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eleganter Bequemlichkeit an; die Kunst warf sich auf lüsterne Gegenstände. Zierliche Porcellanfiguren im Schäfercostüm durften in feinem Salon coquetter Damen fehlen, und dieser Salon wurde der Mittelpunkt der Geselligkeit. Eine neue Art der Galanterie kam auf, zierlich, frivol, empfindsam lüstern. Für den Marquis ward es Pflicht, auf Eroberungen auszugehn, rein aus Eitelkeit und Langeweile; die Ehe wurde ganz cynisch behandelt. Fest stand in den Pariser Sitten nichts mehr.

Von Kindheit auf wurden adlige Knaben und Mädchen zur Zierlichkeit dressirt, zur Galanterie und Coquetterie förmlich angelernt; Friseur und Tanzmeister waren neben dem Koch die wichtigsten Stüßen der Gesellschaft. Die großen Aufzüge schrumpften in Maskeraden, Schäferspiele und Feenstücke zusammen, durch die man die Langeweile nothdürftig verscheuchte. Eine typische Figur dieser Zeit war die Nebenbuhlerin des Regenten, die Herzogin von Maine. Enkelin des großen Condé, hatte fie den ganzen Stolz und Ehrgeiz des hohen Hauses, aber sie war von kleiner, fast zwerghafter Gestalt: bei der thurmhohen Frisur der Zeit stand ihr Gesicht in der Mitte der Statur. Im 16. J. heirathete fie den Bastard Ludwig's XIV., einen bescheidenen jungen Mann, den sie schnell unter den Pantoffel brachte. Hochmüthig, herzlos, fantastisch, sammelte sie seit 1700, 24 J. alt, in Sceaux einen Hof, der Versailles im Kleinen vorstellen sollte: einige Schöngeister gaben den Ton an, vornehme „Schäfer" mußten in demüthiger Galanterie vor der kleinen Hoheit wetteifern. „Was bei gemeinen Leuten Unverschämtheit wäre, wird bei uns Halbgöttern zur rechtmäßigen Galanterie!" Alle Tage trieb sie die Langeweile zu irgend etwas neuem; sie nannte sich selbst die Honigfliege, und stiftete einen Orden mit diesem Namen. Als Ludwig XIV. starb, und der Regent ihren Gatten, dem nach dem Testament des Königs die Regentschaft zufallen sollte, bei Seite schob, versicherte sie, das ganze Reich in Flammen aufgehn zu lassen; sie fädelte eine Verschwörung ein wie Cinna's Geliebte, erreichte aber nichts anderes, als daß sie auf furze Zeit ins Gefängniß kam. Dann sette sie ihr altes Wesen fort; noch im 70. Jahr heischte sie die nämliche anbetende Galanterie wie im 16. Sie hatte sich eine künstliche Welt geschaffen, in die kein Tageslicht der Wirklichkeit drang. Sie hat ihr ganzes Leben hindurch Komödie gespielt“, schrieb Voltaire, den sie im 70. J. in ihren Schuß nahm, „und wird fie bis ans Ende spielen." So geschah es auch, aber nicht sie allein, die ganze feine Welt spielte Komödie.

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Die ritterlichen Ueberlieferungen des französischen Adels hatten allen Kern eingebüßt; die Heromen der classischen Schule hatten sich ebenso

ausgelebt als die Cavaliere des Amadis und der Scudery, das Publicum war ihrer müde geworden. Mit den Unfitten des Rococo-Zeitalters kamen auch in der Dichtung neue Ideale auf.

