ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Genuß unmittelbarer und starker Resonanz war ihm ein unabweisbares Bedürfniß, und kam die Resonanz aus einem unbedingt hingebenden Vertrauen, so fühlte er sich glücklich, gehoben und zum Schaffen angeregt. Indem sie geistvoll empfing, förderte Frau v. Stein in der That sein Schaffen: im Spiegel ihrer Seele sah ihn sein eignes Gesicht verklärter an. In allen seinen damaligen Dichtungen war sie die Muse, die Heilige, die Madonna, die ihm vorschwebte; selbst die „Wahrheit“, die ihm den Schleier der Dichtung überreichte, kleidete sich in der Freundin liebliche Gestalt". Lilli hatte er leidenschaftlich geliebt, aber ihr hatte er nur die eine Seite seines Geistes und Herzens gezeigt; Frau v. Stein zeigte er sein volles Herz, seinen vollen Geist. Freilich ist in jeder Leidenschaft etwas von Illusion.

Wohl fühlte er oft das Bängliche der Lage, und ein Dämon wollte ihm den Gedanken der Flucht eingeben; bald aber fühlte ich, daß ein Blick, ein Wort von dir alle diese Nebel verscheuchen kann. Wir sind wohl verheirathet, d. h. durch ein Band verbunden, wovon der Zettel aus Liebe und Freude, der Einschlag aus Kreuz, Kummer und Elend besteht." (8. Juli 1781).

"Ich habe mein ganzes Leben Einen idealen Wunsch gehabt, wie ich geliebt sein möchte, und habe die Erfüllung immer im Traum des Wahns vergebens gesucht; nun, da mir die Welt täglich klarer wird, find' ich's endlich in dir auf eine Weise, daß ich's nie verlieren kann. Ich bin dir so fest angebunden, daß ich mein Leben zerreißen würde, wenn ich an Trennung dächte! Ich habe in einer Nacht recht bitterlich geweint, da ich mir vorstellte, daß ich dich verlieren könnte. Gegen alles was mir begegnen kann, hab' ich ein Gleichgewicht in mir selbst, gegen das Einzige nicht. Nur ein Hauch, nur ein Laut, der nicht stimmend von dir zu mir herüberkommt, verändert die ganze Atmosphäre um mich. Jeder Zweifel an dir erregt ein Erbeben in den tiefsten Vesten meines Herzens."

[ocr errors]

Hätte Goethe nichts weiter geschrieben als die Briefe an Frau v. Stein, so könnte man in ihm schon daraus den größten Dichter der Liebe ahnen; die Liebe war das Element, in dem er sich von frühester Jugend bis zum höchsten Alter mit inniger Lust bewegte.

[ocr errors]

Meine Lage", schreibt er an seine Mutter, 11. Aug. 1781, „hat ungeachtet großer Beschwernisse auch sehr viel Erwünschtes für mich, wovon der beste Beweis ist, daß ich mir keine andre möglich denken kann, in die ich gegenwärtig hinübergehn möchte. Sie erinnern Sich

der lezten Zeiten, die ich bei Ihnen zubrachte; unter solchen fortwährenden Umständen würde ich zu Grunde gegangen sein. Das Unverhältniß des engen und langsam bewegten bürgerlichen Kreises zu der Weite und Geschwindigkeit meines Wesens hätte mich rasend gemacht. Bei der lebhaften Einbildung und Ahnung menschlicher Dinge wäre ich doch immer unbekannt mit der Welt und in einer ewigen Kindheit geblieben, welche meist durch Eigendünkel sich und Andern unerträglich wird. Wieviel glücklicher war es, mich in ein Verhältniß gesezt zu sehn, dem ich von keiner Seite gewachsen war; wo ich durch manche Fehler des Unbegriffs und der Uebereilung mich und Andre kennen zu lernen Gelegenheit genug hatte; wo ich, mir selbst und dem Schicksal überlassen, durch soviele Prüfungen ging, die so vielen hundert Menschen nicht nöthig sein mögen, deren ich aber zu meiner Ausbildung bedürftig war. Und noch jezt, wie könnte ich mir nach meiner Art zu sein einen glücklichern Zustand wünschen, als einen, der für mich etwas Unendliches hat? Sie sehn, wie entfernt ich von der hypochondrischen Unruhe bin, die so viel Menschen mit ihrer Lage entzweit, und daß nur die wichtigsten Betrachtungen, oder ganz sonderbare, mir unerwartete Fälle mich bewegen könnten, meinen Posten zu verlassen. Und unverantwortlich wäre es auch gegen mich selbst, wenn ich zu einer Zeit, da die gepflanzten Bäume zu wachsen anfangen, und da man hoffen kann bei der Ernte das Unkraut vom Weizen zu sondern, aus irgend einer Unbehaglichkeit davon ginge und mich selbst um Schatten, Früchte und Ernte bringen wollte. Indeß quillt ein großer Theil des guten Muths, womit ich trage und wirke, aus dem Gedanken, daß alle diese Aufopferungen freiwillig sind, und daß ich nur dürfte Postpferde anspannen lassen, um das Nothdürftige und Angenehme des Lebens mit einer unbedingten Ruhe bei Ihnen wieder zu finden. Denn ohne diese Aussicht, und wenn ich mich in Stunden des Verdrusses als Leibeignen und Tagelöhner um der Bedürfnisse willen ansehn müßte, würde mir manches sehr sauer werden."

