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Anschauung, keineswegs eine agirende Person, am wenigsten ein Vollmachtgeber des Mephistopheles.

Indirect hat freilich der Erdgeist das Bündniß mit Mephistopheles gefördert, indem er sich dem Magier entzog und ihn auf einen Geist verwies, den er besser begreifen würde. Aber Jener würde auch ohne diese Weisung den Geist gefunden haben, der seinen höhern Empfindungen freilich widersprach, den er aber für seine Bedürfnisse nicht entbehren konnte.

Unbefriedigt von den intellectuellen Anschauungen greift Faust zu der andern Seite der Magie, zur wunderthätigen Kraft, um zu genießen oder wenigstens sich zu betäuben. Vom Erdgeist zurückgewiesen, ruft er den Mephistopheles.

Mephistopheles verachtet das Gefühl, weil ihm eine lange Erfahrung seine Vergänglichkeit gezeigt; insofern ist er mit seiner Logik und Fronie dem Idealisten überlegen, mit dem das Gefühl immer durchgeht. Gleichwohl ist der Idealist sich seines höhern Werths bewußt, Mephistopheles bleibt bei all seiner scheinbaren Ueberlegenheit der subalterne Kopf. Er hat fachlich meist Recht, er sieht die Dinge, wie sie wirklich find, Faust muß seine Weltklugheit gelten lassen, aber er verachtet seinen Mangel an Lebens- und Liebeskraft.

Der Mephistopheles der Dichtung repräsentirt die Lebensauffassung des 18. Jahrhunderts, wie sie Goethe schon in Straßburg in der „Philosophie de la nature" und in Helvetius nahe getreten war. Die Frommen der Zeit hatten wohl andre Bedürfnisse in ihm geweckt, aber seinen Verstand nicht überführt. Gründlicher hatte sie ihm Herder verleidet, aber doch nicht ganz: oft lösten bei ihm Fronie und kalte Ueberlegung das überschwängliche Gefühl ab. Goethe begriff wirklich den Geist des 18. Jahrhunderts, namentlich seit er ihm durch Merck in einer veredelten Form vorgetragen wurde, obgleich sein Gemüth und seine Leidenschaft sich dagegen empörte. Idealismus und Realismus gehn im „Faust“, wenn auch nicht als völlig gleich berechtigt, neben einander, nicht entgegengesezt wie Gut und Böje.

Alle Typen der Faust-Dichtung fand Goethe in der eignen Seele vor, aber bei der Ausarbeitung zeichnete er gern nach Modellen, und für den Mephistopheles saß ihm Merck Modell, der es gar nicht übel nahm, im vertrauten Kreise „Mephistopheles" genannt zu werden, weil er überschwänglichen Einfällen mit der Douche eines kalten Verstandes und eines kaustischen Witzes begegnete. Der Geist, der stets verneint!“ Aber die Bitterfeit, mit welcher Merck das Leben betrachtete, war zum

Theil Resultat schwerer Kränkungen und Enttäuschungen, die ihm das Leben entgegengebracht hatte.

Als ihm Goethe zum ersten mal den „Werther" vorlas, blieb er so kalt, daß der Dichter nahe daran war, den Roman in's Feuer zu werfen. Merck klärte ihn später auf; er vertraute ihm an, daß er in jenem Moment sich in der schrecklichsten Lage befunden, in die ein Mann gerathen könne; er habe deswegen nichts gesehn und gehört. Die Sache hatte sich indessen, inwiefern sie sich herstellen ließ, wieder hergestellt, und Merck war in den Zeiten seiner Energie der Mann, sich in's Ungeheure zu schicken; sein Humor fand sich wieder ein, nur war er noch bittrer als vorher. Das „Ungeheure“ war die Untreue seiner Gattin, die, während Merck nach St. Petersburg reiste, zu ihren Verwandten nach der Schweiz gegangen war, und die er Juni 1774 nach Darmstadt abholte, nachdem er ihre Schuld erfahren hatte und schon daran war, den Scheidungsproceß einzuleiten; ein Theil des Publicums nahm aus Mitleid Partei für die Schuldige, die eine schöne Seele" war, gegen den „Mephistopheles".

Merc als Rathgeber Goethe's hat ihn stets im besten Sinn zu leiten versucht. Die Rolle des Mephistopheles, den Faust zum Bösen zu verlocken, lag ihm fern: freilich kommt auch bei dem Teufel des Dramas wenig davon heraus: Faust geht in alle Frrwege auf eigne Hand und mit klarem Bewußtsein, der Verführer hat wenig zu thun.

