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kleine Seelen braucht man bei unsern Regierungsformen: was sie weich und schwach macht, macht sie auch gut; wären fie ehrgeizig, so würden fie boshaft und tückisch."

Die wahre Ordonnanz der „Emilia" ist die Kritik der politischen Zustände, wie sie aus der absoluten Monarchie hervorgehn. Die Personen fallen als Opfer derselben. Diese Zustände sind die nämlichen, die damals auf Deutschland lasteten. Wenn die übrigen Liberalen für den aufgeklärten Despotismus schwärmten, so zeigt Lessing, wie die unumschränkte Monarchie auch gut angelegte Naturen, denen die Macht in die Hände gegeben ist, verführt; wie sie auch die bravsten und tapfersten Menschen unterdrückt, die in ihre Nähe kommen; alles verkümmert unter ihrem Pesthauch.

Darin liegt die Bedeutung, aber auch das Bängliche des Stücks. Die Personen lösen sich nicht von seiner Atmosphäre ab, sie sind ohne sie gar nicht zu denken. In dieser Atmosphäre liegt die eigentliche Schuld: durch sie wird der geistreiche, kunstsinnige, liebebedürftige Fürst verführt, Werkzeuge, wie Marinelli, zu suchen; durch sie wird es ihm leicht, sie zu finden. Aber auch den Odoardo, Appiani u. s. w., hat die Hofluft den Kopf verwirrt; um ihre Arme schließt sich ein unsichtbares, unzerreißbares Neß; über ihre Augen breitet sich ein Schleier, der sie den Weg nur halb sehen läßt. Sie haben schon vor der Katastrophe etwas Unbehagliches und gleichsam Gebrochenes. An Gewohnheiten und Rücksichten gebunden, selbst im Innersten unsicher, überlassen sie die tragische Entscheidung dem Zufall. „Ich gehe und liefere mich selbst ins Gefängniß, ich gehe, und erwarte Sie als meinen Richter!" Dem Verbrecher soll die letzte Schmach nicht erspart werden, auf sein Verbrechen das Siegel der vermeinten Gerechtigkeit zu drücken. Lessing hatte vollkommen recht, diesen Ausgang für tragischer zu halten als den Ausgang der Virginia, deren Tod ja nur das Signal der Befreiung ist; aber wenn man sich diese Rechtszustände näher ausmalt, so streift das Tragische an das Entseßliche. Die „Emilia“ gehört wesentlich zu den Symptomen der immer mehr um sich greifenden radical-politischen Bewegung.

An manchen Höfen witterte man Unrath: man munkelte, die Orfina solle eine Anspielung auf die Maitresse des Herzogs von Braunschweig sein, die Marquise Branconi, welche Prinz Ferdinand 1766 aus Rom mitgebracht hatte. Sie war die Tochter eines deutschen Grafen Elsner und einer Italienischen Schauspielerin, sie war selbst eine Schauspielerin gewesen. „Das größte Wunder von Schönheit!" schreibt Zim

mermann nach einem Besuch in Braunschweig; „sie hat die besten Manieren, und logirt wie eine Königin." Gewiß hatte Lessing an diese Dame nicht gedacht: sie war zwar auch eine Philosophin wie Orfina, aber zugleich eine schöne Seele, und hat als solche später Männer wie Lavater und Goethe bestrickt.

Für das Deutsche Theater hoffte man von der Schule der „Emilia Galotti" einen neuen Aufschwung. Den Schauspielern hatte Lessing eine sehr dankenswerthe Aufgabe gestellt: er hatte seine Figuren nicht blos nach den Bedürfnissen der dargestellten Begebenheit, sondern ebenso nach den Bedürfnissen der Schauspieler zugeschnitten, die bei jeder Rolle ihre besten Kräfte daransehen konnten. Da nun grade in jener Zeit ebenso der Drang, von der Bühne aus zu wirken, wie die Schaulust des Publicums im entschiedenen Aufsteigen begriffen war, hätte man erwarten sollen, daß Lessing durch neue Leistungen dem deutschen Drama eine große Zukunft bereiten müsse.

