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das Nichts, die von Materialismus stroßt; er las über gerichtliche Astrologie und Chiromantie. Nach ziemlich wilden Irrfahrten kam er nach) seiner Vaterstadt Darmstadt zurück, wo er durch Spener's Schriften und den heiligen Augustin bekehrt wurde.

Heftiger als Spener und Francke griff Dippel die orthodore Lehre von der Rechtfertigung an. Nicht Gott soll versöhnt werden mit uns, sondern wir mit Gott. Der Tod Jesu war ein Act der Liebe, nicht des Zorns. Nur wenn wir Christum selbst in uns aufnehmen, kann uns sein Verdienst zu Gut kommen: nicht dadurch, daß der Arzt die bittre Medicin schluckt, wird der Kranke gesund, er muß sie selbst nehmen. „Christus lehrte keine Geheimnisse vom Wesen Gottes, von seiner Person, von Sacramenten, sondern lauter praktische Grundsäße: Sinnesänderung und Selbstverleugnung war damals der erste Grund zum Christenthum. Der Heiland sagte zu den Schriftgelehrten, die seine Aussprüche mit ihrer Orthodorie nicht reimen konnten: so Jemand will den Willen thun deß, der mich gesandt, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott ist! Die ersten Christen wußten nichts von jener Einigkeit im Glauben, da einer dem andern seine Vorschrift muß nachschwaßen; sie widersprachen wohl einander in Worten, und behaupteten doch einerlei Sinn des Geistes. Dann aber, nachdem man sich lange auf unnüße Spitfindigkeiten gelegt, wurde im zweiten Jahrhundert der seligmachende Glaube in einen Meinungsbegriff gefaßt, und das grausame Thier der Orthodorie auf den Thron gesezt, welches Jedermann sollte anbeten. Dagegen hat dann Vernunft und Eigensinn sich aufgelehnt und die Secten begründet. Solche Confusion wollte man durch Concilien heben, man wollte sich durch Formeln vergleichen, und da das nicht ausreichte, griff man zur Gewalt. Welcher Bischof das Glück hatte, bei dem regierenden Kaiser Oberhofprediger zu sein, unterdrückte alle, die ihn nicht anbeten wollten; kam dann ein neuer Kaiser und ein neuer Oberhofprediger, so mußte Jener mit seinem allein seligmachenden Glauben laufen, so weit er konnte." Auch seit der Reformation hat man sich bei Auslegung der Schrift über eine Concordienformel vergleichen müssen. „Wenn wir den Katholiken vorwerfen, daß sie in ihren Crucifiren einen hölzernen Gott anbeten, so kann man uns vorwerfen, wir hätten einen papiernen Gott."

Dippel endigte als ausgesprochener Anhänger Spinoza's; trotzdem erklärten die Halleschen Pietisten, gegen die Ruchlosigkeit der Orthodorie gehalten, seien selbst seine Schriften eine heilsame Augensalbe; fie wurden nun von den Vorfechtern des Lutherthums auch des Spinozismus bezüchtigt. Kein Neuerer wurde von diesen so gehaßt wie Dippel; als

Julian Schmidt, Litteratur. I.

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er 1719 wegen Beleidigung des Königs von Dänemark zu ewigem Gefängniß verurtheilt wurde, jubelte der Wortführer der fächsischen Theologen, Valentin Löscher laut auf, und sprach den Wunsch aus, daß alle Spötter und Schwärmer ihm dahin nachfolgen möchten; nur durch diese unfreiwillige Buße könnten sie den ewigen Höllenstrafen entgehn.

Die ärgste Aufregung unter den Rechtgläubigen erregte der Kampf gegen die Herenprozesse, der gleichfalls von Halle ausging. Nur langsam brachen die Ideen Balthasar Bekker's sich Bahn. Die Juristen in Halle führten in die Inquisition eine mildere Praris ein, lebhaft von Spener unterstützt. Der Teufel kann seine Freude daran haben, auf seinen Sabbaten die Gestalten unschuldiger Personen nachzuahmen; solches ist der Art des Mörders und Lügners nicht ungemäß. Daher ich sorge, daß sehr viel Unschuldige, weil sie die Folter zu falschem Bekenntniß gebracht, verbrannt worden."

Noch 1695 votirte Thomasius in einem Herenprozeß nach den Regeln Carpzov's, und war nicht wenig betroffen, als sein College Stryk ihn corrigirte; er schämte sich, daß ein Pedant ihm den Rang abgelaufen habe, studirte gründlich die einschlagende Litteratur, und bot sieben Jahre darauf dem Unfug offen die Stirn. Zwar erklärte er sich vom Dasein des Teufels überzeugt, aber die Prüfung der Wahrheit sei sehr schwer, das Beste sei, die Processe ganz aufzugeben. Wenn Thomasius seine Stimme erhob, so wurde sie weithin vernommen, und da er Jahr ein Jahr aus darauf zurückkam, konnte die Frage nicht mehr von der Tagesordnung abgesetzt werden. Das Uebel wurde zwar nicht sofort abgestellt, aber erheblich vermindert, und in kurzer Zeit wurde die Ueberzeugung so stark, daß die Praxis ihr folgen mußte.

