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Babylonisches Phantasiebild?

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Gebiete der Amerikanistik hat sich die Erkenntnis von der Bedeutung der Sterne für die Mythologie Bahn gebrochen. Besonders Paul Ehrenreich hat reichhaltigen und lehrreichen Stoff unter diesem Gesichtspunkte mitgeteilt. Jüngst hat auch Heinrich Seler seinen Beitritt zu dieser Auffassung ausdrücklich erklärt.

In den Schriften und Aufsätzen der Kritiker begegnen wir, wie bereits bemerkt, wiederholt dem Hinweis, daß Assyriologen von Ruf das ganze System als ein kühnes Phantasiegebilde" bezeichnen, „zu dem die Keilinschriften selbst auch nicht den geringsten Anhalt bieten". Wir haben darauf folgendes zu erwidern.

Die babylonischen Inschriften bieten freilich kein Kompendium der Lehresie muß herausgelesen werden. Es scheint, daß auf Seite der Laien (aber nicht nur auf dieser Seite) der Nachweis einer Schrift verlangt wird, in der die Lehre im Zusammenhange dargestellt wird. Eine solche Urkunde wird sich niemals finden. Wir besitzen auch im Alten Testament kein Kompendium der israelitischen Theologie. Es ist oft auseinandergesetzt worden, daß speziell die Literaturgattung, die die Bibel besitzt und für die das Hineinspielen eines astralmythologischen Systems als Kunstform der Darstellung behauptet wird, innerhalb der uns zugänglichen Keilschriftliteratur nicht gepflegt wird. Die historischen Keilschriftdenkmäler sind annalistische Urkunden. Die israelitische Literatur hat auch dergleichen Annalen gehabt. Sie sind in den biblischen Büchern bis auf Reste, die man das Schema zu nennen pflegt, und Bruchstücke wie 2. Kg. 8, verloren gegangen. Die biblische Erzählung bedient sich der lingua vernacula, sie ist für einen weiteren Leserkreis bestimmt, sie will den Wissensstoff nicht konkret übermitteln, sondern im unterhaltenden und erbauenden Sinne dem Volke nahe bringen. Aber bieten die babylonischen Texte wirklich keinen Anhalt für die Bestätigung des Systems? Selbst

1) Mythen der nordamerikanischen Naturvölker, Beiband zu der Zeitschrift für Ethnologie 1905, vgl. dazu die Besprechung Wincklers OLZ 1906, No. 8 u 9 und KS V, S. 81; Götter und Heilbringer in Zeitschrift für Ethnologie 1906, S. 536 ff.

2) Zeitschrift für Ethnologie 1907, 1.

3) So formuliert bei Bezold, Die babyl.-assyr. Keilinschriften und ihre Bedeutung für das A. T. S. 23 und danach zitiert bei Wilke, War Abraham eine historische Persönlichkeit (vgl. zu dieser Schrift die Bemerkungen S. 6f, Anm. 1) unter Berufung auf C. Bezold und P. Jensen.

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Babylonisches Phantasiebild?

wer die Texte nur philologisch behandelt, kann sich doch gegen die Tatsachen nicht dauernd verschließen. Wir fragen1:

1. Ist es kein keilinschriftlicher Anhalt für das System, wenn die astrale Trias fast auf jedem Monumente zur Dar stellung kommt, teils um Sonne, Mond und Venus (abgesehen von den anderen astralen Bildern, die sich teilweise noch der Deutung entziehen) als Schwurzeugen für den Inhalt der Urkunde, teils als Leiter und Beobachter dessen, was unter ihnen geschieht, darzustellen?

2. Ist es kein keilinschriftlicher Anhalt, wenn die Taten der alten Könige Sargon und Naramsin unter Angabe der einzelnen Omina des gestirnten Himmels, unter denen sie geschehen sind, überliefert werden? Wenn jede wichtige Unternehmung vom himmlischen Vorzeichen abhängig gemacht wird?

3. Ist es kein Beweis für die Neigung zu astralmythologischem Einschlag in die Geschichtsdarstellung, wenn die Kindheitsgeschichte babylonischer und assyrischer Könige in mythisches Gewand gehüllt wird, um den König als Inkarnation der im Kreislauf der Zeiten erwarteten himmlischen Errettergestalt darzustellen, wenn ferner Sargon mitten in historischem Zusammenhange sich als den Anfänger eines neuen Weltenjahres darstellt (350 Könige Zahl des Mondkreislaufs hätten vor ihm regiert), wenn Sanherib, der ein neues Zeitalter inaugurieren3 wollte, als Adapa, als eine Neuerscheinung des Urmenschen bezeichnet wird?

