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„Lotten sagt", hatte Goethe 27. Jan. 1773 aus Frankfurt an Kestner geschrieben, ein gewisses Mädchen hier, das ich von Herzen lieb habe, und das, wenn ich zu heirathen hätte, ich gewiß griffe, ist auch" (wie Lotte) am 14. Jan. geboren. Wäre wohl hübsch, so zwei Paare! wer weiß, was Gottes Wille ist." - 12. Febr. „Ich heiße sie indeß mein Weibchen: neulich, als sie in Gesellschaft um uns Junggesellen würfelten: fiel ich ihr zu."

„Gott segne euch!" schreibt Goethe an Kestner, der 4. April Hochzeit gemacht: „ihr habt mich überrascht. Auf den Charfreitag wollt' ich heilig Grab machen und Lottens Silhouette begraben. So hängt sie noch und soll auch hängen bis ich sterbe." 12. April. „Von der Lotte wegzugehn! ich begreif' auch nicht, wie's möglich war. Das weiß ich aber, daß unser Herrgott ein sehr kaltblütiger Mann sein muß, der Euch die Lotte läßt! Wenn ich sterbe und habe droben was zu sagen, ich hole sie Euch wahrlich! Darum betet sein für mein Leben und Gesundheit, Waden und Bauch u. s. w.; und sterbe ich, so versöhnt meine Seele mit Thränen, Opfer u. dgl.: sonst, Kestner! sieht's schief aus." Damit war diese Episode seines Lebens geschlossen; Lottens Bild rückte ihm in die Ferne.

Noch ist Goethe der unstäte Wandrer, der nach Erfahrungen strebt; aber mehr und mehr empfindet er seine Kraft: Werther und Faust schweben ihm als ideale Schatten vor, nach denen er hascht; sie rücken ihm immer näher, und noch im Frühling 1773 tritt er mit dem „Göß“ dem Publicum gegenüber, und erweist sich als Macht.

2.

Der Hain.

1771-1774.

„Nicht auf immer lastet dein Joch! Frei, o Deutschland, wirst du dereinst! Ein Jahrhundert nur noch, so ist es geschehn, so herrscht der Vernunft Recht vor dem Schwertrecht."

Klopstock weifsagt das, wie die alten Barden, aus den Bewegungen des heiligen Roffes. Im Hain brauset' es her, gehobnes Halses, und sprang, Flug die Mähne, dahin und ein Spott war der Sturm ihm und der Strom ihm! Auf der Wiese stand es und stampft', und

blickte wiehernd umher: sorglos weidet' es, sah voll Stolz nach dem Reiter nicht hin, der im Blut lag an dem Grenzstein." Ohne Blut glaubte Klopstock nicht, daß die Befreiung Deutschlands sich vollziehn werde; aber das schüchterte ihn nicht ein.

Aus dem Hain, dem alten Siß der deutschen Poesie, war das heilige Roß gekommen: aus ihm erschien ihm auch Teutone, die Göttin Deutschlands. „An der Höhe, wo der Quell der Barden in das Thal sein fliegendes Getön, mit Silber bewölkt, stürzet: da erblickt' ich Göttin, dich! du kamst zu den Sterblichen herab."

Der Dichter hatte den festen Glauben, wie früher an Religion und Liebe, so jezt an Freiheit und Vaterland: das Gefühl, das einst die Römer geadelt, durfte der Deutsche nicht entbehren; es gehörte zur Würde des Charakters. „Unsern Helden ist Eroberung nur ein Spiel! so ist unsrer Sprache nur ein Spiel, Gedanken und Empfindung treffend und mit Kraft auszusprechen." Solcher Glaube wirkt in Zeiten, die an sich zweifeln, mit unwiderstehlichem Zauber.

Seit Oct. 1770 weilte Klopstock in Hamburg, das er, eine kurze Unterbrechung abgerechnet, 33 Jahre, bis an seinen Tod nicht mehr verließ. Der Traum von der deutschen Colonie in Kopenhagen und der Mythus von der Musterwirthschaft in der dänischen Monarchie war vorbei, man mußte das deutsche Vaterland wieder anderwärts suchen. Bernstorf's Sturz 1770 war nur die Grille eines halbblödsinnigen Fürsten, aber der Sturz seines Nachfolgers Struensee Jan. 1772 war das Werk der dänischen Nationalpartei, die sich gegen die Deutschen erhob. Drei Monate lang schleifte der dänische Adel das Königthum durch den Koth, endlich wurde Struensee hingerichtet, die Königin wegen Ehebruch ins Gefängniß gesteckt. Anderwärts ging es nicht erbaulicher zu: in Ludwig XV. beugte sich das Königthum unter den Fuß einer gemeinen Dirne, in Schweden machte sich Gustav III. durch einen Eidbruch zum unumschränkten Herrn, und das Publicum jauchzte ihm zu. „Das Herz des Volks", heißt es im „Usong", einem politischen Roman, den Haller eben veröffentlicht hatte, „ist in den Staub getreten und keiner edlen Begierde mehr fähig!"