Der Vorkämpfer der Orthodorie, Löscher, jammerte wiederum über die Ungebühr dieses „Politicus“, der durch seine glatte Schreibart große Herrn berede, es müßte, wenn die Gelehrsamkeit bei uns wie in Holland steigen sollte, der Indifferentismus eingeführt werden! Nun fördre er gar durch Leugnung der Zauberei das Reich der Finsterniß. „ wie glückselig waren wir vor zwanzig Jahren, da man von gottlosen Charteken in Deutschland nichts wußte, und mit Grausen hörte, was für Unheil das ungemessene Bücherschreiben in dem allzu freien Holland anrichtete! Nun haben es bei uns lichtscheue Kinder der Finsterniß im deutschen Jerusalem ärger gemacht als im holländischen Samaria!" „Durch Gottes Zulassung sind die Zeiten gekommen, wo Schwärmerei, Indifferentismus und Naturalismus im Bund den wahren Glauben antasten: es möchten wohl die Steine schreien in dieser bösen Zeit!"

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Wir

„Die lutherischen Päpste fangen an, den in Rom zu überbieten; es fehlt nur noch das Wir, so wären sie von Gottes Gnaden!" So schreibt Thomafius' jüngerer Freund und College Hieronymus Gundling, ein ge= lehrter Jurist, der in seinen historischen Arbeiten mit Eifer und Verstand den Ruf übel beleumdeter ausgezeichneter Männer zu retten suchte. haben uns einmal vorgefeßt, auf Formeln zu leben und zu sterben.“ Durch ihre Verbindung mit den Pietisten nahm die deutsche Aufklärung jenen idealistischen Charakter an, den schon Leibniz der deutschen Bildung zu geben suchte; sie entfremdete sich nicht völlig der Kirche, fie suchte Fühlung mit dem Glauben des Volks: die Pietisten bilden neben Leibniz ein wichtiges Moment des deutschen Idealismus.

5.

Der Ausgang.

1690-1716.

Die Deutschen hatten in frühern Jahrhunderten viel vom Vaterland gesprochen, aber die elende politische Organisation ließ kein rechtes Nationalgefühl aufkommen; die Deutschen standen darin im Wendepunkt des Jahrhunderts fast hinter allen Völkern zurück. Es war freilich ein Gewinn, daß seit 1690 die Fürsten, hauptsächlich die protestantischen, sich ernsthaft an dem französischen Krieg betheiligten, aber sie waren uneinig, jeder wollte Politik auf eigne Hand treiben, die kaiserlichen Generale, welche die Führung hatten, waren mißtrauisch bei jedem Erfolg, und so verlief der Krieg matt und planlos. Die Franzosen erfochten 1. Juli 1690 bei Fleurus einen Sieg, 9. Juli 1693 bei Neerwinden einen noch größern; und wenn die kaiserliche Armee 16. Aug. 1691 bei Peterwardein gegen die Türken ihre Waffenehre glänzend bewahrte, so blieb der Westen des Reichs den Verwüstungen der Feinde ausgesetzt. Es war noch ein Glück, daß auch diese erschöpft waren.

In die Misere der damaligen Kleinstaaterei führt uns am lebhaftesten Leibniz' Briefwechsel ein. Er war Juni 1690 aus Italien wieder nach Hannover zurückgekehrt, und hatte noch während des Kriegs mit dem französischen Bischof Bossuet seine geistreich ziellosen Verhandlungen fortgesetzt. Seit Juni 1691 hatte er noch einen zweiten Herrn,

den abenteuerlichen Herzog von Wolfenbüttel Anton Ulrich, und kam, da dieser gegen die Pläne seines Vetters in Hannover boshaft intriguirte, wiederholt in eine sehr zweideutige Lage.

Anton Ulrich gehörte zu Deutschlands gefeierten Dichtern; abgesehn von zahlreichen weltlichen und Kirchenliedern hatte er zwei Nomane geleistet: erst 1669 die „Mesopotamische Schäferei oder die durchlauchtige Syrerin Aramena" im Costüm Philipp's IV., er wußte sich etwas damit, das Publicum durch Schilderung adliger Courtoisie zu be= glücken, so wie durch geographische und naturhistorische Notizen zu bilden. Dann seit 1677 „die Römische Octavia, der hochlöblichen Nymphengesellschaft an der Donau gewidmet." Aller Hofklatsch der Zeit, namentlich was in Hannover vorfiel, wurde in irgend einer Verkleidung darin eingewebt. Von einem brennenden Ehrgeiz verzehrt, besaß Anton Ulrich ein nicht gemeines Talent zur Intrigue und zur boshaften Beobachtung. Die adlige Sitte, welche der Roman in den Zeiten des Amadis und noch der Scudery empfahl, hatte wenigstens dem Anschein nach etwas Vornehmes; jezt, wo er die wirkliche und ideale Welt durch einander warf, eröffnete er dem Bürger einen Einblick in ihm bisher unbekannte Laster, Lügen, Intriguen und Zügellosigkeiten.

