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stabil, völlig dogmatisch geworden, und die exacten Wissenschaften betrachteten es mit Recht als Ueberhebung, wenn sie bei ihnen mitredete. Zudem ergab sie sich, seit Wolff wieder latein schrieb, aufs Neue dem scholastischen Formalismus. Ein Informator aus dieser Schule dictirte seinem Knaben Hefte, deren erster Satz lautete: ,,omne possibile est ens; quidquid contradictionem non involvit, est possibile!" Jacob Carpov in Jena erwies die Dreifaltigkeit als wesentliche Eigenschaft der Substanz, ebenso April 1735 sein Schüler Darjes: „Deus essentialis est complexus omnium substantiarum in Deitate; Deus vero personalis est substantia Entis, quod Aseïtatem habet" u. s. w.; dafür mußte er auf Befehl der Facultät einen schimpflichen Widerruf unterzeichnen. In Halle wurde gegen einen Candidaten, der auf der Kanzel immer von Möglichkeiten“ redete, von der Facultät die Censur verhängt: „obwohl das Wort an sich keinen Irrthum enthält, so ist doch der öftere Gebrauch nicht ohne Grund als ein Kennzeichen der unziemlichen Anhänglichkeit an die Wolffische Schule erfunden worden."

„Ich lese seit einiger Zeit diese Streitschriften nicht mehr!" schreibt Prof. Mosheim. „Auf beiden Seiten einerlei unbegründete Behauptungen, einerlei bittere Vorwürfe! Alle halten sich mit Nebendingen auf, keiner greift die Sache aus dem Grund an." In Berlin sette Probst Reinbeck einen Umschwung durch: als Lange in Halle ein neues Buch über die Wolffischen Keßereien veröffentlichte, erfolgte von Berlin 24. Juni 1735 ein strenger Verweis, da durch dergleichen nur unnüßer Lärm entstehe.

In derselben Zeit, Juni 1735, gerieth Reinbeck als der Vertreter der Wolffischen Philosophie, in Händel mit einem Gegner von anderm Schlage, dem Mecklenburger Liscow (1701-1760), der seit 1733 durch seine satirischen Schriften Deutschland in Aufregung sezte. Liscow war Jurist, aus der Schule von Thomasius und Gundling, an Locke, Swift, Montaigne und Bayle gebildet, vollkommen vorurtheilsfrei, im Stil von einer seltnen Anmuth; am anziehendsten in der tollsten Ausgelassenheit. Er hatte bisher nur kleine Leute gehänselt, verdrehte Orthodore und speichelleckerische Rhetoren, aber das waren nur seine Prügeljungen: anscheinend nur gegen den schlechten Geschmack gerichtet, traf seine Satire die nichtswürdige Gesinnung.

Liscow's Satiren erinnern an Erasmus' „Lob der Dummheit"; er stellt sich an, als ob er in einer Gesellschaft von Einfältigen für ihre Sache spreche. „Wir machen drei Viertel der gelehrten Welt aus, und können uns durch Stimmenmehrheit als die allein Berechtigten behaupten.

Daß unsre Gegner sprechen, die Mehrheit der Stimmen gelte nicht, zeigt nur, daß sie nicht reiner Lehre sind; so reden die Kezer auch, und haben doch Unrecht, weil sie Kezer, d. h. überstimmt sind. Die Kirche Christi hat es zu aller Zeit auf die Mehrheit der Stimmen ankommen lassen."

„Die Griechen und Römer haben sich eingebildet, man müsse erst denken lernen, ehe man sich zu reden unterstände; das Licht des Evangelii hat diesen Wahn verjagt." Wer sich zu klug dünkt, seinen geistlichen Führern einfältiglich zu folgen, ist nicht geschickt zum Reich Gottes, geräth auf Frrwege und verfällt endlich in das Laster der Keßerei. Allgemein sehn auch die Seelsorger die Vernunft als ein unbändiges reißendes Thier an, dem man Zaum und Gebiß ins Maul legen muß, und mit welchem nicht auszukommen ist, wofern es nicht an eine starke Kette geschlossen wird. Ueber die Länge der Kette sind sie freilich nicht einig. Einige wollen, die Kette müsse fein lang sein, damit die Vernunft bei einer mäßigen Freiheit ihre Bande desto geduldiger trage; man habe Erempel, daß sie, wenn man sie gar zu kurz gebunden, ihre Fessel zerbrochen, alles was ihr vorgekommen niedergerissen hat, und so unbändig geworden ist, daß man sie hernach nimmer hat zähmen können. Andre dagegen behaupten, man müßte die Vernunft so kurz als möglich binden, denn sonst sei man nimmer vor ihr sicher; auch sei sie garnicht so ungeduldig, als man vorgebe.“

„Die Vernunft ist eine Gabe Gottes, aber der Ausgang hat gewiesen, daß sie ein schädliches Geschenk gewesen ist. Kaum war der erste Mensch erschaffen, so verleitete ihn seine Vernunft zu derjenigen Sünde, wodurch er sich und seine Nachkommen unglücklich machte. Eva fing an zu grübeln, und da war es um sie und um uns alle geschehn. Die Vernunft macht den Menschen ungeschickt, ein Glied der bürgerlichen Gesellschaft zu sein. Wer über die Befehle seiner Obrigkeit grübelt und sie vor den Richterstuhl seiner Vernunft stellt, wird sie schlecht beob= achten, wenn sie ihm unvernünftig scheinen; damit hat jeder Rebell seinen Aufstand zu beschönigen gesucht; die Vernunft ist die einzige Quelle aller Rebellionen."

