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die Göttinger gelehrten Anzeigen redigirte. Er stellte sich 1754 auf seine Seite gegen Lange, er pries 2. Juni 1755 die „Miß Sara Sampson“. Durch Ramler war Lessing auch mit Gleim bekannt und befreundet worden. Dec. 1755 ging er wieder nach Leipzig, wo er in dem alten Kreise Gellert's, seines Freundes Weiße u. A. wohl aufgenommen wurde, auch einige jüngere Schriftsteller kennen lernte. Die Leipziger hatten sich mehr und mehr auf den Cultus der Kleinigkeiten gelegt, und eine bescheidene Gemüthlichkeit in ihrem Verkehr ausgebildet, die Lessing. wenig zusagte.

Stärker als die meisten Mitstrebenden hatte Lessing den Trieb, das Leben der großen Welt kennen zu lernen. Nun schien sich eine günstige Gelegenheit zu bieten: Mai 1756 schloß er mit einem jungen Leipziger Patricier einen Vertrag, ihn auf einer längern Reise durch Deutschland, Frankreich, Italien zu begleiten. Aber es sollte nicht sein! die Reisenden waren bis Amsterdam gekommen, als Sept. 1756 der Ausbruch des Krieges sie nach Leipzig zurückrief.

3.

Kant und Winckelmann.

1755-1756.

11. März 1755 widmete der Magister Kant (31 J.) in Königsberg seine „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels" dem König von Preußen: „ein Versuch von dem mechanischen Ursprung des Weltgebäudes, nach Newton'schen Grundsäßen abgehandelt." — Pfingsten desselben Jahres überreichte in Dresden der Privatgelehrte Winckelmann (38 J.) dem König von Polen die „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Kunstwerke". Es sind die beiden ersten Schriften deutscher Prosa im hohen Stil, die ersten Versuche des Verstandes, sich zum Enthusiasmus aufzuschwingen, die ersten Fanfaren, in denen sich der Geist der neuen Renaissance in seinen höchsten Bestrebungen ankündigt: Kunst, Alterthum und Naturwissenschaft.

Die beiden Verfasser stammten aus den am wenigsten begünstigten Gegenden des Preußischen Staats, der Altmark und Ostpreußen. Die Bewohner der Norddeutschen Marken hatten länger mit der Noth des Lebens zu kämpfen, sie kamen später zum Genuß; aber im Verhältniß

zur Entbehrung steigerte sich bei einer ideal angelegten Natur die Sehnsucht, und im Ringen mit den dürftigsten Verhältnissen wuchs Muth und Kraft.

Immanuel Kant, geb. 22. April 1724, gleichalterig mit Klop= stock, war der Sohn eines dürftigen Sattlers in Königsberg. Im elterlichen Hause, namentlich bei der Mutter, die er im 13. Jahr verlor, herrschte ein gemilderter Pietismus, dem Kant später viel Gutes nachsagte: „die Leute, denen er Ernst war, besaßen das Höchste, was der Mensch besißen kann, jene heitre Ruhe, jenen innern Frieden, der durch keine Leidenschaft beunruhigt wurde."

Der Knabe kam in der Schule schnell vorwärts. Mit dem 16. Jahr bezog er die Universität, in den alten Sprachen wie in der Wolffischen Schule gründlich vorgebildet. Seinen Unterhalt erwarb er durch Privatstunden. Außer den theologischen Vorlesungen hörte er auch mathematische, für welche er eine entschiedene Neigung und Befähigung hatte. Seine erste Arbeit fiel in das Gebiet der angewandten Mathematik. Liest man dies Erstlingswerk des 23 jährigen Jünglings, die „Gedanken von der wahren Schätzung lebendiger Kräfte", so wird man über die frühe Reife betroffen. Ein enormes Wissen, eine kaltblütige, solide, rein sachliche Untersuchung, ein Scharfsinn, der sich zu den stärksten Schritten erfühnt, und ein ungewöhnlich entwickeltes Selbstgefühl. „Freilich steckt viel Vermessenheit in dem Gedanken, die Wahrheiten, um die sich die größten Meister der menschlichen Erkenntniß vergeblich beworben, entdeckt zu haben: aber ich bilde mir ein, es sei zuweilen nicht unnüß, ein gewisses edles Vertrauen in seine Kräfte zu sehen.“

„Ich habe mir meine Bahn vorgezeichnet, nichts soll mich hindern, sie zu halten!“ schrieb er, da der erwartete Erfolg ausblieb. Da seine Mittel nicht ausreichten, in der Universitätsstadt zu bleiben, nahm er acht Jahre lang verschiedene Hauslehrerstellen auf dem Lande an: März 1755 kehrte er nach Königsberg zurück, habilitirte sich daselbst und veröffentlichte die „Naturgeschichte des Himmels, nach Newton'schen Grundfäßen“.

