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Forderungen, welche die Verfasser aufstellen zu müssen glaubten, sind Mose in den Mund gelegt. Als das Ostjordanland erobert war und das Volk im Begriffe stund, den Jordan zu überschreiten, dieß ist die Einkleidung verpflichtete der greise Führer sein Volk auf ein Geseß, das am Sinai noch nicht ausgesprochen worden war, das aber jezt mit dem Erwerbe fester Wohnsiße zur Geltung kommen sollte. Rein literarisch betrachtet, ist solch' eine Einkleidung zu allen Zeiten erlaubt; anders gestaltet sich die Frage, wenn eine literarische Fiktion als Mittel zur Einführung neuer Staatsgefeße dienen muß. Unstreitig könnte man von einem Betruge reden, wenn man nach den Begriffen unserer Zeit urtheilen wollte. Bedenkt man aber, daß es sich damals für die theokratische Partei um Sein oder Nichtsein handelte, daß ferner zu allen Zeiten bei Bürgerzwist und unversöhnlicher Parteiung die Reinheit in der Wahl der Mittel zu leiden pflegt und daß im Alterthum die Frage nach dem Ursprung einer Schrift von geringerem Belang war, als die Frage nach ihrem Inhalt, so wird man über Hilkia's und seiner Gesinnungsgenossen Vorgehen milder urtheilen müssen. Vor Allem aber fällt in's Gewicht, daß der Sieg, welchen die Theokraten über die Anhänger des Polytheismus errangen, zum geringsten Theil ihrer Kriegslist zu verdanken war, sondern zu allermeist der guten Sache, welcher sie dienten, der produktiven Kraft und der hingebenden Treue, mit der sie an einer neuen Gestaltung des religiösen Volkslebens gearbeitet hatten. - Die charakteristischen Besonderheiten dieses neuen Geseßbuchs find S. 23 in Kürze angegeben, jedoch müssen wir hier noch etwas ausführlicher darauf eintreten.

Hilkia's Gesetzbuch.

Was zunächst den religiösen Glauben betrifft, so finden wir hier jene Gedanken über Gottes Wesen und sein Verhältniß zu Israel, welche der Prophetismus des 8. Jahrhunderts in hocherregter, stürmischer Rede wie in der Form

Der Geist dieses Gesetzbuchs.

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lieblicher Geschichtserklärung vorgetragen hatte, im ruhigen Tone freundlicher, inniger Betrachtung ausgesprochen. Jehova ist der einzige Gott; ihm gehören die Himmel und aller Himmel Himmel, die Erde und was darauf ist. Nur an Israel hat er sich zu erkennen gegeben, dagegen den andern Völkern Sonne, Mond und Sterne zur Verehrung angewiesen. Um Abraham's und Jakob's willen liebt Gott sein Volk und wenn er es in Noth und Drangsal führt, so thut er es, wie wenn ein Vater seine Kinder züchtigt, aus Weisheit und Liebe. Darum soll auch Israel seinen Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aller seiner Kraft; die richtige Beschaffenheit des Herzens ist die Hauptsache, der ganze Gottesdienst muß Sache der Gesinnung, Ausfluß eines Gott liebenden Herzens sein. Darum sucht denn auch der Gesezgeber, seine Forderungen dem Menschen innerlich nahe zu bringen, sie ihm als das wahrhaft Vernünftige und Gute zu empfehlen.

„Das Gebot, welches ich dir gebiete, ist nicht unbegreiflich für dich noch fern, so daß du sagen müßtest: wer steigt in den Himmel und holt es uns? oder wer fährt über das Meer und verkündigt es uns? Vielmehr ist das Wort dir ganz nahe: es ist in deinem eigenen Munde und in deinem eigenen Herzen." 30, 11 ff. „Das wird eure Weisheit und euer Verstand sein bei allen Völkern, wenn sie diese Gebote hören werden und sagen müssen: Ei, welch' weise und verständige Leute sind das und welch' ein herrliches Volk! Denn wo ist solch' ein herrliches Volk, dem Götter sich also nahe thun, wie der Herr, unser Gott, so oft wir zu ihm rufen? Und wo ist so ein herrliches Volk, das so gerechte Sitten und Gebote hat, wie dieses Gefeß, das ich euch heute vorlege?" 4, 6 ff. Die vier ersten Kapitel, also auch die soeben citirte Stelle, sind zwar, wie die vier lehten, erst später hinzugekommen, sind aber in Sprache und Geist mit dem Grundstock des Deuteronomiums so eng verwandt, daß wir jene Stelle dennoch zur Charakteristik des Ganzen gebrauchen. können.

