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als Schluß eines edlen Lebens: der Heiland hat gelitten, aber er hat vorher gehandelt; er hat die verloren gegangene reine Lehre von Gott gepredigt, er hat, wo er konnte, den Menschen geholfen. Er weiß, daß die herrschende Priesterschaft auf seinen Tod sinnt. Als Menschensohn, der leiden kann wie wir, empfindet er schwer die Bitterkeit des Todes, und erregt unser Mitleid; aber zugleich unsre Bewunderung, denn er ist entschloffen, seine Lehre durch seinen Tod zu besiegeln, wie schrecklich auch der Tod sein möge.

Diese einfach rührende Geschichte kam Klopstock zu nüchtern vor. Des Heilands Wirken läßt er weg, er führt uns sofort auf den Delberg, und zeigt nur den leidenden, nicht den handelnden Heiland. Es geht eigentlich nichts vor; die Jünger auf dem Delberg werden nicht durch Handeln charakterisirt, sondern durch Reden ihrer Schußengel, die, selbst physiognomielos, aufmerksam ihre Physiognomie betrachten. Die Verfolger werden nicht durch greifbare Motive bestimmt, für die man sich interessiren könnte, sondern durch Eingebungen der Teufel: beides abstract Lasterhafte oder Tugendhafte, die einen toben und lästern, die andern glauben und beten an.

Der Dichter schraubt sich in eine Rechtgläubigkeit hinauf, die alle Realität aufhebt, alle Verhältnisse verschiebt. Der Ausruf Maria's: „wenn sein gnädiges Antlitz auf seine Mutter noch einmal würdigt herabzulächeln, so will ich zitternd es wagen, es hat ja begnadigt Magdalena zu seinen Füßen geweint! zitternd mich niederzuwerfen" u. s. w.: dieser Ausruf beeinträchtigt die Mutterwürde. Mutter bleibt Mutter, und wenn der Sohn zehnmal ein Gott ist.

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Klopstock kennt nicht den Menschensohn, sondern nur den Sohn. Gottes. Was auf Erden vorgeht, was für irdische Motive mitspielen, ist ihm Nebensache: die Erlösung ist ein ewiger Plan der Gottheit, und diesen Plan will er in seinem ganzen mystischen Gehalt darstellen: er bewegt sich ausschließlich in der überfinnlichen Welt. Leider fehlt diesem Rathschluß Gottes, eben weil er von Ewigkeit feststeht, alle geschichtliche Entwicklung, folglich alle epische Form.

Nach Anruf der heiligen Muse wagt sich der Dichter sofort in die tiefste Tiefe: er läßt die Dreifaltigkeit sich über ihre eigne Unergründlichkeit unterhalten. „Jeßo erhuben sich neue geheimnißvolle Gespräche, Schicksal enthüllenden Inhalts, heilig und furchtbar und hehr, selbst Unsterblichen dunkel. . . Nur wovon der Vater und Sohn, nicht wie sie es sprechen, kannst du, Muse erzählen! denn dieses zu denken, hat die Seele kein Bild; es zu sagen, nicht Worte die Sprache!"

Das ist schlimm für die epische Darstellung! Wir hören nichts von den großen Gedanken der Dreifaltigkeit, wir sehen immer nur Engel und Heilige, die vor dem Rathschluß der Allmacht staunen, vor Entzückung weinen, anbetend auf den Knien liegen: wir erfahren aber nicht, was sie dazu veranlaßt. Die allmächtige Willkür schmeckt etwas nach Sultanslaune.

Dante und Milton nahmen keinen Anstand, den Gedanken Gottes Ausdruck zu geben: sie verarbeiteten eine reich ausgebildete Scholastik, eine vom Volksbewußtsein überlieferte Mythologie: der Deutsche Dichter des 18. Jahrhunderts sollte alles selbst erfinden, und dazu reicht der Beistand des heiligen Geistes nicht aus.

Von den Motiven der Engel, Teufel und Menschen erfahren wir nichts, aber wir hören sie toben und schluchzen, und sollen, durch dies Gebahren in Mitleidenschaft gezogen, in den anbetenden Chorgesang einstimmen. Um nicht blos Gott den Vater sondern auch den Sohn in vollem Glanz zu zeigen, wird das Vorgemach des Himmels mit unzähliger Dienerschaft angefüllt, die nichts zu thun hat als auf die Winke des Herrn zu harren; die Geschäftigkeit dieser Müßiggänger streift ans Absurde, fie drängen sich überall vor, und entziehn uns den Anblick der Hauptfiguren und der wirklichen Action. Wenn Klopstock das göttliche Wesen in Erscheinung umseßen, die unkörperliche Ideen= welt zeigen will, so werden seine Erfindungen banal, seine Bilder blaß bis zur Unkenntlichkeit. Bei den Teufeln kam Milton etwas zu Hülfe, aber Klopstock wagte doch nicht, sie als blos verdunkelte Halbgötter zu schildern, noch weniger, sie mit Kanonen auf die Engel schießen zu lassen: bei ihm wird der Kampf lediglich mit erhabnen und verruchten Blicken geführt.