Übrigens ist die Erkenntnis der astralen Philosophia orientalis durchaus nicht neu. Es hat zu allen Zeiten vereinzelte Geister gegeben, die im Zusammenhange mit der Astronomie und Astrologie die Überlieferungen der alten Weltanschauung in ihrer Einheitlichkeit erkannt haben. Im Altertum handelte es sich um ein Geheimwissen, das in der Tempellehre gepflegt

1) Zu den urkundlichen Nachweisen im einzelnen s. ATAO2 1ff. 2) Gudea, Sargon, Asurnaṣirpal, Merodachbaladan II., Asurbanipal, Cyrus, s. Babylonisches im N. T. 27 f. 29 f. ATAO 271, 410 ff. vgl. H. Zimmern KAT 380 ff.

3) ATAO 71. Zu Sanherib-Adapa, s. Winckler, Forschungen III, 300. Die Sargon-Aussage findet sich auf Cyl.-Inschr. Z. 45 (Keilinschr. Bibl. II, 47) und in Parallelen. K. 270, 1a heißt es in einer Inschrift Asurbanipals, des Enkels Sanheribs: Assur [sprach] im Traume zum Großvater des Königs, meines Herrn abkallu: der König, der Herr der Könige, ist der Enkel des abkallu und Adapa."

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Hindernisse der Verständigung.

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wurde und durch die Mysterienkulte in weitere Kreise getragen wurde. Ein großer Teil der späteren klassischen Überlieferung steht unter dem Einfluß des Euhemerismus, der ohne Einblick in jene Zusammenhänge vom Standpunkte des Rationalismus der griechischen Philosophie aus jene alten Überlieferungen erklärte1. Sie verschloß sich in ihrer Art dem Verständnis ebenso, wie es die moderne Auffassung tut, wenn sie von ihrer eigenen Weltanschauung aus jenes astrale Weltbild nicht versteht. Es ist die Auffassung der Philosophie des 19. Jahrhunderts und die Gedankenwelt der

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Die Gott und Welt und was sie selbst bedeuten,

Begriffen längst mit Hegelschem Verstande."

Allerdings hat es seine Gründe gehabt, wenn jene Art der mythologischen Forschung, die schließlich nur einen letzten Rest jener uralten Weltanschauung darstellt, in Mißkredit gekommen ist. Seit dem Zeitalter der ersten sprachwissenschaftlichen Entdeckungen hat eine weitgehende Etymologisierungssucht, die weit über die mögliche Kenntnis hinausging, und vor allem der naive Fehler, in jedem neu zugänglich gewordenen kulturellen und ethnologischen Gebiete, wie sie allmählich bekannt wurden (Indien, Ägypten), die Urheimat jener Gedanken. welt zu finden, wohlfeile Veranlassung gegeben, das unbequeme Problem in bequemer Weise beiseite zu schieben. Demgegenüber hat die Ethnologie die Notwendigkeit betont, die Völker aus sich selbst zu begreifen, aber auch über die Grenzen sprachlicher Trennung hinüberzugreifen, wie sie die Philologie und

1) Athanasius Kircher, Dupuis, Nork etc. Zuweilen hat man bei antiken Erzählern den Eindruck, daß sie den Sinn des (astral-)mythologischen Einschlags sehr wohl kennen, und man liest zwischen den Zeilen ihren Gedanken: „Das beste, was man wissen kann, darf man den Buben doch nicht sagen." Plutarchs Ansprache an Sossius Senecio, den Adressaten seiner Theseus-Schrift, ist nicht ohne feinen Humor (er war Apollo-Priester gewesen und mochte die Zusammenhänge wohl kennen):

,Es wäre freilich zu wünschen, daß das Mythologische sich mit Hilfe der Kritik gänzlich absondern ließe und die Gestalt der Geschichte annähme. Sollte es sich aber trotzig gegen die Glaubwürdigkeit sträuben und sich mit der Wahrscheinlichkeit durchaus nicht vereinigen lassen, so hoffe ich, daß die Leser billig genug sein werden, die Erzählung so entfernter Begebenheiten mit Nachsicht aufzunehmen.'

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Astrale Anschauung als Völkeridee?

Sprachwissenschaft in Verfolgung ihrer Taktik gezogen hatten. Dem Nichteingeweihten wird es nun scheinen, als hätte der panbabylonische Gedanke eine große Ähnlichkeit mit dem soeben geschilderten Fehler der ersten sprachwissenschaftlichen Begeisterung. Es ist oft auseinander gesetzt worden, worin er sich davon unterscheidet. Es handelt sich nicht um eine baby. lonische Turmpolitik. Die Heimat des astralen Grundgedankens aller Weltauffassung kann nur dort gefunden werden, wo die Heimat der Astronomie aller Menschheit ist und wohin alle astronomischen Überlieferungen und Andeutungen weisen1. Nur der Nachweis eines andern Erdenflecks als Heimat der Astronomie kann den Namen der panbabylonischen Idee ändern. Der astrale Charakter wird der ersten und einzigen geschlossenen Weltanschauung, die die Menschheit bis jetzt gehabt hat, bleiben.

