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ritterliche Männer, wie Lafayette und Kosciusko, nach Nordamerika, um dort für die Freiheit zu kämpfen: Klinger, Wagner, Heinse wären gern ihrem Beispiel gefolgt.

Es wäre seltsam gewesen, wenn die Stürmer nicht wenigstens an die Möglichkeit gedacht hätten, in Deutschland etwas annähernd Aehnliches zu schaffen: hatte ja schon der Hain davon geträumt. Seitdem war man praktischer geworden.

1. Mai 1776 gründete der junge Professor Weishaupt in Ingolstadt den Orden der Illuminaten als eine Abzweigung der Freimaurer. Zweck desselben war Ausbreitung der Aufklärung und des Liberalismus, die Mittel hatte man den Jesuiten abgesehn. Weishaupt selbst, der eine nicht geringe Meinung von sich hatte und Andern beizubringen wußte, wollte der unumschränkte Gebieter sein; jeder Ordensbruder sollte nur seine nächsten Obern kennen, übrigens wurde alles in tiefes Geheimniß gehüllt. Die Zeit kam dem Unternehmen entgegen: im Lauf von zwanzig Jahren waren in Deutschland sechzig neue Logen entstanden, man dürstete förmlich nach Mysterien und Weishaupt war unerschöpflich in Erfindung neuer wunderlicher Formeln. Vorerst war die Absicht nur auf die katholischen Lande und auf Süddeutschland gerichtet. Um praktisch zu wirken, bemühte man sich, Fürsten und hohe Staatsbeamte heranzuziehn, und es gelang im Ganzen über Erwarten. Juli 1780 trat Frh. v. Knigge ein, schloß Verbindung mit Weishaupt und breitete den Bund in Norddeutschland aus, während daneben im Stillen die Rosenkreuzerei wucherte. Die bedeutendsten Leute, vornehm und gering, gehörten bald zu den Mitgliedern: 23. Juni 1780 trat auch Goethe ein: freilich mit dem offenen Bekenntniß, daß nur gesellige Rücksichten ihn dazu bestimmten.

Wenn die Declamationen der „Titanen" gegen die bestehenden Zustände meist einen knabenhaften Anstrich hatten, so läßt sich nicht leugnen, daß Grund zum Groll reichlich vorhanden war. Am sprechendsten ist das Schicksal Schubart's.

Ein Anempfinder von unleugbarem Talent, aber ohne alle Bildung. Als Genie hielt er sich für berechtigt, sich von dem Sittengesetz gewöhnlicher Menschen zu entbinden; freilich wurde sein Troß dann immer durch weiche Reue abgelöst. Seit Sept. 1769 Organist in Ludwigsburg, trieb er es im Leichtsinn so weit, daß er Mai 1773 fortgeschickt wurde, und hatte in München schon Lust, der Versorgung wegen katholisch zu werden. Endlich gründete er in Augsburg die „Deutsche Chronik“, die wegen ihres dreisten Tons viel Beifall fand. Als er einmal schrieb:

„und nun werf' ich meinen Hut in die Höhe und rufe: o England! von deiner Laune und Freiheit nur diesen Hut voll!" meinte der Bürgermeister: „nicht eine Nußschale voll soll der Vagabund haben!“ Schubart setzte seit Juni 1775 die „Chronik" in Ulm fort, zum Theil mit Miller's Hülfe. Er schwärmte gleichmäßig für Klopstock und für Goethe: „Goethe ist ein Genie, groß und schrecklich wie ein Riesengebirge!" für Lenz und für Klinger, für Friedrich den Großen und für das englische Parlament; schließlich ergriff ihn die Begeisterung für Nordamerika. Da er in seiner „Chronik" die Fürsten wiederholt ärgerte, beschloß Herzog Karl Eugen von Würtemberg, das Erperiment, das er an J. J. Moser und Huber angestellt, an ihm zu wiederholen, „um durch sichere Verwahrung seiner Person die menschliche Gesellschaft von diesem unwürdigen und ansteckenden Glied zu reinigen." Er ließ ihn 23. Jan. 1777 auf Würtembergisches Gebiet locken, dort verhaften und auf den Hohen Asperg, ohne Urtheil und Recht, in einen unterirdischen scheußlichen Kerker werfen. Moralisch ein verkommener Mensch, hatte Schubart doch Ansehn in der litterarischen Welt; troßdem blieb alles stumm bei dieser unerhörten Gewaltthat; Klopstock, der „Bund", die Titanen. Was aber das Aergste war: die Fürsten, darunter Karl August, fuhren fort, mit Karl Eugen zu verkehren, als wäre nichts geschehn!

Der gelehrte Jurist Pütter in Göttingen, in dessen Auditorium fich immer mehr Grafen und Barone drängten, hielt vornehmen Ausländern Vorträge über die Deutsche Reichsverfassung. Am Schluß eines solchen Vortrags sagte ihm ein aufmerksamer Zuhörer, er sehe, daß er sich von der „Deutschen Freiheit“ unrichtige Begriffe gemacht habe: es sei doch mehr Freiheit der Fürsten als der Unterthanen. Pütter war betroffen, es war ihm noch nicht eingefallen: „ganz konnte ich ihm diese Scrupel nicht benehmen!"