Bei dem Weltgericht hat Klopstock vor Dante einen Vorzug: er beschreibt als Vorgang, was bei Dante als bleibender widerlicher Zustand peinigt. Dafür aber zeichnete der Florentiner die Höllenstrafen an bedeutenden historischen Personen, die noch in der Erinnerung lebten: Klopstock bevölkert seine Hölle theils mit Figuren aus dem Alten Testa= ment, welches von ihnen nur wenig Umriffe überliefert, theils mit selbst erfundenen Figuren verwandter Art: alle nach der Schablone verfertigt, eine sieht aus wie die andre.

Im Mittelpunkt des ganzen Gedichts steht der fünfte Gesang. Der dienstthuende Erzengel bemerkt auf dem Antlig des Allmächtigen einen furchtbaren Ausdruck, wie er ihn noch nie gesehn. Auf die erschrockne Frage, was er vorhabe? erwidert Jehovah, er gehe hin, den

Gottmenschen zu richten, der sich zwischen ihn und die Menschen gestellt. Er erhebt sich von seinem Thron, daß der Himmel bebt, und steigt zur Erde hinab, Gericht zu halten. Er sieht alle die Sünden vor sich, welche die Menschen je begangen, und ergrimmt. Auf seinen Befehl stößt der Erzengel in die Posaune und ruft aus: „bei dem furchtbaren Namen dessen, der ewig ist! Ist einer, der statt des Menschengeschlechts im Gericht will erscheinen? Dieser komme vor Gott!" - Christus tritt vor, und nun beginnt das Gericht. Worin es besteht, das kann der Dichter freilich nicht zeigen, er kann uns nicht ins Allerheiligste führen: die Leiden des Erlösers find geistiger Art. Aber er weiß sinnliche Momente aufzutreiben, welche die Furchtbarkeit dieser Leiden ausdrücken. Wir sehn den Erlöser wiederholt im Todeskampf sich winden, und nicht blos wir sehn es, nicht blos die Himmel, die von der Höhe anbetende Zuschauer des Gerichts sind, sondern der Dichter hat den glücklichen Einfall, einen Zeugen herbeizuführen, der nicht von vornherein unterrichtet ist, und uns daher mit orientirt. Es ist der gefallene und reuige Engel Abbadonna, der zuerst nur eines Unbekannten Leiden wahrnimmt, ein so furchtbares Leiden, wie es ihm bisher selbst in der Hölle nicht vorgekommen ist; erst allmälig betrachtet er aufmerksamer das Gesicht, und erkennt mit Entsetzen den Sohn Gottes! Zuletzt hatte er ihn gesehn, wie er hoch auf dem Streitwagen, Blitz und Donner in der Hand, mit Allmacht ausgerüstet, sie, die Abtrünnigen, schlug und in die Hölle trieb! und nun windet er sich wie ein Wurm im Staube! Der gefallene Engel erinnert sich dunkel, daß ein tieferes Geheimniß dahinter steckt; er hat früher im Himmel etwas davon gehört, kann sich aber jezt, da die Hölle seinen Geist verdunkelt hat, nicht mehr zurecht finden.

Leider finden sich noch zwei ungeschickte Zuschauer ein, der Teufel Adramelech und der Erzengel Gabriel, welcher letztere gegen alle Schicklichkeit noch vor Ende des Gerichts beauftragt wird, ein Loblied anzustimmen. Sie sind nur da, daß von dem leidenden Messias dem einen ein huldvoller, dem andern ein vernichtender Blick zugeworfen wird, was in die Situation garnicht paßt. Noch dazu schwebt hinter Gabriel der ganze himmlische Hofstaat, in Anbetung versunken. Wie kann der Allmächtige, der mit seinem Wink Legionen von Engeln gebietet, jammernd ausrufen: „ist es möglich, so gehe dieser Kelch vorüber!" Er sieht die zahllose Dienerschaft, seines Winks gewärtig, und doch ruft er aus: „mein Gott, warum hast du mich verlassen!" Wie können wir Mitleid einem Helden schenken, der nur zum Schein leidet! Nur mit äußerster Mühe kann er seine Allmacht verstecken. Als man ihn fängt:

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göttlicher Ruh', als wenn er dem Wurm zu sterben, oder dem kommenden Meer, vor ihm zu schweigen geböte, sprach er zur Schaar: Ich bin's! Sie ergriff des Sohnes Allmacht, und sie sanken betäubt von seiner Stimme darnieder." Und bei seinem Verhör: „alle Hoheit, sogar die Hoheit des sterblichen Weisen legte er ab, und war nur ruhig. Wenige leise Züge nur behielt er von seinem göttlichen Ernst: doch konnte fie kein Engel haben; allein auch nur ein Engel vermochte dieser Göttlichkeit Mienen und ihren Geist zu bemerken." Was ist das alles

für eine Komödie!

