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Schanden macht."

Dann wendet sich Günther an die alten Schulgesellen: Sollte einer unter euch um mein Grabmal Kräuter lesen, o so wünsch' er mir dabei ein geruhiges Verwesen, und erinnre seinen Nachbar: hier schlief unser Bruder ein, der uns oftenmals ermahnte, Brüder laßt uns lustig sein! . . . Allerliebstes Vaterland! Günther wird nicht wiederkommen; da ihn nun ein fremdes Grab aller Noth und Last entnommen, dank ich deinen schönen Grenzen vor das erst gegebne Licht, das sich allgemach verzehret, und mir schon das Auge bricht. . . . Etwas drückt mir noch das Herz, daß ich jezo doch nicht wüßte, daß die Liebe, wenn sie trennt, gar zu heftig plagen müßte! Komm, du Liebste meines Herzens, schau, es geht zur letzten Ruh; komm und drücke, schönste Seele! mir nur noch die Augen zu . . . Brich nur jetzt den Hoffnungsstab, reiß den Myrthenkranz in Stücke . . . und gedenk an deinen Dichter, der dich mit Gefahr geliebt, und dir jetzt die kalten Thränen, den betrübten Brautschmuck giebt . . . Seele, fort! du hast nun Zeit, deinen Frieden zu bedenken. Aber welch ein Zweifelmuth mehrt dein innerliches Kränken? Wirst du durch dies Ganze wandern? Bist du etwas oder nichts? oder ein getrennter Funken von dem Wesen jenes Lichts? - Laß den Kummer! er bethört; geh am sichersten und glaube deines Wesens Ewigkeit. Mach' es wie die Turteltaube, fleuch vor Angst und Sturm und Wetter aufs Gebirge Golgatha, fleuch und suche sichre Ritzen, denn der Räuber ist dir nah. Du gekreuzigte Geduld! die du leidest und doch schweigest, und so viel du Grausamkeit, auch Erbarmungszeichen zeigest .. ich ergreife dein Verdienst, ich vertraue deinen Wunden, hat doch auch des Schächers Herz Ruh in dieser Freistatt funden. . . Lebe wohl, bethörte Welt! leb! ich wünsche dir's zum Possen... Hat sich etwa noch dein Zorn nicht genug an mir gerochen, o so sättige dein Maul mit den abgefleischten Knochen! Dieses Spiel mit meinem Körper gönn' ich dir zur Dankbarkeit, weil du mich durch so viel Stöße einmal aller Last befreit."

15. März 1723 starb der unglückliche Mann (28 J.) in Jena. Er ist unter den deutschen Dichtern der Erste, der ohne Scheu sein Inneres darstellte. Ihm war es gegeben, während der innern Aufregung sich selbst zu beobachten und die Bewegungen seiner Seele mit Naturfrische melodisch nachzubilden. Günther's Gedichte," schreibt bald nach seinem Tod sein alter Gönner Mencke, „fließen unvergleichlich, sind voll Feuer, und führen etwas ungemein Reizendes bei sich. Er hat sie größtentheils aus dem Stegreif geschrieben: er würde unfehlbar einer der größten Poeten geworden sein, wenn er zu gehöriger Reife ge

kommen wäre. Ein Brockes, der nur zum Vergnügen arbeiten darf, kann wohl etwas Schönes zur Welt bringen; aber wenn ein armer Günther singt, sich etwas zu verdienen, so muß wohl mitunter ein heiserer Ton vorkommen."

Günther war ein echter Dichter: eine solche Innigkeit des Fühlens und eine so reiche und tiefe Melodie des Tonfalls hat sich vor Goethe höchstens in einigen Volksliedern gezeigt. Was Mencke seinen „heisern Ton" nennt, kam aus den Tiefen des Gemüths, das die Widersprüche des Weltlaufs lebhafter empfand, als die genügsam sittlichen Gewohnheitsmenschen.