Dies neue Zeitalter zeichnet sich in dem Roman „Gilblas“ von Lesage ab, dessen erste Bände 1715 erschienen, eben da der König starb. Er ist im Stil der Spanischen Schelmenromane, auch nach Spanien verlegt, aber er schildert Französische Sitten und wurde das Lieblingsbuch der guten Gesellschaft Europa's. Ein lustiger Vogel kommt in alle möglichen Situationen, auch die schimpflichsten, und lernt bei der Gelegenheit die verschiedenen Schichten der Gesellschaft kennen, die leicht, anmuthig und pikant geschildert werden; das Leben erscheint wenig erbaulich, aber lustig. Einen eignen Willen zu haben, gilt als überflüssig, alles läßt sich vom Zufall tragen, es wird nicht einmal der Versuch gemacht, im Guten oder Schlimmen Kraft zu entwickeln. Diese frivole Welt ist in völliger Harmonie mit sich, darin unterscheidet sich das Buch vom „Simplicissimus“, in dem bei allem Leichtsinn doch mitunter ernste, ja finstre Töne durchklingen.

Freilich kam in der Zeit der Regentschaft nur offen zum Vorschein, was insgeheim längst gewuchert hatte. Schon 1707 zeichnete der nämliche Dichter im „hinkenden Teufel", ebenfalls unter spanischem Costüm, die Pariser Sitten aus allen Schichten der Gesellschaft in ihrer innern Uuwahrheit und Frivolität, und das Lustspiel „Turcaret" 1709 scheint mitten in der Regentschaft geschrieben zu sein. Welche gründliche, unglaubliche Gemeinheit! eine Welt, in der man sich schämen möchte zu eristiren, und die doch mit sich sehr zufrieden scheint! Das ist nicht mehr Nachbildung des Plautus und Terenz, das ist dem wirklichen Leben abgeschöpft: diese „haute finance“, die lange vor Law, mit unerhörter Schamlosigkeit das Land aussaugt, und das schmählich Gewonnene in verächtlicher Lüfternheit vergeudet! Dieser Adel, der sich nicht schämt, Speichelleckerei bei den verworfensten Gaunern zu treiben! Es ist für die Rococo-Sitten ein classisches Zeugniß, und sehr lesbar.

Gilblas hat bei aller Unfitte den Vorzug der Naivetät; diese geht in den Rococo-Romanen der folgenden Jahrzehnte verloren: man fucht fich einzureden, daß man mit den Gesinnungen des Gilblas noch ein vollkommener Cavalier sein könne; ja daß etwas von der Leichtfertigkeit desselben zum Wesen eines echten Cavaliers gehöre: die gemeinen Leute müssen erwerben, arbeiten, den Gesetzen gehorchen; der Edelmann hat den Vorzug, seinen Gelüsten folgen und das Leben dilettantisch nehmen zu dürfen. Es find geist- und talentvolle Schriftsteller, die im Roman die

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Denkweise des Gilblas in die vornehme Welt übertragen, aber sie haben alle etwas Geziertes, ihr Stil ist Manier. Eine feste Sitte zeichnet sich bei ihnen nicht ab, wir werden lediglich mit den Grillen und Einfällen hochgeborner Müßiggänger unterhalten. So in Crebillon's Egarements du coeur et de l'esprit" 1735: der bildungsbedürftige junge Mann wird förmlich angeleitet, den Hof zu machen, Damen zu verführen, ohne daß es ihm rechter Ernst ist, es muß einmal so sein. Später artet das, namentlich bei Crebillon selbst, in die reine Lust an der Zote aus. Sehr merkwürdig ist des Abbé Prevost kleine Novelle „Manon Lescaut" 1733, die ärgste Paradorie von der Welt, mit äußerster Anmuth dargestellt. Der junge Chevalier wird von seiner Geliebten, einer Dirne, betrogen, und weiß es; troßdem kann er von ihr nicht lassen, ja als sie eines Verbrechens wegen am Schandpfahl steht, stellt er sich neben sie, und will sie in die Deportation begleiten. Das wird nicht wie ein Krankheitsfall geschildert, der Dichter sucht den Leser für das unreine Mädchen einzunehmen, und es gelingt ihm zum Theil. Die Grundsäße der Ehre sind bis zur letzten Spur verwischt: die Erben der Noblesse aus dem 17. Jahrhundert sind zu bloßen Rentiers herabgekommen, die aus Langeweile sündigen.

Im Gegensatz gegen diese dilettantische Lebensauffassung der Franzosen gehn die Engländer darauf aus, mit dem Soll und Haben in's Reine zu kommen. Die Engländer sind nie bloße Genußmenschen gewesen, auch in ihrem Sport zeigt sich immer das Bedürfniß der Arbeit, der starken, ja gewaltsamen Anstrengung. Ihnen schwebt das Ideal eines Gentleman vor, zunächst freilich an einen bestimmten Stand geknüpft, der Grundbesißer, doch so, daß diesem Stand eine sittliche Pflicht auferlegt wird. Die Praris läßt darin freilich viel zu wünschen übrig, aber es wird wenigstens in der Theorie verlangt. Unter der Regierung der Königin Anna hatte sich, in Prosa und Poesie, der modern englische Stil gebildet; die Dichter gingen sämmtlich bei Boileau in die Schule: fie lernten von ihm den präcisen Ausdruck, und gewannen dadurch nicht blos an Verständlichkeit, sondern auch an Kraft. Sie suchten in ernsthaften Gedanken bleibenden Gehalt. Doch hatte der französische Schulmeister das angeborne brittische Naturell keineswegs unterdrückt. Die Litteraten, die nun in der Gunst der Nation erheblich stiegen, waren weit entfernt von dem Frauenhaften der französischen Manier: ihr Sammelplah war nicht der Salon, sondern das Kaffeehaus, wo sie stark rauchten und tranken; sie trieben eifrig Politik und waren leidenschaftliche Whigs oder Tories. Aber einmüthig kämpften sie gegen die Brutalität des vorigen

Jahrhunderts; sie suchten, was das Leben reizend macht und was ihm bleibenden Gehalt verschafft, der Phantasie zu empfehlen. Einige Typen, die sie schufen, leben noch heute: Addison's altenglischer Gentleman, der rechtschaffen seine Pflicht thut, aber lebt und leben läßt; Shaftes= bury's Virtuoso", der sich durch ernsthaftes Studium des Schönen und Idealen zu einer umfassenden humanen Bildung, zu einem vollen Menschen rundet, und de Foe's Robinson, der in harter täglicher Arbeit sich selbst in allen Widerwärtigkeiten sein Leben schafft. Im Robinson regt sich der alte Germanische Wandertrieb, diesmal mit Ekel an der modernen Civilisation verknüpft. Freilich drängt es ihn, seine einsame Insel einmal zu verlassen; aber die Culturwelt, die ihn wieder empfängt, ist gerade so schlimm, wie die Kannibalen, denen er auf der Insel begegnete. Der Dichter, ein rechtlicher und tapferer, auch frommer Mann, hatte die Schlechtigkeit der Menschen gründlich kennen gelernt, und wußte, als vollendeter Realist, auch das Unwahrscheinlichste mit hartem Griffel wiederzugeben; man mußte ihm glauben.

Der „Robinson“ zündete in Deutschland fast ebenso schnell als in England. Robinson war ja deutscher Herkunft: er hieß eigentlich Kreuznarr, was die Britten in Crusoë verstümmelten; Kreuznarr aber sagte ungefähr so viel als Simplicissimus, der ja auch einmal an einer wüsten Insel gestrandet war. Seit 1719 erschien eine „Robinsonade“ nach der andern; der deutsche Bürger, niedergedrückt von der Enge der heimischen Zustände, träumte sich gern in eine recht ferne eingebildete Welt. Die merkwürdigste jener Robinsonaden ist die lezte, „die Insel Felsenburg“, 1731 von Schnabel, einem Stolbergischen Beamten, geschrieben: auf jener Insel, nahe bei St. Helena, finden sich Deutsche jedes Standes und jeder Provinz allmälig zusammen; fie theilen einander ihre heimischen Schicksale mit, und gründen einen Staat, in dem jeder Unterschied der Confession aufhört. So suchte sich der Deutsche ein Vaterland, das ihm in der Wirklichkeit versagt war, im fernen Ocean.

Aber es war nicht blos diese Aussicht in die Ferne, welche dem deutschen Bürger den Robinson interessant machte; auch in ihm regte sich der Trieb nach Arbeit, der Wunsch, durch tüchtige Ausbildung seiner Kräfte sich auf eigne Füße zu stellen. Bei den deutschen Höfen dagegen und in der sogenannten Gesellschaft hatte Gilblas den Vortritt. Liederlich war die größere Zahl derselben wie in Frankreich unter der Regentschaft, aber diese Liederlichkeit war mit einer Rohheit gepaart, von der man jenseit des Rheins nichts wußte; das deutsche Erblaster der Trunksucht wucherte unter den jungen Edelleuten wie unter den Studenten, und beide

nahmen es als Vorrecht ihres Standes, sich über sittliche Regeln der „Philister“ mit Willkür hinwegzuseßen.

Gegen diese Willkür wehrte sich nun der sonst so zahme, sittliche Spießbürger aus Leibeskräften; wenigstens wollte er sie in seinen eignen Kreisen nicht dulden. Gegen den Adel wagte er sich nicht, aber für seinen Stand bildete er eine eingeschnürte Moral aus, die garnicht deutscher Art ist. Die Prediger hielten immer strenger auf Kirchenbußen, in den Schulen wurde, nicht blos herb sondern grausam, Zucht und Ordnung eingebläut, und die Väter alten Schlages hielten sich verpflichtet, Gehorsam und Gottesfurcht durch unerbittliche Härte einzuprägen; sie hatten täglich die Spießruthen in den Kasernen vor Augen, und fanden fie ganz in der Ordnung. Vor allem suchten sie ihre Söhne vor unsolidem Lebenswandel zu bewahren, und als den unsolidesten sahen sie das Treiben der Poeten an.

„Heute", schreibt Christian Weise „bezeichnet der Name Poet als kaiserlicher Titel eine Art gelehrten Adels, steht aber sonst in großer Verachtung. Etliche Personen haben freilich die Welt in lauter Schäfereien verwandeln wollen und die Poesie als Hauptaufgabe ihres Lebens angesehn; aber diese mußten auf fremde Freigebigkeit lauern. Der Lehrer, der einen armen Studirenden zu tief in die poetischen Wälder führt, handelt recht wie ein Stiefvater an ihm."

So dachte auch der Vater des jungen Poeten Günther, ein Arzt in Striegau, der sich durch eisernen Fleiß aus der Dürftigkeit aufgeschwungen hatte, und bei seinem knappen Einkommen den aufstrebenden Ehrgeiz des Knaben von früh auf zu beugen suchte; er hielt es für seine Pflicht, ihn von dem liederlichen Treiben der Studenten, Schauspieler und adliger Vagabunden fern zu halten. Nur mit Widerstreben gab er zu, daß man dem Sohn eine Freistelle in der lateinischen Schule zu Schweidnitz verschaffte; Günther war 8. April 1695 geboren.

Den Tag seines Abgangs von der Schule wurde ein von ihm verfertigtes Trauerspiel von der Schuljugend aufgeführt. In Schweidniß ließ er eine Gebiebte zurück; mit ihrem Namen Leonore sind, nicht selten mit Angabe des Datums, so viele Situationen in seinen Gedichten bezeichnet, daß man daraus eine vollständige Geschichte dieser Liebe abschreiben möchte. Indeß waren diese Lieder nicht Tagebuchnotizen, sondern lebendige Auffrischungen vielleicht halbverblichener Erlebnisse. „Weiß ich doch nicht, wen ich nenne! doch genug, es ist ein Bild, das, solang' ich leb' und brenne, mir allein das Herze stillt."

So kam er Nov. 1715, 20 Jahr, als Studiosus der Medicin

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