Nach der alten Faustsage lag die Todsünde in dem Bund mit dem Teufel selbst, d. h. im Abfall von Gott. Damit kann sich die moderne Anschauung nicht zufrieden geben: sie will erfahren, inwiefern der Bund mit dem Teufel den Menschen schon auf Erden schlecht macht, und deshalb reif zur Verdammniß. Ein naheliegendes Motiv war das Leid, einem unschuldigen Geschöpf angethan. Hier wußte Goethe Bescheid. Die Reue über den Schmerz, den er Friederike bereitet, war damals seine tragische Muse: sich selber geißelte er im Weißlingen, im Clavigo, im Faust. Warum hatte er sie eigentlich verlassen? Ihn beunruhigte die dämonische Gewalt, die ihn forttrieb. Die Sage vom Faust gab hier einen Ton, der anschlug: wer sich dem Teufel ergab, durfte keine Ehe eingehn. Und doch dies Liebebedürfniß! „Der Flüchtling! der Unbehauste! der Unmensch ohne Rast und Ruh! Von Einer zur Andern, von Maria zu Adelheid, von Gretchen zur Helena." Clavigo's Ehrgeiz, dem Maria geopfert wurde, erschien doch gar zu subaltern, aber der Drang eines dämonischen Menschen, alle Genüsse auszukosten, das Leben der ganzen Menschheit dichterisch in sich zu verjüngen, das find

Julian Schmidt, Litteratur. II.

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große Aufgaben, die freilich die Hingabe an ein bestimmtes Band ausschließen. Ohne Rast und Ruh treibt der Genius in das Weltganze, was er berührt, muß fallen. Den Ausgang ahnt er: „das Ende würde Verzweiflung sein!" Aber er schiebt die Ahnung aus seinen Gedanken, und folgt seiner Leidenschaft.

So lange Goethe im Strom der Liebe war, galt ihm sein Gefühl als ewig; und doch tauchte mitten in den stärksten Augenblicken der Erregung die eiskalte Vorempfindung auf, daß Alles vergänglich ist. In seinem sehr raschen Leben verwoben sich Bild und Wahrheit seltsam in einander; seine Träume waren lebhaft und mit allem Glanz finnlicher Wahrheit ausgestattet, aber er empfand zuweilen selbst, daß er träume. Wenn er durch dieses Ineinanderschieben von Traum und Leben Schmerzen bereitet hatte, so war sein sittliches Gefühl zu zart, um den bekannten Trost des Mephistopheles gelten zu lassen; unbedingt freilich mochte sich seine gesunde Natur dem Gefühl der Reue nicht hingeben, es nagte heimlich an ihm, bis er die beleidigten Geister versöhnt hatte.

Die Episode mit Gretchen, ein Pendant zur Fabel des Clavigo, ist der einzige dramatisch gedachte Theil des Stücks, obgleich auch mehr Skizze als Ausführung. Faust's Verjüngung in der Herenküche ist viel später geschrieben, vielleicht ursprünglich garnicht geplant: der Dichter von 1774 bedurfte keines Zaubertranks der Jugend.

Die Scenen mit Gretchen sind wahre Perlen, den Scenen des Werther ebenbürtig; sie zeigen, mit tiefer hinreißender Wahrheit, wie Shakespeare im Romeo, die hingebende Liebe eines Weibes, ihre Seligkeit und ihre Verzweiflung. Sie schweben, leicht hingehaucht, duftig, ohne pragmatischen Zusammenhang, wie holde Schatten an dem Leser vorüber. Die älteste Version enthielt offenbar mehr als die Ausgabe von 1790, sonst hätte Goethe nicht in Wagner's „Kindermörderin“ ein Plagiat gefunden; wahrscheinlich Scenen wilder Art, wie das Vorüberstürmen des Faust und Mephistopheles am Rabenstein, in welchem Bürger's Lenore, die Sept. 1773 gedruckt war, stark durchklingt; „sieh da, im Mondschein ein luftiges Gesindel!"

Das damalige Fragment schloß wohl mit Gretchens Tod. Ein schönes Leben war ruchlos zerstört, das Bewußtsein dieser Schuld mußte für alle Ewigkeit lasten.

Mitleid gegen die Kindesmörderin, die damals dem Schaffot verfiel, ist ein stehendes Motiv bei den jüngern Dichtern, die auf irgend eine Art mit dem Thema des Faust bekannt wurden. In einer Novelle "Zerbin" zeigt Lenz eine solche auf dem Schaffot: „sie stand da, etwa

wie eine von den ersten Bekennern des Christenthums, die für ihren Glauben Schmach) und Martern getrost entgegen sehn... Der Henker band ihr die Augen zu, und die schöne Seele flog in den Himmel. . .

In diesem Mitleid liegt greifbar ein Hintergedanke; die wahre Schuld an dem Verbrechen tragen nicht einmal die Verführer, fie fällt auf die Gesellschaft und ihre engherzige Moral, die dem vollsaftigen Jüngling den Raum einengt, und eine natürliche und an sich schöne Hingebung des Weibes als ehrlos brandmarkt, und es erst zur Heimlichkeit, dann zum Morde verführt. An dieser spießbürgerlichen Sittlichkeit geht Gretchen unter.

