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6. Das Schwert oder die physische

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Autorität.

Unsere bisherige Weltgeschichte der Eroberungen und Vergewaltigungen wird erst durch eine Kultur-, eine wahre Menschheitsgeschichte abgelöst werden müssen. Die Weltgeschichte kann uns nur mit Grauen erfüllen, sie ist nur das Spiegelbild einer Übergangsperiode aus

dem tierischen in den menschlichen Zustand. Der Mensch
hatte sich noch nicht in seine Befreiung gefunden. Jetzt
erst, durch die Naturwissenschaft wird er fiber seine
wahre Wesenheit aufgeklärt. Was als dunkler Drang
in den edelsten seines Geschlechtes sich fühlbar machte,
erglänzt im hellen Lichte der Erkenntnis. Auch die
Menschenschlächtereien werden aufhören, und der Mensch
wird sein eigentliches Reich der Freiheit mit unbefleckter
Hand betreten."
J. G. Vogt.

Nachdem Begriff und Bedeutung des reinen Mittels sowie der individuellen Wertung erörtert worden sind, kann ich dazu übergehen, eine Anzahl derjenigen Mittel, welche das moderne Leben zur Erreichung seiner Zwecke anwendet, individuell, d. h. mit Bezug auf mein Ziel, zu werten. Da dies Ziel die Gestaltung des freien Vernunftmenschen ist, so werde ich im allgemeinen festzustellen haben, welche Wirkungen die Objekte meiner Kritik für Freiheit und Vernunft haben; scheinen sie in überwiegender Weise den freien Vernunftmenschen zu beeinträchtigen, so sind sie mir unreine Mittel.

In welcher Beziehung zum freien Vernunftmenschen steht nun das Schwert als Vertreter der physischen Vergewaltigungsmittel? Die nächstliegende Antwort lautet: Das Schwert

tötet und verbreitet Todesfurcht; seine direkte Wirkung ist also der Freiheit und Vernunft entgegengesetzt.

Doch vielleicht fördert die Waffe indirekt Freiheit und Vernunft?

,,Der Gott, der Eisen wachsen liess,

Der wollte keine Knechte;

Drum gab er Säbel, Schwert und Spiess

Dem Mann in seine Rechte",

so sangen ja die Männer der Freiheits-Kriege, indem sie das Schwert als Mittel zur Befreiung werteten. Doch ich finde Grund genug, das Lied auch im entgegengesetzten Sinne umzuprägen: „Der Gott, der Eisen wachsen liess, Der wollte Herrn und Knechte". Ich halte nämlich die bewaffnete Macht für eine Quelle der Knechtschaft, ja für die wesentliche Quelle.

Die Recken der alten Zeiten wandten Beil, Spiess und Schwert nicht nur gegen reissende Tiere, sondern auch gegen Menschen an. Die Erschlagenen blieben vor Knechtschaft bewahrt, die Überlebenden aber wurden irgendwie ausgebeutet, stellenweise nur vorübergehend beraubt, von klügeren Siegern aber unterjocht, d. h. unter der Bedingung vom Schwerte verschont, dass sie, nebst ihren Nachkommen, dem Sieger einen Teil ihrer Arbeit überliessen, als Sklaven oder als Tribut

pflichtige.

Nicht nur gegen fremde Horden und Völker gingen die Recken in dieser Weise vor, sondern auch gegen den eigenen Stamm. Allerdings nicht plötzlich und unvermittelt denn das würde ihnen verhängnisvoll geworden sein sondern allmählich, zollweise, schleichend. Der „Dienst" pflegte die Maske der aufstrebenden Tyrannei zu sein. Sie, die Starken, Kühnen. Klugen und Wohlgerüsteten. liessen sich herbei, ihrem Stamme Vorkämpfer- und Führerdienste zu leisten. Ehrfurcht und hohe Beute wurden ihnen dafür gezollt. Die Ehrfurcht setzte sie in den Stand, sich mancherlei herauszunehmen, ohne den Unwillen des Volkes zu erregen. Der Reichtum aber wurde grösstenteils in guten Rüstungen. Waffen, Burgen und Vor

ratsspeichern angelegt, ferner in Helfershelfern, Kriegsknechten, die teils aus Furcht, teils aus Gewinnsucht sich dem persönlichen Dienste der Mächtigen widmeten; und solchergestalt gelangten die Führer in die Lage, dem Zorn ihrer Volksgenossen ein Schnippchen zu schlagen und ihnen folglich als Herrscher, als ausbeutende Herren gegenüber zu treten. Die Entwicklung des Feudalismus und der Leibeigenschaft illustriert diesen Vorgang.

Einmal auf den Geschmack des Herrschens geraten, empfanden die Tyrannen keine dauernde Stillung ihres Herrscherdurstes, sondern mit jedem Trunke eine neue Reizung. Und jeder ihrer Erfolge ebnete den Weg zu einem neuen Vorstosse gegen die Geknechteten. So wurde die unterdrückte Volksmasse der Waffen beraubt und jenes Mittel der Bewaffnung herangebildet, welches in vielen Ländern bis auf den heutigen Tag herrscht.

