orthodorie zum Dienst des Fleisches getrieben seien, aufs Tiefste erkannt.

Gleichzeitig mit Arnold's Kezergeschichte erschien „das gestäupte Papstthum der Protestirenden von Christianus Demokritus." Der junge Verfasser, Konrad Dippel, hatte auf der Universität Gießen sich den Rechtgläubigen angeschlossen: „ich frequentirte, den Pietisten zum Troß, alle liederlichen Gesellschaften, und zeigte auf alle Weise, daß ich mich durch ein eingezogenes Leben keiner Keßerei verdächtig machen wolle." Im 19. Jahr erhielt er die Magisterwürde durch eine Disputation über

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