Mit eifernder Strenge aber spricht sich das Gesezbuch gegen den Gößendienst aus. Wenn ein Israelit andern Göttern dient, soll er gesteinigt werden, und wäre es eine

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Götzen und Bilderdienst.

ganze Stadt, die sich dieser Sünde schuldig gemacht hat, sie soll nicht verschont werden; mit der Schärfe des Schwertes foll Alles, was darin lebt, vertilgt, all' ihr Hab und Gut verbrannt werden und die Stätte wüste und unbebaut bleiben. Für die Eroberung Kanaan's wird dem Volke zur Pflicht gemacht, daß es in jeder Stadt, die es zu seinem eigenen Wohnsite wählen werde, die ganze frühere Bevölkerung ausrotte, „damit sie euch nicht verführen, zu thun nach ihren Greueln“. Zur richtigen Beurtheilung dieser Strenge darf man nicht übersehen, daß damals die alte kananitische Bevölkerung mit der israelitischen längst vollständig verschmolzen, also jene blutige Forderung nicht mehr ausführbar war; dieselbe hat hier nur den Zweck, den Grundsag der Reinerhaltung der mosaischen Religion in schärfster Form auszusprechen. Auch die Strafandrohungen gegen die eigenen gößendienerischen Volksgenossen sollen offenbar mehr zur Abschreckung dienen, als daß sie die Bestimmung hätten, in ihrer wilden, leidenschaftlichen Strenge angewandt zu werden.

Zur Reinerhaltung der mosaischen Religion gehört ferner, daß keine Gebräuche, die fremden Religionen entlehnt sind, in die eigene herübergenommen werden. Dazu rechnet der Verfasser den Bilderdienst und fügt deßhalb im Dekalog (vrgl. S. 68) dem Gebote: du sollst keine andern Götter neben mir haben“ den erklärenden Zusaß bei: du sollst dir kein Bildniß machen, keine Abbildung von dem, was im Himmel oder auf der Erde oder im Wasser unter der Erde ist; du sollst sie nicht anbeten, noch ihnen dienen, denn ich bin ein eifriger Gott, der die Missethat der Väter heimsucht an den Kindern bis in's dritte und vierte Geschlecht. Wie wir oben (S. 149 f.) sahen, sprach sich schon das alte Bundesbuch gegen die Jehovabilder aus und gewiß war auch der Tempel von Jerusalem meistentheils frei von solchen; im Reiche Israel aber gehörte das Jchovabild von Anfang bis an's Ende zum Staatskultus und kaum wird dasselbe auf allen Opferstätten der Landschaft Juda gefehlt

Der Kultus auf Jerusalem beschränkt.

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haben. Am Reiche Israel war nun die Drohung, welche nach der Einkleidung unseres Buchs schon Mose über den Bilderdienst ausgesprochen, in Erfüllung gegangen, schon ein Jahrhundert lang lag Samaria in Trümmern und noch zeigte sich kein Hoffnungsschimmer für Rückkehr der weggeführten Stämme und Wiederaufrichtung des zerstörten Reichs, die Missethat der Väter lag immer noch als ein Fluch auf den Kindern, jest schon auf dem dritten und vierten Geschlecht! Welch' eine Warnung lag darin für das übrig gebliebene Juda! Darum ließ es denn auch der Gesezgeber an der bloßen Drohung nicht bewenden, sondern energisch durchgreifend beraubte er kurzweg die Landbevölkerung ihrer bisher innegehabten Kultusfreiheit, nach der Marime, daß besser, als Ungehörigkeiten zu bestrafen, das sei, sie von vornherein unmöglich zu machen. Jene Reform, welche schon Hiskia versucht hatte, wurde nun also feierlich zum Staatsgeseh erhoben: fortan durften nur noch im Tempel von Jerusalem Opfer dargebracht und Feste gefeiert werden. Dieser örtlichen Beschränkung des Kultus entsprach die fernere Bestimmung, die ebenfalls im Interesse der Reinerhaltung des Jehovadienstes aufgestellt wurde, daß nur der Stamm Levi, aber Jeder aus diesem Stamme, zur Vornahme des Opfers und anderer heiliger Handlungen berechtigt sei.

Wiewohl das Deuteronomium keinen Rangunterschied zwischen Priestern und übrigen Leviten kennt, war es doch die Veranlassung zur Entstehung eines solchen. Da nämlich auf Grund dieses neuen Gesezes König Josia alle Kultusstätten auf dem Lande abschaffte, so waren die bisher dort beschäftigten Priester plötzlich außer Brod gesezt. Nun bestimmte zwar das Deuteronomium (18, 6 f.), daß jeder Levit aus irgend einer Ortschaft ganz nach seines Herzens Wunsch nach Jerusalem kommen könne, um hier priesterliche Funktionen zu verrichten, und daß er in diesem Falle gleichen. Antheil wie die andern Priester an den amtlichen Einkünften haben sollte. Allein diese Bestimmung kam nicht zur Ausführung; die Priesterschaft des Tempels weigerte sich, die übrigen Leviten als gleichberechtigt anzuerkennen, und ließ sie als mindere Brüder vom Lande nur zu untergeordneten Diensten und Handreichungen

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Sabbat und Sabbatjahr; Feste.

zu. So bildete sich ein Rangunterschied aus, der denn nach dem Eril auch gefeßlich normirt wurde.

Eine Zierde des Deuteronomiums, wie auch schon des alten Bundesbuchs (S. 154 ff.) sind die vielen eindringlichen Ermahnungen zu milder Rücksicht gegen Arme und Unglückliche, gegen Sklaven, Taglöhner, Schuldner, Wittwen und Waisen, sogar gegen die zur Arbeit verwendeten Thiere, Ochse und Esel. Auch hier, wie dort, wird Sabbat und Sabbatjahr durch diese Rücksicht motivirt; dagegen erscheint das Sabbatjahr hier in einer andern Bedeutung als dort, hier ist es wirklich das für das ganze Land ge= meinsam eintretende siebente Jahr und heißt Erlaßjahr der Schulden, wahrscheinlich in dem Sinne, daß in diesem Jahre die Schulden nicht eingetrieben, kaum aber, daß sie überhaupt dahinfallen sollten. Vom Brachliegenlassen der Aecker ist hier nicht die Rede.

Die geschlichen Bestimmungen über die jährlichen Feste stimmen im Allgemeinen mit denen des Bundesbuchs (S. 153) überein; neu ist, daß das Herbstfest hier Laubhüttenfest heißt, und daß unter den Gebräuchen des Frühlingsfestes die Passahmahlzeit erwähnt wird, wie wir denn auch von König Josia lesen, daß er zum ersten Mal „von der Zeit der Richter an“ das Passahfest gefeiert habe. Bei Besprechung der nacherilischen Priestergesetzgebung werden wir hierauf zurückkommen, wie wir auch andere Bestimmungen des Deuteronomiums, die erst dort ihre Vollendung erhielten (wie z. B. die Reinheitsgefeße), einstweilen noch unerwähnt lassen.

Von besonderer Bedeutung sind die Vorschriften des Deuteronomiums über die Rechtspflege, auf die schon das Bundesbuch großes Gewicht gelegt hatte und über deren. schreiende Mängel wir alle Propheten klagen hören. Richter soll es nach diesem Geseze in jeder Stadt geben und einen aus Priestern bestehenden obersten Gerichtshof in Jerusalem. *)

*) Nach 2 Chron. 19, 8 ff. soll dieser Gerichtshof schon durch Josaphat (um's Jahr 900) bestellt worden sein, jedoch ist in den Büchern der Könige nichts davon erwähnt.

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