Unmöglich konnte in Goethe's Absicht liegen, es in den Jrrfahrten des Faust bei einem Liebesversuch bewenden zu lassen: er mußte. sein „alldeutend Ideal" in den mannigfaltigsten weiblichen Charakteren versuchen; so hatte es der Dichter selbst schon in seinem 22. Jahr angedeutet; vielleicht schwebte ihm darunter bereits die Helena vor, die ja im Faustbuch gegeben war, und die er allenfalls unter den Göttern seiner Künstlerwerkstatt finden konnte. Zwischen Hangen und Bangen, zwischen Genuß und Reue sollte Faust seinen stürmischen Gang vorwärts gehn: aber wohin?

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„Ich schwebe im Rauschtaumel, nicht im Wogensturm!" schreibt Goethe August 1774 an Jacobi; „doch ist's nicht einerlei, welcher uns an den Stein schmettert?" - An Sophie Laroche, Oct. 1774: „Ich lag seither stumm in mich gekehrt und ahndete in meiner Seele auf und nieder, ob eine Kraft in mir liege, all das zu tragen, was das eherne Schicksal mir zugedacht hat; ob ich einen Fels fände, darauf eine Burg zu bauen, wohin ich im letzten Nothfall mich mit meiner Habe flüchtete." In denselben Tagen, 10. Oct., auf einer Postfahrt, im Lied „an Schwager Kronos", malt er sich sein bevorstehendes Schicksal aus. „Spute dich, Kronos!.. Efles Schwindeln zögert mir vor die Stirne dein Zaudern!... Weit, hoch, herrlich der Blick rings in's Leben hinein! Von Gebirg zum Gebirg schwebet der ewige Geist, ewigen Lebens ahndevoll." Unterwegs reicht ihm ein Mädchen einen schäumenden Trunk. Ab dann, rascher hinab! Sich, die Sonne sinkt. Eh' sie sinkt, eh' mich Greifen ergreift im Moore Nebelduft, entzahnte Kiefer schnattern und das schlotternde Gebein: trunknen vom lezten Strahl reiß mich, ein Feuermeer mir im schäumenden Aug', mich geblendeten Taumelnden in der Hölle nächtliches Thor. Töne, Schwager in's Horn! daß der Orkus vernehme: ein Fürst kommt! drunten von ihren Sißen sich die Gewaltigen lüften!" Das war die Stimmung, in der Goethe seinen Faust dichtete.

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„Was der ganzen Menschheit zugetheilt ist, will ich in meinem innern Selbst genießen, mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen, ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern, und wie sie selbst, am End' auch ich zer= scheitern!“ Auf Befriedigung rechnet er nicht: „was willst du armer Teufel geben!" keine Zauberkraft reicht an die Höhe des menschlichen Allwillens; nur Betäubung sucht der Titan im Genuß. So tauml' ich von Begierde zu Genuß, und im Genuß verschmacht' ich nach Begierde.“ Wie dachte sich Goethe damals den Ausgang des Ganzen? Von den Scenen, die in der Version von 1808 die Knotenpunkte der Handlung bilden die Wette Gottes mit dem Teufel, die Wette des Teufels mit Faust, und Faust's endliche Befriedigung stand Nichts in der ersten Version. Es hätte auch wenig der Stimmung des jugendlichen Goethe entsprochen. Nicht in der Form: es lag damals durchaus nicht in seiner Art, durch starke Drucker den dialektischen Zusammenhang zu markiren. Nicht im Inhalt: wie soll ein feuriger Jüngling, der unruhig nach allen Seiten schweift, dem das Leben noch als Räthsel entgegentritt zu einer Theodicee, zu einer Rechtfertigung Gottes und des Weltlaufs kommen! Der junge, in seinen Schwingen gelähmte Adler verlacht die Weisheit der Taube, und „eine Thräne füllt sein hohes Aug'!" Noch lebt in ihm der Titanentroß gegen die Weltmacht, die dem unendlichen Willen Grenzen seßt. Die List der Weltvernunft würdigt man erst, wenn man die bittern Erfahrungen hinter sich hat. Vorher bleibt das Sinnen bei der ungelösten Frage, in der Dissonanz. Die Weisheit: „wer Gott recht liebt, kann nicht wollen, daß Gott ihn wieder liebe!" kommt erst den Greisen.

Der Faust wurde im Lauf des nächsten Jahrs Vielen vorgelesen und von aller Welt besprochen. Knebel fand ausnehmend herrliche Stellen darin. „Ich erstaune", berichtet Merck, so oft ich ein Stück zu sehn bekomme, wie der Kerl zusehends wächst, und Dinge macht, die ohne den großen Glauben an sich selbst und den damit verbundenen Muthwillen unmöglich wären." Noch hat Deutschland kein solches Werk gesehn!" schreibt Zimmermann. Wäre der Faust, wenn auch als Fragment, gleich 1775 erschienen, er hätte die Jugend noch stärker aufgeregt als der Werther. Aber er blieb zwölf Jahre liegen; 1790 wurde er mit Ausmerzung der Stellen, die dem Dichter nicht mehr ge= fielen, als Fragment veröffentlicht. Wieder eine Pause von zwölf Jahren, und dann ein völlig neuer Aufbau. Vollständig erschien der erste Theil 34 Jahre nach der ursprünglichen Arbeit, noch 23 Jahre später das

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