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deshalb, weil sich die Postulate auf der Basis der reinen praktischen Vernunft, jene Ideen aber auf der der reinen spekulativen Vernunft aufbauen.

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Aus diesem Grunde berechtigen die Postulate zu Begriffen, deren Möglichkeit auch nur zu behaupten die spekulative Vernunft sich sonst nicht anmassen könnte“ (S. 158). Diese Begriffe kann die spekulative Vernunft nur als Aufgaben vortragen, nicht aber auflösen (S. 159). So bringt es hinsichtlich der Unsterblichkeit die spekulative Vernunft nur zu Paralogismen (S. 159); die Freiheit bleibt problematisch (S. 159); das Dasein Gottes ist ein Ideal (S. 160). Was für die spekulative Vernunft transscendent, kein Erkenntnisurteil, ist, ist dagegen in der praktischen immanent, ein Werturteil1) (S. 160 ff.).

Der letzte inbetracht kommende Abschnitt aus der Kr. d. pr. V. ist der vom Fürwahrhalten aus einem Bedürfnisse der reinen Vernunft". Kant spricht hier von einem Bedürfnis sowohl der reinen spekulativen als auch der reinen praktischen Vernunft. Das erste führt nur auf Hypothesen; denn ich gehe vom Abgeleiteten in der Reihe der Gründe nach Belieben zurück bis zu einem Urgrunde, um meine Vernunft hinsichtlich des Abgeleiteten zu befriedigen, nicht um ihm objektive Realität zu geben. Z. B. setze ich als Erklärung der Ordnung und Zweckmässigkeit in der Natur eine Gottheit als deren Ursache voraus; dieser immerhin unsichere Schluss steht auf gleicher Stufe mit einer ,,allervernünftigsten Meinung❝ 2).

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1) Die Ausdrücke „Erkenntnisurteil“ und „Werturteil" stehen bei Kant an der bezeichneten Stelle nicht. Sie geben aber in ihrer Gegenüberstellung vortrefflich den Gegensatz wieder, den Kant zum Ausdruck bringen will, und sind aus diesem Grunde vom Verfasser gesetzt. Über Werturteile und Glaubensurteile" ist jüngst von Max Reischle (Halle 1899 und 1900) eine ausgezeichnete Untersuchung erschienen, in der mancher Gedanke Kants seinen Ausdruck findet. Werturteile sind nach Reischle solche Urteile, in denen von irgend einem in der Vorstellung fixierten Gegenstande ein Wert prädiziert wird“ (Allgemeine Definition S. 76 und S. 44).

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2) Hier liegt ein Widerspruch mit S. 625 der Kr. d. r. V. vor, wo Kant von der zweckmässigen Ordnung der Natur auf einen weisen Welturheber schliesst und hinsichtlich dieser Voraussetzung einer höchsten Intelligenz bemerkt: viel zu wenig sage ich, wenn ich mein Fürwahrhalten bloss ein Meinen nennen wollte, sondern es kann selbst in diesem theoretischen Verhältnisse gesagt werden, dass ich festiglich einen Gott glaube, aber alsdann ist dieser Glaube dennoch nicht praktisch, sondern muss ein doktrinaler Glaube genannt werden, den die Theologie der Natur (Physikotheologie) notwendig allerwärts bewirken muss“.

Ein Bedürfnis der reinen praktischen Vernunft führt dagegen zu Postulaten. Es gründet sich auf die Pflicht, das höchste Gut nach allen meinen Kräften zu befördern. Die Möglichkeit desselben und seine in spekulativer Hinsicht unbeweisbaren Bedingungen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit muss ich dabei Voraussetzen. Die Postulate betreffen nun die Bedingungen der Möglichkeit des höchsten Gutes zum Behuf eines praktischnotwendigen Zweckes des reinen Vernunftwillens, der einem unnachlasslichen Vernunftgebote gehorcht, welches seinen Grund objektiv in der Beschaffenheit der Dinge hat. Es ist also ein Bedürfnis in schlechterdings notwendiger Absicht, seine Voraussetzung ist erlaubte Hypothese und in praktischer Absicht Postulat. Bindet das moralische Gebot jedermann mit unnachsichtlicher Strenge, so darf ich sagen: ich will und beharre darauf, dass ein Gott, dass Freiheit, dass Unsterblichkeit sei, und lasse mir diesen „Glauben" nicht nehmen; hier wird mein Urteil durch mein Interesse, von dem ich nichts nachlassen darf, unvermeidlich bestimmt (S. 172).

