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dehors. C'est bien dommage qu'une âme aussi lâche soit unie à un aussi beau génie: il a les gentillesses et les malices d'un singe.“ Voltaire's Aufenthalt in Berlin sollte ein betrübtes Ende nehmen. Maupertuis, der Präsident der Berliner Academie, hatte sich durch seine Anmaßung viel Feinde zugezogen; ein gelehrter Streit bedrohte seinen Ruf, wenn auch die Academie für ihn eintrat. Voltaire veröffentlichte eine blutige Satire gegen ihn; Friedrich belustigte sich sehr darüber, aber er verbot die Veröffentlichung, und als diese doch erfolgte, ließ er fie 24. Dec. 1752 durch Henkershand verbrennen. Vergebens bemühte man sich, auszugleichen; Voltaire erhielt 25. März 1753 nach langem Sträuben in den ungnädigsten Ausdrücken die wiederholt erbetene Entlafsung. "C'est le scélérat le plus traître qu'il y ait dans l'univers!" schreibt Friedrich; „on roue bien de coupables qui ne le meritent pas autant que lui.“

Die Sache hatte noch ein trauriges Nachspiel. Voltaire hatte Friedrichs Poesien, darunter recht bittre Epigramme, mitgenommen; der König ließ sie ihm, da er durch Frankfurt kam, 1. Juni 1753 durch seinen Residenten abfordern und ihn, da er sie nicht sofort zur Stelle schaffen konnte, einen Monat lang in Haft halten. In seiner Aufregung erlaubte sich der Franzose die unerhörtesten Lügen, erklärte sich gegen den Kaiser bereit, über Berlin zu plaudern, und schrieb eine niederträchtige Schmähschrift gegen den König, die nach seinem Tode herausfam. Gleichwohl versuchte er nach einiger Zeit wieder anzuknüpfen, und es gelang ihm endlich.

Voltaire hatte mit dem Berliner Publicum nie rechte Fühlung gewonnen. Eine gute Gesellschaft" der „Honnêtes Gens", wie er sie suchte und in Paris zum Theil fand, gab es nicht. Die Hofgelehrten des Königs waren es nicht, ihre Stellung war zu abhängig von den Launen des Herrn, um dessen Gunst sie sich gegenseitig beneideten. Den Berliner Refugiés hätte er näher treten können, ihre Sitten waren die feinsten, ihre Bildung die beste, aber sie waren eifrige Calvinisten und haßten den Unglauben ebenso wie die katholische Kirche. Die Honoratioren, die sich um die Litteratur kümmerten, waren nicht „Honnêtes Gens“, sie gehörten nicht in die Classe der Marquis, sondern sie waren ehrsame Bürgersleute in sehr bescheidnen Verhältnissen, die sich mit ihren Standesgenossen in Hamburg und Leipzig viel mehr im Zusammenhang fühlten als mit den berühmten Schöngeistern in Paris.

Aber grade auf den bedeutendsten der jüngeren deutschen Schriftsteller hat Voltaire's Stil entscheidend eingewirkt. Voltaire hatte der

französischen Prosa, wie sie seit Descartes und Pascal aufgekommen war, die vollendete Ausbildung gegeben. Bei ihm findet sich kein überflüssiges Wort, jedes Wort, hat seine bestimmte Bedeutung und steht im Sah genau an der Stelle, die der Nachdruck erfordert. Seine Sprache ist daher vollkommen deutlich, sie ist voller Gehalt und doch leicht zu faffen; fie prägt sich dem Gedächtniß ein. Voltaire ist in seiner Polemik der geschickteste Stoßfechter von der Welt: bei ihm giebt es kein verlornes Tempo, sein Auge ist fest und sicher, jeder Stoß fißt, und bei aller anscheinend leichten Bewegung ist alles genau überlegt, selbst die Zornausbrüche werden vom Verstand geleitet. Sobald er den Leser durch scharfe Syllogismen vorbereitet hat, stürmt er mit Pathos auf ihn ein und appellirt an das Gemeingefühl. Und vor und nach dem Gefecht ein zierliches Spiel mit Rapieren, deren Spize in Gift getaucht ist. Alle diese Künfte hat ihm ein Mann abgelernt, der für Deutschland sein leidenschaftlichster Gegner wurde: Gotthold Ephraim Lessing.

Wie so viele unter den Gründern unserer classischen Litteratur wuchs Lessing in einem evangelischen Pfarrhause auf. Er war 22. Januar 1729 geboren, in Kamenz, einer Stadt der sächsischen Laufiß, wo sein Vater die Stelle eines Stadtpfarrers bekleidete. Die Familie gehörte seit Jahrhunderten zu der mittlern Schicht des höhern Bürgerthums; sie hatte fast nur studirte Leute aufzuweisen, Beamte, Lehrer und Geistliche. Der Vater war, wie fast alle sächsischen Geistlichen, rechtgläubiger Lutheraner; er hatte die Streitschriften seiner Kirche gründlich) studirt, hatte sich aber, troß aller Leidenschaftlichkeit seiner Natur, nie zur Verfolgung der Andersgläubigen hergegeben.

