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seinen ersten Brief. . . Ach ich empfing mit diesem Brief das Heiligste, was diese Erde für mich hatte!" Es war der Anfang eines wunderlichen Briefwechsels, der drei Jahre fortdauerte.

Die Seele der Darmstädter Gesellschaft war Kriegsrath Merck (29 J.), ein gastfreier, fein gebildeter Mann; wohl geschult in allen Zweigen der modernen Litteratur, von einem unerbittlichen Verstand, der jeden Nebel durchdrang, ein Feind des Schonens und Geltenlassens, wegen seiner beißenden Zunge sehr gefürchtet. Dabei von einem gewissen Unbehagen, einer innern Unruhe gequält, den Kopf immer voll neuer Entwürfe; nicht ohne Anlage zur Empfindsamkeit, wie die Briefe an seine Frau bezeugen, eine geborne Genferin, um deren willen die Unterhaltung oft französisch geführt wurde.

Als Herder 27. Aug. mit dem Prinzen nach Straßburg abging, bewog er Merck, die Briefe an Caroline zu vermitteln; „auf sein priesterlich Gewissen" versicherte er ihm, er könne es ohne Sünde.

Bald nach seiner Ankunft in Paris hatte Herder die Preisaufgabe der Berliner Acadamie erhalten: „comment est-il à expliquer que les hommes abandonnés à leurs facultés se forment une langue?" Die Aufgabe regte ihn an, alte Studien zum Abschluß zu bringen. Schon Oct. 1767 hatte er vor, gegen Probst Süßmilch zu schreiben, der den göttlichen Ursprung der Sprache behauptet hatte. Nun gab ihm die Aufgabe der Academie Gelegenheit, seine halbfertigen Gedanken zu sichten. Er begann die Niederschrift, sobald er in seinen Wanderungen einige Muße fand, Oct. 1770, und schickte sie 1. Jan. 1771 fertig ein; so schnell vollendete er ein Werk, das in der Philosophie der Geschichte Epoche machen sollte. Fast ohne alle litterarische Hülfsmittel, rein aus dem Gedächtniß, in raschem Wurf aufgezeichnet, giebt sie ein Bild von der kühnen Art seines Denkens.

Der Mensch ist seiner Natur nach zur Sprache geschaffen, und das Menschengeschlecht mußte mit Nothwendigkeit zur Erfindung der Sprache kommen. Nicht durch die Naturlaute der Empfindung, die es mit den Thieren gemein hat: diese hätten sich nie zu Begriffen articulirt. Die Sprache wurzelt vielmehr in der geistigen Natur des Menschen, in dem Vermögen der Abstraction. Ohne göttliche Beihülfe wuchs das Wort und die Sprache, indem die Abstraction zwischen Auge und Ohr vermittelte, ein Merkmal von dem Gegenstand absonderte und dasselbe durch den Laut im Gedächtniß aufbewahrte.

Achtzig Jahre nach dieser Schrift huldigte Jacob Grimm „dem Genius des Mannes, der, was ihm an Strenge der Gelehrsamkeit ab

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ging, durch sinnvollen Tact und reges Gefühl der Wahrheit erseßend, die schwierige Frage so erledigt hat, daß seine Antwort noch immer zu= trifft."

In der nämlichen Zeit arbeitete Herder an zwei Abhandlungen, die er Sept. 1771 druckfertig versenden konnte, über Shakespeare und über die Lieder alter Völfer.

Schon in seiner Heimath, die sonst wenig liederreich ist, hatte Herder einige echte und sehr charakteristische Volkslieder aufgefunden; die Lettischen Dainos hatten seinen Horizont erweitert. Herder überseßte mit dem feinsten Verständniß Lieder aus Perch, aus Shakespeare, aus der Edda, aus Goldsmith, aus der Historia delas guerras civiles für das Spanische hatte er stets eine besondere Vorliebe - u. s. w.; jeder Art gab er den angemessenen Ton.

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Wer sich noch um's rohe Volk kümmern wollte, um ihre Grundsuppe von Märchen, Sagen, Liedern, Vorurtheilen welch ein Barbar wäre er! Er käme, unsre classische sylbenzählende Litteratur zu beschmußen, wie eine Nachteule unter die buntbekleideten singenden Gefieder!" So schreibt Herder in der Abhandlung „über Ossian und die Lieder alter Völker", die er Sept. 1771 druckfertig an Bode abschickte, die aber durch einen Zufall über ein Jahr lang liegen blieb. — Jene gemeinen Sagen und Märchen gehören zur Geschichte der Poesie: „sie sind Resultate des Volksglaubens, seiner finnlichen Anschauungen, Kräfte und Triebe, wo man träumt, weil man nicht weiß, glaubt, weil man nicht sieht, und mit der ganzen unzertheilten und ungebildeten Seele wirkt. Mit welcher Begierde haben die Engländer ihre alten Gesänge und Melodien gesammelt! Bei uns liegt der Schatz ungenüßt". Er empfahl Percy's Sammlung zum Studium wie zur Nachbildung dringend seinen Landsleuten.

Daß er Ossian als Beispiel echter Naturpoesie aufführte, verräth die damalige Unreise seiner historisch-ästhetischen Kritik: er theilte den Irrthum mit den bedeutendsten seiner Zeitgenossen. Wenn er aber in Ossian mehr hineinlegte als aus ihm heraus las, so giebt eben das, was er hineinlegte, ein schönes und treffendes Bild von dem, was er selbst sich unter ursprünglicher Volkspoesie vorstellte.

Je wilder ein Volk, desto sinnlicher seine Lieder. Sie wirken durch das Tanzmäßige der Melodie, die Symmetrie der Worte, der Sylben, selbst der Buchstaben; durch die lebendige Gegenwart der Bilder, den Nothdrang der Empfindung; durch all dies Dunkle und Unnennbare, das uns mit dem Gesang stromweise in die Seele fließt. Man wundert sich über die Sprünge, Würfe und überraschenden Wendungen des Volks

lieds; aber grade diese find für die Volksfeele das Natürliche; sie sind der ursprünglichen unentnervten Sprache besonders eigen; sie finden sich ebenso in den Propheten, in den Kirchenliedern unsers Luther, bei Klopstock; das Volk, das mehr Sinn und Einbildungskraft hat als der Gelehrte, wird leicht mit ihnen vertraut, und sie prägen sich ihm bleibender ein als das schulgerechte schläfrige Lied, wo kein Zwischengedanke und kein Zwischenpartikel ausgelassen ist: die Inversionen und die Fülle der Synonymen, die der falsche Classicismus verbannen möchte, sind das eigenste Mark der Sprache.

Alle Gesänge wilder Völker weben um eine lebendige Welt der Erinnerung. Der Sänger malt jeden Umstand, jede Bewegung, denn alle sind Theile seiner Seele. Wie reich und vielfach sind da die Umstände, Theilvorfälle, kleinen Züge! Diese, die der kalte Verstand nicht bemerkt, und der Afterverstand als überflüssig wegstreicht, find grade die wahrsten Striche des eigenthümlichen Gesichts.

Je kenntlicher sie der Ausdruck der Empfindung ist, desto stärker und bleibender der Eindruck der Dichtung. Der wahre Dichter ist nur Dolmetscher der Natur in die Seele seiner Brüder. Was auf ihn wirkt, und wie es auf ihn wirkte, das wirkt fort, nicht durch seine, sondern durch Naturkräfte: der dichterische Glaube wird Glaube des Volks, Quell seiner Sitte und seiner Glückseligkeit.

Sobald Kunst an Stelle der Natur tritt und gemachtes Gesetz an Stelle der lautern Empfindung: da dichtet immer, im wörtlichen Verstand erdichtet euch eine Natur! Empfindung, Handlung, Sitte! die Flamme der Poesie ist erloschen, und von ihren Wirkungen nur ein Häufchen Asche übrig. Die Dichtkunst verliert sich in gesellige Frivolität oder in ein seichtes Moralisiren. Die Verfeinerung der Sitten oder Gefinnungen hat etwas vom Opium, sie macht zur gesunden Speise, zu wahren Freuden und wahrem Gebrauch des Lebens untauglich. Keine Kraft zu genießen; desto mehr romantische Träume und Speculationen, an die kein Mensch weniger glaubt als ihr Urheber: er kann überhaupt an nichts mehr glauben, nichts anerkennen, nichts durchempfinden." In fremden Sprachen quält man sich von Jugend auf, Quantitäten von Sylben kennen zu lernen, die uns nicht mehr Ohr und Natur zu fühlen giebt; über Gegenstände zu dichten, über die sich nichts denken, noch weniger sinnen, noch weniger imaginiren läßt; Leidenschaften zu erkünfteln, die wir nicht haben, Seelenkräfte nachzuahmen, die wir nicht besißen: und endlich wird alles Falschheit und Künstelei. - Was ist feltner in unsern Tagen, als einen menschlichen Character zu erfassen wie er ist?

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Wir sehn so

ihn treu und ganz zu halten und ihn fortzuführen? viel, daß wir gar nichts sehn, und wissen so viel, daß gar nichts mehr unser, d. h. etwas ist, das wir nicht gelernt haben konnten, das mit Tugenden und Fehlern aus unserm Ich entsprang. Unfre Seelen werden von Grund aus verbildet; wir sehn und fühlen kaum mehr, wir denken und grübeln nur, wir dichten nicht im Sturm und Zusammenhang lebendiger Welt, sondern erkünsteln uns entweder das Thema oder die Art es zu behandeln.

Nur durch gründliches Studium unserer ältern Litteratur können wir unser eignes Wesen, dem wir uns entfremdet, wiederfinden, und aufhören, uns mit dem Abwurf der Lateiner und Franzosen zu füttern.

Eine willkommene Ergänzung der altdeutschen Sprache und Sagenwelt könnten Edda und Ossian bilden. Die nordischen und celtischen Sitten sind wesentlich deutsch, ihre idealen Frauen uns verwandter als die griechischen, ebenso ihre Sagen, ihre mythologischen Bilder, ihre Naturanschauungen. Shakespeare, der sich mühsam unter der Mythologie der Alten windet, lehnt sich in seinen wunderbarsten Schöpfungen an's Nordische an.

Wenn Sophokles Griechen rührt und bildet, so rührt und bildet Shakespeare nordische Menschen. Das ist ein Moment des Urtheils, welches Lessing entgangen war. Seine „Dramaturgie" beurtheilt die Dichter sämmtlicher Zeiten und Völker fast in gleicher Art als Bewerber um den Beifall des Aristoteles, um den Einfluß auf das deutsche Theater; fie legt an Shakespeare und Corneille den nämlichen Maßstab an wie an Sophokles und Plautus, weil nach Lessing's Ueberzeugung das menschliche Gemüth, welches der Dramatiker rühren soll, sich in allen Zeiten gleich bleibt wie die menschliche Vernunft. Nach Herder giebt es weder eine normale Vernunft noch ein für alle Zeiten normales Gemüth; jedes lebendige Gemüth, jede lebendige Vernunft hat ihren Erdgeschmack. Bei dem Urtheil über große Dichtungen handelt es sich nicht darum, ob sie sich dem Ideal unsrer Bildung nähern? sondern ob sie an sich echt sind? Ein gesundes Volk wird sich sein Drama nach seiner Geschichte, nach Sitten, Meinungen, Vorurtheilen und Traditionen eigenartig erfinden.

Zwischen der Kunst des Shakespeare und der Kunst der Griechen liegt eine tiefe historische Kluft.

Das griechische Theater ist aus dem Chorgesang hervorgegangen, jeder folgende Dichter hat die Personen, Handlungen und Situationen vervielfältigt; das Geseß der Einheiten war bei den Griechen historische

Nothwendigkeit. Das englische Theater, wie das moderne überhaupt, ging von der Massenwirkung, der tumultuarischen Abenteuerlichkeit der Mysterien aus: dies Uebermaß hat Shakespeare vereinfacht und ge= gliedert, und daraus ist die moderne Kunstform hervorgegangen. Wir haben also den umgekehrten Weg gemacht als die Griechen, und es hieße die Natur der Dinge verkennen, wenn wir auf ihre Bahn einlenken wollten.

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Shakespeare unterscheidet sich von den Alten auch dadurch, daß er da Farben und Duft giebt, wo jene nur plastische Umrisse geben; daß er die ganze Natur zur Mitleidenschaft mit dem menschlichen Schicksal heranzieht; daß bei ihm die Gewalt der Handlung durch die Melodie in der Folge der Stimmungen getragen wird. Mir ist, wenn ich ihn lese, Theater, Acteur, Coulisse verschwunden. Lauter einzelne im Sturm der Zeit wehende Blätter aus dem Buch der Vorsehung. Wie vor ein Meer von Begebenheiten, wo Wogen in Wogen rauschen, so tritt man vor seine Bühne. Die Auftritte der Natur rücken vor und ab; wirken in einander, so disparat sie scheinen, bringen sich hervor und zerstören sich, damit die Absicht des Schöpfers, der alle im Plan der Trunkenheit und Unordnung gesellt zu haben schien, erfüllt werde."

„Fand Shakespeare den Göttergriff, eine ganze Welt der disparatesten Auftritte zu einer Begebenheit zu erfassen: natürlich gehörte es eben zur Wahrheit seiner Begebenheiten, auch Ort und Zeit jedesmal zu idealisiren, daß sie mit zur Täuschung beitrugen. Aus Scenen und Zeitläuften aller Welt findet sich, wie durch ein Gesetz der Fatalität, eben die hieher, die dem Gefühl, der Handlung die kräftigste, die idealste ist, wo die sonderbarsten, kühnsten Umstände am meisten den Trug der Wahrheit unterstüßen.“

Herder's Hauptzweck seines Straßburger Aufenthalts war, sich eine Augenfistel operiren zu lassen; mit bittrer Resignation ertrug er lange zwecklose Schmerzen. Er lebte einsam für sich in seiner Klause, unter Büchern, in einer Hiße der Arbeit, welche die Krankheit nicht unterbrechen durfte. Die Cur mißlang völlig, und es kamen noch andre Umstände dazu, seine Abreise aus Straßburg zu beschleunigen. Die gesell= schaftliche Stellung zu seinem jungen prinzlichen Pflegebefohlnen mißfiel ihm sehr bald; schon 20. Sept. kündigte er, und nahm 16. Oct. die ihm angebotene Superintendentur in Bückeburg an: der Graf hoffte an ihm einen würdigen Nachfolger Abbt's zu finden, den er so begeistert gelobt. Seine Arbeiten und die Operation seiner Augenfistel verzögerte

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