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Segen Jakob's und Segen Mose's.

den Höhen des Feldes." Warum Juda nicht erwähnt ist, läßt sich fragen. Ob es von den Philistern unterdrückt war und deßhalb nicht in den Krieg ziehen konnte, oder ob es noch nicht oder nicht mehr zum übrigen Israel zählte, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten (vgl. S. 78).

Ein anderes Schriftstück, das aus der Zeit Samuel's stammt, zeigt uns, daß wenigstens am Ende unsres Zeitraums die verschiedenen Stämme als Brüder, als Söhne Eines Vaters galten. Es ist dieß eine Reihe von kurzen Sprüchen, die vielfach in Wortspielen, die vielleicht Volkswiße waren, die damaligen Zustände der einzelnen Stämme schildern; diese Sprüche werden dem „Stammvater“ Jakob in den Mund gelegt, der sterbend jedem feiner Söhne das Schicksal seiner Nachkommen geweissagt habe; sie heißen deßhalb der Segen Jakobs. (1. Mos. 49.) Aber in diesem Segen" werden drei Stämme verflucht! Nämlich Ruben, weil er keine große Bedeutung mehr hatte, während er früher der Erste und Stärkste gewesen, weßhalb er immer noch „Erstgeborner" heißt; ferner Simeon und Levi, weil sie kein eigenes Stammgebiet besaßen. Diese politische Unbedeutendheit der drei Stämme wird als Strafe für Vergehen der drei Söhne Jakobs dargestellt. Welch' frostiges Nationalgefühl und welche Sprödigkeit in der allmälig sich vollziehenden Annäherung der Stämme!

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Lehrreich ist die Vergleichung des Segen's Jakob's" mit dem Segen Mose's." (5 Mos. 33.) Es ist dieß eine ganz ähnliche Reihe von Sprüchen, aus der Zeit des getrennten Königreichs stammend, und soll ohne Zweifel eine Korrektur des erstern sein. Der Dichter hat für alle Stämme nur Segenssprüche; von dem immer schwächer werdenden Ruben sagt er: „er lebe und sterbe nicht, sein Volk möge unzählig sein!" dem Stamme Levi wünscht er, er möge seine Freude finden in der Hingebung an seinen heiligen Beruf. Troßdem, daß damals das "Volk in zwei Reiche gespalten war, werden doch alle Stämme durch dasselbe Band der Liebe und des Wohlwollens umschlungen und Allen wird Gutes gewünscht. Damals war eben Israel längst ein Volk geworden; zur Zeit, als der „Segen Jakob's" entstund, fing es erst an, sich als ein Ganzes zu fühlen.

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So haben die zwei Jahrhunderte vom Einzug der Israeliten in Kanaan bis zu Samuels Wirksamkeit (1300 bis 1100) die Bedeutung, daß in dieser Zeit die durch Mose in die Wüste geführten Hebräer, Aegypter, Araber, wie die seiner Zeit in Kanaan zurückgebliebenen hebräischen Volkstheile und endlich auch alte Kananiter zu einem Volke zusammenschmolzen, und zwar vollzog sich dieser Prozeß nationaler Vereinigung zum Theil unter dem Druck der Gefahren, die fortwährend die einen oder andern Stämme bedrohten, zum Theil durch den beständigen Mahnruf Derer, in deren Brust das durch Mose gesprochene Wort forthallte.