Diese Erwartung wurde getäuscht. Nicht sehr lange nach der Aufführung der „Emilia", 5. Dec. 1772, schreibt Lessing an seinen Bruder: "Ich will es wohl bleiben lassen, wieder etwas für das Theater zu schreiben! Zwar habe ich, nach meinem leßten Ueberschlag wenigstens zwölf Stücke, deren jedes ich innerhalb sechs Wochen fertig machen könnte; aber wozu für nichts und wider nichts mich sechs Wochen auf die Folter spannen?" Als einzigen Grund führt er an, daß die Anerbietungen des Wiener Theaters seinen Anforderungen nicht ganz entsprachen; hundert Ducaten waren immerhin für jene Zeit bedeutend genug; und es ist wohl anzunehmen, daß der Geldpunkt nicht das einzige Motiv war, daß Lessing über seine Fähigkeit, ein Drama in sechs Wochen zu vollenden, sich zu fanguinisch aussprach. Hätten ihn seine Entwürfe wirklich gedrängt, so hätte er nicht widerstehn können.

Wäre das Theater unter Lessing's Händen geblieben, so hätte sich für Deutschland ergeben, was bisher den Vorzug der Spanier, Engländer und Franzosen gemacht hatte: das Zusammenwirken der schöpferischen Kraft, der wahren Bildung und der populären Darstellung. Aber dazu fehlte Lessing die Ausdauer und die Fruchtbarkeit, und so mußte er das Theater einer wilden Schaar überlassen, die alle von ihm festgestellten Begriffe über den Haufen warf.

Das Schwächste in der „Emilia Galotti" wie früher in der „Sara Sampson" bleibt die ungenügende Ausmalung der zarteren Weiblichkeit. Hätte Lessing in seinen Erinnerungen wärmere, lebhaftere Farben dafür gefunden, so würde er nicht gezögert haben, sie anzuwenden, wo das

Problem es gradezu forderte, und damit dem dramatischen Gang eine bestimmtere Richtung zu geben. Aber diese Erfahrungen fehlten ihm, und die fast steife Zurückhaltung in den Briefen an seine erste echte Liebe, die mit der „Emilia" gleichzeitig geschrieben wurden, erklärt die Zurückhaltung bei seinen dramatischen Gestalten. Im Leben hielt er zurück, weil er es bei einem reifern Mann für unziemlich hielt, sich leidenschaftlich zu ergießen, aber das rächte sich in seiner Poesie.

Unter allen persönlichen Verhältnissen jener Zeit war das rührendste das zu Rector Reiske in Leipzig, der in der dürftigsten Lage mit aufopferndem Idealismus seiner Wissenschaft, den orientalischen Sprachen lebte. Aug. 1771 kam er mit seiner Gattin Ernestine, seiner treuen hingebenden Helferin, nach Wolfenbüttel, um die dortigen orientalischen Handschriften einzusehn; Ernestine faßte eine stille Liebe zu Leffing, fuhr aber fort, ihren kränklichen Gatten bis an seinen Tod gewissenhaft zu pflegen.

Als Lessing, nachdem er das Amt in Wolfenbüttel angenommen, lange zauderte, es anzutreten, schrieb ihm Ebert: ich wollte, daß eine von den Ursachen, die Sie aufhalten, eine Braut wäre; aber Sie find leider vor diesem Verdacht sicher." So dachten die Freunde, aber es war etwas an der Sache. Eine mehrjährige Freundschaft zu Eva, der Wittwe des Seidenhändlers König, war allmälig in eine entschiedene Neigung übergegangen; und wohl verdiente die edle Frau mit ihrer hingebenden Theilnahme an Lessing's Interessen, Sorgen und Einfällen, daß er in ihr das höchste Bild der Weiblichkeit fand. Sie war eine Frau von seltner Gemüthstiefe und Seelenreinheit, an sittlicher Strenge und Sicherheit Lessing überlegen, in dem freien Blick ihm fast ebenbürtig. Zu einer förmlichen Verlobung kam es erst 1771; aber Ev a hatte nur unter der Bedingung eingewilligt, vorher alle Verpflichtungen ihres verstorbenen Mannes abzuwickeln und die Zukunft ihrer Kinder sicher zu stellen; zu diesem Zweck war sie nach Wien gereist. Gern hätte ihr Lessing eine angenehme Häuslichkeit geboten, und die fand er in Wolfenbüttel nicht.

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Schon seine ersten Briefe an Eva streifen, mit aller scheinbaren Heiterkeit, etwas an Galgenhumor. Alles in der Welt ist zu überstehn, wenn man gesund ist. Das Lachen erhält gesund und macht sogar fett. Sie dürfen nur vergnügt sein, und die Gesundheit findet sich von selbst. Und vergnügt wird man unfehlbar, wenn man es sich nur immer vorsezt. Ich habe es mir zum Gesetz gemacht, vergnügt zu sein, wenn ich auch noch so wenig Ursache dazu sehe; und wie ich hier lebe, wundern

sich mehr Leute, daß ich nicht vor Langerweile und Unlust umkomme, als sich wundern würden, wenn ich wirklich umkäme."

