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Prophetische Schriftstellerei.

Natürlich geben diese schriftlich abgefaßten Reden nur im Allgemeinen ein treues Bild der mündlich gehaltenen; an wörtliche Uebereinstimmung ist schon darum nicht zu denken, weil jene kunstvoll angelegte, mit allem Schmuck des poetischen Ausdrucks, des Rhythmus und Strophenbau's ausgestattete Dichterwerke sind, während diese, im Drang der Umstände geboren, großentheils improvisirt wurden; sodann ist in den uns vorliegenden prophe. tischen Reden nicht selten auf Dinge Rücksicht genommen, die zur Zeit, wo sie gehalten wurden, noch nicht bekannt sein konnten, ein Umstand, der sich nur dadurch erklären läßt, daß der Prophet bei der Aufzeichnung seiner Reden seither eingetretene Ereignisse mit berücksichtigte und sie in freier Weise mit dem früher Gesprochenen verwob. (Ein Beispiel hiefür ist Jes. 6. Vrgl. S. 222.) Als rein literarische Produkte werden auch die meisten in Prophetenreden dargestellten Visionen und symbolischen Handlungen zu betrachten sein. Zwar lag in der hocherregten religiösen Stimmung der Propheten unstreitig die Möglichkeit, daß ihnen die innerlich geschaute Wahrheit als ein äußerer Vorgang, sichtbar und hörbar, als Vision entgegentrat, (wofür wieder Jes. 6. als Beispiel dienen möge), ferner daß sie, was sie selbst in der Form der Anschauung erfaßt hatten, nun auch ihren Mitbürgern in sichtbarer Leibesgestalt, durch eine symbo lische Handlung vor Augen stellten; so rennt Jesaja im Aufzug eines Kriegsgefangenen durch die Stadt, um seine Mitbürger vor eben diesem Schicksal zu warnen, und Jeremia trägt ein Joch auf den Schultern, um die Unterjochung Jerusalem's anzukündigen. In den meisten Fällen aber erweisen sich sowohl die Visionen als die symbolischen Handlungen durch ihre Unnatur und Künstlichkeit als literarische Fiktionen, die der mündlich ge= haltenen Rede fremd waren.

Eine andre Art prophetischer Schriftstellerei, die für die Folgezeit entscheidend in's Gewicht fiel, war die Geschichtschreibung. Wirksamer und durchschlagender konnten die Propheten ihr Glauben und Hoffen nicht aussprechen, als indem sie es an einzelnen Gestalten und Ereignissen der Vergangenheit veranschaulichten und den ganzen Verlauf der Volksgeschichte zur Trost- und Mahnrede gestalteten; auf diesem Felde wurden ihre Bemühungen durch den schönsten Erfolg belohnt, durch das Medium der Geschichte prägten sich die wichtigsten prophetischen Ideen dem Volksgeiste schließ

Die Vereinsamung der Propheten.

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lich überwältigend und unverlierbar ein. Es ist dieß aber wichtig genug, um an seinem Orte besonders besprochen zu werden.

