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erclusive vornehme Welt entschied in lezter Instanz, was schön, würdig und ritterlich sei; was man zu vermeiden habe, um nicht in den Verdacht der Roture zu gerathen.

Ohne Zweifel hat die französische Bildung durch diese Unterordnung unter den Hofgeschmack auch eine große Einbuße erlitten; durch die Scheu, etwas zu sagen oder zu thun, was gegen die Regel verstieß, glättete man die Form so lange ab, bis alles Eigenartige verloren ging; was die Lebensart an Sicherheit gewann, verlor sie an Kraft. Das gesellige Leben, dem man sich ausschließlich ergab, war doch nur ein Scheinding, man entwöhnte sich des wirklichen, selbständigen, verantwortlichen Thuns. Das Uebergewicht der vornehmen Sitte, die sich allmälig zur Mode entstellte, untergrub die strengere Sittlichkeit; die Galanterie und die Ehrenpflicht führten, wie im zwölften Jahrhundert, zur Umkehrung der natürlichen sittlichen Begriffe. Die Verpflichtung, andern Frauen den Hof zu machen, ließ die echte Ehe als pedantisch und lächerlich erscheinen; die Mode des Duells untergrub das Rechtsgefühl, der Leichtsinn in der Führung ernster Geschäfte artete zum Frevel aus.

Gleich dem Adel war auch die Kirche unter Ludwig XIV. ganz royalistisch. Die hohen Würdenträger, meist dem Adel angehörig, suchten Fühlung mit dem Hof, ja mit der Akademie; ihre Festreden, namentlich bei der Bestattung der Großen, wurden auf den Stil hin sorgfältig geprüft und bildeten einen erheblichen Theil der Litteratur, die einen überwiegend rhetorischen Charakter zeigte. Bischof Bossuet stand mit seiner Kirchengeschichte, seinen Predigten und seinen Briefen in der ersten Reihe der gefeierten Schriftsteller; Bischof Huetius leitete zum Theil die classischen Studien, und trat später als Vorkämpfer des classischen Alterthums gegen die Modernen auf. Diese Geistlichen hielten viel von der Metaphysik, als einer humanen Wissenschaft, und waren, wenn auch untadelhaft in ihrer Rechtgläubigkeit, fast alle ein wenig vom Cartesianismus angehaucht, der mit dem Zweifel begann, und dadurch das Princip der Autorität erschütterte. Die Jesuiten freilich blieben im alten Stil, und behielten den Beichtstuhl des Königs; aber Pascals blutige Satire gegen sie, die Lettres d'un Provincial“, erschienen unangefochten, und Molières „Tartüffe“, augenscheinlich auf den Orden gemünzt, wurde 1667 mit besonderer Erlaubniß des Königs aufgeführt. Der leitende Zug der franzöfifchen Bildung ging entschieden nicht im Sinn der Bigotterie.

Nicht blos Glanz und Prunk zeichneten das Zeitalter Ludwig XIV. aus. Die Künste blühten auf, überall erhoben sich großartige und würdige Monumente der Architectur, im besten Stil der Spät-Renaissance. Der

Geschmack wurde sorgfältig geschult, die Industrie belebte sich. Freilich kam dies Wohlleben hauptsächlich nur den „Honnêtes Gens" zu Gute; das eigentliche Volk verfiel in immer tiefere Armuth, für die Schulen geschah nichts. Das Schlimmste war der nach Außen gerichtete Ehrgeiz des Königs.

Wenn Ludwig seinen Adel durch prachtvolle Repräsentation unterhielt, so mußte er auch für dessen ritterliche Neigungen Sorge tragen. Wenn es in Versailles zu einförmig wurde, verlangte der Adel einen frischen, fröhlichen Feldzug am Rhein, da die Bürgerkriege aus der Mode gekommen waren. Durch die Verbindung des Königthums mit dem Adel und der Kirche war Frankreich in sich national geeinigt, und der Ehrgeiz, sich auf Kosten seiner schwächlicher organisirten Nachbarn zu vergrößern, lag in der Natur der Dinge.

Der König hatte seine ehrgeizigen Unternehmungen aus weiter Hand vorbereitet; nach allen Seiten hatte er seine Bestechungen ausge= streut. Der Englische Hof stand seit der Restauration von 1660 ganz in seinem Sold, mit Schweden und Polen waren geheime Verträge ge= schlossen, überall an den kleindeutschen Cabinetten hatte er seine ergebenen Diener, selbst in Wien. Die Armee war in gutem Stand. So glaubte er endlich seine Zeit gekommen.

