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deren Labyrinth ein Dichter oft gegangen sein muß, wenn er ein tieffinniger Weiser sein will."

Daneben schwelgt er noch immer in unglücklicher Liebe. „Denken Sie nicht“, schreibt er 13. Juni an Fanny, „daß ich die ganze Reihe von tödtenden Kaltsinnigkeiten, die ich von Ihnen ganze zwei Jahre erfahren habe, immer von Neuem empfinde? daß mir Ihr Herz ein Labyrinth sein müsse? Denken Sie an meine vielen Thränen, an meine langen Schmerzen, die ewig dauern werden, wenn Sie nicht aufhören, hart gegen mein blutendes Herz zu sein! . . . Auch bei der furchtsamsten Liebe ist noch einige Hoffnung, einmal geliebt zu werden; dann wird das Herz wie mit Strömen von Blut durchgossen; es kann leben und das Auge weinen. Jetzt aber habe ich die Hoffnung aufgegeben. wäre ich nur schon von der Erde entfernt!"

In Braunschweig fand Klopstock einen neuen Gönner, den Superintendenten Dr. Jerusalem, einen weltmännisch gebildeten Geistlichen. Im Carolinum, das er leitete, waren Klopstock's alte Leipziger Freunde als Lehrer beschäftigt: Gärtner, Zachariä, Ebert; der Lehtere war eben daran, Young's „Nachtgedanken“ zu überseßen. In Magdeburg stellte Sulzer den Dichter dem einflußreichen Berliner Hofprediger Sack vor. Es wurde erwogen, ob man dem jungen Dichter nicht eine Stelle in Berlin verschaffen könne? Sulzer hatte sich in Bodmer's Auftrag schon danach umgesehn, aber er glaubte nicht, Maupertuis dafür gewinnen zu können. Nun schienen sich die Aussichten zu bessern; Klopstock fragte, ob es nicht gut sei, den Messias direct an Voltaire zu schicken? der 10. Juli in Berlin angekommen war. Zugleich stellte ihm der dänische Minister Graf Bernstorf eine Pension in Aussicht. Den Ausschlag gab eine erneute Einladung Bodmer's, der ihm zugleich ein beträchtliches Reisegeld schickte. Mit Sulzer, der eine Erholungsreise in seine Heimath antrat, reiste Klopstock 13. Juli nach Zürich ab.

Nach der Vorstellung der Schweizer hatte sich Klopstock selbst im Jünger Lebbäus gezeichnet: dem „blassen verstummenden Jüngling“; „so zärtlich und fühlend als seine Seele sind wenig erschaffen“. Schon die erste Gestalt seiner Seele, wie sein Schußengel berichtet, ist unter Seufzern der Engel gebildet, und hat diese Bildung bewahrt. Schon als Knabe,weinte er mehr als Sterbliche weinen, wenn sie mit dunkler Empfindung den Tod von ferne schon fühlen. Also bracht' er, bei jeder Thräne, die Freunde vergossen, seine Jugend voll Traurigkeit hin“. Der kranke Jüngling war nur eine dichterische Maske, wie der Ton des Gedichts sie zu fordern schien; Klopstock, obgleich er damals wirklich

kränkelte, war zu Hause von Kindheit auf im Freien, unter tüchtigen Leibesübungen aufgewachsen, und es gehörte zu seiner Stellung in der Litteraturgeschichte, daß er diese Fülle gesunder Lebenslust ebenso freudig zu verkündigen wußte als die sittliche Bedeutung der Thräne.