Von der Durchforschung des Naturgeseßes hat Kant's Philosophie ihren Ausgang genommen, nicht, wie man nach ihrer spätern Entwickelung erwarten sollte, aus der Durchforschung des Gewissens: er hat sich), wie 17 Jahre vor ihm Voltaire, rücksichtslos zu Newton bekannt.

In Frankreich und England würde das Werk großes Aufsehn gemacht haben, das deutsche Publicum ließ es unbeachtet, und König Friedrich, dem er es widmete, verstand kein Deutsch: d'Alembert, der

sich ihm Juni 1755 vorstellte, bezog von ihm eine Pension; Kant bewarb sich nach seiner Habilitation vergebens um eine Profeffur; er nahm junge Leute von Stand in Pension, und hielt Privatvorlesungen über Mathematik, Geographie und Naturlehre.

Die Naturgeschichte des Himmels" ist das erste wissenschaftliche Werk, das in deutscher Sprache mit bestimmter Reflexion auf die Schönheit der Darstellung geschrieben ist; einzelne Partien, z. B. die Schilderung der brennenden Sonne und der tiefen Nacht, die dem Erlöschen dieses mächtigen Feuers folgen wird, können sich dreist neben den besten Stellen Buffon's sehn lassen. Später, da Kant seine Imagination gewaltsam zurückdrängte, hat er sich zu dieser Wärme des Stils nicht wieder erhoben.

Das Buch giebt ein großartiges Bild der allgemeinen Weltbewegung: ein Weltbild, nicht wie es den Sinnen sich darstellt, sondern wie es die prüfende Vernunft begreift. Aber durch dies abstracte System der absoluten Bewegung schimmert das sinnliche, farbenvolle und könende Weltall durch. Mit einem wie großen Blick Kant auch bei der Construction des Einzelnen das Richtige traf, haben Laplace's Forschungen der Nachwelt gewiesen.

Nicht nur die Planeten bewegen sich, auch die Firsterne; für unser System, die Milchstraße, nimmt Kant den Sirius als das Centrum an. Diese absolute Bewegung der Welt ist ewig, sie wird durch einfache Kräfte bestimmt. Die Astronomie ist nach der Mathematik die sicherste Wissenschaft; unter allen Aufgaben der Naturwissenschaft kann keine mit größerer Gewißheit gelöst werden als die wahre Verfassung des Weltbaus im Großen. Ohne Vermessenheit darf man sagen: gebt mir Materie, und ich will euch zeigen, wie eine Welt daraus entstehn soll!

Das ist aber unmöglich bei der Frage: wie entsteht das Leben im eigentlichen Sinn nach mechanischen Gesezen? Selbst auf die einfachere Frage: was ist das Leben? antwortet Kant: ich weiß es nicht! Er spricht wiederholt seine Bewunderung vor Haller dem Dichter aus: mit seiner Physiologie hat er sich niemals beschäftigt. Es ist das eine bleibende Lücke in seinem System.

Wenn Leibniz in seiner Dynamik immer von Erhaltung der Kraft redet, so scheint Kant vielmehr auf den Verbrauch derselben aufmerksam zu machen. „Vielleicht büßt die Natur bei den unaufhörlichen Zeugungen beständig etwas von ihrer Kraft ein. Dieselben Ursachen, durch welche ein Ding zur Vollkommenheit gelangt, bringen es durch unmerkliche Stufen zu seinem Untergang; aus denselben Gründen, die seine Aus

bildung bewirkten, muß es endlich verfallen: derselbe Trieb, der die Bäume wachsen macht, bringt ihnen den Tod."

„Wenn ich den Trieb der alten Völker zu großen Dingen, den Enthusiasmus der Ehrbegier, der Tugend und der Freiheitsliebe, der sie mit hohen Ideen begeisterte und über sich selbst erhob, mit der gemäßigten und kaltsinnigen Beschaffenheit unsrer Zeiten vergleiche, so finde ich zwar Ursache, unserm Jahrhundert zu einer Veränderung Glück zu wünschen, welche der Sittenlehre sowohl als den Wissenschaften gleich einträglich ist, aber ich gerathe doch in Versuchung, zu vermuthen, daß es vielleicht Merkmale einer gewissen Erkaltung desjenigen Feuers seien, welches die menschliche Natur belebte, und dessen Heftigkeit ebenso fruchtbar an Ausschweifungen als an schönen Wirkungen war.“ Der Verbrauch der Kraft scheint sich also auch auf den menschlichen Geist zu beziehn.