Daß die astrale Weltanschauung gewandert ist und sich überall auf dem Erdball feststellen läßt, ist ein Ergebnis empi. drischer Untersuchung, von dem sich jeder Mythenforscher immer mehr überzeugt. Durchaus bedeutungslos ist dafür die Frage, ob wir mit unsern bisherigen Vorstellungen von der kulturellen Entwicklung der Menschheit und von den Möglichkeiten und Bedingungen einer solchen Wanderung uns eine Vorstellung machen können. Es ist uns von Wichtigkeit, dies hervorzuheben angesichts der Stellungnahme Wilhelm Wundts zur Wanderhypothese“ in seiner Völkerpsychologie II, Mythus und Religion 1. Teil S. 566 ff. Wundt sagt:

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Die Wanderhypothese habe von Haus einen rationalistischen Zug, denn sie hänge eng mit jenen Vorstellungen der Aufklärungszeit von einer irgend einmal durch Priesterweisheit vermittelten Erfindung zusammen, mit der sich dann leicht die weitere Vorstellung verbinden kann, eine solche Erfindung sei ein einziges Mal an einem bevorzugten Punkte der Erde geschehen, um von da aus über die ganze Menschheit sich auszubreiten. So liege denn in dieser Hypothese immer zugleich das Eingeständnis, daß der Mythus und demzufolge auch die Religion aus den allgemeinen Eigenschaften 1) Von hier aus sind die Ideen gewandert. Wenn man in Indien oder Ägypten das Ursprungsland fand, so war das also eine relativ richtige Fährte. Wir werden S. 21 ff. beispielsweise an der ägyptischen Religion zeigen, wie wichtig diese Erkenntnis ist. Für Ägypten kommt noch hinzu, daß es für die klassische Welt die Übermittlerin orientalischer (babylonischer") Weisheit gewesen ist.

Wilh. Wundts Stellung zur Wanderhypothese.

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der menschlichen Natur nicht zu begreifen seien. Man müsse zugeben, daß die geschichtlichen Zeugnisse für sich allein die Hypothese, alle Mythen und Religionen seien dereinst in vorhistorischer Zeit von einem einzigen Ursprungszentrum ausgegangen, durchaus nicht unmöglich erscheinen lassen, falls nur eine solche Hypothese psychologisch möglich sein sollte. Aber wenn etwas als Tatsache feststehe, so sei es in der Tat dies, daß die Eigenschaften der menschlichen Phantasie und die Gefühle und Affekte, die das Wirken der Phantasie beeinflussen, bei den Menschen aller Zonen und Länder in den wesentlichsten Zügen übereinstimmen, und daß es daher keiner alle Grenzen möglicher Nachweisung weit überschreitenden Wanderhypothese bedarf, um die Ähnlichkeit gewisser mythologischer Grundvorstellungen zu erklären.

Was Wundt vorschlägt, deckt sich in der Hauptsache mit der Bastianschen „Völkeridee". Die neue Auffassung hat ihren Standpunkt gegenüber der Völkeridee von Anfang an betont'. Von ihr und im Widerspruch zu ihr ist sie ausgegangen in ihrer Entwicklung durch Schüler und Verehrer Bastians. Die Gemeinsamkeit gleicher Vorstellungen aus gleichen allgemein menschlichen Voraussetzungen kann stets nur den Grundgedanken betreffen, kann aber unmöglich zur Durchbildung einer ganzen Gedankenwelt führen, die bis in die kleinsten Details hinein wie ein mathematisches Rechenexempel und das Räderwerk einer Uhr nicht nur im Gedanken, sondern auch im Ausdruck übereinstimmt. Es ist stets betont worden, daß es sich bei diesen Mythologien um eine Gedankenwelt handelt, die oft weit über dem Kulturniveau steht, auf dem sich die Völker befinden, bei denen wir sie feststellen müssen. Wenn Wundt von den ,Grenzen aller möglichen Nachweisung' spricht, so setzt das die von uns bekämpfte Vorstellung voraus, als wäre die moderne Geschichtskenntnis ausreichend, um schon eine annähernde Vorstellung von der Kulturentwicklung der Menschheit zu gewinnen. Die Ethnologie zeigt, daß Völkerwanderungen Teile des Erdballs miteinander verbunden haben, deren Wege und Mittel dem modernen Verstande durchaus unfaßbar sind. Es ist von 1) Vgl. Winckler, Die babylonische Kultur, S. 6; OLZ 1904, Sp. 95 Vgl. ferner ATAO2, S. 4 f.

2) S. 17 f.

Richthofen, China I,

3) Dies gilt schon von den Kulturvölkern. 404 ff., fand astronomische Lehren in China, die auf Babylon als Ursprungsland wiesen, und sagte: „Wir stehen hier vor einem der merkwürdigsten Probleme, welche uns die Vorgeschichte in bezug auf gegenseitigen Verkehr der Völker bietet."

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