Der „reine praktische Vernunftglaube" ist kein Gebot, das höchste Gut für möglich anzunehmen (S. 173); denn „ein Glaube, der geboten wird, ist nach Kant ein Unding" 1) (S. 173). Ein Gebot wäre hier auch ganz überflüssig, da die spekulative Vernunft nichts gegen eine solche Annahme einwenden kann, sondern sie einfach einräumen muss. Die Möglichkeit der Sittlichkeit anzweifeln, wäre soviel, als das Sittengesetz und alle Moralität anzweifeln. Und was das zweite Stück des höchsten Gutes anbetrifft, nämlich die der Sittlichkeit durchgängig angemessene Glückseligkeit, so hat die theoretische Vernunft nichts dagegen; nur über die Art dieser Harmonie von Sittlichkeit und Glückseligkeit kann die theoretische Vernunft nichts Gewisses entscheiden; da kann aber das moralische Interesse den Ausschlag geben (S. 173).

Unsere Vernunft findet es zwar subjektiv unmöglich, auf Grund eines blossen Naturlaufes die genau dem sittlichen Werte proportionierte Glückseligkeit zu erwarten, kann aber die tatsächliche Unmöglichkeit eines solchen Zusammenhanges auch nicht objektiv hinreichend begründen. Es scheint also der reine Ver

1) Ein „gebotener Glaube" ist der uns in der „Rel. innerh. d. Gr. d. bl. V." begegnende Offenbarungsglaube" (S. 176).

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Kants Lehre vom Glauben.

nunftglaube jeder Basis zu entbehren. Da tritt eine subjektive Bedingung der Vernunft ein; das ist die einzige, der Vernunft theoretisch mögliche und der Moralität allein zuträgliche Art, sich die Zusammenstimmung des Reiches der Natur mit dem Reiche der Sitten als Bedingung der Möglichkeit des höchsten Gutes zu denken. Die Art aber, wie wir uns das höchste Gut als möglich denken wollen, steht in unserer Wahl, die sich aus praktischem Interesse für die Annahme eines weisen Welturhebers entscheidet. Demnach ist das Prinzip, was unser Urteil hierin bestimmt, zwar subjektiv als Bedürfnis, zugleich aber als Beförderungsmittel des höchsten Gutes, was objektiv praktisch ist, der Grund einer Maxime des Fürwahrhaltens in moralischer Absicht, d. i. ein reiner praktischer Vernunftglaube. Dieser ist also nicht geboten, sondern als freiwillige, zur moralischen (gebotenen) Absicht zuträgliche, überdem noch mit dem theoretischen Bedürfnisse der Vernunft einstimmige Bestimmung unseres Urteils, jene Existenz anzunehmen und dem Vernunftgebrauche ferner zum Grunde zu legen, selbst aus der moralischen Gesinnung entsprungen, kann also öfters selbst bei Wohlgesinnten bisweilen in Schwanken, niemals aber in Unglauben geraten" (S. 175).

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So haben wir alle Abschnitte der Kr. d. pr. V., die über den Glauben etwas aussagen, dargestellt. Die Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft, die noch übrig bliebe, bietet nichts, was in den Bereich unseres Themas fiele.

Das Ergebnis der Untersuchung der Kr. d. pr. V. ist in kurzer Zusammenfassung folgendes.

Der Ausdruck ,,reiner Vernunftglaube "1) verdankt seinen Namen der Quelle, aus der er entspringt, nämlich der reinen Vernunft. Sowohl der theoretische als praktische Glaube ist ein „reiner Vernunftglaube". In der Kr. d. pr. V. erscheint dem Namen nach nur der reine praktische, speziell moralische Vernunftglaube. Statt des theoretischen Glaubens redet die Kr. d. pr. V. nur von einer „Hypothese“ und „allervernünftigsten Meinung". Der „reine praktische (moralische) Vernunftglaube" ist der wichtigste Begriff für die Untersuchung der Kantischen Glaubenstheorie, denn in ihm ist das Wesen und die Grundlage des Kantischen Glaubens" zugleich ausgedrückt. Dieser reine praktische Vernunftglaube gründet sich auf den Glauben an die unbedingte Verbindlichkeit

1) Vgl. oben S. 46–49, 50, 52, 66.

