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Neben diesem Ausdruck ungezügelter Wildheit finden wir aber auch kriegerische Lieder edlerer Art. Einer Zeit, in welcher der streitbare Held lieber mit wenigen treuen Genossen als mit einer großen Schaar von Unzuverlässigen sich dem übermächtigen Feind entgegenwirft (Richt. 7, 1—7), wo Jungfrauen mit Gesang und festlichem Tanz dem heimkehrenden Sieger entgegenziehen (Richt. 11, 34), wo die schöne Fürstentochter dem Tapfersten verheißen wird und ihr Besiß der Preis einer Heldenthat ist (Richt. 1, 12, wie auch später noch 1 Sam. 17, 25. 18, 17 ff.), einer solchen Zeit kann das Verständniß der poetischen Seite der Fehden und Abenteuer nicht fehlen; durch die Rohheit der Zeit bricht da ein Zug romantischen Ritterthums und die Poesie wird es nicht unterlassen, Frauenliebe und kühnes, wagendes Heldenthum in Einen Kranz zu verflechten. Ein Zeugniß dafür bietet uns die Simsonsage, welche ursprünglich in der poetischen Form von Heldengesängen vorhanden war. Ein Kriegsmann aus dem Stamme Dan nimmt, auf seine persönliche Kraft vertrauend, den Einzelkampf mit den gefürchteten Philistern auf und zwar zieht er nie aus bloßem Nationalhaß in den Streit, er wartet, bis er in einem ihm zugefügten Unrecht einen ehrenhaften Anlaß, eine regelrechte Herausforderung erkennt; dann aber schädigt er die Feinde, wie er kann, zündet ihre Felder an, hebt Festungsthore aus und erschlägt Tausende im offenen Kampf. Manch' derb komischer Schwank ist in die Erzählung eingeflochten, mit dem Faustkampf wechselt auch der geistreichere des Räthsels und die Kunst der Verstellung, und wieder zieht sich durch das Ganze der tief tragische Zug, daß nach göttlichem Verhängniß (Richt. 14, 4) den gewaltigen Recken das Herz stets zu den Töchtern seiner Feinde zieht, von denen jede ihn in Gefahren verwickelt und die leßte ihn treulos verräth; jezt ein Sklave der Philister, seiner Augen beraubt, ein Gegenstand ihres Spottes, reißt er einen Tempel ein, in welchem Tausende festlich versammelt waren, und begräbt sich mit seinen Feinden unter den Trümmern.

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Simson und Herkules; Lied der Debora.

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Noch in ihrer jezigen Gestalt zeigt die Simsonsage soviel künstlerische Anordnung und Abrundung und enthält so zahlreich eingestreute Verse oder kleine Strophen, daß man wohl mit Recht annimmt, die 12 Abenteuer Simson's seien einst in einem Cyklus romanzenartiger Gedichte besungen worden, von denen sich nur der allgemeine Stoff, in prosaische Erzählungen aufgelöst, erhalten habe.*) Die nahe Verwandtschaft mit der griechischen Herkulessage fällt in die Augen (die erste That bei Beiden ist die Erlegung eines Löwen; wie Simson Füchse fängt, so Herkules den schnellen Hirsch der Diana; das Thor von Gaza und die Pforte von Gades, die Säulen des Herkules"; Delila und Dejanira); dieselbe erklärt sich aus den phönizischen Sonnenmythen, welche sowohl nach Griechenland als in das näher gelegene Kanaan übergetragen, in beiden Ländern ihre eigenthümliche Verarbeitung erfuhren. Die hebräische Ueberlieferung knüpfte diese Naturmythen an einen uns unbekannten Volkshelden aus dem Stamme Dan, der mit den Philistern manchen ritterlichen Strauß bestanden haben mag; aber je weniger hier ein fest ausgeprägter historischer Stoff vorhanden war, um so freieren Spielraum hatte die Poesie und konnte an diesem Helden um so anschaulicher den durch die Volksrohheit hindurchbrechenden romantisch-ritterlichen Geist zur Darstellung bringen. Wie völlig die mythische Grundlage vergessen wurde, zeigt der Zug der Sage, nach welchem die langen Haare Simson's, in welchen feine Kraft lag, auf ein Nasiräergelübde zurückgeführt werden; von einem Nasiräer (wovon unten) hat Simson gar nichts an sich, vielmehr sind die Haare die Sonnenstrahlen, die im Sommer Alles überwinden, der Wintersonne aber fehlen sie, sie unterliegt, bis die Strahlen ihr wieder nachwachsen, worauf sie von Neuem zu Kraftthaten schreitet.

Ernster und feierlicher, zugleich von religiösem Hauche durchweht, ist das schon öfters erwähnte Siegeslied der Debora (Richt. 5). Es ist ein Lied voll Kraft und Feuer; rasch von Scene zu Scene übergehend, schildert es zunächst die frühere Muthlosigkeit und Ohnmacht der nördlichen Stämme, dann ihre Ermannung zur That, wobei höhnischer Spott die Säumigen trifft, die Schlacht und den Sieg, die Ermordung des feindlichen Feldherrn Sissera durch Jael und zum Schlusse führt es uns mit bitterer Jronie in die

*) Meier, poet. Nat.-Literatur der Hebräer. S. 97 ff.

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feindliche Königsstadt Hazor in den Kreis der Frauen, welche die siegreiche Wiederkehr des getödteten Feldherrn erwarten. - Wie belehrend dieses Lied in volks- und religionsgeschichtlicher Beziehung ist, siehe oben.

Ebenfalls schon erwähnt (S. 77) ist das Siegeslied auf die Schlacht bei Gibeon, aus welchem bloß noch der (später mißverstandene und buchstäblich genommene) Spruch Jofua's (Jof. 10, 12) erhalten ist. *) Das dort erwähnte „Buch der Frommen" scheint eine Sammlung von Kriegsund Siegesliedern gewesen zu sein. Aus der mosaischen Zeit: das Lied der Miriam (S. 58) und ein Siegeslied über den Fall von Hesbon. 4 Moj. 21, 27-30.

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Doch auch dem Frieden fehlte es nicht an Poesie und Gesang in ernsten und heitern Weisen. So besißen wir (4 Mos. 21, 17 f.) ein kleines anmuthiges Liedchen, das die Mädchen beim Brunnen sangen, um sich wechselseitig beim Aufziehen des Eimers zu erheitern.

Steig' auf, o Brunnen,

Singet ihm zu!

Du Brunnen, den da haben

Die Fürsten gegraben,

Den der Führer uns gab

Mit seinem Scepter und Stab!

Der Ursprung dieses Liedchens wurde in die Zeit des Wüstenaufenthalts verlegt und an die Auffindung oder Erstellung eines Brunnens geknüpft. Der Ausdruck, daß die Volksführer diesen Brunnen mit ihren Stäben gebohrt haben, will natürlich nichts andres sagen, als daß das Volk unter ihrer Leitung auf einer Dase angekommen sei oder auch einen neuen Brunnen angelegt habe. Dieses Bild des Herrscherstabes erscheint hier als so gebräuchlich zur Bezeichnung der Führung, Leitung, Anordnung, daß sich daraus ergiebt, was der Stab Mose's war, mit welchem er eine Bahn durch das

*) Zu vergleichen ist das Gebet Agamemnon's bei Homer:
Nicht, o Zeus, laß sinken die Sonn' und das Dunkel heraufziehn,
Eh' ich hinab von der Höhe gestürzt des · Priamos Wohnung.

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Schilfmeer öffnete und aus dem Felsen Wasser schlug. Wie im Spruche Josua's, so wurde auch hier ein dichterisches Bild von einer spätern Zeit buchstäblich verstanden und zu einer Wundergeschichte gestaltet.

Fernere Liederterte haben sich nicht erhalten, wohl aber zahlreiche Spuren, daß solche in Menge vorhanden waren; so waren es auch wieder Mädchen, welche am jährlichen Herbstfest in Silo tanzend religiöse Lieder vortrugen (Richt. 21, 19), die von Gilead besangen das traurige Schicksal der Tochter Jephta's (Richt. 11, 40) und Debora spottet über die Krieger Ruben's, daß sie zur Flöte friedliche Lieder sangen, statt der Kriegsposaune zu folgen. Ueberhaupt ist ja selbstverständlich, daß ein Volk dichtet und singt, lange bevor es in Prosa schreibt, weil Gefühle eher erwachen und energischer nach einem schönen, lebendigen Ausdruck trachten, als diejenigen geistigen Interessen, aus denen ein prosaisches Schriftthum hervorgeht.

Auch die verständige Spruch dichtung fehlte diesem Zeitalter nicht. Die Simsonsage enthält anmuthiges Räthselspiel und Wigwort (Richt. 14, 12-18), der „Segen Jakob's" (S. 82) epigrammatisch zugespißte Wortspiele über die einzelnen Stämme, und ein ganz besonders heller, aber malkontenter Kopf hat die Fabel Jotam's (Richt. 9, 8—15) gedichtet, ein politisches Lehrgedicht über das Königthum. Die Bäume wollen einen König haben und tragen diese Würde nach einander dem Delbaum, dem Feigenbaum und dem Weinstock an, aber alle schlagen dieselbe aus, sie wollen ihre Fettigkeit, ihre füße Frucht, ihren Most, womit sie Götter und Menschen erfreuen, nicht lassen, um über den andern Bäumen zu schweben. Endlich nimmt der Dornstrauch die ihm angetragene Würde an: „ist es wahr, daß ihr mich zum Könige salben wollet, wohlan, so vertraut euch meinem Schuße; wo nicht, so gehe Feuer aus vom Dornstrauch und verzehre die Cedern des Libanon!" Allerdings dient der Dornstrauch als Gehege den Rebbergen und Gärten zum Schuß und von diesem Gesichtspunkte anerkennt

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der Dichter die Nüßlichkeit des Königthums, zugleich aber jagt er, daß es Niemanden, der aus sich selbst etwas sei, nach dieser Würde gelüsten werde, und daß vom Königthum nicht bloß Schuß, sondern auch jähes Verderben ausgehen könne. Die Fabel ist in die Geschichte der Söhne Gideon's verwoben, von denen Einer, Abimelech, sich zum König aufschwang, und wird dem vor ihm flüchtigen Jotam in den Mund gelegt; indessen möchte sie vielleicht eher einer Zeit angehören, in welcher das Königthum nicht, wie damals, bloß die verwegene That eines Einzelnen war, sondern vom ganzen Volke grundsäglich erwogen wurde. In einer solchen Zeit befinden wir uns beim Uebergang in den folgenden Abschnitt.

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