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Das

Bodmer war selig in der Erwartung des heiligen Jünglings". „Komm! offenbare die denkenden Züg' im sichtbaren Körper, daß wir mit unsern Augen das Wunder beglaubigen können: eine Seel', in dem Kerker des irdischen Stoffs noch gefangen, die des Messias Gedanken zu denken, die göttliche Lieb' in unendlichem Umfang zu fühlen und in den herrlichsten Tönen zu beleben vermochte!" „Vor allen Dingen wollen wir ihn einige Tage allein und ohne Nebenbuhler genießen!" 23. Juli kamen Klopstock und Sulzer in Zürich an. „Ich habe die ganze Nacht in Ertase gelegen!" schreibt Bodmer. Entzücken dauerte nicht lange. Schon harrten des Dichters eine Menge junger Verehrer; gleich den zweiten Tag hatten sie das stille Haus auf den Kopf gestellt. 30. Juli luden sie, neun Herren und neun junge Damen, Klopstock zu einer Fahrt auf dem See ein. „Klopstock“, er= zählt Dr. Hirzel, würdigte meine zärtliche Doris an seiner Hand zu führen." „Sie war", schreibt Klopstock an Fanny's Bruder, „die Herrin der Gesellschaft, weil sie mir zugefallen war. Ich wurde ihr aber bei Zeiten untreu, dazu brachte mich das jüngste und schönste Mädchen der Gesellschaft. Sobald ich sie auf zwanzig Schritte sah, schlug mir das Herz, denn sie sah derjenigen gleich, die mir in ihrem zwölften Jahr sagte, daß sie ganz mein wäre die Geschichte muß ich Ihnen nicht auserzählen! Ich habe dem Mädchen dies alles gesagt und noch viel mehr. Da sie so unvermuthet neue Sachen hörte, vor denen sie ihr schönes schwarzes Auge mit liebenswürdiger Ehrerbietung niederschlug, sagte sie einmal in einer entzückenden Stellung, wie hoch sie mich schäße! ich muß noch die Anmerkung machen, daß ich dem guten Kind auch sehr viel Küsse gegeben habe."

„Klopstock“, erzählt Hirzel, „schien von der Schönheit unsrer Gegend weniger gerührt als von der Schönheit unsrer Mädchen. Als einmal Klavier gespielt wurde, belauschte er auf ihren Gesichtern den Eindruck; er schien danach bestimmen zu wollen, welche die zärtlichste wäre . . . Er las die hohe Liebesgeschichte von Lazarus und Eidli vor, wo er seine eigne Liebe für die göttliche Fanny im Auge gehabt zu haben scheint. Unfre Schönen fanden sich in einer ganz neuen Welt: folche Empfindungen hatte ihnen noch keiner ihrer Verehrer eingeflößt!" Dann wird getrunken, gescherzt, gelacht. „Bei der Gesundheit der gött

lichen Schmidt herrschte tiefe Ehrfurcht; er erwiederte mit einem sanften Ernst, der die Empfindungen seiner großen Seele verrieth; doch ließ er den Ernst diesmal nicht aufkommen; er trank und scherzte." Schließlich wird Haller's „Doris“ wiederholt gesungen, und stark geküßt. Hier war Klopstock in seinem rechten Fahrwasser, eine schöne Ode auf den Züricher See drückt seine wahren Empfindungen aus.

„Schön ist, Mutter Natur! deiner Erfindung Pracht auf die Fluren zerstreut, schöner ein froh Gesicht, das den großen Gedanken deiner Schöpfung noch einmal denkt. Süß ist, fröhlicher Lenz! deiner Begeistrung Hauch, wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft in der Jünglinge Herzen und die Herzen der Mädchen gießt. Ach! du machst das Gefühl fiegend, es steigt durch dich jede blühende Brust schöner, und bebender, lauter redet der Liebe neu entzauberter Mund durch dich. Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen wirkt, im Sokratischen Becher, von der thauenden Ros' umkränzt. Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton in das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit ist ein großer Gedanke, ist des Schweißes der Edlen werth! Aber süßer ist noch, in den Armen des Freund's wissen, ein Freund zu sein, so das Leben genießen, nicht unwürdig der Ewigkeit!"