Im zwölften Jahr kam Lessing auf die Fürstenschule zu Meißen, eine streng auf claffische Bildung gerichtete Anstalt. Lessing, der mit einem entschiednen Talent, gutem Gedächtniß und großem Scharfsinn eine starke Lernbegierde verband, drängte in seinen Arbeiten leidenschaftlich vorwärts. „Er ist ein Pferd, das doppeltes Futter braucht!" sagte der Rector: "was Andern Mühe macht, wird ihm kinderleicht.“ „Ein guter Knabe, aber etwas moquant!" äußerte ein andrer Lehrer, und als später Lessings jüngerer Bruder die Schule besuchte: sei so fleißig wie Gotthold, aber nicht so naseweis!“

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Schon im 17. Jahr - Sept. 1746 bezog Lessing die Universität Leipzig, wo er den Unterricht zweier ausgezeichneter Philologen genoß, Ernesti und Christ: der lettere berühmt als Begründer der archäologischen Studien in Deutschland. Schon nach den ersten Semestern konnte sich Lessing unter die tüchtigen Philologen rechnen. Zeit

seines Lebens ist die Philologie seine eigentliche Wissenschaft geblieben, aber er betrachtete sie nur als Mittel, seine eigne Kenntniß von den Alten zu vermehren: sie zum Brotstudium zu machen, als Vorbereitung für ein Lehramt, war nicht seine Absicht, und er hatte nichts dagegen, fich als Studiosus der Theologie einschreiben zu lassen.

Da seine Familie, bei schmalen Mitteln, zahlreich aufwuchs, schien es selbstverständlich, daß Gotthold, als der älteste Sohn, die Ehre des Hauses in einem Pfarramt zu vertreten haben würde. Daß er schon als Knabe kezerische Neigungen verrieth, d. h. Fragen aufzuwerfen liebte, deren Beantwortung aus den symbolischen Büchern nicht ganz leicht war, würde an sich diesen Ruf nicht beeinträchtigt haben: die damalige Kirche ließ sich sehr abweichende Richtungen gefallen. Zudem fühlte sich Lessing in seiner lutherischen Kirche, wie er sie im Vaterhaus kannte, völlig heimisch; er war bibelfest und wußte in den symbolischen Büchern Bescheid.

Aber seine ganze Art widerstrebte dem geistlichen Beruf. Er war keine religiöse Natur; er hatte nicht das Bedürfniß, über sein Verhältniß zu Gott nachzudenken und dies Nachdenken zur Empfindung zu erhöhen; er wollte in der Religion die Wahrheit suchen, aber er hatte durchaus nicht den Trieb, sich selbst oder andre zu erbauen. Er hörte in Leipzig fast keine theologischen Collegien, besuchte aber eifrig ein philosophisches Disputatorium bei Kästner, um sich zu einem schlagfertigen Dialektiker auszubilden. Er hatte, wenn auch erst dunkel, den schriftstellerischen Beruf als seine eigentliche Lebensaufgabe erkannt, und wenn diese Wahl ihm manche Sorge bereitete, so machte sie es doch allein möglich, alle Kräfte, die in seiner Natur lagen, zum reinsten und vollsten Ausdruck zu bringen.

Zunächst wollte er - und darin ging er mit Klopstock Hand in Hand - in sich den Menschen ausbilden. Um die Unbehülflichkeit, die ihm von der Schulbank geblieben war, los zu werden, lernte er tanzen, fechten, voltigiren. Er zechte mit lustigen Kameraden, besuchte das Theater es war noch die Neuber'sche Gesellschaft —, ging auch wohl hinter die Coulissen. Von Liebschaften wird nichts berichtet. Er war ein hübscher, wohlgebildeter junger Mann, hatte einen starken Trieb zur Geselligkeit, und konnte so liebenswürdig sein, daß er im Handumdrehen selbst den Uebelwollenden bezauberte. Daß er mit diesen Gaben gar kein Verhältniß zu Frauen gehabt haben sollte, ist unwahrscheinlich: aber wenn solche Verhältnisse bestanden, so haben sie in seinem geistigen Leben nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Eine desto größere in seinen damaligen Gedichten: er besang, wie Hagedorn und Gleim, und auch ungefähr in ihrer Art, ausschließlich den Wein und die Schönen, zum Theil mit viel Glück: noch heute wird sein Zechlied: „Gestern, Brüder, könnt ihr's glauben?" in jeder lustigen Gesellschaft gesungen. An Idealbildern des schönen Geschlechts ließ es Lessing in seinen Gedichten nicht fehlen, aber sie waren denen Klopstock's, Wieland's und Geßner's schnurstracks entgegengesetzt.

„Ein Mädchen wünscht' ich mir, und wollt' es auch recht lieben! ein junges nettes tolles Ding, leicht zu erfreun, schwer zu betrüben, im Wuchse schlank, im Gange flink, von Aug' ein Falk, von Mien' ein Schalk; das fleißig, fleißig liest, weil alles was es liest, sein einzig Buch, der Spiegel ist! Das immer gaukelt, immer spricht und spricht von tausend Sachen; genug, es spricht mit Lachen, und kann sehr reizend lachen. Solch Mädchen wünscht' ich mir! Du Freund! magst deine Zeit nur immerhin bei schöner Sittsamkeit, nicht ohne seraphim’sche Thränen bei Tugend und Verstand vergähnen.“

Als seine fromme Schwester ihn wegen solcher Frivolitäten zurechtwies, lachte er zwar über die junge Puritanerin, fühlte sich aber einigermaßen betroffen. Er versicherte steif und fest, er habe in diesen Liebesund Trinkgedichten keineswegs seine eigne Empfindung dargestellt, sondern sich nur in einer beliebten Kunstgattung üben wollen. Darauf baute er dann eine eigne Theorie. Man dürfe die Spiele des Wißes bei einem Dichter nicht für Bekenntnisse seines Herzens ansehn: er sehe sich in fremde Umstände, um seinen Witz auch außer der Sphäre seiner Empfindungen zu üben; grade in dieser Geschmeidigkeit, sich für einen Augenblick fremde Empfindungsformen anzueignen, liege sein Genie. J. B. Rousseau solle auf die Frage: wie es möglich sei, daß er sowohl die unzüchtigsten Sinngedichte als die gläubigsten Psalmen machen konnte? geantwortet haben: er verfertige jene ohne Ruchlosigkeit wie diese ohne Andacht! und diese Antwort sei dem Genie eines Dichters vollkommen gemäß. Es sei daher eine Thorheit, Horazens Moral aus seinen Gedichten herzuleiten.

Das war ein harter Widerspruch gegen die Ansichten Bodmer's und Klopstock's. Aber Lessing ging in seiner Consequenz noch weiter. Nicht anders stehe es mit den Gedanken, welche der Dichter anwendet: er spreche mit dem Epikur, wo er die Wollust erheben wolle, und mit der Stoa, um die Tugend zu preisen; von beiden behalte er dasjenige, was sich am besten in wohlklingende Verse bringen lasse. Das entsprach der französischen Theorie, aber es traf doch schon für jene Zeit

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nicht zu: Haller dichtete genau wie er dachte, und Lessing selbst wollte doch in seinen Lehrgedichten die wirkliche Ueberzeugung aussprechen.

Lessing war kein Lyriker im Sinn Klopstock's oder Goethe's: ihm ging die Lust wie die Fähigkeit ab, sich in eine Traumwelt zu versenken, sein Gemüth dem Spiel wechselnder Stimmungen zu überlassen.

Den Versuchen Klopstock's und Ramler's, die üblichen lyrischen Maaße durch Horazische oder Pindarische zu ersehen, und der poetischen Diction einen höhern Schwung zu geben als der Prosa, hielt er sich fern, und scherzte wohl über derartige Zumuthungen. „Noch rollt dein leichter Vers auf leichten Jamben fort; du bringst den gleichen Schall an den gewohnten Ort; noch red'st du, wie man red't, eh' man die Zunge bricht, daß sie lateinisch deutsch mit schönem Stammeln spricht; noch trägt Wort und Begriff bei dir nicht neue Banden; wer dich ge= lesen hat, der hat dich auch verstanden; du bist von kalter Art, die gern vernünftig denkt: - und willst ein Dichter sein?" Er hielt sich im Weinund Liebeslied an Hagedorn, in der Satire und dem Lehrgedicht an Haller, strebte aber nach einer leichteren und gefälligeren Diction: Voltaire, hätte er deutsch verstanden, würde ihm vielleicht Beifall geschenkt haben.

Seine Lyrik fällt ausschließlich in die Jugendzeit; in dieser wollte er auf Regeln und Ueberlegung nicht viel geben. „Ein Geist, den die Natur zum Mustergeist beschloß, ist, was er ist, durch sich, wird ohne Regeln groß; er geht, so kühn er geht, auch ohne Regeln sicher. Was ihn bewegt, bewegt; was ihm gefällt, gefällt: sein glücklicher Geschmack ist der Geschmack der Welt." Diesen Satz zu widerlegen, ist später ein Hauptgeschäft des Kritikers Lessing gewesen.

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Hielt die lyrische Poesie bei Lessing nicht lange vor, so blieb ihm die dramatische Muse vom Anfang bis an's Ende seines Lebens treu. Wie in seinem wissenschaftlichen Treiben die Philologie die Basis bleibt, so ist er als Künstler durchaus Dramatiker: selbst jede seiner prosaischen Streitschriften gestaltet sich unter seinen Händen unvermerkt zu einer dramatischen Scene. Schon 1747 arbeitete Lessing, in der Manier Gellerts, dessen Lustspiele damals in Leipzig die beliebtesten waren, aber muntrer und lebhafter, für die Neubersche Gesellschaft ein Stück aus: „der junge Gelehrte". Der Hochmuth eines jungen Magisters, der sich für eine wissenschaftliche Größe hält, weil er eine Masse Notizen und Büchertitel im Kopf hat, wird in seinen mannigfachen Aeußerungen lächerlich gemacht. Das Lustspiel wurde Jan. 1748 mit Beifall aufgeführt.

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