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Das Recht des Opferns.

gebung wurden, wie wir sehen werden, alle Opferstätten außerhalb Jerusalem verboten, aber eben deßhalb mußte damals auch jene andere Sitte als antiquirt erklärt werden, nach welcher selbst das gewöhnliche Schlachten von Vich mit einer religiösen Ceremonie verbunden sein sollte.

Mit der Freiheit des Orts war nothwendigerweise auch nichtpriesterlichen Personen das Recht des Opferns gegeben; wenn das Bundesbuch (22, 29) verlangt, daß die erstgebornen Söhne Gott gegeben werden, so wird dieß im Zusammenhang mit jenem Rechte den Sinn gehabt haben, daß in jeder Familie oder Verwandtschaft den Erstgebornen die Opferhandlung zukam, weßhalb dieselben schon in der Kindheit durch eine Ceremonie zu dieser Würde geweiht werden sollten. In vorgeschichtlicher Zeit hatte es ohne Zweifel als eine religiöse Großthat gegolten, die menschliche Erstgeburt gleich den ersten Frühlingsfrüchten des Feldes und der ersten Zucht der Heerden als Brandopfer der Gottheit darzubringen. Allmälig wurde, wie in andern Religionen,*) so auch bei den Hebräern (theilweise wohl schon vor Mose) jene alte Anschauung durch das natürlich-sittliche Gefühl überwunden und an ihrer Stelle kam die Sitte auf, die erstgebornen Knaben entweder durch Opfer loszukaufen oder sie in irgend einer Weise für den Dienst der Gottheit zu weihen. Das Recht des Opferns kam aber nicht bloß den Erstgebornen, sondern Jedem zu, der in seinem Kreise der Erste war, dem Hausvater, den Stammeshäuptern, den Königen (vrgl. S. 72). Auf dieses „allgemeine Priesterthum“ übte freilich der Tempel in Jerusalem im Lauf der Jahrhunderte einen immer stärker beschränkenden Einfluß aus. Durch den Glanz des Kultus, durch die Menge der dort dargebrachten Opfer und die damit verbundenen reichen Einkünfte angezogen, sammelte sich in Jerusalem eine immer größere Zahl von Leviten, mit der Zahl wuchs unter ihnen das Standesbewußtsein und der Glaube an ihre höhere priesterliche Befähigung und

*) Vrgl. Uhland's schönes Gedicht: ver sacrum.

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Berechtigung, bis sie es schließlich dahin brachten, daß auch die Gesetzgebung ihnen das ausschließliche Recht der Opferhandlung zuerkannte.

Auch über die jährlichen Feste enthält das Bundesbuch Bestimmungen. Es nennt deren drei: „du sollst halten das Fest des Ungesäuerten, sieben Tage sollst du Ungesäuertes essen im Aehrenmond, und das Fest der Erndte, der Erstlinge deiner Früchte, die du auf dem Felde gefäet, und das Fest der Einsammlung im Ausgang des Jahres, wenn du deine Früchte eingesammelt vom Felde." (23, 14—17.) Ueber die an diesen Festen beobachtete Sitte vernehmen wir weiter nichts, als daß alle Männer vor Jehova (d. h. an einer Opferstätte) erscheinen sollten und zwar „nicht mit leeren Händen“. Im Allgemeinen ist die Bedeutung dieser Feste einleuchtend; das erste und das dritte entsprechen der im Alterthum fast überall verbreiteten Sitte eines Frühlings- und Herbstfestes, während das zweite als Erndtefest sich von selbst rechtfertigt. Da uns diese Feste in etwas anderer Weise (vrgl. S. 31) im Deuteronomium und in der Priestergeseßgebung wieder begegnen werden, so verzichten wir einstweilen auf eine eingehendere Besprechung derselben. Nur so viel muß hier konstatirt werden, daß das Bundesbuch bloß diese drei Feste kennt; wenn andere, wie das Passah und der Versöhnungstag, hier nicht erwähnt werden, so reichen dafür keine künstlichen Erklärungsversuche aus, sondern es liegt eben am Tage, daß das davidischsalomonische Zeitalter sie entweder noch gar nicht oder doch (wie das Passah) noch nicht als theokratische Sitte kannte.