So viel man draußen gegen das, was in Weimar vorging, einzuwenden hatte, so gewöhnte man sich doch allmälig, die kleine Stadt als Vorort der geistigen Bewegung Deutschlands zu betrachten: man opponirte wohl, zuweilen hart genug, aber eben wie gegen eine führende Macht. Goethe, Herder und Wieland schienen in voller Eintracht, und waren es zum Theil.

Goethe, obgleich man wenig von ihm erfuhr, stand unbezweifelt in der Mitte; es ist rührend, in seinen Briefen und Tagebüchern zu ver

Julian Schmidt, Litteratur. II.

21

folgen, wie eifrig er darauf bedacht war, sich dieser hervorragenden Stellung würdig zu zeigen.

Goethe war im Begriff, für Deutschland zu werden, was Voltaire für Frankreich gewesen war: der Repräsentant seines geistigen Lebens. In mancher Beziehung war Voltaire's Geschick günstiger. Er hatte Fürstengunst gesucht, aber nur, um den Weg, den er sich vorgesetzt, abzukürzen: eigentliche Fühlung hatte er als Dichter wie als Kritiker nur mit der Nation, die er als eine Macht bereits vorfand, mit deren Interessen er völlig verwuchs. Ferney war seine Residenz, aber Paris seine Hauptstadt, die er regierte: wo hätte Goethe in Deutschland eine Hauptstadt gefunden, die ihm die Nation vertrat, die seiner Residenz Weimar und seinem Freundeskreis die Wage hielt?

Es ist der größte Segen für den Menschen, wenn er Arbeit und Spiel, Traum und Wachen rein zu halten vermag. In Goethe's Beruf wogte beides durch einander; er war in einem unruhigen Maskenspiel, wo der Schein die Wirklichkeit durchkreuzte und den Maßstab unficher machte. Goethe hatte, wie Wilhelm Meister, die Sehnsucht, die große Welt kennen zu lernen, und er meinte, die Herzogthümer Weimar und Eisenach könnten vorläufig als ein kleines Bild dieser Welt gelten. In dieser Voraussetzung irrte er sich. Seine Persönlichkeit war denen des Hofs so überlegen, daß er nur wie in einen Spiegel sah. Nebenbei lernt man die Welt nicht im Spiel kennen, und die ersten fünf Jahre in Weimar wurden die Staatsangelegenheiten beinah wie ein Spiel getrieben.

Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht, verdient nicht, daß die Welt von ihm erfahre!" — Neigung und Pflicht veranlaßte ihn, den geistreichen, anspruchsvollen und doch nachsichtigen Kreis der Freunde mit dichterischen Scherzen zu unterhalten, und an dies Spiel Geist und Gemüth über Gebühr auszugeben. Die großen Dichter aller Nationen waren äußerlich und innerlich genöthigt, für einen gegebenen Zweck, für die fernstehende und doch im großen Sinn ihnen verwandte Menge zu schaffen, die scheinbare Schranke gab ihnen zugleich die rechte Perspective. Daß Goethe dieser Nothwendigkeit überhoben war, gereichte seiner Kunst nicht zum Segen, denn es verleitete ihn, auch in größern Werken der Eingebung des Augenblicks zuviel zu überlassen. Ohnehin zum fragmentarischen Schaffen geneigt, fand er nun für jede halbfertige Improvisation ein bereites Publicum, und ließ sich daran genügen. Die echte Stille fehlte ihm wie der Strom der Welt; Weimar war eine sehr kleine Welt, unruhig geschäftig wie alles Kleine; die Stille mußte er heimlich suchen, wenn er sich in seine Waldeinsamkeit vergrub.

Dennoch wurde er wie Voltaire eine Großmacht, indem er innerlich zur idealen Bildung ausreifte. Leibniz hatte den Deutschen Idealismus begründet, Goethe hat ihm für die Deutsche Bildung die Herrschaft erworben. Mit Titanentroß hatte er das Abgelebte bekämpft, er endete damit, das Verständniß für die Weltmacht zu suchen und zu finden.

„Groß beginnet ihr Titanen; aber leiten zu dem ewig Guten, ewig Schönen, ist der Götter Werk; die laßt gewähren!“

10.

Leffing's Ausgang.

1776-1781.