Die Deutschen hatten das Gefühl dieser Versunkenheit, und Klop= stock, der ihnen mit Zuversicht die bessere Zukunft verkündete, wurde als Prophet begrüßt. Der junge Adel aus dem benachbarten Holstein besuchte ihn häufig, im Uebrigen war sein Hamburger Verkehr meist der alte Kreis Lessing's. Zu seinen treuesten Anhängern gehörte Claudius, der gemüthvolle Herausgeber des humoristischen Wandsbecker Boten",

Julian Schmidt, Litteratur. II.

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für den auch Herder manche Beiträge schickte. 15. März 1772 machte Claudius Hochzeit, Klopstock, Schönborn und Bode waren Zeugen. Rebekka, Tochter eines armen Zimmermanns, Claudius nannte sie immer sein Bauermädchen - war eine treffliche Frau, die Ehe eine gesegnete. Freilich begannen sofort die Nahrungsjorgen, aber er verlor nie sein Gottvertrauen: die schönsten seiner Lieder stammen aus dieser Zeit. Wohl fehlt die Macht der individuellen Leidenschaft, der Reichthum glänzender Farben, den ein wild bewegtes Liebesleben Goethe's Dichtungen einhaucht: gemeinsam aber ist das Mitgefühl für die gesammte Natur, und eigen der sittliche Geist, der das Erlebte innig mit schlichter Treue wiedergiebt. Seine Lieder, die den Werth des Bauernstandes anschaulich machen, sind sehr volksthümlich; in der Prosa, da er sich zum Volk herablassen will, steht er weit hinter Justus Möser zurück. Er vertritt seine Ansichten theils durch den Schneider Asmus, der mit Mutterwitz, Bibelsprüchen und Gesangbuchversen die Gebildeten beschämt, theils durch den gelehrten Vetter Andres.

Ueber seine poetischen Versuche dachte Claudius sehr bescheiden, und huldigte unbedingt dem höhern Genius Klopstock's. Ende 1771 veranstaltete dieser die erste authentische Ausgabe seiner Oden: dies ist die Sammlung, in der die griechische Mythologie durch die skandinavische Götter-Nomenclatur ersetzt ist. Haller zeigte sie mit Beifall an: „ist schon unser Geschmack an die neuen Wendungen noch nicht gewöhnt, womit Klopstock die Sprache bereichert hat; finden wir noch immer, er sei zuweilen gegen Gott zu zutraulich, so hindern uns diese eingeschränkten Gefühle nicht, das Große im Geist dieser Dichtung zu em= pfinden; wir sehn auf das Herz, auf die edlen Gesinnungen und die athmenden Ausdrücke des Dichters." Schubart in Ulm war überschwänglich in seinem Lob, ebenso die zahlreichen „Barden" in Wien. Am durchgreifendsten wirkte Herder. Er hatte seit Jahren alles aufgespeichert, was er von Gedichten und Briefen Klopstock's auftreiben konnte; 21. Nov. 1772 schickte er an die Allgemeine deutsche Bibliothek eine Anzeige, die auch die große Masse des Publicums überzeugte.

,Welches ganze volle Herz und ungetheilt sich hinopfernde schöne Seele erscheint in diesen Oden!" Freilich wird Klopstock am meisten auf diejenigen wirken, die sachlich mit ihm sympathisiren; aber rein künstlerisch betrachtet, welche Bereicherung sind diese Oden für die deutsche Dichtung! Welch eigne Farbe des Ausdrucks ruht auf jeglicher, die sich von der ganzen Mensur, Haltung und Beaugung des Gegenstandes bis auf den kleinsten Zug, Länge und Kürze der Perioden, Wahl des

Sylbenmaßes, beinahe bis auf jeden härtern und leisern Buchstaben erstrecken. Darin haben diese Gedichte etwas Eignes, Ursprüngliches und Eingegeistetes. Wie die Natur jedem Kraut, Gewächs und Thier seine Gestalt, Sinn und Art gegeben, die individuell ist und eigentlich nicht verglichen werden kann, so schwimmt auch ein andrer Duft und weht ein andrer Geist der Art und Leidenschaft in jedem individuellen Stück des Dichters. Aus den vornehmsten Stücken dieser Sammlung könnten die feinsten Regeln des Affects und der Ode abgezogen werden. Freilich ist Herder mit manchen der neuen Maaße nicht einverstanden; er bekennt offen, daß sein Ohr auch für Pindar und die griechischen Chöre nicht ausreiche. „Kommt in der Melodie nicht alles auf die Succession der Töne, auf die Entwickelung des Gesangs der Seele, auf die Bebungen des Herzens an? Wenn man von einem der verwickelten Maaße auf ein geläufiges kommt: ist's nicht, als ob man aus einem allerdings erhabenen, aber zu künstlichen, dunkeln und ungeheuren gothischen Gewölbe in einen freien griechischen Tempel käme, und da in einer Melodie, als in einem schönen regelmäßigen Säulengang wandelte?“

