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mit seinen Ideen auseinanderzuseßen, und dessen Freunde, Dr. Zimmermann in Brugg, Haller's Schüler, und Rechtsschreiber Iselin in Basel, machten für ihn Propaganda, wenn sie ihn auch in manchen Stücken bekämpften.

9. Juni 1762 wurde der Emile" in Paris, 18. Juni in Genf verurtheilt; der hypochondrische Mann fühlte sich als einen Ausgestoßenen; er suchte eine Zuflucht in Neufchatel, und wandte sich in einem halb stolzen halb demüthigen Brief an den Fürsten von Neufchatel, den König von Preußen. Friedrich schickte ihm 29. Juli vom Feldlager aus einige Unterstüßung, wies ihm ein Logis an, und empfahl ihn seinem dortigen Statthalter, Lord Marishal. „Si nous n'étions pas ruinés, je lui ferais bâtir un hermitage avec un jardin où il pourrait vivre comme il croit qu'ont vécu nos premiers pères. Je crois qu'il a manqué sa destination: il était sans doute né pour devenir un fameux cénobite, un Père du désert, célèbre par ses austérités et ses macérations, un Stylite; il aurait fait des miracles, il serait devenu un Saint." In seinem Dankschreiben, 30. Oct., wagte Rousseau einige sehr schmeichelhafte Angriffe. „Otez devant mes yeux cette épée qui m'éblouit et me blesse; elle n'a que trop fait son devoir, et le sceptre est abandonné. La carrière est grande pour les rois de votre étoffe, et vous êtes encore loin du terme; cependant le temps presse, et il ne Vous reste pas un moment à perdre. Sondez bien votre coeur, o Frédéric! Vous convient-il de mourir sans avoir été le plus grand des hommes? - Puissé-je voir Frédéric le juste et le redouté couvrir ses états d'un peuple nombreux dont-il soit le père, et J. J. Rousseau, l'ennemi des rois, ira mourir au pied de son trône!"

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Als Friedrich diesen Brief empfing, war er wie durch ein halbes Wunder gerettet. Mit dem Tod der Kaiserin Elisabeth von Rußland, 5. Jan. 1762, hatte sich die ganze Europäische Constellation verschoben. „J'en reviens comme un mauvais auteur qui, ayant fait une tragédie embrouillée, a recours à un Dieu de machine pour trouver un dénouement; trop heureux de trouver la fin d'une mauvaise pièce dont j'ai été acteur malgré moi."

Alle Mächte waren müde und erschöpft, 28. Jan. 1763 wurde zu Hubertsburg der Friede unterzeichnet. Das Land war ausgesogen und verarmt, aber das Nationalgefühl hatte einen ungeheuern Schaß ge

wonnen.

„Friedrich", schreibt Diderot im Schlußheft der „Encyclopädie“,

,,hat die Bewunderung selbst derer errungen, die an seinem Untergang arbeiteten; die Nachwelt wird ihm unter den größten Männern einen Rang anweisen." Auch seinen Dichtungen ertheilt er großes Lob. „Sie find voller Ideen, voll großer und kräftiger Wahrheiten; er würde einer der ersten Dichter unsrer Nation geworden sein, wenn er sich ein paar Jahre im Faubourg St. Germain aufgehalten und dort einige Körner des Berliner Sandes abgewischt hätte. Es hat dieser bewundernswürdigen Flöte nichts gefehlt als ein reinerer Ansah. In künftigen Jahrhunderten werden unsre Dichter, denen es nur um Correctheit zu thun ist, weit hinter den Philosophen von Sanssouci zurücktreten.“ Daß Friedrich mit diesen hervorragenden Männern, die ihn so gut verstanden, Fühlung suchte, daß er sich bemühte, fie nach Berlin zu ziehn, ist wohl begreiflich: wetteiferten doch mit ihm in diesem Streben fast alle Monarchen, voran seine neue Verbündete, die Kaiserin Katharina von Rußland.

Als d'Alembert, der ihn bald nach Abschluß des Friedens besuchte, ihm sagte, dieser Tag müsse doch der schönste seines Lebens sein, erwiderte Friedrich: „le plus beau jour de la vie est celui où on la quitte!" Er hatte Uebermenschliches erduldet; er war ein alter Mann geworden, körperlich hinfällig, verbittert, mit Menschenverachtung erfüllt.

Der Krieg von 1756 war Friedrich aufgedrängt, er war Nothwehr: das ist durch die neusten archivalischen Forschungen unumstößlich erwiesen; die Verwüstungen Deutschlands durch Franzosen, Russen, Schweden und Kroaten fallen auf Rechnung der Habsburgischen Politik. Hätten die Alliirten gesiegt, so wären ganze Länderstrecken von Deutschland abgerissen, die Ruffen hätten Preußen, die Franzosen ein Stück Rheinland, die Schweden Pommern sich angeeignet. Durch Friedrichs Sieg wurde die Integrität Deutschlands gewahrt.

Durch die Constatirung dieser Thatsache soll kein moralisches Urtheil über Friedrich und Maria Theresia gefällt werden, sie kennzeichnet nur die Lage der Dinge. Der Beherrscherin der Oestreichischen Monarchie konnte es gleichgültig sein, ob die Grenzen des Reichs durch das Ausland geschädigt wurden; Preußen konnte es seiner geographischen Lage nach nicht zugeben, denn es war selber in seiner Eristenz gefährdet. Es hatte sich herausgestellt, daß ein mächtiges Preußen die sicherste Schußwehr des Reichs sei, und das Gefühl davon brach sich auch in Deutschland Bahn.

5.

Die deutsche Prosa während des Kriegs.

1759-1763.

Mitten unter den Unbilden des Kriegs bemühte sich Berlin eifrig und nicht ganz ohne Erfolg, für das geistige Leben Deutschlands einen Mittelpunkt zu geben, und wenigstens in der Prosa nimmt man einen erfreulichen Aufschwung wahr.

Nach Lessing's Abreise aus Berlin, Nov. 1760, setzten die Freunde, Moses und Nicolai, im Verein mit einigen Andern die „Litteraturbriefe" fort. Sie waren ehrlich in ihrem Urtheil und auch gescheut, Moses hatte viel über Aesthetik nachgedacht. Indeß sind seine Urtheile durchaus Urtheile des Verstandes: was sich vom Verstand nicht auflösen ließ, war ihm verhaßt, und mit aller Schärfe traf er selten den entscheidenden Punkt. Indeß gehörten die „Litteraturbriefe", indem sie den Schlendrian bekämpften, zur aufstrebenden Richtung, und bildeten für die deutschen Schriftsteller einen hauptstädtischen Mittelpunkt: alljährlich fand sich der eine oder andre Gast aus Halle, Halberstadt, Leipzig, Hamburg in Berlin ein, und der briefliche Verkehr ging bis nach Riga, Kopenhagen und Zürich.

Eine wichtige Acquisition war der junge Thomas Abbt aus Ulm, der sich einige Monate in Berlin aufhielt, und dessen Abhandlung vom Tod für's Vaterland" Nicolai Anfang 1761 druckte. Abbt hatte einen entschiednen Sinn für Geschichte, der den Berlinern abging: „ich gähne allezeit“, schreibt Moses, „wenn ich etwas Histo= risches lesen muß.“

April 1761 erhielten die Herausgeber der „Litteraturbriefe" ein kleines Werk, das sie sehr interessirte: „Harlekin oder die Vertheidigung des Grotesk-Komischen". Harlekin fordert Lessing, der sich seiner so warm gegen Gottsched angenommen, auf, zu seiner völligen Wiederherstellung mitzuwirken. Es sei Thorheit, zu verlangen, daß jede Kunst durch den Nachweis eines moralischen Zwecks sich legitimire. Tanzen wir etwa, um unsern Körper gesund zu erhalten? Selbst im Leben des Weisen hat eine muthwillige, vom Verstandesballast befreite Ausgelassenheit ihre Rechte. Strenge Sittenlehrer mögen immer die Castraten vom Fegefeuer befreien und die schönen Sängerinnen dort ihre verlornen Stunden nachholen lassen: ich werde das Glück der Erstern nicht be

neiden, und hoffentlich mit meiner Arbeit für das allgemeine Vergnügen die Strafe der Lestern nicht verdienen."

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Man rühmt unsern Vorfahren nach, daß sie zum Zeitvertreib viel auf brüderliches Trinken gehalten, und darin die ganze Wollust politischer Verschwörungen genossen hätten; auch redet man nie von ihren Töchtern, ohne sich Prinzessinnen vorzustellen, die in treuer Liebe in hohem Stil ihre Feierabende zugebracht. Allein man mag ihnen ihr Trinken, ihre Verschwörungen und ihre Abenteuer noch so hoch anrechnen, so bleibt es doch ein Räthsel, wie sie ohne Kartenspiel, ohne Romanlectüre und ohne Zeitungen die eine Zeit wie die andre so vergnügt zubrachten.“ Sie fanden einige Abwechselung im Geckenorden, der ihnen Maskenfreiheit gab. Bei uns bringt man die Zeit bei Tisch wie im Staatskabinet zu, und redet mit der Vorsicht eines Gesandten. Wie glücklich waren dagegen jene klugen Gecken, die ihren Orden anhängen und dann im Charakter ihrer Rolle mit hochgebornen Brüdern eine stumpfe Lanze brechen konnten! Aber das beste Mittel, die Langeweile zu vermeiden, war unstreitig, daß jeder Dichter seiner Dame öffentlich sagen durfte, was er bei ihrem Anblick fühlte, und daß diese ihm in eben dem Ton antwortete. Jedes Auge mußte heitrer, jeder Mund beredter sein als jezt, wo der Mann seiner Frau garnichts, der Liebhaber aber seine Schmeicheleien nur heimlich sagen darf.“

April 1761 schrieb Abbt an den Verfasser dieser Schrift, Justizamtmann Möser im Namen einer kleinen Berlinischen Gesellschaft" einen freundlichen Brief und zeigte den „Harlekin“ in den „Litteraturbriefen“ Seitdem bestand zwischen ihnen ein lebhafter Verkehr.

an.

