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Seelenraum nichts ist, das Widerstand leisten könnte. Bei einem Menschen, der die Kraft seiner Leidenschaften in der Wollust abgenußt, hat die Frömmigkeit noch den Werth der Neuheit. Jedes gute oder schlimme Vergnügen hat seine Reize, das matteste Herz empfindet dabei etliche angenehme Wallungen, und diese werden von dem Vergnügen der Neue unterhalten: die reuige Erinnerung voriger Ausschweifungen schmeichelt noch immer der sterbenden Neigung.“

Möser war 26 J. alt, als er das schrieb; der Censor strich das Ganze. Ein späteres Fragment einer Selbstbiographie klingt aber noch lebhaft an diese Jugendschrift an. „Unter allen guten und bösen Eigenschaften, die ich von mir anzugeben weiß, triumphirt die Eigenliebe; und ihr Triumph ist dann am vollkommensten, wenn ich mich in den höchsten Grad der Aufrichtigkeit verscht habe. Ich muß oft über die schlauen Wendungen lachen, wodurch mich meine Eigenliebe zu ihrem Zweck führt.“ Mein Glück ist, daß mich die Natur mit einem sehr ehrbaren Gesicht beschenkt hat. An meinem Schreibtisch lache ich oft ungesehn und ungehört, aber in Gesellschaften schüßt mich mein Phlegma wider alle bittern Ausbrüche meines Herzens."

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Bei all seinen Gedankensprüngen hatte Möser ein bleibendes Augenmerk: die Deutschen aus dem beschränkten Kreis des gebildeten Spießbürgerthums, der schwächlichen Humanität und Empfindelei herauszutreiben, und ihnen die Augen zu öffnen für das harte aber bunt bewegte wirkliche Leben. Seine Satiren erinnern mitunter an Rabener: der gleiche Kampf gegen Unnatur, Etikette, Prunksucht, Nachäfferei; aber Rabener's Gesichtspunkte sind kleinbürgerlich, Möser ist in den höhern Ständen, sowie bei Bauern zu Hause, die ein ganz andres individuelles Leben bewahrt haben als Rabeners Honoratioren. Er räth den Deutschen, lieber Bären zu bleiben, als sich von einem französischen Friseur zum Affen machen zu lassen. Unsre Dichter schreiben für Schwächlinge, ihnen die leeren Stunden zu vertreiben; empfindelnde Bücher machen die Nerven krank: wo die Natur Freude und Muth gebietet, da winselt das weich klopfende Herzchen. Die Franzosen und Italiener, die wir so lange nachgeahmt, haben zu sehr der Schönheit geopfert und alles Unschöne verbannt; darüber ist ihnen die Natur verarmt. Die Engländer haben die Fülle und Mannigfaltigkeit der Natur vorgezogen, und damit den richtigen Weg eingeschlagen, wenn er auch zur Verwilderung führen kann.

Neben Lessing ist Möser ohne Zweifel der bedeutendste Prosaiker der Periode. Es ist interessant, bei stilistischen Umarbeitungen ihr Verfahren zu vergleichen; von Beiden haben wir Proben. Lessing arbeitet

seine Säße immer pointirter heraus, während Möser die Säße ihrem eignen Schicksal zu überlassen scheint und mit einer unschuldigen Miene zusieht, als gehe ihn die Sache nichts an. Auch das ist eine bewußte Kunstform, aber der Lessing's entgegengesetzt. Möser sprach fertig Französisch, Englisch und Italienisch, und war im Alterthum zu Hause. Sein Stil, plastisch und scharf bestimmt, ist gesättigt durch die concreten Anschauungen des weltkundigen und zugleich gelehrten Juristen.

„Die deutsche Sprache wird von Einigen für sehr reich gehalten, mir aber kommt sie noch immer zu arm vor. Nicht weil sie in das Wesen einer Sache nicht eindringen kann, denn diesen Mangel haben auch unsre Begriffe, und zu etwas mehrerem, als unsre Begriffe auszudrücken, ist keine Sprache gemacht. Auch nicht um deswillen, weil fie eine Menge von Größen und Eigenschaften, besonders aber die feinen Unterschiede derselben nicht namentlich angeben kann: denn hier ist die Empfindung immer reicher als der Ausdruck. Sondern weil sie an solchen Ausdrücken Mangel hat, welche das tägliche Leben betreffen und zu unserm nächsten Bedürfniß gehören, so daß wir ohne ihre Hülfe kein tägliches Leben vorstellen können."

