ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

der tiefdunkle Grund der Trauer, die mitunter vor dem Leben schaudert! Diese Glut des Gebets, und abwechselnd der freie, lustige, mitunter tolle Humor! Die dämonische Natur, von innerer Nothwendigkeit getrieben, und das unbefangene kindliche Spiel des Gemüths! Der klare unerschütterliche Wille und das wiederholte qualvolle Ringen mit sich selbst! Die überströmende Liebe und die wilde Nibelungenhärte! In seinen Briefen und Tischgesprächen sieht man, was dem Deutschen das Theuerste ist, Haus, Weib und Kind, Wald und Flur, wie in Sonnenglanz gebadet; man empfindet, wie in Dürer's heiligem Hieronymus“, den Gottesfrieden, der über dem engen deutschen Bürgerhause schwebt.

Luther ist eine Figur, an der man sich nicht satt sieht. Aber eine historische Figur: in seinem Gemüth erkennen wir unsern eignen Pulsschlag, seine Bildung ist uns fremd geworden. Wo er reflectirt, gelingt es ihm selten, sich seine eignen Gedanken klar zu machen; das heimliche Gefühl davon erklärt den übermäßigen Werth, den er auf den Buchstaben der Schrift legte.

Schon in seiner Jugend war er bei aller Lebensfreude eine tragisch angelegte Natur; der Gedanke an den Untergang der Welt trübte seine lezten Jahre: eigentlich meinte er den Untergang der edelsten Hoffnungen und Ideale, die er im Herzen getragen. In Albrecht Dürer's „Melancholie“ starrt ein gewaltiges Weib, geflügelt, alle Glieder angespannt, finster in die Nacht, die nur durch einen Kometen beschienen wird: gewiß hat der Künstler etwas andres gemeint, uns aber scheint aus diesem troßigen Antliß der Geist der Reformation entgegen, als sie erkannte, das Reich Gottes sei hier nicht aufzurichten.

Es kam die Zeit, wo die aufstrebenden Kräfte, die ihm zuerst zugejauchzt, eine Entfremdung fühlten. Der angesehenste unter den deutschen Humanisten, Erasmus, dessen weltlicher Sinn dem gläubigen Reformator nie recht gewesen war, hatte im Anfang die Bewegung begünstigt, aber bald wurde sie ihm zu tumultuarisch, sie schien ihm den ruhigen Fortgang der Bildung zu bedrohn; er sagte sich von Luther los, und machte ihn für den Aufstand der Bauern nnd der Wiedertäufer verantwortlich. Allein ohne Luthers dämonische Leidenschaft, die freilich auch viel Unheil stiftete, hätte der Humanismus mit seiner gebildeten Reflerion das Joch des Papstes nie abgeschüttelt: das Volk verlangte nicht einen Gebildeten, sondern einen Gläubigen, der ihm mit unbedingter Zuversicht das Rechte wies. In schweren Kämpfen, in Gebeten und schreckenden Erscheinungen hatte sich Luther allmälig von den Heiligthümern seiner Kindheit losgerissen, mit Zweifel und Herzensangst. „Gott hat

mich hinausgeführt wie einen Gaul, dem die Augen geblendet find. Selten wird ein Werk mit Weisheit und Vorsichtigkeit unternommen, es muß alles in Unwissenheit geschehn!“

Seit seiner Rückkehr von der Wartburg verfügte Luther wie ein Herrscher über alle Gesinnungsgenossen in Deutschland. Die öffentliche Meinung stellte sich immer entschiedner auf seine Seite. Sept. 1522 wurde der Reichstag zu Nürnberg durch eine Botschaft des neuen Papst Adrian überrascht, die zwar Unterdrückung der Lutherischen Keßerei verlangte, aber die Sünden der Curie offen bekannte und Besserung gelobte. Vom Haupt hat sich das Verderben über die Glieder, vom Papst über die Prälaten ausgebreitet, wir sind alle abgewichen; da ist keiner, der Gutes gethan, auch nicht Einer!“ Der Reichstag ließ dies Bekenntniß drucken, nahm Act von den Verheißungen, und lehnte die Forderungen ab. In Rom war der fromme und wohlmeinende Papst nicht im Stande, auch nur die kleinste Verbesserung durchzusetzen: konnte man eine schlagendere Rechtfertigung der Reformation denken?

[ocr errors]

Mehr und mehr leuchtete den deutschen Kleinfürsten der Vortheil ein, der ihnen aus der Einziehung der geistlichen Güter und Orden erwachsen müsse. Der Kaiser konnte das im großen Stil durchführen und dadurch eine gewaltige Macht gründen; statt dessen überließ er die Bewegung sich selbst, und trieb sie damit in den Dienst seiner natürlichen Gegner.