Die ehemaligen Göttinger Bundesbrüder waren, nachdem die Hoffnung auf die Befreiung Deutschlands sich abgeschwächt, auf einer beständigen Jagd nach einem gelobten Land der Freiheit. Neben dem Mythus von Nordamerika bildete sich noch ein zweiter, von den glückseligen Inseln und den Naturmenschen von Tahiti. Gegen den Herbst 1777 gab Georg Forster in London die Geschichte seiner Weltumsegelung mit Cook heraus.

„Horchen Sie, Voß!" schreibt der sanfte Lyriker Overbeck in Lübeck, 17. Nov. 1777; Gerstenberg und ich, wir sind einig ge= worden, unsre Freunde allesammt aufzubieten, mit uns die falsche Euro

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päische Welt zu verlassen. Sie werden von Tahiti gehört haben: hier ist das zweite Paradies, der Luftgarten Gottes, wo man sein Bild in den Menschen wiederfindet, welches Adam zwar verlieren aber nicht für ein ganzes Geschlecht verlieren konnte. Haben Sie Muth, Freund, so theilen Sie mit uns diesen edlen Entschluß, der verderbten Brut Europa's den Rücken zu kehren... Wir werden zu einem Volk kommen, das sehr reine Begriffe einer natürlichen Religion besißt: lassen Sie uns ihre Gesetzgeber werden! ein zweites Brahminengeschlecht." Aufgefordert sollten werden: Claudius, Hahn, Stolberg, Sprickmann u. s. w., womöglich Klopstock; Forster sollte die Führung übernehmen. Forster kam bald darauf nach Deutschland zurück, wo der geistvolle und berühmte Reisende überall großen Beifall fand. Jan. 1779 fand er eine Anstellung in Kaffel, wohin ihm bald darauf sein Freund, der Physiker Sömmering folgte. Hier fiel der freisinnige Weltumsegler in die Neße der Rosenkreuzer, die ihn als willenloses Werkzeug ausnußten.

In dieser Situation erlebte der „Robinson“, der schon zu Anfang des Jahrhunderts so lebhaft auf Deutschland eingewirkt, eine neue Auferstehung. Campe in Hamburg, begeistert für Rousseau's „Emile“, Be= gründer einer Pension, in welcher die pädagogischen Ideen desselben in's Werk gesezt werden sollten, bearbeitete 1779 den „Robinson“ zu einem förmlichen Lehrbuch. Als Kunstwerk betrachtet, in jeder Hinsicht eine Verschlechterung des Originals, aber wichtig für die Empfindung der damaligen Zeit, daß die Europäische Civilisation mit ihrer formellen Abrichtung der Jugend kraftlose Menschen hervorbringe, die sich in einer ungewohnten Situation nicht zu helfen wüßten. Wenn Campe seinen Robinson Herr werden läßt über alle Fährlichkeiten der einsamen Insel, so versündigt er sich fortwährend an der Wahrscheinlichkeit: eigentlich wollte er zeigen, daß alle vernünftige Erziehung darauf ausgehn müsse, muthige und kraftvolle Männer hervorzubringen, die auch der gefähr= lichsten Lage gewachsen wären. Versuche der Art wurden in allen Theilen Deutschlands gemacht, doch nur für kleine exclusive Cirkel: es dauerte viele Jahrzehnte, ehe man dahinter kam, daß der öffentliche Unterricht, daß die Volksschule mit diesen gesunden Ansichten sich aus einander zu seben habe.

Die originellste Figur der Sturm- und Drangzeit war Lavater's Jünger Chr. Kaufmann, der 1775, 22 J. alt, in Zürich erschien. Sohn unbemittelter Eltern in Winterthur, hatte er sich 1774 als Apothekerlehrling in Straßburg aufgehalten. Schon sein Aeußeres fiel auf: mit mähnenartig flatterndem Haar und langem Bart, die Brust bis an den

Nabel nackt, in grüner Friesjacke und gleichen Hosen oder einem rothen Rock, einen Freiheitshut auf dem Kopf, so wanderte er zu Fuß, einen mächtigen Knotenstock in der Hand, oder ritt auf einem Schimmel. Ucberzeugt von seinem Vermögen, die Welt umzugestalten, bemächtigte er sich zuerst der Ideen über Erziehung, wie Rousseau fie aufgestellt: er trat mit allen Philanthropinen in Verbindung, mit Basedow in Dessau, mit Pestalozzi, mit Salis in Marschlinz. Gegen die Gewohnheit der Kraftmenschen verlobte er sich sehr jung, mit einem Mädchen, die gleichmäßig für Lavater und für Goethe schwärmte. Mit einem Reisegeld, das er aus Dessau erhielt, machte er sich 1776 auf, die Welt zu sehn: auch bei den Höfen nahm er keinen Anstand, in seinem gewohnten Costüm aufzutreten.