Lessing schien endlich das Glück zu begünstigen, einen lang gehegten Wunsch zu verwirklichen. Ein Braunschweigischer Prinz forderte ihn auf, ihn auf einer Reise nach Italien zu begleiten; unterwegs wollte er Eva in Wien treffen. Febr. 1775 reiste er aus Wolfenbüttel ab. Aber eine Reihe von Mißgeschicken verfolgte ihn. Eva war bereits aus Wien abgereist, und blieb völlig ohne Nachricht, da die Briefe durch eine selt= same Kette von Zufällen fehl gingen. Was er in Italien erwartet hatte, fand er nicht; der Prinz wurde mit faden Festlichkeiten überschüttet, wobei ihn Lessing begleiten mußte und dadurch verhindert wurde, nach Herzenslust zu sehn und zu studiren. Dann wurde der Prinz unerwartet schnell, Dec. 1775, wieder zurückberufen, und Lessing mußte von Italien Abschied nehmen: er war hingegangen in der geheimen Hoffnung, dort zu leben und zu sterben.

Die Zustände in Wolfenbüttel sah Lessing bei seiner Rückkehr so düster an, daß er schon Luft hatte, um seinen Abschied einzukommen, aber Eva's freundlich ernste Briefe stimmten ihn um, und es gelang ihm Juni 1776, seine Angelegenheiten leidlich zu ordnen. Da indeß auch Eva mit ihrem Geschäft zu Stande gekommen war, stand der Verbindung nichts weiter im Wege.

Wir finden Lessing 3. Aug. 1776 in Hamburg. „Er hat einen Blick", schreibt Voß, der ihn hier zuerst kennen lernte, wie ich ihn noch nie gesehn, einen rechten Geierblick!" Möchten Sie", schreibt

[ocr errors]

seine Freundin Elise Reimarus, „in diesem seltenen Mann doch auch

einmal den angenehmen Gesellschafter kennen lernen, der die Jagd nach allem, was Wiß und Schein heißt, ebenso erbsündenmäßig haßt, als seine ungesuchte Laune die Freuden der Geselligkeit unvermerkt zu beleben weiß . . . . Sein Geistestriebwerk steht im Verhältniß mit seinem Pulsschlag. Einst fanden wir, daß bei völliger Gemüths- und körperlicher Gesundheit sein Puls die Geschwindigkeit eines Fieberpulses hatte... Sonderbar genug, daß er noch so wenig das Mißtrauen der Orthodoṛen erregt! Noch neulich hörte ich) Goeze mit großer Achtung von ihm reden. . . Daß Lessing sich verheirathet, wird Ihnen ebenso besonders vorkommen, als daß Jerusalem sich erschoß, und doch wird es bald ebenso wahr." Sie nennt Eva eine liebenswürdige Frau von vielem Verstand, der vermuthlich alles gehört, was Herz in Lessing ist“.

[ocr errors]

8. Oct. 1776 fand auf einem Landgut in der Nähe von Hamburg die Hochzeit statt. Lessing (47 J.) hatte gegen alle Welt geschwiegen, selbst Mutter und Schwester erfuhren die Sache erst mehrere Wochen später. Was ihm den Entschluß erleichtert hatte, war ein Gehalt von 100 Louisdor, das ihm von Mannheim zugesagt wurde gegen die Verpflichtung, jährlich einmal in die Pfalz zu kommen und an den Arbeiten des Nationaltheaters wie der Academie theilzunehmen. Da der Herzog von Braunschweig in die Theilung seiner Functionen willigte, glaubte Lessing seine Zukunft gesichert, überzeugte sich aber schon April 1777, daß für ihn in Mannheim nichts zu suchen sei.

[ocr errors]

Dieser Mißerfolg störte indeß nicht das Gefühl seines Glücks. Sie scheinen mir", schreibt ihm Mendelssohn 11. Nov. 1777, „jeßt in einer ruhigen zufriedenen Lage zu sein, die mit meiner Denkart unendlich besser harmonirt als jene geistreiche aber auch etwas bittre Laune, die ich an Ihnen vor einigen Jahren bemerkt. Ich war nicht stark genug, das Aufbrausen dieser Laune niederzuschlagen, aber ich habe herzlich ge= wünscht, daß es Zeit und Umstände und Ihre eigne Vernunft thun möchten. Mich dünkt, mein Wunsch sei nunmehr erfüllt."

Auch in Lessing's Briefen an seinen Bruder ist jezt ein ganz andrer Ton: heiter, herzlich, selbst neckisch. Lessing war nun endlich glücklich geworden. Einen unverdächtigen Zeugen haben wir an dem jungen schwäbischen Magister Spittler, der April 1777 drei Wochen in Wolfenbüttel zubrachte, auf der Bibliothek und in täglichem Verkehr mit Lessing's Haus. „Man wird unvermerkt so vertraut mit ihm, daß man schlechterdings vergessen muß, mit welch großem Mann man umgeht. Und wenn es möglich wäre, mehr Menschenliebe, mehr thätiges Wohlwollen anzutreffen als bei ihm, so wär's bei seiner Gattin. Eine

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »