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de la décadence des Romains" und bereitete den „Esprit des lois" vor, und Maupertuis veröffentlichte das Werk über die Geseße der Gravitation; beide hatten sich mit Voltaire zusammen in England aufgehalten. Mit diesen Schriften wurden die Ideen Locke's und Newtons als die weltbewegenden in Europa geltend gemacht.

Noch vollständiger als in den „Briefen" tritt Voltaire's Weltanschauung in dem Versuch über die Sitten und den Geist der Nationen“ hervor, der für die Europäische Geschichtschreibung Epoche ge= macht hat. Voltaire war einer der besten Erzähler von der Welt; schon die Geschichte Karl's XII.", die er noch in England schrieb, ist das Muster einer lebendigen und lichtvollen Darstellung. In den „Sitten der Völker" schied er mit scharfem Blick aus dem Wust, den die damaligen Notizenkrämer aufgespeichert, diejenigen Züge aus, auf die es zum Verständniß der Culturbewegung ankam, und fügte sie, indem er alles Gleichgültige wegließ, zu einem sprechenden Gemälde zusammen.

Nach Voltaire muß jede echte Weltgeschichte Culturgeschichte sein. Es kommt nicht darauf an, festzustellen, was in diesem oder jenem Jahr dieser oder jener König gethan oder gelassen? sondern auf die Untersuchung: worin bestanden in jener Zeit die Geseße, die Grundsäße der Verwaltung, des Handels und Verkehrs? u. s. w. Die Fragen hat Voltaire durchaus richtig gestellt, zur Beantwortung gehörte ein bei weitem größeres Wissen als er besaß; seine Kenntnisse reichten weit, aber wo sie ihn im Stich ließen, construirte er ein wenig aus dem Handgelenk; bei der Zuversichtlichkeit seines Tons hat man allen Grund, ihm scharf auf die Finger zu sehn.

Nach Voltaire bildet der unveränderliche gesunde Menschenverstand" für die Weltgeschichte den Faden; den Einschlag die wechselnden Meinungen und Vorurtheile, in welchen der Zufall sein Spiel treibt; auf welchen positiven Grundlagen sie fußen, das zu erforschen hält er selten der Mühe werth, und so sieht bei ihm die Geschichte im Großen und Ganzen wie ein Wust von Verirrungen aus; in dem sich nur einzelne glückliche Zeiten bemerklich machen, wie Menschenwohnungen in einer Wildniß.

Das Buch war in offen ausgesprochenem Gegensatz gegen Bossuet, dessen formvollendetes Geschichtswerk für Frankreich damals eine allgemein anerkannte Autorität war. Wie ist es möglich, fragt Voltaire, daß man die Entwickelung der allgemeinen Weltgeschichte vom Standpunkt eines kleinen, ungebildeten und allgemein verachteten Volks aus betrachtet, der Juden? Die theologische Geschichtschreibung weiß von

keinen andern Völkern zu erzählen, als von solchen, die mit Juden in Verbindung kamen; fie ignorirte es vollständig, daß ihnen gewaltige Culturstaaten mit völlig beglaubigter Geschichte voraus gingen, hauptsächlich die Chinesen, daß die ganze Indische Welt außerhalb des Gesichtskreises der Juden lag. Wenn Voltaire seine eigentliche Darstellung mit Karl dem Großen beginnt, so betrachtet er in der Einleitung, um Bossuet zu widerlegen, auch die alte Geschichte, mit oberflächlicher Kenntniß, aber oft mit genialen Blicken. Seine Vorliebe für die Chinesen, die aus seinem Glauben an die aufgeklärte Monarchie hervorging, theilt er mit den meisten seiner Zeitgenossen. Die Engherzigkeit der theologischen Geschichtschreibung nachzuweisen, ist Voltaire gelungen; sie ist für immer beseitigt.

Eine rechte Construction des culturhistorischen Zusammenhangs der Welt konnte ihm schon darum nicht gelingen, weil ihm die Civilisation, wie sie von der Schule Locke's verstanden wurde, als das einzig Werthvolle der Welt erschien; weil er den Aberglauben und die Vorurtheile, die sich derselben entgegen stellten, nur als ungerechtfertigte und gleichsam zufällige Frrungen der Natur gelten ließ, statt in ihnen den Ausdruck eigenartiger und starker geistiger Mächte zu finden. So betrachtete er das Christenthum nur mit höhnischem Achselzucken und legte sich garnicht die Frage vor, wie es möglich war, daß aus den kleinen Mitteln, die er aufzählt, eine weltbeherrschende Macht hervorging? Fast mit der nämlichen Geringschätzung betrachtete er den Germanischen Geist, der ihm ganz barbarisch vorkam, und dem er nur das Recht zuerkannte, von der Civilisation als roher und schwer verdaulicher Stoff verbraucht zu werden. So bleibt ihm denn, abgesehn von den Chinesen, die doch auch bei ihm in den Zusammenhang der Geschichte nicht eingreifen, nur die Culturwelt des Perikles, des Augustus und der Antonine, die, von der Barbarei des Mittelalters unterbrochen, erst in der Renaissance wieder zum Durchbruch kommt, um in den Glaubensstreitigkeiten des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts von neuem zu verkümmern, bis endlich, vorbereitet durch die Naturwissenschaft und die moderne Baconische Philosophie, im Jahrhundert Ludwig's XIV. die Menschheit sich jene Bildung aneignet, die ihren hervorragenden Geistern wenigstens eine freie Aussicht in das was zu wünschen, zu hoffen, zu erreichen ist, eröffnet. Dies Jahrhundert rechnet er ungefähr von der Gründung der Academie bis zum Erscheinen seiner eignen „Briefe über England", mit welchen, wie er richtig fühlt, ein neues Zeitalter sich ankündigt, der erste Beginn eines wirklichen bleibenden Fortschritts durch