„Dieser Mangel rührt daher, daß die deutsche Sprache in keiner deutschen Provinz gesprochen wird, sondern eine todte Büchersprache ist, worüber sich die Schreibenden vereinigt oder verglichen haben. In eine solche Sprache ist natürlicher Weise nichts aufgenommen, was außer der Sphäre der Schreibenden gewesen.“

„Der Engländer nimmt alles an, was er gebraucht und nüßlich findet: und dies thut mit ihm jeder Provincial-Dialekt. Die englische Sprache ist ein Provincial-Dialekt, der sich zur Buchsprache für die ganze Nation erhoben hat, anstatt daß alle übrigen Sprachen in Europa nichts als ein Buch-Herkommen zum Grunde haben.“

„Auch die besten unter unsern Schriftstellern schreiben nicht mehr für das gemeine Auge; es kommt mir oft so vor, als wenn sie durch ein Vergrößerungsglas arbeiteten. Man verwirrt den gesunden Menschenverstand, wenn man unendlich feine Unterschiede jedem Auge sichtbar machen will. Durch diese Behandlung wird die Sprache zu scharf bestimmt für die ordentlichen Bedürfnisse. Im Reich der Speculation, das für unsre Sinne versteckt ist, legt Jeder sein Eignes an, bestimmt danach seine Worte und erfindet Zeichen: wenn die Sprache damit überladen wird, so entsteht daraus, wie aus einer Menge zu vielerlei Münzen, Beschwerde und Verwirrung; man unterscheidet, wo man nicht unterscheiden sollte, und wird spißfindig; ein Mensch versteht

den andern nicht mehr. Unsrer jezigen Sprache wird es gehn wie der scholastischen, die durch ihre Feinheit verunglückt ist.“

Während sonst in Deutschland fast alle Welt die Methode billigte, wie nach Rousseau die Kinder naturgemäß erzogen werden sollten, trat Möser für das ältere System ein. „Es ist wunderbar, wie uns oft eine glänzende Theorie verführen kann! Wenn einer das Laufen lernen soll, so läßt man ihn in schweren Schuhen laufen; dagegen sollen Kinder, woraus man große Männer ziehn will, alles spielend fassen. Was kommt bei diesem spielenden Lernen heraus? süßes Gewäsch und leerer Dunst! Der Geist bleibt schwach, der Kopf hat weder Macht noch Dauer. Der junge Mensch gleicht einem Kaufmann, welcher eine Handlung durch die ganze Welt anfangen will, ohne ein Capital oder auch nur einen mäßigen Vorrath von Producten zu haben. Anders verhält es sich mit dem Knaben, der, soviel es ohne Nachtheil seiner Leibesund Seelenkräfte geschehn kann von Jugend auf zu einem eisernen Fleiß angestrengt worden."

Noch in einem andern Punkt trat Möser gegen Rousseau in die Schranken: in einem „Sendschreiben an den Herrn Vicar in Savoyen," 2. Nov. 1762, vertheidigt er gegen den reinen Deismus die positive Religion. Alle Gesetzgeber und Stifter großer Staaten haben die natürliche Religion für unzulänglich gehalten, eine bürgerliche Gesellschaft einzurichten, zu binden und zu führen. Moses hätte gegen hunderttausend Ziegelbrenner, die ihn stürmisch fragten: wer hat dich zum Richter über uns gesetzt? nicht anders bestehn können, als wenn er sich die Geseßtafeln von Gott persönlich überweisen ließ."

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Sie werden sagen, solchergestalt sei die Religion nur ein Kappzaum für den Pöbel. Wir alle sind Pöbel! Für uns Pöbel, und nicht für Engel ist unsre Religion gemacht. Der Mensch ist ein Thier, das an der Kette seiner Einbildung liegen soll. Etliche brauchen einen Klotz von fünf Centnern, um nicht mit der Kette wegzulaufen. . . . Es ist ein hartnäckiges Volk, beides der Philosoph und der Mensch: fünf Centner halten sie nicht!"

„Es ist ein besondrer Hang des Menschen zum Wunderbaren, welcher oft auch dem Philosophen das Bekenntniß abpreßt: wir wissen noch nicht alles. Viele schämen sich nur, offen zu gestehn, was sie sich heimlich selbst beichten. Sollte dieser Hang nicht eine höhere Ursache haben? Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten einen Knorpel im Gehirn, der sich blos durch mathematische Beweise behandeln ließe: sollten wir dann wohl diese zärtlichen Empfindungen haben, die soviel zu unsrer

Wollust beitragen? Entweder wir müßten alles bis auf den Grund einsehn können - und diese Forderung ist ungereimt; oder wir sind glücklich, daß wir uns leichter und sanfter beruhigen lassen. Freilich ist dieser Hang sehr bequem, den Aberglauben zu unterstüßen; aber die natürliche Liebe, die Güte, die Großmuth sind ebenso sehr zu mißleiten: Sie wissen es, und haben sie nicht verflucht. O der Mensch ist ein allerliebstes, wunderliches Ding! Herr und Narr aller seiner Mitgeschöpfe!"

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Nunmehr erwarten Sie vielleicht, daß ich die Wahrheit unsrer christlichen Religion zu vertheidigen unternehme. Allein ich bin kein Theolog, sondern ein Rechtsgelehrter. Ich habe meine Betrachtungen blos so entworfen, wie ich glaube, daß ein unparteiischer Mann, der von unsrer Religion nur etwas versteht, sie entwerfen könnte. Ich habe die Bedürfnisse einiger Arten von menschlichen Gesellschaften und ihre Zufälle eingesehn; ich habe die Krankheiten dieser großen Staatsvereinigungen, sie mögen Monarchien, Aristokratien, Demokratien oder Tyrannien heißen, erwogen, und daraus geschlossen, daß ihnen eine offenbarte Religion jederzeit nothwendig und heilsam gewesen.“

Für das Christenthum läßt sich wohl ein natürlicher Ursprung denken. „Die Jüdische Religion, welche ausdrücklich sagt, daß der erste Mensch die Unsterblichkeit verloren habe, muß zuleht durchaus auf einen Erlöser führen; sie muß schlechterdings alle Menschen in einem Ewigen sterben lassen, nachdem Gott einmal gesagt, daß alle Menschen des ewigen Todes sterben sollen. Jede Nation, sobald sie anfängt, sich zu bilden, will durchaus ein ewiges Leben. Je trauriger ihre Schicksale werden, desto öfter wird sie Propheten zu ihrer Beruhigung erwecken. Das bringt der natürliche Gang ihrer Empfindungen und Gedanken mit fich. Der Paulinische Lehrbegriff war eine nothwendige Consequenz von Moses und den Propheten. Ueber das Factum, daß wirklich der Ewige Mensch geworden sei und das Gesetz erfüllt habe, daß Jesus von Nazareth dieser Ewige gewesen, habe ich nicht mit Ihnen zu streiten. Paulus wurde hievon durch ein Wunder überzeugt, und wenn Sie das auch verlangen, kann ich Ihnen nicht helfen.“

Der scharfe Blick in das Einzelne, an sich nicht ohne Gefahr, wurde bei Möser corrigirt durch einen freien Blick in's Große. „Können Sie mir ein einziges schönes Stück aus der physikalischen Welt nennen, welches unter dem Mikroskop seine vorige Schönheit behielte? Jede Sache hat ihren Gesichtspunkt, worin sie allein schön ist; sobald Sie diesen verändern, sobald Sie mit dem anatomischen Messer in das Eingeweide

Julian Schmidt, Litteratur. I.

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schneiden, verfliegt die Schönheit. Was Ihnen durch das Vergrößerungsglas ein rauhes Ding scheint, wird dem unbewaffneten Auge eine liebliche Gestalt; der Berg in der Nähe ist voller Höhlen, aber unten, in der Ferne, wie prächtig! Wenn das in der physikalischen Welt wahr ist, warum nicht in der moralischen? Sehen Sie Ihren Helden einmal auf die Nadelspitze und lassen ihn unter Ihrem moralischen Mikroskop Männchen machen! Nicht wahr? Sie finden ihn recht schwarz, grausam, geizig und seinem Bruder ungetreu? Aber treten Sie zurück: wie groß wieder! Wer heißt Sie nun die Schönheit dieses großen Eindrucks um deswillen anfechten, weil die dazu wirkenden Theile bei schärferer Untersuchung häßlich sind? Die Leute, welche von der Falschheit der menschlichen Tugenden schreiben, wollen immer Fümet ohne Fäulung haben, und Bliße die nicht zünden. Wir wollen die Tugend blos für die Taugsamkeit oder die innere Güte eines jeden Dings nehmen. So hat ein Pferd, so hat das Eisen seine Tugenden, und der Held auch, der seinen gehörigen Antheil Stahl, Härte, Kälte und Hize besißt. Die Anwendung soll sein Verdienst und die Menge der Wirkungen, welche das menschliche Geschlecht davon zieht, die Größe seines Verdienstes bestimmen“.

Möser war Humorist: zum Theil liegt darin seine historische Stellung. In der Wolffischen Philosophie und der von ihr beeinflußten Dichtung wurde alles ernsthaft und dogmatisch behandelt, eine pedantische Moral stellte alle natürliche Regung unter Controlle. Die Logik wollte alle Bewegung an ihrem Gängelband leiten. Bodmer schalt selbst Lessing einen Spaßmacher, und dieser mußte sich des geschmähten Capricio annehmen. Nun aber erregte ein genialer Humorist die Aufmerksamkeit des deutschen Publicums, Sterne, deffen „Tristram Shandy" seit 1759 erschien. In der Kunstform des Humors treten das Empfindungsleben und die Verstandeskälte gleich energisch hervor, nicht um das eine am andern aufzuheben, vielmehr sollte im Contrast beider sich die Fülle der Natur geltend machen, die von einer einseitigen Philosophie auseinander gerissen wurde. Ganz unvermittelt wechselt bei Sterne die überströmende Thräne und das höhnische Lachen. Er hat viel Thränen hervorgerufen und die Fähigkeit des Mitleids erweitert; aber das Mitleid hat keinen Werth, das keinen Unterschied macht. Schwelgerei im Mitleid um gleichgültige Dinge ist im Grund eine Verhätschelung der Selbstsucht; und so begreift man ganz wohl die faunischen Motive, die Sterne gern in seine empfindsamen verwebt; die einen wie die andern sind ohne rechte Consistenz.

Die

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