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Justus Möser ist 14. Dec. 1720 in Osnabrück geboren und daselbst 1794 gestorben. Verhältnißmäßig spät, im zwanzigsten Jahr weil sein Vater, so lange die Werber Friedrich Wilhelm's I. ihr Wesen trieben, sich scheute, den stattlichen Jüngling, der fast sechs Fuß maß, außer Landes zu schicken bezog er die Universität. Nach Ablauf des juristischen Trienniums erhielt er eine Secretärstelle bei der Ritterschaft.

Die Verfassung des Bisthums Osnabrück war eigenthümlich. Die Landstände bestanden aus drei Körperschaften: dem Domcapitel, welches den Bischof wählte, und in welchem nur drei Evangelische saßen; der Ritterschaft, überwiegend protestantisch; und der Deputation der Städte. Auf dem Lande herrschte die Leibeigenschaft, doch in milder Form.

Jm 25. Jahr wurde Möser Advocatus Patriae: als solcher hatte er die Processe des Fiscus gegen Einheimische und Auswärtige zu führen; bald darauf wurde er auch Syndicus der Ritterschaft, und ver

trat nicht selten in einem Rechtshandel beide Parteien, stets zur beiderseitigen Zufriedenheit. Im 26. Jahr heirathete er: eine prächtige Frau, mit der er 41 Jahre in glücklicher Ehe lebte. Seine Eristenz war ge= räumig, sein Haus das gastfreieste der Gegend, seine Bekanntschaft von einer feltnen Ausbreitung; von nah und fern kam ihm unbedingtes Zutrauen entgegen.

Der Mittelpunkt seines Lebens war sein Amt; Schriftstellerei trieb er nur in den Mußestunden, und fast immer in Beziehung auf seine Geschäfte. Vom Standpunkt eines praktischen Juristen aus suchte er sich mit dem Publicum zu verständigen; die Erfahrungen seines kleinen Kreises, der freilich mehr Individualität besaß als irgend ein Fleck des heiligen Römischen Reichs, dehnte er auf das Allgemeine aus. Dafür war Osnabrück ein sehr ergiebiger Boden, da die Gegensätze hart nebeneinander lagen. Der Advocat lernte sich früh in Menschen aller Art, von entgegengesetzten Gesinnungen und entgegengesetztem Interesse schicken. Daher seine Neigung, jede Meinung so lange hin und her zu wenden, bis er sie annehmbar befunden. Er ging mitunter darin sehr weit; von seinen Paradorien muß man vieles abrechnen, was der Schalk oder der juristische Virtuos überm Herzen wegspricht; um deutlich zu werden, sucht er das derbste, das nackteste und ungesittetste Wort. In gründlicher Verachtung der Redensarten von allgemeinen Menschenrechten, allgemeiner Menschenliebe und bildloser Moralität, scheute er nicht vor den härtesten Consequenzen, um den wirklichen Menschen mit seinen mannigfaltigen Leidenschaften und Grillen als Naturwesen, mit seinen historischen Schranken als Bürger jenem abstracten Ideal gegenüberzustellen. Aber seine massive Gesundheit bewahrte ihn vor jeder eigentlichen Sophistik. Freilich kann man seine Behauptungen oft in das Gegentheil umkehren : den besten philosophischen Säßen geht es nicht anders.

Möser's Art erkennt man bereits aus einer Jugendschrift, 1746, „über die Bekehrung im Alter". „Ich habe noch keinen gesehn, der sich in der Stärke seiner Leidenschaften ernsthaft gebessert hätte; das Herz hat allemal den Verstand betrogen. Wenn aber der Mensch erst soweit ist, daß seine Leidenschaften träge werden, so ist er gar bald fromm. Da ein alter Mann oft nicht so viel Kraft hat, dem Reiz einer Klapperbüchse zu widerstehen, wie will er dem beständig anziehenden Reiz der Tugend widerstehn? Sobald die Phantasie nicht mehr die Kraft hat, das Herz mit lebhaften Bildern auszufüllen, schnappt die geistlose Leere aus Noth nach frommen Bildern. Daher kommt es, daß alte Leute oft abergläubisch werden: jedes fürchterliche Bild erfüllt sie, weil in ihrem

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