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Ueberschuß an guten Werken stellte die Kirche dem Sünder zur Verfügung, wenn er seine Schuld bekannte und die vorschriftmäßige Buße leistete. Das Gewissen war dem Beichtvater in die Hände gegeben: er stand dem Sünder wie der Arzt dem Kranken gegenüber, er belehrte ihn, was ihm fehle, und schrieb die Heilmittel vor. War die Arzenei vorschriftmäßig eingenommen, so war die Krankheit geheilt: die begangene Sünde war abgethan, weggewischt aus dem Buch seines Lebens, er konnte mit Sicherheit auf das Geschehene zurückblicken. Es blieb nur noch die allgemeine Krankheit der Erbsünde, für welche dann die Sacramente eintraten, bis durch das letzte Sacrament das gesammte Leben der VerDammiß entzogen wurde. Ja die Kirche sette ihre Wirkung noch über Das Leben hinaus fort: fie nahm einen Mittelzustand an zwischen Verdammniß und Seligkeit, und wenn in diesem die Action des Gestorbenen aufhörte, so hatten die guten Werke" seiner Angehörigen noch die Gewalt, seinen Zustand zu lindern und abzukürzen. So griff die Kirche, rathend, fördernd, allseitig in das Leben des Laienthums ein, ohne es irgendwie zu vergeistigen und in sich aufzunehmen.

Gleichzeitig mit der Reform der Kirche durch Gregor VII beginnen die Kreuzzüge; sie dauern grade so lange wie der große Kampf zwischen Kaiser und Papst. Seit dem achten Jahrhundert war die wild andrängende Flut der Saracenen zum Stillstand gebracht, der Gegensatz zwischen der muhamedanischen und chriftlichen Welt hatte sich abgeschwächt; der Zug nach dem Morgenland, künstlich durch die Päpste hervorgerufen, hatte einen phantastischen Anstrich. Die Deutschen waren erst abgeneigt, nur langsam seßten sie sich in Bewegung, und sie hörten nicht auf, gegen die neue ritterliche Bildung zu protestiren, als deren Träger sich die Franzosen mit ihren Seitenverwandten, den Provençalen und Normannen, brüsteten: die neuen fränkischen Reiche im Morgenland wurden französisch eingerichtet, das ganze Ritterthum wie das Lehnswesen war französisch gedacht.

Kein Volk ist so empfänglich für den Enthusiasmus als die Franzosen, keines so leicht außer sich gesetzt, keines so behend, dieser Erregung eine gebildete Form zu geben, sie zum guten Ton, zur Mode zu machen. Ursprünglich durch den Enthusiasmus hervorgerufen, wurde das Ritterthum bald Satzung und Convenienz: es war vorgeschrieben, wie man fromm, treu, tapfer, ja wie man lüderlich sein müsse; in den fröhlichen Liebeshöfen der Provence wurde nicht blos die Liebe sondern der Ehebruch zur Kunst ausgebildet. Das Ritterthum schloß sich durch guten Ton hart gegen das gemeine Volk ab: wer den Ritterschlag empfing,

mußte sich zu gewissen idealistischen Zwecken verpflichten. Die Ueberlieferungen vom heiligen Graal, von der Tafelrunde des Königs Artus und von den Pairs Karl des Großen bildeten sich zu einer Art Mytho= logie aus.

Paris, der Brennpunkt der ritterlichen Bildung, war zugleich Brennpunkt der damaligen Philosophie, der scholastischen: erst in Paris bekamen die Doctoren dieser Schule den rechten Schliff. Sie stellten sich die Aufgabe, die Dogmen der christlichen Kirche in ein System zu bringen und der weltlichen Bildung verständlich zu machen: dazu bedienten sie sich der Aristotelischen Kategorien, wie sie im Lauf der Zeit von Griechen und Lateinern, von Juden und Arabern verarbeitet waren. Es schien in den Dogmen vieles der Vernunft zu widersprechen: Ein Wesen und drei Personen; ein von Ewigkeit gezeugter Sohn; die Fleischwerdung des Worts. Mit ungemeinem Scharfsinn und einer Fülle von Geist bemühten sich nun die Scholastiker, nachzuweisen, daß ein tieferes Denken alle diese scheinbar widersprechenden Begriffe nicht blos als glaubhaft sondern als nothwendig zeige, indem sie die Fragen untersuchten: was ist die Substanz und was sind die Accidenzen eines Dings? wie verhalten sich die Begriffe Einheit und Vielheit, Sein und Werden, Zeit und Ewigkeit?

Der strengern kirchlichen Partei kam die Forderung, daß der Glaube mit der Vernunft übereinstimmen solle, zuerst verdächtig vor, und nicht leicht gab sie sich gefangen. Aber in der Mitte des 13. Jahrhunderts kam es zur vollen Verständigung. Man einigte sich über die Formel: der Glaube müsse freilich vorangehn, aber dann sei es Pflicht, zum Wissen vorzudringen; alle Künste und Wissenschaften müssen vom Geist der Theologie durchdrungen werden, denn im Innersten aller Dinge lebe Gott. Die vollständige Herrschaft errang Thomas von Aquino, der Oct. 1257 in Paris promovirte, und dessen System von der völligen Uebereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft durch die Dominicaner über das ganze Abendland ausgebreitet wurde.