„Man darf nicht erstaunen, selbst in dem Großen der Werke Gottes Vergänglichkeit zu finden. Ein Weltgebäude hat eine Beständigkeit in sich, die nach unsern Begriffen einer unendlichen Dauer nahe kommt; vielleicht werden tausend Jahrhunderte es nicht vernichten. Allein weil die Eitelkeit, die an den endlichen Naturen haftet, beständig an seiner Zerstörung arbeitet, so wird die Ewigkeit alle möglichen Perioden in sich halten, um durch einen allmäligen Verfall seinen Untergang endlich herbeizuführen. Aber die Fruchtbarkeit der Natur hat keine Schranken: indeß sie mit veränderlichen Auftritten die Ewigkeit ausziert, bleibt Gott in einer unaufhörlichen Schöpfung geschäftig, den Stoff zur Bildung noch größerer Welten zu formen.“ Der Verbrauch der Kraft bezieht sich nur auf einzelne Welten, nicht auf das Universum.

„Wenn wir diesen Phönir der Natur, der sich nur darum verbrennt, um aus seiner Asche wiederum verjüngt aufzuleben, durch alle Unendlichkeit der Zeiten und Räume verfolgen, so versinkt unser Geist in tiefes Erstaunen, und vernimmt beim Anblick des gestirnten Himmels eine Sprache, deren Begriffe sich nicht mehr nennen, sondern nur empfinden lassen. Mit welcher Ehrfurcht muß die Seele nicht ihr eignes Wesen ansehn, das alle diese Wunder überleben soll! Sie ist in diesem Tumult der Elemente auf eine Höhe geseht, von der sie die Verheerungen gleichsam unter ihren Füßen kann vorbeirauschen sehn, bis endlich die Fesseln fallen, welche sie an die Eitelkeit der Creaturen geknüpft halten.“

Die partiellen Wunder Gottes verwirft Kant viel entschiedner als Newton, der immer noch die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit offen ließ, daß der Werkmeister von Zeit zu Zeit die abgelaufene Uhr aufziehn müsse; bei Kant zieht sie sich in alle Ewigkeit selbst auf. Mit äußerster

Härte spricht er sich über die Vorstellung willkürlicher Eingriffe Gottes in die Weltordnung aus. Ein Weltsystem, das sich ohne ein Wunder nicht erhalte, hätte nicht den Charakter der Beständigkeit, die das Merkmal der Wahl Gottes ist. Die Dinge haben in einem einzigen höchsten Verstand ihren Quell. Wenn man sich einbildet, daß die allgemeinen Naturgeseze an und für sich nichts als Unordnung zuwege bringen, und daß alle Uebereinstimmung zum Zweck, welche bei der Verfassung der Natur hervorleuchtet, die unmittelbare Hand Gottes anzeigt, so wird man genöthigt, die ganze Natur in Wunder zu verkehren. Es wird in der That alsdann keine Natur mehr sein.

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Aber wenn der Weltbau mit der Ordnung und Schönheit nur eine Wirkung der ihren allgemeinen Bewegungsgeseßen überlassenen Materie ist, wenn die blinde Mechanik der Naturkräfte sich aus dem Chaos von selber so herrlich zu entwickeln weiß: ist nicht der Beweis des göttlichen Urhebers aus der Schöpfung völlig entkräftet?" „Es ist ein Gott", erwidert Kant, eben deswegen, weil die Natur selbst im Chaos nicht anders als regelmäßig verfahren kann. Da Gott eine Welt in seinem Rathschluß begriff, in der Alles die Regel des Besten erfüllt, so würdigte er sie seiner Wahl, nicht weil es ihm so beliebte, sondern weil er als allweise so wählen mußte. Wie könnten die nothwendigen Folgen der Dinge, deren Grund in Gott ruht, seinem Willen entgegen sein? Alle Veränderungen der Welt, die mechanisch, d. h. aus den Bewegungsgesezen nothwendig sind, müssen, weil nothwendig, jederzeit gut sein.“ der Schöpfung hängt alles nothwendig zusammen, ihre Unendlichkeit faßt gleich nothwendig alle Naturen in sich; ihr ist kein Glied gleichgültig; keines dürfte fehlen. Alles wird durch allgemeine Geseze bestimmt, deren Folgen kein individuelles Interesse stören und unterbrechen darf.

In

In dieser Ueberzeugung wurde Kant nicht erschüttert, als 1. Nov. 1755 das Erdbeben von Lissabon ganz Europa in Schrecken seßte. In dem stolzen Gefühl der immer wachsenden Aufklärung hatte man sich allmälig eingeredet, die Weltgeschichte, von einer weisen Vorsehung stetig geleitet, gehe in grader Linie vorwärts; nun tauchte plößlich die Macht des Zufalls auf, in seiner verhaßtesten Gestalt, und grade die Führer der Aufklärung, Voltaire voran, legten sich die Frage vor, ob nicht am Ende der Zufall die Welt regiere? Voltaire's „Candide" war eine humoristische Verhöhnung des Optimismus; die Preisaufgabe der Academie, die Lessing und Moses vor einem halben Jahr beschäftigt, drängte sich nun mit sinnlicher Gewalt den Philosophen auf, der Skepti cismus schien zu triumphiren.

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