„Die Weltweisen freilich scheinen der Vernunft benöthigt zu sein, aber sie haben sich ihrer wenig bedient. Heutiges Tags, da wir so schöne Compendia philosophiae haben, müßte einer ein Narr sein, wenn er ohne Noth seine Vernunft abnutzen wollte; hat er nur soviel Gedächtniß, daß er eins dieser heilsamen Bücher auswendig lernen kann, so ist er geborgen. Da man nun ohne Vernunft Völker regieren, Länder erobern, Schlachten gewinnen, Seelen bekehren, Rechtshändel entscheiden,

Pillen drechseln und ein Weltweiser sein kann, so möchte ich wohl wissen, warum es nicht erlaubt sein sollte, ohne Vernunft ein Buch zu schreiben?“

Hatte Liscow Muth genug, mit Orthodoren und Pietisten anzubinden, so schont er die Rationalisten ebensowenig. Reinbek hatte behauptet, der ursprüngliche Stand der Unschuld wie der Verlust desselben durch den Sündenfall seien aus der reinen Vernunft zu begreifen. „Ich will", schreibt Liscow, was uns vom Zustand der ersten Menschen offenbart worden, nicht in Zweifel ziehn. Ich behaupte nur, daß unsre Vernunft nichts davon weiß. Der Bericht des heiligen Schreibers vom Fall des ersten Menschen ist so beschaffen, daß man Mühe hat, sich davon einen Begriff zu machen. Ich rühme mich keiner Philosophie, durch welche ich die Tiefe der Gottheit ergründen könnte, und will lieber mit unsern reinsten Gottesgelehrten nicht sehn und doch glauben, als den neuen philosophischen Christen zu Gefallen sagen, daß ich sehe, was ich nicht sehe."

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„Die Vernunft ist so wild und verkehrt, daß ihr die Wahrheiten der Offenbarung ganz unwahrscheinlich vorkommen. Sie sieht wohl, daß die Menschen durch ihre unordentlichen Begierden sich selbst und Andern schaden; aber sie hält diese Unvollkommenheit für eine Frucht der Neigungen, die von der Natur dem Menschen zu seiner Erhaltung eingeprägt find. Die Religion lehrt, der Mensch sei vollkommen von Gott erschaffen worden, habe sich aber muthwillig durch eine Uebertretung in das Verderben gestürzt, in welchem er sich jetzt befindet. Es sind das unstreitige Wahrheiten. Allein wie die Vernunft für sich nicht im Stande ist, zu begreifen, daß Gott die Fehler des Menschen als Uebertretungen seiner Gesetze willkürlich straft, so würde man ihr auch zu nahe treten, wenn man die Rechtfertigung dieses göttlichen Verfahrens auf ihre Rechnung schriebe. Nichts ist so unbegreiflich als ein Mensch ohne alle Neigung zur Sünde, der dennoch muthwillig fündigt. Einem Christen, der von der Göttlichkeit der heiligen Schrift überzeugt ist, liegt wenig daran, ob die Einwürfe der Vernunft gehoben werden: wenn er alles geduldig angehört, was ihm seine Vernunft über die Möglichkeit des Erzählten vorschwatt, so entscheidet er schließlich, es könne doch nicht unmöglich sein, weil es wirklich geschehn ist.“ Eine Klage gegen Liscow wurde Juli 1735 zurückgewiesen. Er trieb die Schriftstellerei nur in seinen Mußestunden; er ließ sich bald in wunderliche politische Abenteuer ein, die ihn ganz von dem litterarischen Markt entfernten; aber er hatte in dieser kurzen Zeit durchgreifend gewirkt.

Eine aus reformirten und lutherischen Geistlichen zusammengesetzte

Commission in Berlin sprach 23. Juni 1736 die Wolffische Philosophie von allen gegen sie erhobenen Anklagen frei; man durfte seitdem den von ihr vertretenen Rationalismus als die staatlich anerkannte Denkweise betrachten. Aber grade den tieferen Denkern ging ein innerer Zweifel auf. Die Harmonie der Welt, wie sie Leibniz gelehrt, war schön und erhebend, und Wolff hatte sie mundgerecht gemacht; aber entsprach sie den Thatsachen? Die Empiriker aller Gattungen lehnten sich immer lauter auf, und so erhob sich eine ansehnliche Opposition: theils die Freidenker aus der Englisch Französischen Schule, wie Voltaire und Liscow, theils die Frommen, die innerlich erlebt zu haben glaubten, was dem System widersprach. Beide steiften sich auf die Erfahrung, und neben der Schule des „gesunden Menschenverstandes“ fing der scheinbar überwundene Pietismus an, sich zum Theil der besten Köpfe zu bemächtigen; er erlebte einen merkwürdigen Nachsommer.