Es kam ihm in Wolfenbüttel immer einsamer vor unter seinen Büchern, er fühlte sich nicht wohl. Er hatte keinen rechten Mittelpunkt für seine Arbeiten. „Ich thue nichts Rechtes, und bin zufrieden, daß ich nur das eine große Werk der Philosophie oder Poltronnerie zu Stande gebracht, daß ich noch lebe!" Mit seinen pecuniären Verhältnissen, die er erst zu fanguinisch aufgefaßt, war er wieder in Unordnung, was ihm um so empfindlicher war, da er nach dem Tode seines Vaters 22. Aug. 1770 für die Familie zu sorgen hatte. Zu wirthschaften hatte er nie gelernt.

Mir ist“, schreibt er Juni 1772, „jezt nicht selten das Leben so efel! Ich verträume meine Tage mehr, als daß ich sie verlebe. Eine anhaltende Arbeit, die mich abmattet, ohne mich zu vergnügen, eine Aussicht in das ewige, liebe Einerlei — ich weiß nicht, ob ich gesund oder krank bin. Wer mich sieht, macht mir ein Compliment wegen meines gefunden Aussehens, und ich möchte immer mit einer Ohrfeige antworten: was hilft es, gesund zu sein, wenn ich mich zu allen Verrichtungen eines gefunden Menschen unfähig fühle?"

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26. Oct. ich werde in dieser Einsamkeit jeden Tag dümmer und schlimmer; ich muß wieder unter Menschen kommen, wenn noch ein Funke Gutes an mir bleiben soll."

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An Eva schrieb er nur sehr selten. Was kann ich besser thun, als daß ich meine Raserei in der Stille abmache, und keinem damit beschwerlich falle Ihnen am wenigsten! Ihnen den Kopf noch wüster machen mit Dingen, die ich selbst gern aus meinem Kopf hätte, und an die ich doch nothwendig denken muß, wenn ich an Sie denke. Diese Jahre waren ein garstiger Traum!"

Gewöhnlich stellt man sich Lessing vor als einen Mann von derber unerschütterlicher Gesundheit des Leibes und des Geistes, der sein Ziel mit völliger Klarheit vor Augen sah, und unerbittlich, unerschütterlich die Gegner wegfegte, die ihm in den Weg kamen; kampfesfroh, mit stählernen Nerven, unbeirrt in seiner Ueberzeugung; lebenslustig und voll freudigen Glaubens an die Harmonie und Vernunft dieser Welt. Durch= fliegt man seine Briefe, so wird dies Bild einigermaßen getrübt; man staunt mitunter über ihre Bitterkeit, über die wilde Unruhe, für die man vergebens nach einem Grund sucht.

Weit entfernt, ein Mann mit stählernen Nerven zu sein, litt er stärker als Andre unter den Kämpfen, die er doch suchte. Bei aller Lebensfreude war auch die Fähigkeit, vom Leben verletzt zu werden, un

gemein stark in ihm. Daß er die Schicksalsmächte so lebhaft empfand, und die Außendinge anklagte mit dem heimlichen Gefühl, in seiner eignen Natur den Grund des Schicksals zu haben, klärt uns über eine seiner Lieblingslehren auf. Er nannte das Mitleid die edelste Fähigkeit des Menschen, und erklärte für die Aufgabe der Tragödie, das Mitleid zu erweitern, zu reinigen und zu adeln. Im gemeinen Leben ist das Mitleid mit einer Art Geringschäßung verbunden: man sieht auf den herunter, den man bemitleidet. Das gereinigte Mitleid soll vielmehr Achtung vor seinem Gegenstand erwecken, auch wenn das Schicksal, das man betrauert, aus einer geheimen Schuld hervorgeht. Diese edle menschliche Lehre hätte Lessing nicht mit so viel Energie entwickeln können, wenn ihm nich die eigne Erfahrung zu Hülfe gekommen wäre. Wenn wir ihm, dem guten und großen Mann, unser Mitleid zuwenden, so wird dadurch unsrer Bewunderung nicht der mindeste Abbruch gethan.

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