So nachhaltig die Propheten auf spätere Jahrhunderte wirkten, so auffallend vereinsamt stunden sie unter ihren Zeitgenossen da. Für den Ernst ihrer sittlichen Forderungen scheint das Volk keinen Sinn gehabt zu haben; auch wo sie die einfachsten Grundsäße des Rechts und der bürgerlichen Ordnung vertraten, wurde oft ihr gerechtester Tadel als bloße Schmährede feindselig zurückgewiesen, „falsche“ Propheten verbanden sich mit dem Leichtsinn des Volks, schmeichelten seiner Nationaleitelkeit und lähmten den Einfluß der ernster Gesinnten. Die Schilderungen, welche die Propheten über diese Zustände geben, enthüllen einen hohen Grad von öffentlicher Ungerechtigkeit und sittlicher Zerrüttung, der das Volksleben beider Reiche anheimgefallen war. Es mag zwar sein, daß die Propheten, wie es strengen Bußpredigern zu begegnen pflegt, die Farben zu grell auftragen, auch dürfen wir nicht vergessen, daß das orientalische Volksleben zu allen Zeiten, auch in den bestregierten Staaten, an mangelndem Rechtsschuß, an Uebermuth der höhern Klassen und Ausbeutung der niedern krankt, gleichwohl müssen wir aus den prophetischen Schilderungen auf ungewöhnlich schwere sociale Schäden und Verirrungen schließen und unwillkürlich fragen wir, wie eigentlich dieses Volk zu der Ehre komme, vor allen andern Völkern des Alterthums der Träger der Religion zu sein. Aehnlich können wir aber auch anderwärts fragen. War nicht Athen die Stadt der freien, humanen Bildung, der Siz der Philosophie? Und doch hat Athen seinem Sokrates den Giftbecher gereicht! Wenn man ein Volk mit einer bestimmten höhern Mission bekleidet nennt, so meint man damit nichts anderes, als daß in dieser bestimmten Richtung aus seinem Schoße Leistungen hervorgegangen, die anderswo unmöglich gewesen wären. Wenn Sokrates in Athen als Märtyrer starb, so war gleichwohl Athen die einzige Stadt der Welt, in welcher ein Sokrates

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leben, lehren und das sein konnte, was er war, und sogar der Haß, den er zu ertragen hatte, ist nur ein Beweis für den Einfluß, den er ausübte und den er nur hier ausüben konnte. Dasselbe gilt von den Propheten Israel's; in schmerzlicher Vereinsamung stunden sie unter ihrem Volke, sie wurden geschmäht, gehaßt, verfolgt, aber gleichwohl war es doch nur dieses eine Volk des Alterthums, das nicht bloß fähig war, solch' eine Geistesfrucht hervorzubringen, sondern in seinem öffentlichen Leben auch Raum hatte, um diese Männer reden und wirken zu lassen. Die Propheten waren das höhere Selbst des Volkes und immer ringt sich dieses in Individuen wie in Völkern mit Schmerz und Mühe an's Licht.

Unter allem, was die Propheten lehrten, war doch Ein Gedanke auf fruchtbaren Boden gefallen und ging, weil er nicht tiefe Wurzeln bildete, im Volksgemüthe rasch und freudig auf; es war die Hoffnung auf eine bevorstehende Zeit höchster Macht und Wohlfahrt. Namentlich in Juda, wo man die Herrlichkeit der davidisch-salomonischen Zeit nicht vergessen konnte, sah man in jeder glücklicheren Wendung der Dinge einen Vorboten für die Wiederkehr jenes ruhmreichen Jahrhunderts, so namentlich jezt, in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts, als unter Usia und Jotam noch einmal die Sonne lachte. Troß jener schweren Uebelstände im Innern, troß des gefährlichen Näherrückens Assyriens fuhr wie ein lustig bewimpeltes Schiff die Hoffnung einher, daß Jerusalem's Macht und Größe immer nur noch herrlicher sich entfalten und bald alle Nachbarländer überstrahlen werde. Dabei scheint sich die öffentliche Meinung besonders auf das Wort eines uns unbekannten Propheten gestüßt zu haben, das wir bei Jesaja (2, 2.) und Micha (4, 1.) citirt finden.

Dereinst in kommenden Tagen
Wird fest gegründet sein
Der Berg des Gotteshauses,
Erhaben über die Hügel.

Die Volkshoffnungen.

Dann strömen zu ihm die Heiden,
Und viele Völker kommen und sagen:

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Laßt uns steigen zum Berge Jehova's,
Zum Hause des Gottes Jakob's.

,,Er mög' uns lehren seine Wege,

"

"

Wir wollen gehen auf seinen Pfaden!
Von Zion geht aus die Lehre,

,,Des Herrn Wort von Jerusalem."