Mai 1667 ließ er der Regentin der spanischen Niederlande melden, er sei im Begriff, an der Spiße seiner Armee die Provinzen in Besitz zu nehmen, die seiner Gemahlin Maria Theresia zukämen, und setzte sich sofort in Bewegung. Einige litterarische Fühler waren diesem Feldzug vorausgegangen. Eben hatte der Pariser Parlamentsrath Aubery dem König eine Denkschrift gewidmet: „des justes prétentions du Roy sur l'Empire"; zu den Römerzeiten habe das ganze Rheinland zu Gallien gehört; Klodwig habe Allemannien und Thüringen, Karl der Große Sachsen und Bayern dazu erobert, und diese Eroberungen seien ein unveräußerliches Erbe der französischen Krone. Bescheidener forderte gleichzeitig Mézeray im Abriß der Französischen Geschichte" für Frankreich die natürlichen Grenzen, die Pyrenäen, die Alpen und den Rhein.

Das Wunderlichste bei diesem Unternehmen war, daß Ludwig die geheime Einwilligung des Kaisers Leopold in der Tasche hatte: der Kaiser rechnete endgültig auf den Erwerb der ganzen Spanischen Monarchie, dafür gönnte er augenblicklich seinem Nachbar einen Theil derselben. Leopolds Regierung (1657-1705) war durch den großen Sieg bei St. Gotthard über die Türken zu Ansehn gekommen, an welcher er freilich keinen Antheil hatte; so jung er war, zog er weder zu Feld,

noch zeigte er sich im Reichstag, der seit 1667 ein stehender Diplomatencongreß der deutschen Kleinfürsten in Regensburg wurde. Er war ebenso hochmüthig wie Ludwig, aber seinem Hochmuth fehlte der große Stil. Sohn einer spanischen Mutter, war er ganz in den Ueberlieferungen der spanischen Politik und Etikette aufgewachsen. Jesuiten hatten ihn unterrichtet, seine Jugend füllten strenge Andachtsübungen aus; sein Lieblingsspiel war, Altäre aufzurichten. Er sprach in der Familie spanisch, mit den Gelehrten Latein; seine Hoflustbarkeiten waren Italienisch.

Glaubte Ludwig den Kaiser nicht fürchten zu dürfen, so lachte er des Regensburger Reichstags völlig, der vor lauter Berathungen nie zum Schluß kam, und dessen einziges Interesse schien, dem Reich keine Subfidien zu bewilligen. Ueber diese Zustände erschien dann eine blutige, aber in allen Punkten zutreffende Satire des Heidelberger Professors Pufendorf, unter dem Pseudonym Severinus a Monzambano.

Ludwigs Erfolg in den Niederlanden war zuerst glänzend, aber er merkte doch, daß die Aufmerksamkeit Europa's erregt, und daß ein Unwetter im Anzug war; so ließ er sich endlich die fast drohende Vermittelung der aufstrebenden Republik der Niederlande gefallen, und gab im Frieden zu Aachen 2. Mai 1668 den größern Theil seiner Eroberungen heraus, mit dem heimlichen Entschluß, es den ungebetenen Vermittlern zu vergelten.

Ludwig hat Europa viel Böses zugefügt, aber er war eine Gestalt, die aller Welt imponirte, nicht blos den Franzosen. Er faßte die Politik in großem Stil, und war vornehm mit allen guten und schlimmen Nebenbedeutungen dieses Worts.

„Ludwig XIV.“, schreibt der gelehrte und freisinnige Professor Conring in Helmstedt, der freilich vom König ein Jahrgehalt bezog, ist der Einzige, der uns vor den Türken retten kann! Das wird freilich mit einer Veränderung unsers Staatswesens geschehn: in Frankreich), Deutschland, Spanien, Ungarn und Italien werden wir einen neuen Karl den Großen haben!" So wurde Ludwig XIV. aus den verschiedensten Gründen schon damals für das Schicksal Deutschlands angesehn, und er wurde es in der That.

Julian Schmidt, Litteratur. I.

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Leibniz 1646-1685.

Kenntlicher als bei irgend einer andern Nation zeichnet sich im geistigen Leben Deutschlands die dominirende Stellung der großen Männer ab. Wie vor ihm Luther, wie nach ihm Goethe, überragt, aus der Ferne betrachtet, Leibniz alles was neben ihm steht, um Haupteslänge. Mit ihm wächst der deutsche Geist aus seiner bisherigen Verkommenheit in das europäische Culturleben hinein, mit ihm ringt sich der deutsche Protestantismus aus seiner theologischen Incrustation los.

Im Gegensatz zu Luther ist Leibniz ein moderner Mensch. Noch heute athmen wir in der idealen Atmosphäre, die er geschaffen: könnte er heute auf die Erde zurückkehren, so fände er, was er gesät, überall in Blüthe und Frucht, er würde sich in kürzester Frist orientiren.