3.

Der Nachsommer des Pietismus.

1730-1740.

Der alte Zwist zwischen den Orthodoxen und Pietisten hatte, seitdem beiden in der Wolffischen Philosophie ein gefährlicherer Feind erwachsen war, an Heftigkeit abgenommen; mehr und mehr hatten sich die Pietisten in die Facultäten eingeführt und sich die Formen derselben angeeignet, während die Orthodoren sich einer größern Frömmigkeit befleißigten.

Noch aus der Mitte des Jahrhunderts giebt Semler in Halle sprechende Schilderungen von der Gewissensquälerei der pietistischen Kreise. Eine Historie der eignen Erfahrung wurde allgemeine Regel. Die Prediger und Gemeindevorsteher führten förmliche Register über die Seelenzustände der Gemeindeglieder. Wenn diese den Seelenzustand, den man verlangte, nicht lebhaft genug in sich spürten, so hieß es, es fehle ihnen an der Versiegelung, d. h. an der innern Gewißheit von der Kindschaft Gottes. Die Kinder wurden mitunter zur Verzweiflung ge= trieben, es war Pflicht, zu weinen und traurig zu sein. So berichtet Semler aus den Höfen von Saalfeld, Berleburg u. a., die ganz dem Pietismus ergeben waren.

Bisher war das eigentliche Apostolat des Pietismus in den Händen des Hallischen Waisenhauses gewesen, nun trat eine mächtige Concurrenz in der Brüdergemeinde ein. Mai 1727 nahm der junge sächsische Graf Zinzendorf die aus Oestreich vertriebenen Mährischen Brüder auf, und gründete mit ihnen auf einem seiner Güter die Gemeinde Herrnhut. Einer der merkwürdigsten Charakterköpfe jener Periode!

Graf Zinzendorf, geb. 26. Mai 1700 in Dresden, war hauptsächlich von Frauen erzogen, Mutter, Großmutter, Tante; Canstein und Spener waren die Freunde des Hauses. „Als in meinem sechsten Jahr“, erzählt er einmal, „mein Präceptor von mir Abschied nahm, gebrauchte er sich zarter Ausdrücke von meinem Heiland: die waren mir so eindringend, daß ich in ein langwieriges Weinen gerieth, und fest beschloß, lediglich für den Mann zu leben, der sein Leben für mich gelassen. In meinem achten Jahr lag ich eine Nacht lang ohne Schlaf, und kam durch ein altes Lied, das meine Frau Großmutter vor dem Schlafengehn ge= sungen, in ein tiefes Speculiren, daß mir zuleßt Hören und Sehn verging. Die raffinirtesten Ideen der Atheisten entspannen sich von selbst in meinem Gemüth. Weil ich aber dem Heiland mit einer empfindlichen Aufrichtigkeit zugethan war, so hatten Vernunftschlüsse keine andre Gewalt bei mir, als mir den Schlaf zu verderben. Was ich glaubte, das wollte ich, was ich dachte, war mir odiös, und ich faßte damals gleich den firmen Entschluß, bei der im Herzen gefaßten Wahrheit einfältig zu bleiben, und was ich nicht aus ihr deduciren könnte, gleich wegzuwerfen. Ich dachte bei mir selber: wenn der liebe Herr auch sonst von Niemand geachtet wird, so will ich mich doch an ihn hängen und mit ihm leben und sterben. So bin ich viele Jahre kinderhaft mit ihm umgegangen. Aber ich verstand die Größe seines Martertodes nicht ganz, bis ich an einem gewissen Tag so lebhaft gerührt wurde von dem, was mein Schöpfer für mich gelitten, daß ich unter tausend Thränen seine unmittelbare Nähe fühlte. Ich sagte zu mir: wenn es möglich wäre, daß ein andrer Gott sein könnte, so wollte ich lieber mit dem Heiland verdammt werden als mit einem andern Gott selig sein!"

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Wir sind hier“, schreibt er später einmal, „eine Synagoge des Heilands, unsers Specialvaters: denn Gott, der Vater unsres Herrn Jesu Christi, ist nicht unser directer Vater, das ist eine falsche Lehre; sondern was man so in der Welt einen Großvater, einen Schwiegervater nennt."

bracht.

Im zehnten Jahr wurde er in das Pädagogium nach Halle ge-
Da ich auf Befehl meiner lieben Tante auswärts kein

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