Das Buch der Richter schildert einzelne Kriege und Heldenthaten, die gegen in- und ausländische Bedrücker ausgeführt wurden, anschaulich und lebendig. Wenn ein Stamm oder mehrere eine Zeitlang unterjocht gewesen waren, so trat in freier Begeisterung ein Held an die Spiße des Volks, überfiel den Feind und machte der Noth ein Ende. Solchen Helden gestund man denn auch in Friedenszeiten richterliches Ansehen zu und nannte sie Richter, doch konnten auch Andere, durch Reichthum, vornehme Geburt, Weisheit oder durch ihre priesterliche Stellung Hervorragende in einem gewissen Umkreis die Richterwürde bekleiden. Unter denjenigen Richtern, die durch ihre Heldenthaten es geworden waren, waren die berühmtesten: Ehud, der die Moabiter schlug, nachdem er ihren König ermordet hatte (Kap. 3); Debora, die mit Barak das Joch des Königs von Hazor abwarf (Jael; Lied der Debora; Kap. 4 u. 5); Jerubaal, mit dem Zunamen Gideon, der die räuberischen Midianiter züchtigte, und dessen Sohn Abimelech, der drei Jahre König war (Fabel Jotam's; Kap. 6 9); Jephta, der die Bewohner des Ostjordanlandes vom Druck der Ammoniter befreite (Opferung seiner Tochter; Streit mit Ephraim; Kap. 11 u. 12); Simson, der es am liebsten im Einzelkampf mit den Philistern aufnahm und dessen Leben eine merkwürdige Mischung von derb komischen und tief tragischen Zügen bietet. (Kap. 14 bis 16.)

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Verlust der Bundeslade.

Alle diese kriegerischen Unternehmungen reichten aber nicht hin, die lezte drohendste Gefahr von Israel abzuwenden. Die Philister nämlich gingen ernstlich daran, mit ihrer überlegenen Macht die südlichen und mittlern Stämme völlig zu unterjochen und wehrlos zu machen. In der Ebene Jesreel erlitten die Israeliten eine schwere Niederlage. Damals war der hochbetagte Eli, Priester in Silo, Richter; aus dem dortigen Tempel wurde die Bundeslade geholt, um mit diesem Heiligthum den Kampf noch einmal zu wagen. Eli's Söhne trugen sie und das Heer empfing sie mit Freudengeschrei. In ängstlicher Spannung saß Eli am Thor und harrte des Ausgangs; da nahte der erste Flüchtling mit zerrissenen Kleidern und Erde auf dem Haupt und rief: „Israel ist geflohen vor den Philistern, deine Söhne sind todt und die Lade Gottes ist verloren!" Eli fiel rücklings vom Stuhl, brach das Genick und starb. Die Herrschaft der Philister über Israel war nun besiegelt, in allen seinen Gauen fand sich kein Held, der es errettet hätte. Aber gerade diese lette Noth sollte, wie der folgende Zeitraum zeigen wird, den Anlaß zu einer kräftigen und nachhaltigen nationalen Erhebung bieten, aus der endlich das einheitliche Ifrael, das Volk der zwölf Stämme hervorging.

Werfen wir noch einen Blick auf die Religion und die sittliche Kultur dieses Zeitraums, so ist schon aus der Kümmerlichkeit und Zerfahrenheit der politischen Zustände zu entnehmen, daß auch hier keine Fortschritte zu verzeichnen find. Zwar finden wir überall, daß Jehova als Ifrael's Gott galt, der es aus ägyptischer Sklaverei errettet und ihm die neue Heimat Kanaan geschenkt hatte; dieß aber nicht anders als wie auch andre Völker durch ihre Götter geführt und mit Wohnsißen beschenkt werden. In diesem Sinne spricht Jephta zu den Ammonitern (Richt. 11, 24.), fie sollen das Land bewohnen, das ihr Gott Kamos ihnen gebe, wie Israel das Land eingenommen, das ihm Jehova gegeben. Im Lied der Debora (Richt. 5, 4. f.) herrscht immer noch die Vorstellung, daß die Wüste das eigentliche