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Anton Ulrich ließ später eine seiner Enkelinnen katholisch werden, um den Kaiser, eine andre griechisch, um einen russischen Großfürsten zu Heirathen: wenn morgen der Teufel käme, und die dritte verlangte," sagte einer seiner Geistlichen, „würde man sie ihm nicht abschlagen!“ Anton Ulrich selbst trat noch in hohem Alter, März 1710, zur Römischen Kirche über.

Ernst August, obgleich hinfällig, hielt eine Maitresse, die Gräfin Platen, der ebensoviel Ehren erwiesen wurden als der Kurfürstin. Sophie beglückte ihre Nebenbuhlerin zuweilen mit Sarkasmen, im Allgemeinen war sie klug genug, sich gut mit ihr zu stellen. Die Schwester der Platen, auch eine verheirathete Frau, hatte Ernst August's ältesten Sohn, den mürrischen Georg, zum erklärten Galan. Seine Gattin und Cousine, die schöne Sophie Dorothea, weniger gewandt als ihre Schwiegermutter, verhehlte ihren Widerwillen nicht. Die Freundschaft zu einem genialen Abenteurer, Graf Königsmark, mußte sie entschädigen. In der Nacht zum 2. Juli 1694 gab sie ihm ein Stelldichein, um mit ihm an den Hof ihres Vaters in Celle zu entfliehn; er wurde bei der Gelegenheit von der Platen, die von einer heftigen Leidenschaft zu ihm entbrannt war, umgebracht. Ein Jahr lang wußte man nicht wo er geblieben war; auch dann noch blieb die Geschichte im Dunkel: Anton

Ulrich nahm sie als Episode in seine „Römische Octavia" auf. Sophie Dorothea, die es verschmähte, sich zu fügen, wurde gerichtlich geschieden und als Gefangene nach Schloß Ahlden gebracht, wo sie noch 32 traurige Jahre verlebte: ihr eigner schwächlicher Vater ließ sie aus seiger Ruheliebe im Stich, und die Platen blieb regierende Maitresse.

Gegen diese Sittenlosigkeit der Höfe zeigten die Philosophen eine sträfliche Nachsicht. Leibniz klagte wiederholt darüber, daß sich Europa durch den Abscheu vor der Vielweiberei den Orient verschließe; die Unauflöslichkeit der Ehe sei ein verkehrtes Dogma; von ihm schreibe sich das lächerliche Vorurtheil, daß ein Mann durch die Treulosigkeit seiner Frau beschimpft werde. Durch lautes Aussprechen ähnlicher Ansicht gaben Pufendorf und Thomasius großes Aergerniß.

Es galt förmlich als unerläßlich für die Würde eines Fürsten, eine Maitresse zu befizen. Sophien's Tochter, die schöne und geistvolle Sophie Charlotte, war an den Kurfürsten Friedrich von Brandenburg verheirathet, der sie hoch verehrte; gleichwohl stellte er ihr eine anerkannte Geliebte zur Seite, aus den niedrigsten Schichten des Volks, der aber seine Granden huldigen mußten, und für welche er sinnlos verschwendete.

Des ermordeten Grafen Königsmarks Schwester, die schöne und geistreiche Gräfin Aurora, bot alles auf, ihren Geliebten, den neuen Kurfürsten von Sachsen, August den Starken, zum Einschreiten in Hannover zu bewegen. Dieser, ein Jüngling von seltner Körperkraft und Lebensfülle, hatte auf seinen Reisen durch Frankreich, England, Spanien, Italien, Ungarn die sinnlichen Genüsse in einem unerhörten Maaß ausgekostet und strebte unersättlich nach neuen. Keine Figur der Zeit verfinnlicht so deutlich das Verderbliche der Kleinstaaterei selbst für begabte Fürsten. Er war nicht ohne bessere Regungen, er hatte sogar etwas Ritterliches; was sollte er mit seiner überschäumenden Lebenskraft in Verhältnissen machen, die jede größere Kraftentwickelung ausschlossen? in Sitten, denen aller Halt fehlte? So hatte man in Wien einem Ehemann, der sich über das Verhältniß seiner Frau zum Prinzen August beschwerte, geantwortet: in alten und neuen Zeiten hätten es sich die Ehemänner zur Ehre gerechnet, ihre Frauen den Souveränen zu überlassen! Im Taumel stürmte August von einer Geliebten zur andern.

August's Frivolität in sittlichen Dingen machte sich auch in seinen kirchlichen und politischen Beziehungen geltend. Die Polnische Krone zu gewinnen, trat er 2. Juni 1697 in Wien zur katholischen Kirche über. „Man sagt, er habe seine Religion geändert“, schreibt einer seiner Hof

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