Als Epos im homerischen Sinn betrachtet, ist der Messias von geringem Werth; als mystisches Gedicht im Sinn der Göttlichen Komödie von nicht größerm; seine wahre Bedeutung ist eine musikalische. Klop= stock war keine plastische, aber eine eminent musikalische Natur: er war überzeugt, daß im Himmel das ganze Leben sich als Musik gestalten werde, und suchte das schon auf Erden vorauszunehmen. Und hier hatte er in Leipzig selbst ein gewaltiges Vorbild. Allwöchentlich führte der alte Cantor Sebastian Bach in der Thomaskirche seine Motetten auf; Klopstock selbst bekennt, daß er bei Erfindung neuer Maaße wiederholt sein Vorbild gewesen sei. Bach hatte sich in Erinnerung gebracht, als er 7. Mai 1747 in Sanssouci dem König vorspielte; er kämpfte 1749 tapfer gegen einen Verkleinerer der Musik, und er wußte im Zorn Worte zu finden wie Luther. 28. Juli 1750 starb er, 63 J. alt, halb erblindet.

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„O es weiß der nicht, was es ist, sich verlieren in Wonne, wer die Religion, begleitet von der geweihten Musik und von des Psalms heiligem Flug, nicht gefühlt hat, sanft nicht gebebt, wenn die Schaaren in dem Tempel feiernd sangen, und, ward dies Meer still, Chöre vom Himmel herab! Täusche mich lang, seliger Traum! Ach ich höre Christengesang! . . Mit des Herzens Einfalt vereint sich die Einfalt des Gesangs, und mehr Hoheit als alle Welt hat, hebt sie gen Himmel empor. Wonnegefühl hebt sie empor, und es fließen Thränen in's Lied... Oben beginnt jezo der Psalm . kraftvoll und tief dringt er ins Herz... Himmlischer Ernst tönet herab mit des Festes hohem Gesang. Prophezeiung und Erfüllung wechseln, Chöre mit Chören; Gnade fingen sie dann und Gericht." Als ob man Sebastian Bach Hörte!

...

„Eine Stimme beginnt leise, eine der Harfen mit ihr: fanget bebend an, athmet kaum leisen Laut! denn es ist Christus' Lob, was zu fingen ihr wagt! Die Ewigkeit durchströmt's, tönt von Aeon fort zu

Aeon! . . . Aber es tönt mächtiger bald; Chöre sind nun in dem Strom schon des Gesanges! die Posaune donnerte schon, daß der Tempel ihr bebt! die Gemeinde finkt hin, auf ihr Antlitz zum Altar, hell vom Kelche des Bund's!"

„Geh unter! geh unter! Stadt Gottes! in Kriegsschrein! in Rauchdampf! in Glutstrom! Versink ach! die des Herrn Arm von sich wegstieß! sei Trümmer, Stadt Gottes!"

Aus dieser Einwirkung des Oratoriums auf die epische Form versteht man die Disposition des ganzen Gedichts. Die biblische Erzählung ist nur wie ein Recitativ und wird nebenbei abgemacht; die Hauptsache, von Anfang bis zu Ende, sind die rhythmisch vollendeten Chöre; die leßten fünf Gesänge bestehn nur aus Chören. Der Messias ist ein Wettkampf mit dem Oratorium: groß war Bach, als er seine musikalische Glut ausströmte, „daß auch Seher der Hörende wurde!" größer wird der Dichter sein, „der so hoch sich erhebt, daß der Gesang ihm nicht mehr zu folgen vermag!"

Schon in der „Göttlichen Komödie“ spielt Beatrice, die Geliebte des Dichters, eine wichtige Rolle; halb Muse, halb Heilige, erhob sie als das ewig Weibliche den Dichter über das gemein Frdische hinaus zum Himmel. Dies anbetende Gefühl vor dem Weiblichen hatte Petrarca über Europa verbreitet; neuere englische Dichter, namentlich Rowe, stimmten den gleichen Ton an. In diese Dichtungen der Liebe hatte Klopstock sich schon zeitig vertieft, er stimmte seine Seele, um die richtige Tonlage für das Erhabene zu finden, in Moll. Schon in dem Gedicht an die Freunde" sieht er sich nach einer Freundin um, die ihn einst lieben wird; sie zu nennen, sucht er unter den berühmten Heroinen nach einem Namen, z. B. Laura; er bleibt endlich bei „Fanny“ stehn: es war der Name, mit welchem der zärtliche Rowe seine Geliebte besungen hatte. Du fehlst mir! weinend irr' ich und suche dich!" „Dir nur, liebendes Herz! euch, meine vertraulichsten Thränen! sing' ich traurig allein dies wehmüthige Lied. Ach warum, o Natur! warum, unzärtliche Mutter, gabst du zum Gefühl mir ein zu biegsames Herz? und in das biegsame Herz die unbezwingliche Liebe, dauernd Verlangen, und ach, keine Geliebte dazu? Oft um Mitternacht wehklagt die bebende Lippe, daß, die ich liebe, du mir immer unsichtbar noch bist!" Ein Engel zeigt sie ihm im Traum, aber bald entschwindet sie wieder. „Warum wendest du dich? warum muß ich traurig dir nachsehn?“ Aber die Thräne selbst ist sein Trost: singet, Söhne des Lichts! meiner Empfindungen unaussprechliche süße Lust! singt sie! ich weine sie nur; ja die Unsterblichkeit wein' ich froh von der Liebe durch)!"

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