Von fern gesehn, macht das Reich Karl's V. einen stattlichen Eindruck: eine Macht, wie sie seit dem altrömischen Reich kaum wieder dagewesen war; ein politisches System, das sich von Amerika nach Constantinopel, von Preußen bis nach Tunis hin ausdehnte; ein gewaltiges unausgeseßtes Handeln. Der Kaiser selbst eine vornehme Natur, tapfer, von großem Blick, geistvoll und nicht ohne Wohlwollen. Aber ihm fehlte die richtige Schäßung der lebendigen Kräfte, und bei dem umfassenden Horizont der sichere Blick, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu scheiden. Er konnte gegen Rom und Frankreich einen starken Halt gewinnen, wenn er das erwachende deutsche Nationalgefühl in seinen Dienst 30g; statt dessen wetteiferte er mit Papst Clemens VII. und Franz I. in Ränken, die seiner Politik den Schein des Unsteten gaben, und in denen er zuletzt immer den kürzern zog; er glaubte Alle zu übersehn, und wurde im Grund von Allen hintergangen: das absolut Gemeine verstand er ebensowenig als das ideal Tüchtige. Kein Wunder, daß seine Haare früh ergrauten.

Auf dem Reichstag zu Augsburg reichten die Lutherischen ihr Glau

bensbekenntniß ein, das sich der alten Kirche gegenüber viel gemäßigter hielt als die früheren Forderungen der Protestanten: gleichwohl kam bei dem Abschied nichts heraus, als daß sie sich mit dem Gedanken des bewaffneten Widerstands vertraut machten.

Vielmehr: sie spielten mit diesem Gedanken, denn rechter Ernst wurde er ihnen nicht. Sie gingen weit genug in der Opposition, aber die Hauptsache überließen sie Gott, d. h. sie gingen nicht mit vollem Herzen darin auf. Im lutherischen Deutschland flammte der Protestantismus nicht zur Leidenschaft auf, wie in den Niederlanden. Jeder von den protestantischen Fürsten hatte irgend etwas für sich im Auge: was Vortheil brachte, mußte hin und wieder erwogen werden; dazu kamen schwächliche Bedenken des Gewissens. Die Geistlichen, bei denen sie Hülfe suchten, litten an dem deutschen Erblaster der Rechthaberei, wenn sie einen theologischen Gegner mündlich oder schriftlich abgeführt, glaubten sie ihre Aufgabe gelöst zu haben. Und viel willkommener für solche Disputationen waren ihnen die Calvinisten als die Katholiken: jene standen mit ihnen auf gleichem Boden; dem Non possumus! Rom's ließ sich durch Syllogismen nicht beikommen.

Es war auf beiden Seiten Zerfahrenheit, denn auch Karl und Franz waren keine leidenschaftlichen Katholiken: sie hatten politische Motive, bald mit dem Papst, bald mit den Reformirten, bald mit den Türken Fühlung zu suchen. Dabei gingen sie doch nicht rein in die Politik auf. Ihre Religion war ihnen nicht Leidenschaft, wohl aber Vorurtheil, das ihre Hände band. Die ersten Jahre der Reformation mit ihren stark ausgeprägten Charakterköpfen sind wie eine vorübergehende leuchtende Episode mitten in einer im Ganzen physiognomielosen Geschichte, und die Idee des neuen Römischen Kaiserreichs erwies sich, wie zu den Zeiten Barbarossa's, zuleht als ein Phantom, als eine Kyffhäusersage.

Es geht in Luther's leßten Jahren ein tiefer Zug der Trauer durch die deutsche Nation; alles klagt über die steigende Verderbniß, alles weissagt den bevorstehenden Weltuntergang. Von großen Idealen waren die Herzen angeschwellt, Nichts wollte Wahrheit werden, keine fröhliche Gemeinschaft kam auf, überall kleinliches Gezänk, Mißtrauen und heimliche Verschwörung. Die protestantischen Fürsten fanden keinen rechten Entschluß, sie wollten und wollten auch nicht. Endlich, ein Jahr nach Luthers Tod, kam es zum Ausbruch, die Verbündeten wurden bei Mühlberg niedergeschlagen; aber schließlich erlag der kluge Herrscher plumper List. Müde der Welt, gab der Kaiser, dessen sämmtliche Entwürfe ge=

scheitert waren, den Kampf auf, und zog sich in ein Kloster zurück, nachdem er 26. Sept. 1555 zu Augsburg den Religionsfrieden hatte unterzeichnen lassen. Durch diesen Frieden wurde der Sieg des Kleinfürstenthums über das Reich besiegelt.

Die Kirchenspaltung war ein nationales Unglück, aber es ist ungerecht, deshalb die Reformation anzuklagen. Da Kaiser und Reich sich weigerten, die Reform der Kirche zu vollziehn, gab sie Luther in die Hände, die allein die Macht hatten, mit Ordnung zu Werk zu gehn, den Landesherrn und den Magistraten. Die Reformation wurde in den engen Bezirk der deutschen Kleinstaaterei gebannt und dadurch lahm gelegt. Die neuen Prediger schrieben ihren Beschüßern das Recht zu, die Kirche ihres Landes zu reformiren"; dies Recht wurde dann von der Gegenseite mit Wucherzinsen ausgebeutet. Die „deutsche Freiheit“ be= stand darin, daß jeder Kleinfürst in seinem Lande thun konnte was er Luft hatte.