Er schwelgte von Herzen im Genuß der neuen Freunde, aber er hoffte zugleich durch sie auf Förderung. Die Aussichten in Berlin und Kopenhagen waren precär: er verabredete mit einem der neuen Freunde, Rahn, eine Fabrik für Seidendruck, die sich über ganz Europa ausbreiten sollte, und von der er sich einen ungemeinen Gewinn versprach. Sein Verhältniß zu Bodmer, der sich in Geldsachen kleinlich zeigte, wie Klopstock kalt und hochfahrend, wurde immer kühler. 5. Sept. sprach sich Bodmer an die gemeinsamen Freunde darüber aus. „Die jungen Herrn verschafften ihm täglich Gesellschaften, er kam oft des Nachts nicht nach Haus und trank sehr stark. Am vergnügtesten war er, wenn er bei jungen Mädchen gewesen war: seine Lust war, ihnen Mäulchen zu rauben, Handschuhe zu erobern, mit ihnen zu tändeln. Den Herrchen hatte es überaus gefallen, daß unser Homer tränke, lachte, küßte, spränge, Schuhe schlüpfte, wie sie alle! Er hat sich bei ernsthaften Männern, zu denen ich ihn nöthigen mußte, ordentlich ennuyirt. Keine Neugier nach den Verfassungen von Zürich, keine Neugier nach den Alpen; kein Verlangen, meine Bücher zu sehn. Er versteht weder Englisch noch Italienisch, seine Belesenheit ist schwach und er hält alle Gelehrsamkeit für pedantisch. Aber seine Imagination ist in der höchsten Stärke; er hat den Plan seines Gedichts bis in die kleinsten Theile durchdacht

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und alles in der besten Proportion geordnet. Er arbeitet sehr langsam: in den lezten zwei Jahren hat er nicht mehr als zwei Gesänge geschrieben, und diese sind noch nicht ausgearbeitet; 50-60 Verse find alles, was er hier geschrieben, Aber dies Wenige ist vortrefflich, heilig und himmlisch. Allein sein Wandel steht damit im Widerspruch, er ist nicht heilig. Er denkt nicht daran, was der Messiasdichter der Welt für ein Erempel schuldig ist. Als ich ihm erzählte, daß wir in dem Dichter des Messias einen heiligen strengen Jüngling erwartet, fragte er: ob wir geglaubt hätten, er äße Heuschrecken und wilden Honig? Gott gebe, daß die Leute nicht glauben, alle die himmlischen Gedanken seien nur in seiner Phantasie entstanden!"

Dies Rundschreiben wirkte: Sack und Sulzer gaben Klopstock auf, mit den Aussichten in Berlin war es vorbei, und er beschloß, sein Glück vorerst in Dänemark zu versuchen.

Febr. 1751 reiste er aus Zürich ab. Gleim, den er in Quedlinburg besuchte, war ihm treu geblieben, ebenso Ramler und Giseke. „Die Herrn Schweizer", schreibt Kleist, „haben fast alle nur eine Frauenzimmertugend!" Giseke gab dem Dichter Briefe an eine Mlle. Meta Moller in Hamburg mit, der er sich 4. April vorstellte. Sein Anblick", schreibt diese, „frappirte mich im eigentlichsten Verstand, niemals hatte ich einen solchen Schauer empfunden! ich hatte mir nicht vorgestellt, daß der Dichter des Meffias so bis zur Vollkommenheit schön wäre! Den folgenden Tag pußte ich mich sehr. Klopstock tändelte: er sagte, er haffe die ernsthafte Liebe, wobei nur Seufzer und Schmerzen wären; eine Frühlingsliebe wäre nach seinem Geschmack, d. h. eine, die höchstens einen Frühling dauere... . . Einmal mußte ich mich fast über seinen Schooß legen . . . Er sah sehr aufmerksam nach meiner Tour de gorge, und seufzte. Ich wunderte mich, denn ich hatte Klopstock für einen bloßen Geist gehalten, aber ich ward nicht böse . . . Einmal flog er auf mich zu, und küßte mich mit vielem Feuer . . . Er las aus dem Messias, und hielt meine Hand; unsre Hände wurden immer heißer, und ich fühlte sehr viel."

