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die sich durch ihren blinden Glauben an die alten Ueberlieferungen bei den Gebildeten aller Nationen lächerlich machten.

„Die Scholastik", schreibt Lord Bacon, Shakespeare's Zeitgenosse, „kommt nie weiter, weil sie alles von den Griechen lernen zu dürfen glaubt: sie ist fertig im Schwaßen, unreif im Erfinden; wenn es nach ihr ginge, könnte man Jahrhunderte im alten Gleis bleiben. Durch einseitige Beschäftigung mit der Theologie hat man sich der Erfahrung entfremdet, der Mutter alles Wissens.“

In deutschen und romanischen, in protestantischen und katholischen Landen galt die theologische Facultät als die vornehmste, die andern sollten ihr dienen. Mit Benußung der Scholastik erwiesen die jesuitischen Universitätslehrer, die Beschlüsse des Tridentiner Concils, die lutherischen, die Wittenberger Concordienformel sei der Inbegriff alles Wissens: die theologischen Lehrfäße schwollen so an, daß ein wohlmeinender Geistlicher seufzte: Petrus und Paulus selbst würden im theologischen Examen schlecht bestehn! Ein Wittenberger Orthodox schrieb eine Dogmatik in zwölf Quartanten. Gegen diesen leeren Formalismus regte sich namentlich in Helmstedt eine kräftige Opposition, geleitet von Calirtus: er wollte nicht in der Maffe der Glaubenssäße, sondern in der Frömmigkeit und guten Sitte das Wesen der Religion erkennen, und verabscheute die zwecklose Polemik, die er den Einflüssen der scholastischen Philosophie zuschrieb. Der Helmstedter Richtung schlossen sich die Universitäten Königsberg, Rostock, Altorf, Rinteln und Kiel an; dagegen hielten sich Wittenberg, Leipzig, Jena, Tübingen, Gießen und Straßburg zur streng lutherischen Lehre und zur Scholastik; reformirt waren Heidelberg, Marburg, Duisburg und Frankfurt a. D.

Der theologische Einfluß machte sich auch in der zweiten Facultät, der juristischen geltend: für die Grausamkeit des Rechtsverfahrens waren die Herenprozesse und namentlich in den katholischen Landen die Inquisitionen gegen die Kezer maßgebend. Im Uebrigen lag der ganzen Rechtslehre das Corpus juris zu Grunde, das man wie ein Handbuch der Logik oder Mathematik behandelte, als ob es auf die Anforderungen des wirklichen Lebens gar nicht ankäme, als habe die Praxis des Rechts nur den Zweck, die Theorie zu illustriren. Darin bewirkte der edle Hugo Grotius in seinem Werk de jure belli et pacis 1625 eine gesunde Reaction; er warf den Juristen und den Scholastikern vor, daß sie sich ohne Sinn für die Wirklichkeit in abstruse Streitfragen vertieften, und im blinden Glauben an den Buchstaben auf die eigentliche Rechtsquelle, die menschliche Natur, gar nicht achteten. Nicht minder waren die

Mediciner Sklaven der Ueberlieferung: sie heilten nach den überlieferten Vorschriften, ohne zu beobachten und neu zu untersuchen: in allen Lustspielen und Satiren wurde der Mediciner durchweg als Charlatan behandelt. Für die Mitglieder der vierten Facultät endlich war das Ziel des Ehrgeizes, in die theologische aufzurücken, und sie machten ihre Philosophie wie ihr Studium der alten Sprachen theologischen Zwecken dienstbar. Der wahre Fortschritt des Wissens vollzog sich außerhalb der Universitäten.

„Zwei Umstände", berichtet Leibniz später, haben mir außerordentlich gedient, die Vielen schädlich zu sein pflegen: daß ich Autodidakt war, und in einer jeden Wissenschaft, kaum daß ich an sie herangetreten, Neues suchte, da ich oft nicht einmal das Gewöhnliche verstand." Von der Art, wie er sich schon ganz früh ohne fremde Beihülfe die umfassendften Sprachkenntnisse aneignete, erzählt er selbst wunderbare Geschichten. Den Vater hatte er früh verloren, die Mutter ließ ihn gewähren.

Von dem Studium der Alten ging er aus, und blieb ihnen Zeitlebens treu: sie waren ihm die reinsten Bilder des Großen und Schönen, gegen die ihm die Neuern wie zusammengeflickte Lappen vorkamen. Bei seinem großartigen Sprachgefühl reihte er sich allmälig den ersten Humanisten an. Von den Dichtern und Historikern ging er zu Plato und Aristoteles über, und schon im dreizehnten Jahre lernte er die Scholastiker kennen. Das scharfsinnige Spiel der Formeln und Abstractionen ergößte ihn nicht blos ausnehmend, er eignete sich auch die Kunst an, syste= matisch zu fragen. Diese Studien sette er seit dem fünfzehnten Jahre auf der Universität Leipzig fort. Im siebzehnten ging er nach Jena, um bei dem berühmten Astronom Erhard Weigel Vorlesungen über Mathematik zu hören. Dieser, ein entschiedener Gegner der scholastischen Philosophie, pflegte die Anhänger derselben dadurch in die Enge zu treiben, daß er sie nöthigte, ihre lateinische Terminologie deutsch wiederzugeben, wo sich dann zeigen mußte, ob in den Worten wirklich ein Einn war: im Lateinischen, einer todten Sprache, sagten sie nicht, was sie sagen wollten, sondern was sie gelernt hatten. Leibniz folgte seinen Vorträgen mit Aufmerksamkeit, ohne bekehrt zu werden: es war keineswegs seine Meinung, im Denken von vorn anzufangen; was große Männer vor ihm gedacht, wollte er wissen und verstehn.

Aber wenn er in dieser Ueberzeugung den bestehenden gelehrten Körperschaften nicht so schroff gegenüberstand als die philosophischen Neuerer, so konnte ihm doch die Hoffnung, in dieselben einzutreten, nicht als höchstes Ziel des Ehrgeizes vorschweben.

Leibniz' Brodstudium war die Rechtswissenschaft. Schon früh war er von befreundeten Professoren in die Praris eingeführt und hatte fich das Corpus juris gründlich angeeignet; da ihn aber die Leipziger Facultät noch zu jung fand, um die höchsten Ehren zu empfangen, verließ er seine Vaterstadt, und promovirte 5. November 1666 in der Nürnbergischen Universität Altorf als Dr. juris utr.. Dort machte er eine Bekanntschaft, die für sein Leben entscheidend wurde.

Der Freiherr von Boineburg war bald nach dem Westphälischen Frieden zur katholischen Kirche übergetreten: es war die Zeit, wo manche gescheute Männer im Verdruß über das verknöcherte Lutherthum sich einredeten, unter dem Krummstab ungenirter leben zu können. Er war vertrauter Rathgeber des Kurfürsten von Mainz, und hoffte, die gemäßigten Protestanten und die gemäßigten Katholiken zu einer Wiedervereinigung der Kirche bestimmen zu können. Er lernte Leibniz in Nürnberg kennen, fand großes Gefallen an seinem Wissen und seiner Anstelligkeit, zog ihn im Frühjahr 1667 zu sich nach Frankfurt a. M., ließ durch ihn seine Bibliothek ordnen, und theilte ihm seine Unionspläne mit, die Leibniz sehr einleuchteten: das sinnlose Gezänk der lutherischen Pastoren war ihm wie allen Gebildeten zuwider.

Die gewandte Feder des jungen Gelehrten wurde durch Boineburg bald zu theologischen wie zu juristischen Streitfragen in Bewegung gesezt. Und hier fand Leibniz Gelegenheit, gegen die Schule des Grotius eine mehr conservative Stellung einzunehmen.

Nach Grotius beruht der Vorzug des Menschen vor dem Thier auf der Fähigkeit, sich über die Folgen seines Handelns Rechenschaft zu geben und seine Handlungsweise nach Marimen zu bestimmen. Es ist der menschlichen Natur gemäß, nicht der Leidenschaft sondern dem Urtheil zu folgen. Ihre mächtigste Kraft ist der Trieb nach einer Gemeinschaft. Diese ist Zweck an sich selbst: was sie fordert, ist Recht, was ihr widerspricht, Unrecht. Nur in der Gesellschaft entstehn Rechte und Pflichten: entweder durch einen wirklichen Vertrag oder durch einen stillschweigenden, da ein einseitiger Wille Andre nicht binden kann. Aus jedem Bruch des Gesellschaftsvertrags entspringt Unordnung, das schlimmste aller Uebel. Die Verträge bleiben gültig, auch wenn man sie nachträglich als unzweckmäßig erkennt; aus Gründen sogenannter Staatsraison einen Vertrag zu brechen, ist weder Fürsten noch Völkern gestattet. — Das Recht hat den praktischen Nußen zum Zweck. Die Strafe soll theils unschädlich machen, theils abschrecken; sie darf das Maß des gethanen Unrechts nicht überschreiten; sie kann aber mit Rücksicht auf das Gemeinwohl gemildert werden.

Für seinen radicaleren Schüler Pufendorf ist der Staat nicht Zweck, sondern nur Mittel zur Selbsterhaltung des Einzelnen: Resultat der angeborenen und berechtigten Selbstliebe; seine Aufgabe ist, die angeborenen Rechte (Leben und Freiheit) wie die erworbenen (Eigenthum) zu schüßen. Das Naturrecht ist eines für Christen, Muhamedaner und Heiden, weil die Vernunft überall gleich bleibt; aus Bibelsprüchen läßt sich kein Recht schöpfen.

Diese Lehre rief eine große Aufregung unter den Rechtgläubigen hervor. Das Geselligkeitsprincip, behauptete Professor Valentin Alberti in Leipzig, führe zu keiner Autorität; diese könne nur aus dem göttlichen Willen hergeleitet werden. Das Recht sei nicht auf die jeßige verderbte Natur des Menschen, sondern auf den Stand der Unschuld vor dem Sündenfall zu begründen. Auch Leibniz mißbilligte den Versuch Pufendorf's, aus der menschlichen Selbstfucht das Recht herzuleiten: frummes Holz werde nie grade. Das Recht hat seine Quelle in der Frömmigkeit, in der Liebe Gottes, in der Freude am Guten, in dem Verlangen, so zu handeln, daß des Guten in der Welt soviel geschehe als möglich. - Einseitig sei es ferner, die Strafe auf den Zweck der Abschreckung zurückzuführen. Die Strafe gehört an sich zur Harmonie des Weltalls: sie befriedigt nicht blos den Geschädigten, sondern auch den Weisen, der sie mit ansieht, wie schöne Musik den Kenner befriedigt. Die Strafe muß erfolgen, auch wenn sie nicht mehr abschreckt oder bessert: es würde den wohlgesinnten Geist beleidigen, wenn auf die Unordnung in der sittlichen Welt, die das Verbrechen hervorgerufen, nicht die Sühne folgte.

Es waren zunächst äußerliche Motive, die Leibniz zu seiner Polemik gegen die Schule des Grotius, also scheinbar gegen die Aufklärung, bestimmten, und das rächte sich später. Aber man würde ihm schreiendes Unrecht thun, wenn man nur diese Motive ins Auge faßte. Leibniz war so aufgeklärt wie Pufendorf, und auch ihm lag die allgemeine Aufklärung am Herzen; aber die Einseitigkeit des naturalistischen Princips stieß ihn ab. Als Theoretiker glaubte er sie bekämpfen zu sollen, und er hatte darin Recht. Daß die Einseitigkeit vorläufig nothwendig war, die schlechte Praris zu reformiren, das einzusehn hatte er noch zu wenig praktische Erfahrung, und im Grund auch zu wenig praktischen Sinn.

Leibniz bekannte später, daß ihn zuerst die Rechtswissenschaft zu Untersuchungen über die Natur der Seele geführt habe: er betrachtete den Menschen erst als Träger von Rechten und Pflichten, ehe er ihn als Naturwesen untersuchte. In der Analyse der Rechte und Pflichten schien ihm

das Römische Recht so folgerichtig, daß man es fast wie ein mathematisches Lehrbuch betrachten könnte; nur schwebte ihm eine Ausgabe der Pandekten nach der Zeitfolge vor, damit man den logischen Gang der Rechtsentwickelung auch historisch verfolgen könne. Es war keineswegs blos Rücksicht auf seinen Gönner Boineburg, wenn er für die Fortdauer des römischen Rechts gegen Pufendorf eintrat.

Wie die gesammte Welt, so erschien auch das politisch-gesellschaftliche Leben der Menschen Leibniz im idealen Licht. Zwar ging sein Idealismus nicht so weit, daß er die Wirklichkeit nicht sah: wenn er das Menschengeschlecht für berufen hielt, ausschließlich durch die Vernunft regiert zu werden, so verkannte er nicht, daß daneben die Leidenschaften eine gefährliche Rolle spielten; eben darum hielt er es für die Aufgabe der echten Weisheit, die Leidenschaften sich dienstbar zu machen, sie gleichsam zu überlisten. Die Vernunft forderte allgemeinen Frieden, damit alle Völker wetteifernd an der Cultur der Gattung arbeiten könnten; die Leidenschaften drängten nach Krieg. Es kam nur darauf an, die letztern so zu leiten, daß sie der Menschheit Gewinn brachten. Leibniz dachte an eine Union sämmtlicher civilisirten Völker gegen die Barbaren. Im Abendland gehörten die civilisirten Völker sämmtlich dem Christenthum an, die Türken, viel barbarischer als ehmals die Araber, dem Islam. Dieser religiöse Gegensatz konnte zu Culturzwecken benußt werden; zwar hatte sich seit der Reformation die Christenheit getrennt, aber die Schroffheit dieser Trennung konnte durch die wachsende Bildung entweder ganz beseitigt oder doch gemildert werden. Dem Kaiser war seit der Schlacht bei St. Gotthard 1664 und der Besißnahme Ungarns der Weg nach Constantinopel vorgezeichnet, die wahren Interessen Frankreichs lagen im Mittelmeer, und als lohnendster Erwerb bot sich ihm Aegypten. So konnten die Großmächte ihren Leidenschaften und Interessen nachgehn, ohne einander in den Weg zu kommen; die kleinen Staaten z. B. die Niederlande, konnten zu dem neuen Kreuzzug die Schiffe stellen. Unter Karl V. und selbst noch unter Philipp II. war ja Aehnliches ge= plant, aber durch den Widerstand der Franzosen gescheitert. Leibniz entwarf für Ludwig XIV., auf dessen Geneigtheit es hauptsächlich ankam, eine vollständige Denkschrift, in welcher er die Ausführbarkeit des Unternehmens und den ungeheuren Gewinn für Frankreich auseinander seßte.

Seinem Gönner Boineburg leuchteten diese Ideen sehr ein, er zog den jungen Politiker als Justizrath in den Dienst des Kurfürsten von Mainz, und weihte ihn in die politischen Geschäfte ein. Eben, August 1670, schlossen zu Schwalbach die Kurfürsten von Mainz und

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