Günther's Poesie liegt in den Empfindungen, nicht in den Gedanken, und da seit Leibniz die Gebildeten unter den Deutschen anfingen, Fühlung mit der Poesie zu suchen, lief ihm in diesen Kreisen vorläufig Brockes' „Irdisches Vergnügen in Gott" den Rang ab.

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Barthold Brockes, der reiche Hamburger Senator, geb. 22. Sept. 1680, hatte sich längere Zeit in Italien aufgehalten und die dortige Litteratur und Kunst gründlich studirt. Er hatte Marino's Bethlehemitischen Kindermord" in deutsche Verse überseßt und damit großen Beifall gefunden; dann aber überführte ihn das Studium der Engländer, daß es in der Dichtung hauptsächlich auf kräftige Gedanken und lebhafte Bilder ankäme; das didaktische Gedicht war jenseit des Canals, namentlich durch Pope, mit großem Erfolg bearbeitet. Brockes war bereits ein gemachter Mann, 41 J. alt, als er 1721 das „Irdische Vergnügen in Gott" veröffentlichte. Es enthält eine Reihe von Gedichten, die einen sehr einfachen Mechanismus haben.

Brockes nimmt aus der Natur einen beliebigen Gegenstand, giebt von demselben eine möglichst anschauliche Schilderung, steigert sein Gefühl zu einer Art Arie, geht dann wieder in den gelindern Ton des Recitativs über, und schließt mit einem moralischen Couplet, das ungefähr so lautet: dieser Gegenstand ist so vortrefflich, wie groß muß die Weisheit und Güte des Schöpfers sein, der ihn zu unserm Nußen und Vergnügen gemacht hat! In diesem Gang ist nicht viel Poesie, und die Arien, die, ganz für die Musik eingerichtet, sich meist in wunderlich hüpfenden Versmaßen bewegen, nehmen fast nie einen höhern Schwung: es sind die geläufigen Modulationen der Oper. Die Naturschilderungen aber verdienen nicht ganz die Geringschätzung, mit der man heute von ihnen zu reden pflegt. Allerdings löst Brockes die Anschauung in ihre Elemente auf, aber er thut es doch nicht der eigentlichen Beschreibung wegen, sondern um eine Stimmung hervorzurufen. Als Beispiel eine Stelle über den

grünen Waldschatten, die, nicht frei von Schwulst, dennoch zeigt, daß Brockes nicht blos auf Aufzählung der Staubfäden ausgeht.

„Der Schatten sichtbar's Nichts in grünlicher Gestalt erfüllt die stille Luft, bedeckt den ganzen Wald, und ihr unfühlbar Wesen weis't, in grüner Dämmerung, in ruhigem Vergnügen, ein etwas zwischen Leib und Geist, das Leib und Geist zugleich besiegen, ergößen und erquicken kann: ich seh' es mit Verwund'rung an. Hier färbt ein schattig Grün oft ein lichte Stelle, ein Schlaglicht machet dort den grünen Schatten helle, und bricht die sanfte Dunkelheit des braunen Schattens in dem Reize, daß viele Stellen wie vergüldet auf einer holden Schwärze glimmen, wodurch manch Schattenbaum sich auf der Erde bildet, an welchem Blätter, Stamm und Zweige zwar fühlbar nicht, doch sichtbar sind: die dann, wann ein gelinder Wind ihr rauschend Urbild rührt, im Sande gleichsam schwimmen, und, leichten Geistern gleich, die sonder Körper scherzen, bald die, bald jene Stelle schwärzen. Man siehet oft mit innigem Vergnügen an eines solchen Baumes Fuß den ganzen Baum auf flacher Erde liegen, auch in dem nah gelegnen Fluß, den Wipfel unter sich, die Wurzel aufwärts, stehn, so daß an einem Baum die aufmerksamen Augen (ach möchte doch der Mensch nur stets mit solchen sehn!) fich dreifach zu ergößen taugen. Ein fast all' Augenblick veränderliches Licht zeigt auch all' Augenblick veränderte Gestalten, die keinen Augenblick dieselbe Form behalten, nein, die, mit wunderschnell gemalten Bildern, den schattenreichen Boden schildern, das Aend'rung liebende Geficht in tausendfache Lust verseßen und auch zugleich das Herz ergößen. Wenn Jemand sich in diesem Licht bewegt, geht oder läuft; so läßt's, als würde stets sein Kleid mit güldnen Flocken überstreut.“

Zuweilen, freilich nur sehr selten, streift er sogar an Mystik. „Als jüngst mein Auge sich in die saphyrne Tiefe, die weder Grund noch Strom, noch Ziel noch End' umschränkt, in's unerforschte Meer des hohen Luftraums senkt und mein verschlungner Blick bald hie bald dahin liefe, doch immer tiefer sank, entsetzte sich mein Geist, es schwindelte mein Aug', es stockte meine Seele ob der unendlichen, unmäßig tiefen Höhle, die wohl mit Recht ein Bild der Ewigkeiten heißt, so nur aus Gott allein, ohn' End und Anfang stammen; es schlug des Abgrunds Raum wie eine dicke Fluth des bodenlosen Meers auf sinkend's Eisen thut, in einem Augenblick auf meinen Geist zusammen. Die ungeheure Gruft des tiefen, dunklen Lichts, der lichten Dunkelheit, ohn' Anfang, ohne Schranken, verschlang sogar die Welt, begrub selbst die Gedanken: mein ganzes Wesen ward ein Staub, ein Punkt, ein Nichts, und ich verlor mich selbst.

Julian Schmidt, Litteratur. I.

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Dies schlug mich plößlich nieder; Verzweiflung drohete der ganz verwirrten Brust: allein, o heilsam's Nichts! glückseliger Verlust: allgegenwärtiger Gott! in dir fand ich mich wieder."

Bei weitem die größte Zahl seiner Gedichte ist freilich sehr prosaisch. Der stattliche Herr geht in seinem Garten spazieren und läßt sich vom Gärtner einige Blumen pflücken, über deren Farben und kunstvollen Bau er dann seine Betrachtungen anstellt. Oder er ißt bei Tisch einen Lammskopf und beschäftigt sich, nachdem er satt ist, damit, die kleinen Knöchelchen zu lösen, sich darüber zu verwundern, wie nett fie aussehn, und über die Geschicklichkeit Gottes zu staunen, der das Alles so wunderbar in einander gefügt hat. Es ist, als ob der reiche Städter zum ersten Male aus seinem Comptoir oder seiner Studierstube in's freie Feld träte und sich verwunderte: in einem Gedicht führt Brockes wirklich einen Alchymisten, der seine Augen vor den Schönheiten der Natur zuschließt, in's Feld und macht sie ihm begreiflich. Die Erde ist kein Jammerthal und die Welt verdient nicht die Verachtung der Menschen; Gott soll in seinen Creaturen erkannt und in ihnen besungen werden: das ist der beständige Refrain, mit welchem diese Dichtungen den Ideen von Leibniz zu Hülfe kommen.

Günther schildert die innern Widersprüche eines leidenschaftlichen von Zweifeln gequälten Herzens; Brockes bemüht sich, die Befriedigung des Weisen auszumalen, der mit Gott und der Natur im Reinen ist. Und das war das ernstliche Streben der Zeit: man wollte sich mit den Weltgesetz aussöhnen, Gottes Allmacht, die der Pietismus nur mit Furcht und Zittern sich vorstellte, auch in der Weltregierung auf Erden begreifen. Als Brockes 1747 starb, beschreibt ein vielgelesenes Hamburger Blatt seinen Einzug in den Himmel; er sieht Gott leibhaftig vor sich und ruft erstaunt: „Mein Schöpfer, Herr und König! stets hielt ich viel von dir, doch immer noch zu wenig.“ Das „Irdische Vergnügen in Gott", das vielfach die Leibniz'schen Ideen anstreift, erschien in einer Zeit, wo diese Philosophie sich in Deutschland der Herrschaft bemächtigte. Alle ehrbaren Leute erkannten in der Willkür der Sitten den Krebsschaden der Zeit; der Grund schien die Willkür im Denken zu sein. Es waren zum Theil moralische Gründe, welche zur Herstellung eines festgefügten Denkgesetzes trieben; um der Willkür durch strenge Zucht zu begegnen, scheute man auch die Pedanterie nicht. Durch willensstarke Pedanten wurde das deutsche Denken in Schule genommen.