Herder war der einzige Kritiker, dem Klopstock nach Vollendung des Messias ein Exemplar zuschickte. „Die Hauptsache ist, daß Sie durch Ihre eigne sehr starke Empfindung Kriticus find. Ob Sie nicht bisweilen die Bilder, in welche Sie Ihre weitsehenden Gedanken hüllen, ein wenig vom wirklich Wahren abtäuschen? das werden wir mit der Zeit schon mit einander ausmachen. . . Bei der Untersuchung ist mir das dürrste Wort das liebste . . . Mir gilt nichts als Erfahrung, eigne und solche Andrer, die erfahren können; und nach ihr nichts weiter als was gradezu, so recht mit der Thür in's Haus, aus der Erfahrung folgt. Freilich kann man bei Gelegenheit, da man die gehabte Erfahrung untersucht, auch bis zur Definition allgemeiner Begriffe kommen.“

Unablässig bemühte sich Herder, für Klopstock Anhänger zu werben. Bei einem Besuch in Göttingen, Febr. 1772, bei dem berühmten Philologen Heyne, der ihn voll anerkannte, und dem er alle seine wissenschaftlichen Träume mittheilte, wußte er Boie zu gewinnen, und gründete dadurch eine förmliche Pflanzschule für den Cultus Klopstock's. Boie gab einen Musen-Almanach heraus: er hatte sich bisher bemüht, zwischen den widerstrebenden poetischen Richtungen neutral zu bleiben; nun aber, durch Herder umgestimmt, schlug er sich ganz in Klopstock's Lager: „ich halte ihn für den ersten und beinahe einzigen Dichter unsrer Nation!" „Von Herder", fährt er fort, „haben wir noch große Dinge zu erwarten; Gelehrsamkeit und tiefes Denken mit soviel Gefühl

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und Genie verknüpft, kannte ich noch nie!" Der Almanach wurde meist von Studenten geschrieben, doch fanden sich auch von auswärts Beiträge ein. An Talent überragte Bürger die Andern bei weitem. Sohn eines armen Pastors im Halberstädtschen, hatte er in Halle studirt, wo Kloß auf seine Grundsäße wie auf seinen Lebenswandel den nachtheiligsten Einfluß übte. Der Einfluß dauerte fort, als Bürger nach Göttingen übersiedelte, wo er einen Shakespeare-Club gründete; er trank stark, lebte viel mit Frauenzimmern, die nicht besser waren als ihr Ruf, und wußte sich in Ehrenhändeln nicht geschickt zu benehmen. Gleim hielt ihn durch namhafte Unterstüßungen über Wasser.

Bürger's erste poetische Versuche gingen sofort nach den beiden divergirenden Richtungen hin, die seine ganze Laufbahn kennzeichnen. Auf der einen Seite schwebt ihm das Ideal einer auf's feinste in Sprache und Vers ausgebildeten Kunst vor, auf der andern das Ideal der Volksthümlichkeit, wie er sie in Gleim's Bänkelsängerromanzen zu finden glaubte. Im Sinn einer hohen Kunstleistung nahm er schon 1764 die Uebersetzung des Pervigilium Veneris vor, welche ein ewiges Denkmal für die Bildsamkeit der deutschen Sprache werden sollte, ungefähr wie Ramler's „Ino"; er feilte daran mit einer Ausdauer, die einer bessern Sache werth gewesen wäre, bis an sein Lebensende. Nach der andern Seite ging der bänkelsängernde „Vater Bacchus" und die „Jungfrau Europa"; wenn Bürger schmußig wurde, überschritt er alles Maß. Gleichzeitig aber wagte er sich an eine größere Aufgabe, die Ueberseßung des Homer in Jamben, wohl durch Pope's Versuch angeregt.

Der Göttinger Almanach verfolgte nicht von vornherein eine entschiedene Richtung: Gleim, Wieland, Jacobi klingt ebenso oft durch als Ramler und Klopstock, nur daß nach dem Vorbild der Lezteren die Horazischen Versmaße überwiegen. Einer der talentvollsten unter den jungen Dichtern, Hölty, Predigersohn aus Hannover, ist seiner ursprünglichen Anlage nach von der zartesten elegischen Art. „Den größten Hang habe ich zur ländlichen Poesie und zu süßen melancho= lischen Schwärmereien: eine Hütte, ein Wald, daran eine Wiese mit einer Silberquelle, und ein Weib in meiner Hütte, das ist alles, was ich auf diesem Erdboden wünsche!" Er hatte als Kind seine Mutter an der Schwindsucht verloren, sein Gesicht war durch die Blattern entstellt, er wagte eine stille Liebe dem Gegenstand derselben nicht zu entdecken ; seine Anlage zur Schwindsucht, der er früh erlag, wurde durch einen frankhaften Lerntrieb gesteigert. Dein eherner Fußtritt hallte mir oft, o Tod! in meiner Kindheit werdender Dämmerung, und manche Mutter

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