die Aufklärung. Gleichwohl ist er bescheiden genug, vor der unmittelbar vorhergehenden Periode als einer vornehmeren und glänzenderen sich höflich zu verneigen.

Das Jahrhundert Ludwig's XIV.", der Abschluß des großen Werks über die Sitten, ist, abgesehn von der klaren und durchsichtigen Darstellung, in der kein Wort zu viel steht, auch im Urtheil nicht ungerecht. Was Voltaire an seinem Helden lobenswerth findet, seine vornehme und doch liebenswürdige Haltung, sein guter Geschmack, sein Interesse für die Kunst, ist wirklich zu loben, und wenn er seine schlimmen Seiten durchweg zu entschuldigen sucht, so verschweigt er sie doch nicht. Als Franzose freilich wird er durch den Glanz des Reichs einigermaßen geblendet; für die Deutschen, die darunter litten, fühlt er kein größeres Interesse als für ein Barbarenvolk.

Wenn sich Voltaire durchaus als Weltbürger ausspielt, so bemerkt der aufmerksame Leser doch bald den Hintergedanken, daß echtes Weltbürgerthum, d. h. echte humane Bildung, nur in der guten Gesellschaft von Paris zu finden ist. „Dans la grande foule composée d'imbéciles et parsemée de cuistres, il y a un petit troupeau séparé qu'on appelle la bonne compagnie; ce petit troupeau, étant riche, bien élevé, instruit, poli, est comme la fleur du genre humain: c'est pour lui que les plus grands hommes ont travaillé; c'est lui qui donne la réputation.'

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Das Centrum dieser Bildung war Paris; aber ihr Tummelplaß war bei dem Druck, der in Frankreich von oben her auf der Aufklärung lastete, die Holländische Presse: in ihr wurde alles abgelagert, was in Frankreich untersagt war. Seine Ideen in die Weite auszubreiten, bot sich Voltaire indeß ein unerwartetes Mittel.

Kronprinz Friedrich von Preußen hatte schon früh die französische Litteratur studirt, und mit besonderer Begeisterung Voltaire gelesen. Freilich wollte er sich auch in der in Deutschland gangbaren Philosophie unterrichten: er ließ sich Wolff's Hauptwerk in's Französische überseßen, und der Prediger Achard mußte ihm einen Commentar dazu geben. Enfin“, schreibt er 27. März 1736, „je commence à apercevoir l'aurore d'un jour qui ne brille pas encore tout-à-fait à mes yeux; et je vois qu'il est dans la possibilité des êtres que j'aie une âme, et que même elle soit immortelle." Ueber Achard's Erläuterungen macht er sich lustig, gleichwohl spricht er sich 8. Aug. in einem Brief an Voltaire, der eine langjährige Correspondenz eröffnete beifällig über den deutschen Philosophen aus. Voltaire wuchs in den

Augen des europäischen Publicums immer höher heran, schon lange sehnte sich Friedrich, mit ihm zu verkehren.

6. Aug. 1736 war Friedrich in das anmuthig gelegene Reinsberg eingezogen. Alle möglichen Lustbarkeiten wurden verübt, es war eine ununterbrochene Maskerade, die erheblich mehr Geld kostete als er besaß; auch wurde mit Eifer musicirt. Daneben aber beschäftigte er sich mit humanitären Fragen. Er hatte vor, an einem Programm seiner Regierung zu arbeiten, und wählte dazu die Widerlegung des Macchiavelli, den man als Einbläser aller bösen Fürsten verabscheute. Friedrich wies nach, daß es sich für einen König mit nichten zieme, durch Meineid, Giftmord und Aehnliches seinen Plänen nachzuhelfen, daß er vielmehr die Pflicht habe, für das Wohl seiner Unterthanen zu sorgen. Die traurigen Wirkungen des Despotismus hatte er an sich selbst so bitter erfahren, daß man an seiner Aufrichtigkeit nicht zweifeln darf.

Dem Prinzen war ganz ernsthaft daran gelegen, zum Wahren und Schönen vorzudringen. Wolff's Pedanterie stieß ihn ab, in Voltaire glaubte er einen ebenbürtigen Geist zu finden. Er wollte nicht blos von ihm lernen, er suchte auch ein Verständniß für das, was in seinen eignen Gedanken und Empfindungen vorging. Er hatte das tiefe Bedürfniß, sich mitzutheilen, das durch seine unglückselige Jugendzeit verfümmert, aber keineswegs unterdrückt war. Voltaire, den diese Anknüpfung sehr erfreute, weil sie sein Ansehn in Frankreich erhöhte, theilte ihm freigebig von seinem Wissen und Können mit, und kam seinen Ergießungen warm entgegen; er wußte fein zu schmeicheln und zart zu berichtigen. Als Dichter gab er ihm die Mittel an die Hand, edle Empfindungen klangvoll auszudrücken; als Philosoph zeigte er ihm die Hebel, die Last überkommener Meinungen von sich abzuschütteln; er lehrte ihn, feurig zu declamiren, und bitter zu spotten. Damit kräftigte er die Doppelnatur, die ohnehin in Friedrich lag. Daß durch ihn der bedeutendste unter allen Deutschen dem geistigen Leben Deutschlands wenigstens halb entzogen wurde, war ein Verhängniß, aber es hatte, wenn man das Verhältniß der beiden Culturen in Rechnung zieht, nichts Befremdendes.

Es steckte in Friedrich doch ein starker Fonds von deutschem Idealismus. Das Uebergewicht der französischen Cultur über die deutsche war ihm ein feststehender Glaubensartikel, aber wenn er Jemand suchte, auf dessen Treue er bauen könne, wandte er sich an einen Deutschen, und verschwieg das seinen Franzosen nicht.

Dem deutschen Bürgerthum wollte die moderne Aufklärung noch nicht recht eingehn, weil sie mit zuviel französischer Frivolität auftrat; sie ihm zu vermitteln, erwies sich die Schweiz als ein günstiger Boden: fie hatte sich an den Kämpfen zwischen den Franzosen und Deutschen nicht betheiligt und Fühlung nach beiden Seiten behalten. Die Schweizer fingen nun an, in der deutschen Litteratur eine sehr ansehnliche Rolle zu spielen. Ihre Gelehrten betheiligten sich eifrig an den mathematischen und naturwissenschaftlichen Arbeiten der Engländer und Franzosen, und ein hervorragender eidgenössischer Schriftsteller meinte, der Ruhm der Euler und Bernouilli werde fortbestehn, wenn Sempach und Moorgarten längst vergessen wären. Diese Vermittlerrolle fiel ihnen auch in schönwissenschaftlichen Dingen zu.

Des Abbé Dubos „Réflexions sur la poésie et la peinture" veranlaßten 1721 zwei junge Kritiker in Zürich, Bodmer und Breitinger, in den „Discursen der Maler" für den Begriff der Kunst eine neue Basis zu suchen. Poesie und Malerei müssen die Natur zum Muster nehmen; das Verfahren des Malers klärt uns über die Aufgabe des Dichters auf. Was in der Vernunftlehre die Begriffe, das sind in der Logik der Phantasie die Bilder: dort wird die rechte Verknüpfung der Begriffe, hier die rechte Verknüpfung der Bilder gelehrt."

Wie kommt es, daß in der nachbildenden Kunst unsre Lust erregt, was uns eigentlich schmerzlich ergreifen sollte? Der Grund liegt in dem Bedürfniß der Seele, beschäftigt zu werden, um dem Gefühl der Leere zu entfliehn. Die Leidenschaften verleihen uns ein lebhafteres Gefühl unseres Daseins; was uns in der Wirklichkeit entsetzen würde, berührt uns in der Nachbildung nur gelind, so daß die Lust, die im_erhöhteren Gefühl unsres Daseins liegt, mit keinem Schmerz verbunden ist. In einer Reihe von Abhandlungen seßten die beiden Schriftsteller diese Untersuchungen fort.

Bodmer hatte erst, wie Brockes, dem Italienischen Geschmack gehuldigt; die Lecture des Englischen „Zuschauers“ hatte ihn umgestimmt. Er legte sich nun ernsthaft auf das Studium der Englischen Litteratur. Schon 1725 warf er seine Augen auf Milton's „Verlornes Paradies"; er übernahm, das Gedicht durch eine prosaische Uebertragung in Deutschland einzubürgern. Ein ungemein glücklicher Griff, da Milton's Form der modernen Geschmacksbildung nicht den Anstoß gab wie die der Shakespeare'schen Zeit. Es war nicht blos der poetische Werth des Gedichts, was Bodmer anzog, sondern ebenso die Persönlichkeit des Verfassers: Milton war der Anwalt der kirchlichen und bürgerlichen

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