Die Trennung der beiden protestantischen Kirchen lähmte nicht nur das gemeinsame Handeln, sie machte die Aufstellung eines gegen jedes Mißverständniß verclausulirten Bekenntnisses nöthig: der lebendige Glaube, das Verhalten der Seele zu Gott, verknöcherte zu einer Formel dessen, was man zu glauben verpflichtet war. Diese Formel war nun der Rechtsboden der neuen Kirche. Der unglückselige Abendmahlstreit verführte zu einer neuen schlimmen Scholastik: denn es mußte nun erörtert werden, in welchem Stadium der Reception die Verwandlung des Brods in Fleisch vor sich gehe? Und das sollte nicht mehr durch Distinction der Begriffe, sondern durch Auslegung von Schriftstellen entschieden werden! Die jüngeren Eiferer quälten sich zwei Jahrhunderte lang in unersprießlichen Zänkereien. ab, vorschriftsmäßig festzustellen, was für Dogmen man bekennen müsse, um selig zu werden. Im Verdammen derer, die dieser Vorschrift nicht genügten, waren sie ebenso rührig als die Päpste, und fie kamen nie zu Ende. Hatte Rom gesprochen, so wußte der Katholik, woran er war; der Protestant war unsicher, ob nicht irgend ein Doctor der Theologie die Augsburger Confession noch correcter auslegen würde als sein bisheriger Seelsorger. Der lutherische Theolog hatte die Pflicht, feine Zuhörer auf kezerische Auslegungen aufmerksam zu machen und dieselben zu widerlegen: ein Wittenberger schrieb eine Dogmatik in zwölf Quartanten.

Gleichviel! Troß alles Sträubens der Facultäten gegen die freie Forschung nöthigte der Bruch mit der Autorität des Papstes und der Tradition Geistliche und Laien, die Bibel als die Norm des christlichen

Glaubens gründlicher zu durchdenken, sich die dazu nöthigen philologischen Kenntnisse anzueignen, die Gründe, die man bekämpfen wollte, zu erwägen, und so endlich zu selbständigem Denken sich aufzuschwingen. Da aber alle Laien an diesem erbaulichen Werk sich betheiligen sollten, so wurden die Schulen auf philologischer Grundlage errichtet, wie sie heute noch zum Segen des protestantischen Deutschland bestehn. Die protestan= tische Kirchenordnung war mit soviel Umsicht eingerichtet, als man von Theologen nur erwarten konnte. Darum war die deutsche Reformation in stetigem Fortschritt: ein Venetianischer Gesandter wollte um diese Zeit berechnen, daß nur ein Zehntel Deutschlands der alten Kirche treu geblieben war. Es kam wiederholt vor, daß die katholischen Universitäten keine Lehrkräfte fanden; oft ließ der österreichische Adel die Söhne in Wittenberg studiren.

Der Protestantismus hat ein neues Princip der Sittlichkeit aufgerichtet, das, im Gegensatz zur Renaissance, wesentlich dem deutschen Geist entspricht: es beruht auf dem Hause und der Familie. Luther ließ zwar die Ehe als Sacrament nicht gelten, aber er erklärte sie nicht blos für erlaubt, sondern für sittlich und religiös geboten; Mann und Weib sollen nicht isolirt leben, sie gehören zusammen. Der Mann soll Herr des Hauses sein, aber die Frau die Herrin; halb im Scherz, halb im Ernst nannte Luther seine Käthe wiederholt „dominus meus". Außerhalb des Hauses aber hat das Weib nichts zu schaffen, und über die Galanterie, wie sie ehmals in den fröhlichen Liebeshöfen der Provence und den Liedern der Troubadours gepredigt, dann in den Sonetten an Laura der ganzen gebildeten Welt mitgetheilt, endlich in den italienischen und spanischen Schäferromanen auch der Masse zugänglich gemacht wurde, wo die Anbeter ihren tyrannischen Schäferinnen beständig zu Füßen liegen: über dies phantastische Gebahren, dessen träumerische Sophistik zugleich ein Protest gegen die Ehe ist, haben die deutsch-protestan= tischen Satiriker unermüdlich ihren Spott ergossen. Es war zum Theil der Abscheu vor diesem überspannten und hohlen Frauendienst, was bei den Protestanten den Bildersturm gegen die Madonna hervorrief. Mit ihr wurde die ganze Mythologie des Himmelreichs verbannt, nur der Gefreuzigte blieb übrig. Die Künstler wurden auf das Portrait verwiesen, das Göttliche blieb ihnen versagt. Das Bedürfniß, Kirchen in großem Stil aufzurichten, hörte auf, seitdem die Procession nicht mehr zum Cultus gehörte, seitdem der Gottesdienst sich auf die Predigt und den Kirchengesang einschränkte.

Der Protestantismus greift nicht zum Bild, sondern zum Wort.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »