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Das Neue Testament enthält endlich noch drei Briefe des Johannes. Der erste Brief hat, nach Sprache und Inhalt zu schließen, vielleicht denselben Mann zum Verfasser, ist jedenfalls demselben geistigen Kreise entsprungen, welchem das Evangelium desselben Namens seine Entstehung verdankt. Er bekämpft gnostische Irrlehrer, welche die Geschichte Jesu phantastisch verflüchtigten und die Realität seiner irdischen Erscheinung läugneten, indem sie dieselbe zu einem bloßen Scheine herabseßten. Dem gegenüber betont der Verfasser nachdrücklich, daß Christus in das Fleisch ge= kommen sei. Wie im Evangelium wird auch hier die Liebe und das Bleiben in ihr als wesentliches Merkmal des Christenthums den Lesern an's Herz gelegt. Der zweite Brief, an eine Kyria, der dritte, an einen Cajus gerichtet, enthalten neben Persönlichem ähnliche Klagen über die Widerseßlichkeit von Irrlehrern.

Am Ende der neutestamentlichen Lehrentwicklung angelangt, schauen wir auf einen geschichtlichen Prozeß zurüc, der in den mannigfaltigsten Bildungen an uns vorübergegangen ist. Wer mit der Vorausseßung an das Neue Testament herantritt, hier einen Coder christlicher Glaubenslehre aus Einem Gusse vor sich zu haben, wird sich nicht zurechtfinden; vielmehr hat jede Schrift ihren eigenen Charakter, Alles ist im Fluß der Entwicklung begriffen und auch die schroffsten Gegenfäße kommen in dieser Samm: lung zum Worte. Wie weit ist die Kluft, welche die Offenbarung Johannes' vom gleichnamigen Evangelium scheidet! Dort die tiefe Antipathie gegen alles Unjüdische, der Haß gegen die Heidenwelt als das dem Zorne Gottes verfallene Satansreich, das zu verabscheuen das Kennzeichen des wahren Christen ist, hier der liebevolle, weit ausschauende Blick über alle Völker, mit dem Christus spricht: „ich habe

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noch andere Schafe, welche nicht aus dieser Hürde sind; auch selbige muß ich führen und sie werden meine Stimme. hören und es wird Eine Heerde und Ein Hirte sein." Und wie stufenreich ist die Leiter, auf welcher die Christenheit den verklärten Meister zu immer höherer Würde emportrug! Von den synoptischen Aussprüchen Jesu welch ein Sprung bis zu den johanneischen Reden! Dort das rein religiöse Gefühl der Gotteskindschaft, das Jesus für sich und für Andere ausspricht und das ihn eben darum, weil er es mit Allen theilen wollte, zum Religionsstifter machte, hier der Gottessohn von Ewigkeit, der spricht: ihr seid von unten, ich bin von oben; wer mich sieht, der sieht den Vater; ich und der Vater sind eins!

Wohl ist es ein schöner Anblick, den ein hohes, gothisches Kirchenportal mit seinen aus Stein geschnittenen Aposteln und Evangelisten uns entgegenhält; in brüderlicher Eintracht schauen die ernsten Gestalten gleich einem heiligen Chor auf uns hernieder und wir erhalten den Eindruck, daß es eine große Wahrheit gebe, welche sie Alle wie aus Einem Munde der Welt verkündigt haben. Dieser Eindruck ist keine Täuschung, es klingt durch ihre Schriften ein Grundakkord, so voll und rein, daß man darob die Unterschiede vergessen kann. Aber diese Einheit liegt nicht so leicht erkennbar auf der Oberfläche, wie Viele es meinen; sie liegt überhaupt nicht in Dogmen und Glaubensvorstellungen. So wenig liegt die Einheit hierin, daß man getrost sagen darf: wenn jene ersten Träger und Verkündiger des Christenthums in solchen Punkten einig gewesen wären, so hätten wir gar kein Neues Testament. Denn dieses ist aus dem Kampf geboren; von jeder Schrift des Neuen Testamentes läßt sich nachweisen, daß sie aus dem Bedürfniß entsprungen ist, eine bestimmte Auffassung von Christus und Christenthum entweder neu in der Gemeinde einzubürgern und dadurch eine ältere zu verdrängen, oder eine angefochtene, mißdeutete zu vertheidigen. Ein ganzes Jahrhundert voll reicher Entwicklung, voll lebendiger Gegensäße liegt zwischen der

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ältesten und der jüngsten Schrift, und die Gegner, die sich bekämpften, sind beidseitig in dieser unserer Sammlung zu Worte gekommen.

Der Werth, den das Neue Testament für uns hat, liegt vor Allem darin, daß es uns in den Evangelien den größten religiösen Charakter, den die Welt gesehen hat, wenigstens so anschaulich vor Augen stellt, daß wir mit völliger Sicherheit den Kern seines Gottes- und Weltbewußtseins und die praktischen Ziele seiner Wirksamkeit erkennen und die welterneuernde Kraft seines Geistes uns aneignen können. Der gelehrte Forscher, wie der einfache, Erbauung suchende Bibellefer, fie fühlen Beide, daß für Erhebung und Veredlung des Gemüths, für Kräftigung von Herz und Willen kein Buch in der Welt zu finden ist, wie dieses vierfache Evangelium, aus dem uns die hohe, geistverklärte Gestalt des Zimmermanns von Nazareth entgegentritt; ob wir auf dieses Leben voll reinster Gottes: und Menschenliebe schauen, ob wir auf die unyergeßlichen Worte achten, die der Meister Granitblöcken gleich unter die Menschheit ge worfen hat, wir fühlen Alle, daß hier aus verborgenen Gottestiefen das ewig Menschliche an's Tageslicht_tritt, daß für alle wahre Geistesgröße hier die unversiegbare Quelle fließt.

Auch in den übrigen Schriften des Neuen Testamentes spricht sich der Geist, den Jesus geweckt hat, mit jener natürlichen Ursprünglichkeit und Urkräftigkeit aus, in welcher alles Leben in der Morgenfrische erscheint. Trop aller widerspruchsvollen Mannigfaltigkeit, die zwischen den einzelnen Büchern herrscht, klingt voll und rein durch die ganze Sammlung ein Grundakkord, der der Nachklang des Lebens Jesu ist. Wie sehr auch der neue Geist hier noch in den Fesseln des Judenthums liege, während er da schon fich loszuringen beginnt und dort in freier Klarheit einhertritt, und wie stürmisch auch diese Richtungen bisweilen aufeinander stoßen, Ein Gefühl geht durch alle Bücher: daß Gott und Mensch versöhnt und die wahre Religion gefunden

Schluß.

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sei, daß, was der Erzvater Jakob nur im Traume gesehen, eine Leiter zwischen Himmel und Erde, jest erfüllt, daß der Himmel mit all' seinen Gütern nun auf immer der Erde geschenkt sei. Schön sagt Lang: Es geht ein Jubel der Versöhnung durch diese Bücher vom ersten bis zum leßten Blatt, eine Freude, die kaum Worte findet, das lezte Wort der Religion endlich zu haben, was als Weissagung auf ein Künftiges vorhanden war, nun in der Erfüllung zu besigen, das Himmelreich verwirklicht zu sehen. Jene Jünger, die einander entzückt zurufen: „Wir haben den Messias gefunden", jene ersten Christen der Apostel-Geschichte, die allem Volke versichern: es ist in keinem Andern das Heil", jener Paulus, dem es mit seiner Bekehrung zum Christenthum wie Schuppen von den Augen fiel und der nun überschwänglich gesegnet und wieder segnend seine Straße zog, jener Seher der Offenbarung", der mit der Erscheinung Jesu das neue Jerusalem, den Himmel selbst auf die Erde niedersteigen sah fie bezeugen Alle, Jeder in seiner Weise, daß der Traum Jakobs erfüllt sei. Wenn der Petrus der ApostelGeschichte die christliche Weltperiode darstellt als die Zeit, da Gott seinen Geist ausgieße über alles Fleisch, über Knechte und Mägde, Jünglinge und Greise, wenn der Verfasser des 4. Evangeliums mit dem Christenthum die Zeit angebrochen sieht, in welcher kein Bruder den andern mehr lehren und sprechen werde: erkenne Gott", weil Alle von Gott unmittelbar gelehrt seien, da der Geist der Wahrheit seine Wohnung aufschlagen werde im Menschen, um dessen Führer in alle Wahrheit zu sein — so ist das Christenthum als die leßte und höchste Stufe religiöser Entwicklung bezeichnet, auf welcher im Besize der Gotteskindschaft jede Schranke zwischen Gott und Mensch gefallen ist." *)

So bleibt das Neue Testament die Grundlage des Christenthums, auch wenn wir nicht daran denken, seine Vorstellungen über Himmel und Erde, über Gott und Welt,

*) Lang, Dogmatik. Zweite Ausgabe, S. 29.

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seine theologischen Anschauungen, seinen Wunderglauben, seine ersten Versuche der Dogmenbildung ohne Weiteres in unsere Zeit herüberzunehmen und unser Christenthum zur künstlichen Copie des damaligen zu machen. Das Band, mit welchem das Neue Testament jedes folgende Zeitalter an sich knüpft, ist stark und unzerreißbar genug, so daß wir nicht nöthig haben, in ängstlicher Fürsorge selbst noch Fäden zu spannen, die uns mit ihm verbinden. Das Band besteht darin, daß über die Religion der Gotteskindschaft und der Liebe keine Zeit hinauskommen wird, daß vor der Helden: größe, vor der Kraft und Fülle, mit der dort das religiöse Leben erscheint, jede Zeit sich beugen und an ihr sich ver jüngen und erheben wird. Denn nichts Großes, was die Menschheit einmal errungen hat, läßt sie wieder verloren gehen.

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