Die Scholastiker waren die ersten Träger der allgemeinen Europäischen Bildung; sie besorgten die Vermittelung des neuen Culturwesens mit der alten Welt, der Kirche mit dem Laienthum, der verschiedenen Völker unter einander. Ihre Sprache war die allgemeine Europäische, die Lateinische, die Sprache der Kirche.

Dagegen bedienten sich die Dichter in Frankreich, der Provence, Deutschland, Italien, Spanien, der immer mehr erstarkenden Landessprachen. Die Franzosen gingen an Reichthum der Erfindung weitaus

voran, die deutschen Hofdichter entlehnten ihnen meist ihre Stoffe und zum Theil auch ihre idealen Begriffe: nicht bloß „Tristan und Isolde“, sondern auch „Parcival“ stammt aus französischer Quelle. Wolfram, ein Dichter von ungeheurem Können, bearbeitete nach einem französischen Vorbild die Sage vom heiligen Graal, einem geheimen Orden nach der Analogie des Tempels, der im Stillen kräftiger als die erscheinende Kirche die Welt regieren sollte; Wolfram vertiefte, was er überkommen hatte, es gelang ihm aber nicht, sein Volk in dieser mystischen Welt heimisch zu machen; keine seiner Figuren lebte als typisch im Munde des Volks.

Wahrhaft zu Hause waren die Deutschen nur in dem Sagenkreis, der sich an ihre eigne Geschichte, an die Völkerwanderung knüpfte. Dieser von den Hofdichtern verschmähte Sagenkreis wurde von den Volksdichtern wiederholt bearbeitet, und gewann im Nibelungenlied eine Gestalt, in der es der spätesten Nachwelt die echt deutsche Art überliefern wird.

Es ist in der Durchführung ungleich, und die Vermuthung, daß verschiedene Hände dabei thätig waren, sehr berechtigt; gleichwohl geht durch das Ganze, wie es jeßt uns vorliegt, ein gewaltiger einheitlicher Zug, tragisch im erhabensten Sinn. Um es richtig zu fassen, muß man fich die mythologischen Schattengestalten, die vielleicht darin verwebt sind, den Sonnengott Siegfried, die Walkyre Brunhilde u. s. w. aus dem Sinn schlagen; es find wirkliche Menschen, die uns gegenüber treten, gewaltige wilde Menschen, in denen das Blut schneller und stärker schlägt, Menschen deutscher Art, die aus voller Seele haffen und lieben können. Charaktere wie Kriemhild und der grimme Hagen gehören uns ganz eigen an, und finden in der gesammten Weltlitteratur wenig ihres Gleichen. Die Nibelungen find nordische Gestalten im Gegensatz zu den homerischen Helden und den bunten Fabelwesen der romanischen Sage, die unter einem helleren Himmel aufgewachsen find; finstere, harte, grausame Naturen - aber welch ein tiefer Brunnen an Liebe, Treue und Edelmuth quillt aus dem grimmigen Schmerz hervor, der diese Geschichte durchzieht! Welche Gemüthstiefe z. B. in Rüdiger! Die Geschichte spielt in einem christlichen Lande, die Kirche zeigt sich mitunter an, aber wie blaß sehn diese christlichen Vorstellungen gegen die Vollkraft der germanischen Helden aus! Man sieht, wie troß des christlichen Firnisses die alten Götter noch heimlich im Gemüth der Deutschen fortleben, nur durch die Kirche ins Dunkel verscheucht, wo sie ein spukhaftes Dasein führen.

Die Welt der Nibelungen ist eine wilde, zerklüftete Landschaft, mit trübem bewölkten Himmel und blutigen grausamen Figuren, aber wir sind unter freiem Himmel, in einer historisch lebendigen Welt; in Dante's

göttlicher Komödie ist, wie in den gothischen Domen, durch gemalte Fenster Licht und Luft ausgeschlossen: wir athmen eine mystische, unirdische Luft.

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In der Göttlichen Komödie" rafft sich noch einmal das echte Mittelalter zu einer großartigen Gestalt zusammen. Dante ist der größte Dichter seit dem Untergang des Alterthums, ein Muster der Sprache, als Denker auf der Höhe der Scholastik, ein tiefes mächtiges Gemüth, das uns fesselt, auch wo wir uns umsonst bemühen, ihm zu folgen. Aber er führt uns in eine untergegangene historische Welt ein. Die Schatten, die er heraufbeschwört, sehn uns fragwürdig an, aber sie werden bald, wie Francesca da Rimini, durch einen Wirbelwind entrückt. So realistisch er malt, wir finden uns in seiner unter- und überirdischen Welt weniger zurecht als auf dem Griechischen Olymp. Als Action geht das Weltgericht unserer Phantasie vollkommen auf, als bleibender Zustand der Strafe und Qual streift es an's Barocke, und in den mystischen Entzückungen des Himmels fängt uns an zu frieren. Die Göttliche Komödie ist ein kostbares Vermächtniß, ein uns fernliegendes Zeitalter zu versinnlichen: ihr Pulsschlag wie ihre Ideale sind uns fremd geworden wie das Lehrgebäude des heiligen Thomas.