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Land Jehova's sei, von wo er seinem Volke zu Hülfe komme, um mit ihm in den Streit zu ziehen. Dagegen schienen die reichen Fruchtgelände Kanaan's, seine Delbäume und Weinberge eher von dem Gott herzurühren, den die Kananiter in heiterm Dienste verehrten, von Baal, dem Gott der lebenweckenden Sonne. Mit Beziehung auf ihn ist in der Fabel Jotam's (Richt. 9, 13.) vom Weinstock gesagt, daß er Götter und Menschen fröhlich mache. Warum sollten die Israeliten nicht auch diesem Gott ihre Dankbarkeit bezeugen und an seinen fröhlichen Festen Theil nehmen? Sie mögen es um so unbefangener gethan haben, als Baal ein sehr vielgestaltiges Wesen war (deßhalb der Plural „Baalim") und bisweilen auch die Züge des alten strengen. Semitengottes (Moloch, El Schaddai, vgl. S. 45) annahm und mit ihm verwechselt werden konnte; und war nicht auch Jehova durch Mose als der Gott der Väter verkündigt worden? So lange die höhere Geistigkeit, die in der mosaischen Verkündigung lag, nicht erfaßt war, konnte der prinzipielle Unterschied zwischen Jehova und den andern Göttern nicht erkannt werden. Ein Beispiel dieser völlig naiven Zusammenstellung Jehova's und Baal's bietet die Geschichte Gideon's. Nach seinem ursprünglichen Namen Zerubaal (fürchtet Baal) wurde in seinem Hause Baal verehrt, aber als es sich um eine Kriegsthat zur Befreiung seines Volkes handelte, rief er Jehova an, sein Schlachtruf hieß hier Schwert Jehova's und Gideon!" und nach erfochtenem Siege errichtete er ihm ein goldenes Bild. Den Namen Gideon „Hauer“ (wie die Namen Makkabäer, Karl Martell,Hammer") erhielt er offenbar als Kriegsheld, später las man darin, er habe den Altar Baal's zusammengehauen und legte dann auch dem andern Namen fälschlich den Sinn unter: Baal streite für sich selbst! Wie unbefangen man neben Jehova dem Baal diente, zeigt auch jener israelitische Städtebund, der Gideon's Sohn, Abimelech, drei Jahre lang als König anerkannte, und der Baal den Städtebauer, den Kulturbeförderer, den „Bundesbaal“ zu seinem Schuß

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Rohheit der Kulturzustände; Lied Lamech's.

gott hatte. War demnach Jehova zwar Israel's Gott, zumeist wohl Kriegsgott, so war er doch nur einer der übrigen Götter, und so blieb auch sein Dienst auf der Stufe der Naturreligion; Gideon errichtet ihm ein Bild, wahrscheinlich in der Gestalt eines Stieres, ebenso der Ephraimit Micha, der einen Leviten zum Dienst in seiner Hauskapelle unterhält, bis die ausgewanderten Daniten Priester und Bild räuberisch in ihre neue Heimat entführten. (Richt. 17. u. 18.) Jephta gelobt Jehova ein Menschenopfer und verschont seine eigene Tochter nicht, nachdem der Zufall fie bezeichnet hatte. Der Opferdienst in Silo wird durch Eli's Söhne in frechem, tempelschänderischem Uebermuth entweiht. (1 Sam. 2.) Es war überhaupt eine rohe Zeit voll blutiger Gewaltthaten; auch bei den Besten findet sich von edler Sitte nicht viel. Debora preist die Jael, die mit dem Gastrecht schmählichen Verrath geübt (Richt. 5, 24-27.), auf's Grausamste rächt sich Gideon an den Dörfern, die seinen Kriegern Speise verweigert hatten, schmachvolle Dinge aus Gibea und ebenso rohe Volksjustiz schildert ein Anhang zum Buch der Richter. (Kap. 19-21.)

Unter den poetischen Leistungen dieses Zeitraumes ist zunächst ein Lied zum Lob des Schwertes zu nennen, das dem mythischen Urvater Lamech in den Mund gelegt wurde; derselbe freut sich darüber, daß sein Sohn Tubalkain, der erste Waffenschmied, das Schwert erfunden hat, denn dadurch fühlt er sich in den Stand gesezt, jede Beleidigung mit dem Tode zu rächen. Völlig unverhüllt, in nacktester Rohheit tritt hier die wilde Lust der Blutrache an den Tag und treffend charakterisirt sich dadurch jenes Zeitalter der Rechtlosigkeit und der blutigen Selbsthülfe.

Ada und Zilla, hört meine Stimme,

Ihr Weiber Lamech's, merkt auf, was ich sage!
Einen Mann erschlag' ich für eine Wunde,

Einen Jüngling für eine Beule.

Denn siebenmal wird gerächt Kain,

Lamech aber siebenzig mal siebenmal!

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