„Bei diesem Mädchen“, schreibt Klopstock, „habe ich die meiste Zeit in Hamburg zugebracht. Ich habe ihr viel von meiner melancholichen Geschichte erzählen müssen, sie weinte im Zuhören! Und dann hat sich eine dunkle Nacht vor meine Augen gezogen. Wenn ich den geheimsten Empfindungen meines Herzens nachforsche, so fühle ich mich noch unglücklicher als vorher, weil mich dies edle Mädchen durch ihr Mitleid so stark an meine alte Traurigkeit erinnerte!"

Ende des Monats kam er in Kopenhagen an, und wurde bei Hof mit vielen Ehren empfangen. Dem König dankbar, der ihn beschützte, hat er sich doch nie vor ihm erniedrigt: den Mannesstolz, der ihn fast übermäßig beseelte, zeigte er ebenso kühn vor Fürstenthronen als in seinen bürgerlichen Kreisen: ganz gegen die Art der landläufigen bürgerlichen Demuth verlangte er Freiheit für sein Thun und Treiben. Sein Stolz stüßte sich freilich zunächst auf seinen dichterischen Adel, aber der Dichter verschaffte zuletzt auch dem Bürger das Recht der würdigen Eristenz; das ist ein Gewinn, für den wir unsern großen Dichtern nicht dankbar genug sein können.

Befriedigt durch die Verehrung seines engen Kreises, ließ sich Klopstock durch Angriffe von Außen nicht irre machen. Als ihm nach einer Vorlesung des Messias Basedow bemerkte, man werde diese Sprache in Deutschland nicht verstehn, erwiderte er stolz: „so mag Deutschland sie verstehn lernen!" In einem spätern Fragment schildert er die Fortschritte der dichterischen Sprache: „Es sind Morgen, heilige Frühen, an denen etliche Thautropfen vom Himmel fallen, die nur der empfindet, dem der Genius das Auge wacker macht. Luther brachte der jungen Sprache nicht wenig dieses Thaus, und stärkte ihre Lebensgeister damit

In den letzten Tagen hat man ihr Kräßer vorgesetzt . . . Die Deutsche Muse war in ihrem 16. Jahr, als Einer zu ihr kam, der gleich bei ihrer ersten Erblickung ernst, und von der wechselnden Röthe und Blässe der schnellentstehenden Liebe ergriffen wurde. Das soll sie ihm nie vergessen haben. Auch hat sie, wie man erzählt, nur vor Ihm getanzt... Von den Reben, die er ihr kredenzte, soll dem stolzen hohen Mädchen das Auge glänzen.“

Wer die Masse in eine neue Bahn reißen will, muß an sich selbst glauben.

Die alte Melancholie sofort aufzugeben, war er nicht gewillt. „Noch immer", schreibt er 1. Aug. 1751 an Fanny, „suche ich die einsamsten Gänge, um an Sie zu denken; ich habe zu diesen Gedanken eine solenne Stunde und einen heiligen Baum bestimmt. Dort erscheint mir Fanny über den Wipfeln in filbernen Abendwolken. Dort singe ich meine Lieder an Fanny, und streue beim Weggehn als kleine Opfer allzeit drei geküßte und thränenvolle Rosen gegen die Erscheinung aus.“ 14. Sept. "Ich hatte den Abend lange mit tiefer Traurigkeit nachgedacht; zuleßt riß ich mich in meiner Angst los und sah gen Himmel: warum, fragte ich, bin ich so unglücklich? Da vernahm ich eine Stimme: Und du fragst? deine Bestimmung war, die Menschlichkeit des Heilands zu

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