„Da ich von Jugend auf eine große Neigung gegen das menschliche Geschlecht bei mir gespürt, habe ich mir niemals etwas angelegener

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sein lassen, als alle meine Kräfte anzuwenden, daß Verstand und Tugend unter den Menschen zunehmen möchten; und ich werde davon nicht ablassen, so lange sich ein Blutstropfen in meinem Leibe regt!" So leitet Neujahr 1720 Christian Wolff, Profeffor in Halle, Sohn eines Breslauer Lohgerbers, (geb. 24. Jan. 1679) seine „Vernünftigen Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt“, ein. Es ist ein Versuch, Leibniz' Gedanken in ein populäres System zu bringen, und sie so auf einander folgen zu laffen, daß jeder neue Saß aus dem nächst vorhergehenden erwiesen werde. Diese demonstrative" Methode entnahm Wolff der Mathematik, die er zu seinem Brodstudium gewählt, und über die er, erst in Leipzig, seit 1706 in Halle ausschließlich Vorlesungen gehalten hatte.

Meine Eltern“, erzählt er in einer kurzen Selbstbiographie, „haben mir von der ersten Kindheit an große Liebe zur Gottesfurcht beigebracht, daher ich alle Predigten besucht und täglich zu Hause die Bibel gelesen. Weil ich aber in Breslau den Eifer der Lutheraner und Katholiken gegen einander wahrnahm, so lag mir immer im Sinn, ob es denn nicht möglich sei, die Wahrheit in der Theologie so deutlich zu zeigen, daß sie keinen Widerspruch leide? Wie ich nun hörte, daß die Mathematiker ihre Sache so erweisen, daß sie Jeder für wahr erkennen müsse, lernte ich die Mathematik, um nach derselben Methode die Theologie auf unwidersprechliche Gewißheit zu bringen." Die Naivetät dieses Jugendeinfalls hat ihn nie verlassen: er war im Alter fest überzeugt, aus zwei Leibnizischen Säßen die ganze übersinnliche Welt mit unbestreitbarer Deutlichkeit construirt zu haben. Der erste Sat: was einen innern Widerspruch enthält, ist unmöglich; es kann auch durch die Allmacht Gottes nicht möglich werden!" Der zweite: alles Wirkliche beruht auf einem zureichenden Grund; alles was geschieht, folgt nothwendig aus einer Ursache, die ebenso wieder eine Ursache gehabt, und so ins Unendliche fort."

Lord Bacon, Descartes, Leibniz, Locke, Spinoza hatten ihre Gedanken entweder in der Studirstube oder im Weltverkehr geformt: Wolff ging vom Katheder aus, es kam ihm darauf an, unmittelbar Schule zu machen und seinen Schülern etwas Fertiges zu überliefern. „Da ich durch das academische Lesen mir meine Ideen aufkläre und familiär mache, bin ich im Stande, meine Bücher wie einen Brief gleich im Conner hinzuschreiben, was Leibniz nicht vermochte, der selbst im Discurs sich öfters lange befinnen mußte. Er gab als Ursache an, daß, weil er alles unter einander las, die Ideen confus wären und sich ihm nicht gleich präsentiren wollten; gestand auch, es fehle ihm an Deutlichkeit." — Der

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