Als Uebergang von den rein religiösen Verpflichtungen zu den Forderungen des Rechts und der edlen Sitte nennen wir die Bestimmungen über den Sabbat und das Sabbatjahr. (23, 10–12.) Der Sabbat ist nicht eine dem Mosäismus oder auch den alten Hebräern eigenthümliche Institution, vielmehr liegt sein Ursprung im Dunkel uralter aftronomischer Mythologie und seine Beobachtung findet sich deßhalb bei verschiedenen Völkern des Alterthums. Aber be

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deutungsvoll ist, was das Alte Testament aus ihm gemacht hat. Im Bundesbuch steht nämlich die Ermahnung, daß der Sabbat gehalten werde, in Einer Reihe mit Forderungen, welche sich auf das Verhältniß der Besißenden und Gebietenden zu den Armen, den Dienenden, den Fremdlingen beziehen. „Den Fremdling sollst du nicht drücken, heißt es dort (23, 9); ihr wisset, wie es dem Fremdling zu Muthe ist, denn Fremdlinge seid auch ihr gewesen im Lande Aegypten." Neben ähnlichen Ermahnungen zur Billigkeit und Gerechtigkeit gegen die Armen wird (23, 4 f.) sogar der Ochse und Esel des Feindes, wenn er sich verlaufen hat oder unter seiner Last erliegt, dem Erbarmen des Vorübergehenden anbefohlen. In diesem Zusammenhang wird nun auch gesagt: „Sechs Tage sollst du dein Geschäft thun, aber am siebenten Tage sollst du ruhen, auf daß dein Ochse und dein Esel raste, und der Sohn deiner Magd und der Fremdling sich erhole.“ Der ursprüngliche religiöse Gedanke, daß der siebente Tag der Gottheit heilig sei, ist hier also für das moralische Verhältniß von Mensch zu Mensch praktisch fruchtbar geworden; das Verbot, am Sabbat zu arbeiten, hat den Sinn, daß Knecht und Magd in ihren Menschenrechten geschüßt und der habfüchtigen Ausbeutung ihrer Arbeitskräfte Schranken gesezt werden. Schön ist der Gedanke, daß auch die zur Arbeit verwendeten Thiere ihr Recht auf den Sabbat haben sollen.

In noch weiterem Umfange wird die rohe Gewinnsucht des Besißenden durch das „Sabbatjahr“ bekämpft. Nur sechs Jahre hindurch soll er sein Land benußen, im siebenten Jahre soll er es ruhen lassen, und was es dann von selbst trägt, soll den Armen gehören, und was sie übrig lassen, sollen die Thiere des Feldes fressen; und zwar sind unter dem Land, das seinem Besizer nichts eintragen soll, nicht bloß die Getreidefelder, sondern ausdrücklich auch die Weinberge und die Delbaumpflanzungen verstanden. Diese Anordnung hatte gewiß nicht den Sinn, daß alles Land auf einmal, sondern daß jedes einzelne Grundstück, nachdem es sechs

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Jahre bebaut worden, ein Ruhejahr haben solle. *) ⋅ Die Brache wechselte alljährlich von einem Feld zum andern; in jedem Jahre gab es Aecker-, Del- und Weinpflanzungen, auf die keine Pflege verwendet wurde und deren Ertrag den Armen zu gute kam. Neben dieser humanen Rücksicht lag der Sitte offenbar auch ein wirthschaftlicher Gedanke zu Grunde und Beides war durch den religiösen Gedanken getragen, daß das Land Gott angehöre und deßhalb nicht ein Gegenstand räuberischer Ausbeutung sein solle.