Die Italiener stehn dem Gedicht ganz anders gegenüber; es war das Signal ihrer Wiedergeburt, sie studiren in ihm die Entwickelung ihrer Sprache, ihrer Geschichte. Geschont hat Dante seine Landsleute nicht; Italien kennt nach ihm nur Privat-Interessen, und hat sich so in spißfindige Grübeleien vartieft. treibt so feine Politik, daß es heute einreißen muß, was es gestern gebaut. Das Heil hofft Dante einzig von der Herstellung des Römischen Kaiserthums. „O komm und siehe deine Roma weinen!" so ruft er dem Habsburger Albrecht zu. - „Verwittwet, einsam ruft sie Tag und Nacht: mein Cäsar, willst du nie dich mir vereinen?" Wenn er nicht komme, droht er ihm mit dem Fluch der Nachwelt, und seine päpstlichen Widersacher nimmt der Ghibelline einen Anstand, in die Hölle zu bannen.

Das Römische Kaiserthum war nur noch ein Mythus, eine bloße Idee ohne realen Boden; es war nur noch das Symbol für den Zusammenhang der neuen mit der alten Welt. Mit dem Untergang der Hohenstaufen hörte die reale Bedeutung desselben auf, das Welfenthum, d. h. die Opposition der Kleinfürsten und Städte gegen die Cäsaren, hatte das Uebergewicht gewonnen, in Deutschland wie in Italien. Die Habsburgischen Kaiser wurden Kleinfürsten wie ihre Vasallen; sie bedienten sich des Einflusses, welchen ihre Würde ihnen verschaffte, nur noch, um

ihre Hausmacht zu kräftigen und abzurunden. In Italien griffen verschiedene Dynastengeschlechter um sich, in stetem Wechsel von Erfolg und Niederlagen; der Besiß fluctuirte, eine sittliche Grundlage der Staaten war undenkbar. Die Städte - Venedig, Genua, Florenz u. a. kamen durch den Handel immer mehr in die Höhe, aber sie waren nicht im Stande, sich eine eigne Kriegsmacht zu schaffen, sie mußten mit fremden Söldnerheeren ihre Händel ausmachen, und die Führer der Söldnerbanden wurden bald gefährliche Nebenbuhler der fürstlichen Kaufleute, die Sforza der Medici. Ein italienisches Gesammtgefühl gegen diese Sonderinteressen regte sich nur in poetisch angehauchten Gemüthern.

Mit dem Ende der Kreuzzüge war der große Stil des Mittelalters vorüber. Philipp der Schöne zeigte dem Papst, der ihm im Gefühl der Allmacht entgegentrat, handgreiflich das Recht des Stärkern; die Kirche überlieferte ihm die letzten Erben des alten Ritterthums, die Templer, als Kezer zum Feuertod, König und Papst theilten sich in ihre Güter, und die Päpste in Avignon wurden den französischen Interessen dienstbar. Avignon wurde eine Wechselbank, in welcher der schnödeste Schacher getrieben wurde, alles war käuflich. Die Päpste verfügten noch über eine große Macht, aber verwandten sie nur zu weltlichen Zwecken; fie traten in die Reihe der Italienischen Dynasten, deren Staatengerölle sich von Jahr zu Jahr wandelte.

Den Franzosen war es nicht gelungen, ihre reiche Bildung in einem großen Gedicht der Nachwelt zu überliefern; die „göttliche Komödie" übertrug vorläufig den Italienern die leitende Stimme im Wettstreit der Nationen. An die durch Dante geadelte Volkssprache knüpfte fich die Italienische Renaissance.

In der Mitte des 14. Jahrhunderts, machten zwei Dichtungen in der neu Italienischen Sprache die Runde durch den Welttheil: die Sonette an Laura, der überschwenglichste Ausdruck anbetender Liebe, und das „Decamerone", die geistvolle und anmuthige Sammlung aller denkbaren verliebten Abenteuer, Ehebrüche und Gaunereien, nach französischen, lateinischen, provençalischen, auch persischen und indischen Quellen, aber im übermüthigen Geist der Italienischen Renaissance umgedichtet. Pe= trarca und Boccaccio wollten auf diese Jugendwerke, die ihren Namen unsterblich gemacht haben, später nicht viel geben; sie hatten ein höheres Ziel vor Augen, die Wiedergeburt des Alterthums. Petrarca wußte

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