So in Karlsruhe, wo Schloffer sein Freund und Anhänger wurde. Dann in Mannheim, in engem Verkehr mit dem Maler Müller. In seinem „Faust" erzählt dieser von einem Wundermenschen, der bei vollster Leibes- und Seelenkraft Herablassung genug besitzt, alle Mischungen der Charaktere wirkend zu umfassen, und so auf alle Menschen ohne Unter schied wirkt; der die Menschen mit seinen tief eindringenden Blickens würde zittern machen, weil alle vor ihrer Sonne nackt ständen, wenn nicht Sanftmuth und Wohlwollen wie ein leise gefalteter Flor sich dreifach umherwölkten, den zu mächtigen Glanz zu mildern." Er nannte fich Gottesspürhund, weil er auf der Gottesspur zu sein behauptete. In Darmstadt, wo er unter die Freimaurer trat, bezauberte er alle Welt. „Ein Märtyrer für die Wahrheit und das Beste der Menschheit!" schreibt Caroline Herder. Nicht minder in Weimar, 22. Sept. bis 9. Oct. und 24. bis 26. Dec. In Goethe's Tagebüchern wird wiederholt eine „hohe Nacht mit Kaufmann" angemerkt.

Auf dem Wege nach Rußland, wo eben Cagliostro sein Wesen trieb, und wo er ein großes Philanthropin zu gründen beabsichtigte, zog Kaufmann als Reiseapostel durch ganz Deutschland. Auch die Berliner suchte er zu bekehren. „Er ließ mir merken", schreibt Sulzer April 1777, Herder, Goethe, Lavater, Schloffer, er selbst und einige Andre seien von der Vorsehung berufen, die Menschen wieder zur Natur zurückzuführen. Eigentlich ist Herder sein Held, und als ich ihm sagte, ich hielte Herder entweder für einen Narren oder einen Schalk, der uns zum Besten habe, wurde er ganz stußig. Er ist ein lebendes Beispiel von den Menschen, wie Herder sie haben will: voll Feuer, Drang und Kraft, die, weil es ihnen an Vernunft fehlt, verworren durcheinander rasen."

Auf der Rückreise nach Rußland ließ sich Kaufmann in Königsberg durch Hamann, der nicht recht klug aus ihm wurde, selbst Kant vorstellen. In Hamburg suchte er Fühlung mit der Schule Klopstocks. August kam er nach Wandsbeck.

15. Juli 1777 hatte Voß seine Ernestine heimgeführt, und in Wandsbeck ein vorläufiges Heim begründet, dem sich auch Claudius anschloß. Diesem hatte Herder 1775 ein kleines Amt in Darmstadt ausgewirkt: er sollte die Cultur des Landvolks fördern, wußte aber nicht, wie er das anfangen solle. Nach seinem Thun und Lassen gefragt, gab er den Bescheid: „ich thue nichts, und lasse alles!"

Claudius war 15. April zurückgekehrt; er hatte sich mit Moser, der ihn zu nichts verwenden konnte, entzweit, und lebte nun mit Rebekka und seinen Kindern aus der Hand in den Mund. Die beiden Familien standen im innigsten Verkehr; es wurde frugal im Freien geschmaust, und Klopstock, Schönborn und Campe waren häufige stets willkommene Gäste.

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Kaufmann“, erzählt Ernestine Voß, „war ein schöner, sehr kräftiger Mann, der alles was er redete in dunkle Worte hüllte, und doch Alle einzunehmen wußte. Aus seinen Reden sollte man schließen, daß er troß seines jugendlichen Aussehns schon mit einem Menschenalter vor uns in Berührung gestanden. Er behauptete, fast gar keinen Schlaf zu bedürfen, aß nichts als Vegetabilien und trank nur Milch und Wasser. Auch Arzt behauptete er zu sein, dem kein Kranker, der Zutrauen zu ihm hätte, stürbe, und wirklich machte er einige Curen, die in Verwunderung feßten. Von seinen Heldenthaten erzählte er gern. Er dictirte den ganzen Tag. Merkwürdig war es mit anzuhören, wie Voß und Claudius sich allerlei Zweifel über diesen Wundermann mittheilten, und doch Jeder beflissen war, ihn gegen den Andern in Schuß zu nehmen.

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‚Sei froh, daß Kaufmann dir nicht zu nahe kam!“ schreibt Lavater an Zimmermann. Seine bloße stille Gegenwart würde dich tödten, und ein Wort von ihm deine Gebeine zerschmettern! Warum Kaufmann als Arzt unbekannt sein will? - Weil alle be= rühmten Aerzte Philister werden!" - Das kam dem berühmten Arzt doch zu toll vor: er hatte bisher alle Gegner der Physiognomik aus Leibeskräften bekämpft, nun aber kündigte er Lavater die Freundschaft, „die in meinem Herzen Wurzeln zur Ewigkeit hatte!"

Oct. 1777 kehrte Kaufmann in seine Heimath zurück, seine Rolle war ausgespielt, man war des Kraftgenies müde, und verhöhnte ihn in derben Satiren. Hier eine aus dem Deutschen Museum, Dec. 1774.

Julian Schmidt, Litteratur. II.

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