Das Sabbatjahr wurde später so verstanden, als ob je im fiebenten Jahr das ganze Land auf einmal davon betroffen, also von Dan bis Beerseba kein Pflug geführt, kein Feld bestellt, kein Weinstock besorgt worden wäre. Man denke sich diesen, jedes siebente Jahr wiederkehrenden, absoluten Müßiggang einer fast ausschließlich auf Landwirthschaft angewiesenen Bevölkerung! Dazu in einem Lande, das nicht selten durch Dürre und Heuschreckennoth heimgesucht wurde! Mit welcher Gemüthsruhe muß das Volk am Sabbatjahr der furchtbarsten Hungersnoth entgegengesehen haben! Die spätere Priestergesetzgebung, welche die alte Sitte auf diese Weise mißverstund und ein solches allgemeines Sabbatjahr durchzuführen versuchte, nahm denn auch, um der Gefahr einer Hungersnoth vorzubeugen, ein in jedem sechsten Jahre wiederkehrendes Wunder in Aussicht, infolge dessen alle Aecker und Gärten für zwei Jahre auf einmal Früchte tragen sollten. (3 Mos. 25.) Es entsprach dieß den Mannasagen in der Priestergeschichtschreibung, nach welchen während der Wüstenwanderung je am sechsten Tage das doppelte Maß von Manna gefallen sein sollte, damit am Sabbat die Arbeit des Einsammelns unterbleiben könne.

Die milde Rücksicht auf die Besiglosen, welche in den Bestimmungen über Sabbat und Sabbatjahr überall durchklingt, tritt im Bundesbuch auch für sich selbst auf (22, 21 bis 27) und zwar spricht sich dabei wiederholt der Gedanke aus, man solle sich an die Stelle des Armen und Unglücklichen denken. Zweimal wird die Schonung des Fremdlings darum anbefohlen, weil auch Israel Fremdling in Aegypten gewesen sei und deßhalb wisse, wie es einem Solchen zu

*) Niehm, theol. Stud. und Krit. 1871. IV.

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Muthe sei; so wird auch gegenüber Wittwen und Waisen freundliches Erbarmen verlangt unter Hinweisung auf den möglichen Fall, daß die eigenen Angehörigen Wittwen und Waisen würden; in demselben Gedankengange bewegt sich die Warnung vor hartherziger Auspfändung des Schuldners, es wird verlangt, daß man ihm vor Sonnenuntergang sein Kleid zurückgebe, „denn es ist seine einzige Decke, sein Kleid für seine Haut: worauf soll er liegen?"

Auch über das Verhältniß der Sklaven zu ihren Herren stellt das Bundesbuch (21, 1—11) eine Reihe humaner Bestimmungen auf. Im Alterthum entstund Sklaverei meistens aus Kriegsgefangenschaft, doch konnten Israeliten unter ihren Volksgenossen auch durch Armuth und Verschuldung in diese Lage gerathen, das siebente Jahr aber sollte ihnen die Freiheit bringen. Der Sklave konnte indessen seine Gründe haben, seine bisherige Lage der Freiheit vorzuziehen; in diesem Falle wurde er durch eine religiöse Ceremonie auf Lebenszeit an das Haus seines Herrn gebunden. Es kam auch vor, daß der Vater seine Tochter als Sklavin verkaufte; diese Rohheit sucht der Gesezgeber dadurch zu mildern, daß er der Sklavin im Hause ihres Herrn bestimmte Rechte giebt, wenn dieselben ihr nicht gewährt werden, foll fie die Freiheit wieder haben. Auch vor Mißhandlung soll der Sklave geschüßt sein; etwas schüchtern sind zwar die Bestimmungen über eine solche mit tödtlichem Ausgang, für eine bloße Körperverlegung aber soll der Sklave frei werden. (21, 20 f. 26 f.) „Wer aber einen Menschen stiehlt, ob er ihn verkaufe oder behalte, der soll getödtet werden." (21, 16.)

Bezüglich der Rechtspflege wird ernstlich für Alle, auch für Arme und Fremdlinge dieselbe unbestechliche und unparteiische Gerechtigkeit verlangt (23, 1–9). Eine mit der Theokratie eng verknüpfte Unvollkommenheit (vrgl. S. 70) ist es zwar, daß die Entscheidung in Rechtssachen vielfach von Orakel und Loos abhängig sein sollte (22, 8 f.), da gegen werden behufs einer genauen Ermittlung des That

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