Dann richtet er unter den Heiden,
Ist Schiedsrichter vor vielen Völkern.
Die schmieden ihre Schwerter zu Hacken
Und ihre Speere zu Winzermessern;

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Nicht mehr wird heben Volk gegen Volk das Schwert,
Nicht fürder lernen sie den Krieg.

Diesen ausschweifenden Volkshoffnungen halten aber die Propheten ihre Ueberzeugung entgegen, daß nicht das gegenwärtige, sondern erst ein durch Leiden geläutertes Volk solch eine Zeit des Glücks und Friedens genießen werde, daß der Anbruch jenes Gottesreichs der Tag Jehova's, d. h. ein Tag des Gerichts über alle Sünde sein werde. (S. 209.) Wehe denen, ruft Amos (5, 18.), welche den Tag Jehova's begehren! Wozu denn euch der Tag Jehova's? Er ist Finsterniß und kein Licht. Wie wenn Jemand fliehet vor dem Löwen und es trifft ihn der Bär, und er kommt nach Hause und legt den Arm an die Wand und es beißt ihn die Schlange. Siehe, der Tag Jehova's ist Finsterniß und kein Licht, Dunkel und kein Schimmer an ihm." Also auch da, wo das Volk den Propheten Glauben schenkte, wo dieselbe Hoffnung auf kommende Tage des Glanzes ihrer aller Herzen höher schlagen ließ, auch da noch eine tiefe, trennende Kluft! Auf einsame Warte stellte die Propheten ihr sittlicher Ernst, der für ein fündiges Volk kein Heil erwartete, sondern nur aus Rechtschaffenheit und Bruderliebe wahre Volkswohlfahrt ersprießen sah.

2. Die einzelnen Propheten. Der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts gehören die Propheten Amos und

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Hosea an, welche beide, wiewohl Amos ein Judäer war, im nördlichen Reiche wirkten. Die gewaltigste Erscheinung dieser Zeit ist Jesaja, dessen Thätigkeit die zweite Hälfte des Jahrhunderts füllt, sein Wirkungskreis war Jerusalem, während sein Zeitgenosse Micha in der Landschaft Juda auftrat. In das 8. Jahrhundert gehört auch der unbekannte Verfasser von Zach. 9 bis 11. (Warum wir nicht auch Joel, der gewöhnlich noch vor Amos gesezt wird, hier aufzählen, wird später gerechtfertigt werden.)

Amos und Hosea.

Fünf Stunden südlich von Jerusalem, am Rand der Wüste Juda, liegt Amos' Heimat, Thekoa, auf aussichtreichem Hügel; nach Westen schweift der Blick über reiches Kulturland zur philistäischen Ebene hinab, nach Osten über ödes Gebirgsland, zwischen dessen Klippen da und dort das todte Meer aus der Tiefe heraufblickt, bis zum Gebirge Moab hinüber. Hier führte Amos bei seiner Heerde ein schlichtes, einfaches Leben, aber was in Jerusalem alle tieferen Gemüther beschäftigte, trat überwältigend auch vor seine Seele; auch ihm offenbarte sich der Gott Israel's als der Herr des Himmels und der ganzen Erde. Wenn er in stiller Nacht das Siebengestirn und den Orion ihre leuchtenden Bahnen wandeln, dann die Finsterniß in der Morgenröthe zerrinnen sicht, wenn der schwere Wellenschlag des todten Meeres heraufrauscht und der Sturmwind über die Berge braust, da erkennt er die Schritte Jehova's und den Odem seines schaffenden Geistes. 4, 13. 5, 8.

Siehe, der da bildet die Berge
Und der da schafft den Wind,
Der fund thut dem Menschen,

Was sein Rathschluß ist,

Der die Morgenröthe finster macht
Und schreitet über die Höhen der Erde,
Jehova ist sein Name!

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