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Ein anderes, gewaltiges Werkzeug der Herrscher bildete die wirtschaftliche Abhängigkeit, oder so kann man auch sagen die Hungerpeitsche. Leo Tolstoi giebt in seiner Schrift „Geld" eine Schilderung der Art, wie die wirtschaftliche Abhängigkeit der Volksmasse von einer kleineren Anzahl Herren hier und dort entstanden sein mag. Das litterarische Dokument, auf welches er sich dabei stützt, ist die biblische Erzählung von Joseph in Ägypten (Genesis, Kap. 41, Vers - Kap. 47, Vers 26). Hier wird berichtet, wie der schlaue Israelit Joseph in Voraussicht einer Hungersnot dem ägyptischen Volke durch Bedrohung mit dem Schwerte einen Teil der Ernte abnehmen und in Pharaos Speicher sammeln liess. Als nun die „sieben mageren Jahre" gekommen waren, sahen sich die hungernden Ägypter genötigt, das ihm abgenommene Getreide von Joseph wieder zurück zu kaufen; anfangs zahlten sie mit Geld; als aber das Geld gebrach im Lande Ägypten und Kanaan", brachten sie ihr Vieh; als es ihnen schliesslich auch daran fehlte, die Hungersnot aber fortdauerte, kamen sie zu Joseph und sprachen: „Wir wollen unserm Herrn nicht verbergen, dass nicht allein das Geld, sondern auch alles Vieh

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dahin ist zu unserem Herrn, und nichts mehr übrig ist, als unsere Leiber und unser Feld. Warum lässt du uns vor dir sterben und unser Feld? Kaufe uns und unser Land ums Brot, dass wir und unser Land leibeigen seien dem Pharao...“ Also kaufte Joseph dem Pharao ganz Ägypten; die Ägypter verkauften ein jeglicher seinen Acker; denn die Teuerung war zu stark ... Da sprach Joseph zum Volk: „Sieh, ich habe heute gekauft euch und euer Feld dem Pharao. Da habt ihr Korn, nun besäet das Feld. Aber von dem Getreide sollt ihr den Fünften Pharao geben; vier Teile mögen euer sein, zu besäen das Feld zu eurer Speise" . . . Und sie sprachen: „Lass uns nur leben und Gnade vor dir, unserm Herrn finden; wir wollen gerne Pharao leibeigen sein". Also machte Joseph ein Gesetz bis auf diesen Tag über der Ägypter Feld“ . . Indem also die bewaffnete Übermacht den Schwachen ihre Vorräte abnahm, in Speicher einschloss und diese bewachte, zwang sie die Ausgebeuteten zu dauernden Abgaben. Statt den

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Einzelnen mit der Peitsche und dem dahinter lauernden Schwerte zur Arbeit anzutreiben, brauchte nunmehr der Herrscher bloss Wachen vor seine Speicher zu stellen, und das Volk wurde vortrefflich in der Knechtschaft gehalten, nicht mehr direkt durch das Schwert, sondern indirekt, durch Vermittelung des Hungers. Denn weil es das ihm abgenommene Getreide, besonders nach schlechten Ernten, nötig hatte, zur Nahrung, sowie zur Aussaat, fühlte es sich gezwungen, den Willen des Tyrannen zu erfüllen. Die wirtschaftliche Knechtung beruht also darauf, dass die bewaffneten Gewalthaber einen unentbehrlichen Teil der Nahrungs- oder Produktionsmittel des Volkes mit Beschlag belegt haben. Der Vorzug, den diese Form der Unterjochung im Vergleich zur Sklaverei für den Gewalthaber besitzt, besteht nach Tolstoi hauptsächlich darin, dass er nicht mehr nötig hat, die Arbeiter mit direkter Gewalt zur Arbeit und Abgabe zu zwingen, sondern dass diese selbst kommen und sich ihm verkaufen; sodann darin, dass eine geringere Anzahl von Menschen sich seiner Herrschaft zu entziehen vermag; und endlich darin, dass die Unterjochten einen

gewissen Schein der Freiheit haben, eine gewisse persönliche Bewegungsfreiheit, obwohl sie stärker gefesselt sind, als in der persönlichen Sklaverei. Einen Nachteil für den Herrscher erblickt Tolstoi in dem Umstande, dass dieser ausser den Kriegsleuten noch eine zweite Klasse von Helfershelfern nötig habe, „ein Heer von grossen und kleinen Josephen", nämlich von Beamten, welche die Ablieferung der Abgaben überwachen, die Speicher verwalten und die Vorräte verausgaben, mit denen der Herrscher also irgendwie teilen müsse; ausserdem liege es in der Natur der Sache, dass nicht nur die Beamten nebst ihrer Sippe, sondern auch alle diejenigen, welche selbst Vorräte besitzen, Teilhaber der Ausbeutung werden. Das ist allerdings richtig, aber Tolstoi übersieht, dass der Herrscher gerade in diesen Mitausbeutern die ergebensten Helfershelfer hat, welche ihm die Herrschaft wesentlich erleichtern durch ihr gleich gerichtetes Interesse und durch ihre netzartige Verbreitung über das Land.

Doch auch die gewaltigsten Herrschaftsmittel schlossen nicht die Möglichkeit aus, dass die Unterthanen infolge unerträglicher Ausbeutung zur Empörung gelangten. Kluge Gewalthaber sahen das und bemühten sich daher, die ausgebeutete Masse mit ihrer Lage zu versöhnen. Sie hingen also ihrer Tyrannei ein moralisches Mäntelchen um, liessen sich durch die Erzieher zu hehren Autoritäten machen und die bestehende Ordnung der Dinge als die Ausgeburt höchster Weisheit bezeichnen, sie bestrickten die Masse durch Pomp und Leutseligkeit, verbanden die Interessen der einflussreichen Leute mit den ihrigen, kurz, sie verbreiteten die Meinung, das Volk habe allen Grund, für ihre Regierung, die ja nur zum „allgemeinen Besten" diene, dankbar zu sein. Durch dies System erzeugten sie einen Gemütszustand, welcher eine gewisse Garantie für dauernde Unterthänigkeit bildet, nämlich die Knechtseligkeit.

Doch ich möchte nicht ungerecht sein; das herrschende Schwert half zuweilen seine Unterthanen schützen vor fremdem Kriegsvolk, vor ungesetzlichen Räubern und Dieben, oft be

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