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Die Berliner Academie dagegen wurde ihrer Aufgabe entzogen. Nach dem Tode des Königs Friedrich Febr. 1713 verabschiedete sein Sohn Friedrich Wilhelm den ganzen prunkenden Hofstaat mit Einem Federstrich, den Oberceremonienmeister v. Besser voran, der einen glänzenden Ersatz am Hof August des Starken fand; man ließ Schlüter gehn, und ein trunkfälliger Narr wurde zum Hohn an die Spitze der Academie gestellt. Die Festlichkeiten hörten auf, überall wurde die Werbetrommel gerührt, die Residenz verwandelte sich in eine Kaserne, und das in einer Zeit, wo der große Krieg völlig beendet schien.

Die ersten Jahre dieses Kriegs hatten den Deutschen Waffen keine durchgreifende günstige Entscheidung gebracht: der große Sieg über die Franzosen, den, 13. Nov. 1704, Prinz Eugen und Marlborough, der brittische Oberfeldherr, mit rühmlicher Theilnahme der Preußischen Armee bei Höchstädt erfochten, schien die Sache zum endlichen Austrag zu bringen. Die beiden abtrünnigen Kurfürsten von Bayern und Köln wurden geächtet, ihre Länder mit Beschlag belegt, das Reich schien feste Zustände zu gewinnen.

5. Mai 1705 starb Kaiser Leopold (65 J.); von den Hofhistorifern empfing er den Namen des Großen. Im Wesentlichen hatte er die Politik Philipp's II. und Ferdinand's II. fortgefeßt; vom Cabinet aus hatte er die Angelegenheiten des Reichs nach kirchlichen Vorausseßungen geleitet. Des Kaisers Leben war nach der Uhr geregelt. Während des Ankleidens hörte er gravitätisch die Späße seiner Hofnarren und Zwerge an; darauf ging er zur Messe. Vom wirklichen Leben war er abgesperrt, selbst seine Angehörigen durften sich nur mit den Zeichen tiefster Unterwürfigkeit ihm nahn. Dabei ging alles knapp zu; die Reisenden erstaunten über die Armseligkeit des kaiserlichen Hofhalts.

Der neue Kaiser Joseph (27 J.) war von entgegengeseßter Art. Gewandt in allen ritterlichen Uebungen, hatte er sich persönlich im Felde ausgezeichnet; er schob die Jesuiten bei Seite und nahm die Regierung selbst in die Hand; der Hof erschien nun wirklich in kaiserlichem Zuschnitt. Die kaiserliche Macht schien fester zu stehn als je. Erzherzog Karl wurde in Madrid zum König ausgerufen. In Italien erfocht Prinz Eugen den Sieg bei Turin.

Bei alledem war die kaiserliche Macht nicht im Stande, das Reich

nach allen Seiten zu schirmen. August der Starke hatte als König von Polen einen unglücklichen Krieg mit dem abenteuerlichen Schwedenfönig Karl XII. geführt; ungehindert drangen die Schweden Sept. 1706 in das deutsche Land ein und blieben ein Jahr in der Nähe von Leipzig stehn. Das Reich hätte in große Gefahr kommen können, wenn Karl sich mit Ludwig XIV. verständigte; aber er haßte die Franzosen, er begnügte sich, August im Frieden zu Altranstädt schimpfliche Bedingungen aufzulegen.

Anscheinend hatte Ludwig XIV. das Princip der Autorität auf die Spiße gestellt, aber die Autorität konnte nicht vorhalten, da sie auf Willkür beruhte, da ein Einfall den andern drängte. Die Kirche, die noch 1682 ganz national gewesen war, wurde unter dem im Alter frömmelnden König wieder römisch; die nationalgesinnten Bischöfe mußten sich 1693 auf Gnade und Ungnade dem Papst unterwerfen. Die Verfolgungen gegen die Protestanten und die gleich ernsthaften Jansenisten waren dem leichtlebigen Publicum nicht unbequem, aber über die Scheinheiligkeit der Jesuiten zuckte es die Achseln. Fontenelle, Bayle's Schüler und Mitarbeiter, von großem Einfluß auf seine Zeit, wußte in seiner „Geschichte der Orakel" 1687, ohne grade dem Strafrichter zu verfallen, den Aberglauben überhaapt lächerlich zu machen. Das Publicum nahm für den Erzbischof Fenelon, den Erzieher der königlichen Kinder Partei, als er 1699 wegen seines „Télémaque“ in Ungnade fiel; sein Vergehn war, dem Monarchen eine ernsthafte Auffassung seines Berufs empfohlen zu haben. Das Unglück des Erbfolgekriegs löste vielen die Zunge; Fenelon verlangte Frieden um jeden Preis und Einberufung der Notabeln; der gefeierte General Vauban eine gründliche Umgestaltung des Finanzwesens. Aeußerlich wahrte der alte König seine Haltung, aber man hatte aufgehört an ihn zu glauben.

Der Glanz dieses Reichs spielte nur noch auf der Oberfläche. Die herrschende Klasse war innerlich ausgehöhlt; sie hatte ausschließlich dem Vergnügen, dem Schein und der Repräsentation gelebt, in einem vornehmen Müßiggang, der jeden ernsten Zweck, jedes Pflichtgefühl ausschloß. Der anscheinend allmächtige Hof hatte eigentlich nichts zu thun, er stand dem Staat als Zuschauer gegenüber; die Politik war ihm nur Stoff für leichte Unterhaltung. Adel und Geistlichkeit, da sie dem Staat nichts leisteten, waren als Privilegirte dem Bürgerthum verhaßt; sie selber betrachteten auch das Königthum aus der Nähe mit spöttischen Augen.

Nach der Schlacht bei Oudenaarde bequemte sich Ludwig, Mai 1709, über den Frieden zu unterhandeln; das Elend in Frankreich

Julian Schmidt Litteratur. I.

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spottete aller Beschreibung. Damals war die Zeit, den Elsaß wieder für Deutschland zu gewinnen, aber auf das Reich kam es dem Kaiser nicht an; er bestand darauf, Ludwig XIV. solle seinen Enkel selbst aus Spanien treiben; in diese Schmach konnte der greise König nicht willigen, er brach 25. Juli 1710 die Unterhandlungen ab.

17. April 1711 starb Kaiser Joseph; sein jüngerer Bruder Karl VI., bisher König von Spanien, wurde zum Kaiser ausgerufen und gekrönt. Damit war die ganze europäische Politik verschoben; es konnte den Engländern nicht einfallen, die Vereinigung der beiden Kronen durchsetzen zu wollen; Marlborough wurde abberufen, und Ludwig XIV. schöpfte wieder Athem. Zudem besaß der neue Kaiser nicht die Elasticität seines ältern Bruders; er war steif, kleinlich und mißtrauisch wie sein Vater.

11. April 1713 schlossen die brittischen Bevollmächtigten zu Utrecht den Frieden mit Frankreich ab, dem gleich darauf der neue König in Preußen, Friedrich Wilhelm, beitrat. Nur schwer entschloß sich Kaiser Karl, auf den Glanz der Spanischen Krone, die er schon sein genannt, zu verzichten. Aber es mußte geschehn; 6. März 1714 schloß Prinz Eugen in Rastadt im Namen des Kaisers Frieden. Wir müssen der Vorsehung danken, daß wir den gegenwärtigen Drangsalen durch diesen Frieden entrissen werden; alle Betrachtungen, wie derselbe hätte sein können, hören auf, da man den Krieg fortzuführen außer Stand ist." Frankreich ward von seinem Raub nichts abgenommen.

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Eine weitere Gefahr für Europa, die Rückkehr der Stuarts nach England, wurde glücklich abgewandt; nach dem Tod der Königin Anna 1. Aug. 1714 wurde Kurfürst Georg als König ausgerufen. Das Reich hatte nun fünf auswärtige Könige zu Vasallen: Polen, Preußen, Schweden, Dänemark, Großbritannien: hinlänglicher Grund zu neuen Verwickelungen. Aber wenn der Krieg dem Reich keinen positiven Gewinn gebracht, so war das Capital des gewonnenen Ruhms für das Nationalgefühl nicht gering anzuschlagen, ein Menschenalter hindurch erfreute sich Deutschland verhältnißmäßiger Ruhe, und die Nation kam allmälig vorwärts. Die schlimmste Zeit unsers geistigen Lebens ist vorüber.

Vollends athmete Deutschland wie ganz Europa bei dem Tode Ludwigs XIV. auf, wie von einem Alp erlöst. Er starb 1. Sept 1715. Seine Familie war bis auf den unmündigen Urenkel, seinen Nachfolger, ausgestorben; seine Creaturen hatten sich heimlich von dem Sterbenden entfernt. Sein Testament wurde ohne Widerspruch umgestoßen, der liederlichste aller Prinzen, der Herzog von Orleans, übernahm die Re

gentschaft. Hof und Stadt zogen ein neues Gewand an. Aber auch für ganz Europa beginnt ein neues Zeitalter. Der große Stil der Politik, der sich immer an die mächtige Erscheinung Ludwigs geknüpft hatte, hört auf, und scheint einem kleinlichen Spiel zweckloser Intriguen Plaz zu machen: aber während dieses Spiels gewinnt allmälig, namentlich in Deutschland, das Bürgerthum Platz für seine stille segensreiche Arbeit.

Zweites Buch.

Die Zopfzeit.

1720-1748.

1.

Willkür und Zucht.

1720-1733.

Die Culturzustände, die mit dem Tode Ludwig's XIV. in Europa eintraten, bezeichnet man als Rococo und Zopf: jene Richtung ging von Frankreich, diese von Deutschland aus. Das Rococo war die leßte abgeschwächte Form, in welcher der französische Adel sich vom Bürgerthum zu scheiden suchte, seine leßte Metamorphose seit den Zeiten des Ritterthums.

Bis dahin war wenigstens auf der Oberfläche der französischen Gesellschaft die Gallische Frivolität zum Schweigen gebracht, die würdige Haltung des Königs wirkte auf seine Umgebungen zurück. Nun, ermuntert durch das Beispiel des Regenten und seiner wüsten Gesellen, warf die Liederlichkeit alle Scham ab, Cynismus in Form und Gesinnung wurde guter Ton. In den Tagen Racine's hätte kein Gebildeter daran gezweifelt, daß Versailles der Sit des guten Geschmacks sei, jezt verbreiteten sich von da aus die tollsten Orgien raffinirter Genußsucht über alle Kreise Frankreichs. An allen Höfen Europas spielen verwegene Abenteurer eine hervorragende Rolle, und verzetteln die Politik in läppische Intriguen. Einer dieser Abenteurer, der Schotte Law, wußte dem Regenten von Frankreich die Meinung beizubringen, daß man um so reicher sei, je mehr man Schulden habe, und leitete wirklich in diesem Sinn mehrere Jahre die Staatsfinanzen. Der Besitzstand der Großen wurde untergraben, der hohe Adel trieb schwindelhafte Geldgeschäfte, das Vermögen wechselte im Handumdrehn: dem banquerouten Edelmann mußte der Hof unter die Arme greifen, das war das Hauptgeschäft des Staats. Das Spiel wurde das Idol der Zeit, schneller Erwerb ohne Arbeit das höchste Streben. Lebensart, Tracht, Hausrath, alles nahm das Gepräge

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