Selten ist ein Mensch in so beständiger Arbeit gewesen. Er wollte sich alles aneignen, was in den entlegensten Sphären des geistigen Lebens gewußt werden konnte; er arbeitete unablässig und folgerecht weiter; jedes neue Gebiet ergriff er mit Eifer, und nie ließ er einen Faden fallen, den er einmal in der Hand hatte. Auf allen Gebieten des Wissens war er nicht blos gründlicher Kenner sondern großartiger Erfinder. Zum Theil das Größte, was die Folgezeit geleistet, hat er in Gedanken vorausgenommen und dazu angeregt; seine Fühlfäden reichen nach allen Seiten, keine Regung des öffentlichen Geistes, kein Versuch einer thätigen Einbildungskraft, dem er nicht sorgfältige Aufmerksamkeit zugewendet, den er nicht in seiner Berechtigung zu begreifen, als bleibendes Culturmittel zu wahren gesucht hätte.

Zwei Jahr vor Abschluß des Westphälischen Friedens, 21. Juni 1646, wurde Leibniz geboren, in Leipzig, wo der Vater Professor war; er hatte das Glück, in einer Lebensschicht aufzuwachsen, in der noch Selbstgefühl gedieh, auf dem sittlichen Boden des besten deutschen Bürgerthums.

Leipzig hatte damals 10,000 Einwohner; die Stadt war in die alten Festungswälle eingeschnürt, erst seit Kurzem vollständig gepflastert. Aber die Messen gaben den Einwohnern einen Blick in die Ferne, der bei den damaligen unsichern Verkehrsmitteln etwas sagen wollte: die

Victor Amadeus von

Privilegien des Buchhandels waren bedeutend.
Savoyen stellte die Universität Leipzig als Siß der Wissenschaften neben
London und Paris. Es war die respectabelste aller deutschen Hochschulen.

Auch darin, daß sie am strengen Lutherthum festhielt; die Reformirten durften nur auf den Dörfern ihren Gottesdienst halten. Die symbolischen Bücher waren die Rechtsbasis und die Verfassungsurkunde einer Kirche, die in Augsburg provisorisch, in Münster definitiv anerkannt war; sie schloffen einigermaßen die Eigenmächtigkeit des Landesherrn aus.

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so heißen stieg die Familie

Die Professoren hatten sich meist im Ausland umgesehn und den Ruf ihrer Vaterstadt verbreitet. Die Stellen waren fast erblich; die Geschlechter hatten in der Regel auch denselben Vornamen alle Carpzow Benedict; alle Lyser Polycarp; höher, so rückte sie auch wohl in den Rath des Fürsten ein, und der Vetter vom Lande, der arme Pastor wußte, wo seine Kinder Zuflucht fanden. In einer Zeit, wo das Selbstgefühl so arg mit Füßen getreten war, gab dies akademische Zunstwesen mit seiner strengen Tradition einigen Anhalt für die wiederaufkeimende Ehre des Bürgerthums, eine Schutzwehr gegen Rohheit und Willkür. Diese graduirten, lateinisch redenden Theologen, Juristen und Mediziner bildeten eine Art Aristokratie; der Dr. jur. hatte Adelsrang, der Hofprediger gehörte zu den ansehnlichsten Personen des Staats. Je länger sich eine Familie in Leipzig ansässig hielt, je vielfacher sie sich mit den Honoratioren verschwägerte, desto mehr wuchs ihre Ehre.

Die Universitäten hatten bis zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts als Träger der gelehrten Bildung Europa's gegolten, und in der That hatten sie dafür gesorgt, daß der Vorrath des vorhandenen Wissens nicht verloren ging; die Humanisten hatten ihren Platz gefunden wie die Scholastiker. Nun aber regte sich der Trieb, Neues zu entdecken, und da wurde die Ueberlieferung, die fest am Alten klebte, als Hemmschuh empfunden. Die großen Entdeckungen in der Astronomie und Naturwissenschaft erfolgten außerhalb der Universitäten: Copernicus' Entdeckung 1530, daß die Erde sich um die Sonne drehe; Kepler's „Mysterium magnum“ über das Gesetz der Weltbewegung 1596, Galilei's großartige Arbeiten seit 1602, um dieselbe Zeit die naturphilosophischen Studien Bruno's, Campanella's, Vanini's, denen freilich dafür der Scheiterhaufen drohte, wie denn auch Galilei in den Kerkern der Znquifition Juni 1633 seine Lehre abschwören mußte. Auf den Universitäten vegetirte die Naturwissenschaft nur in den Händen der Mediciner,

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