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des Sittengesetzes. Für die Wahrheit einer solchen Glaubensüberzeugung kann man (vgl. J. Bergmann,,Über Glaube und Gewissheit", Zeitschr. f. Philos. und philos. Kritik 1896, Bd. 106-107, S. 196) keine andere Bürgschaft haben als die Einsicht, dass sie wahr sei, und diese Einsicht kann man auf keine andere Weise haben, als indem man, wenn auch nur mit undeutlichem Bewusstsein davon, sieht, dass ein Kriterium der Wahrheit für sie zutrifft. Eine andere Quelle der Gewissheit des Glaubens an die sittliche Verpflichtung nachzuweisen, hat Kant gar nicht versucht. Der Glaube an die sittliche Verpflichtung ist bei Kant die einzig sichere Grundlage der Überzeugungen von der Freiheit des Willens, dem Dasein Gottes und der Unsterblichkeit der Seele. Theoretisch lässt sich nach Kants Ansicht gegen den reinen Vernunftglauben nichts einwenden; er kann nicht als unmöglich erwiesen werden. Während die Ideen der spekulativen Vernunft unauflösliche Probleme bleiben, gibt ihnen der praktische Glaube notwendige Geltung. Das subjektive Moment in diesem Glauben wird wie in der Kr. d. r. V. stark betont. Hervorgehoben an ihm wird auch, dass er nicht geboten, sondern freiwillig ist. Die Gewissheit des Glaubens ist nur eine andere, nicht eine geringere als die des Wissens, sofern er keine objektive, sondern eine subjektive, gleichwohl allgemeingültige Notwendigkeit mit sich führt; der Glaube ist nicht bloss Meinung, sondern moralische Überzeugung.

Es bleibt nun noch die Aufgabe, das Verhältnis zu statuieren, in dem der Glaubensbegriff zum Postulatsbegriff steht. Diese Frage drängt sich unwillkürlich auf, da eine gewisse Verwandtschaft beider Begriffe beim Durchgehen der betreffenden Abschnitte auch demjenigen sofort in die Augen fällt, der den Aufsatz „Was heisst, sich im Denken orientieren?“ (vgl. oben S. 49-52), in der Kant den Postulats- und Glaubensbegriff identifiziert, noch nicht kennt. Verglichen soll der Postulatsbegriff nur mit dem reinen praktischen oder moralischen Vernunftglauben werden, da nur hier sich die auffallende Verwandtschaft zeigt. Glaube und Postulat sind Annahmen oder Voraussetzungen. Das Postulat ist eine Annahme „in notwendig praktischer Rücksicht“ (S. 158) oder,,ein theoretischer, als solcher aber nicht erweislicher Satz, sofern er einem a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetze unzertrennlich anhängt" (S. 147). Dies Gesetz ist das Sittengesetz. Auch der moralische Glaube ist eine notwendige praktische Annahme und gründet sich auf das Sittengesetz. Glaube

und Postulat gehen hervor aus einem Bedürfnis der reinen praktischen Vernunft, nicht aus Neigungsbedürfnissen (S. 172 Anm.). Der reine praktische Vernunftglaube und die Postulate beziehen sich auf dieselben Ideen. Weder der Glaube noch die Postulate führen apodiktische theoretische Gewissheit bei sich und sind deshalb nicht imstande, unser spekulatives Wissen zu erweitern. Beide geben den Ideen der spekulativen Vernunft vermittelst ihrer Beziehung aufs Praktische objektive Realität, d. h. notwendige und allgemeine Geltung; die transscendenten und bloss regulativen Ideen der spekulativen Vernunft werden da zu praktisch immanenten und konstitutiven gemacht. Sowohl beim reinen praktischen Vernunftglauben als beim Postulat wird das subjektive Moment hervorgehoben. Glaube und Postulat sind nicht geboten, sondern freiwillig. Beide haben als inneres Merkmal die subjektive Gewissheit.

Aus dieser Vergleichung des Glaubens- und Postulatsbegriffes ersieht man, eine wie innige Verwandtschaft zwischen beiden Begriffen herrscht. Wir dürfen abschliessend das Verhältnis dahin statuieren, dass wir sagen: der Glaube fällt zusammen mit den Postulaten der praktischen Vernunft. Jener Satz aus der kleinen Schrift:,,Was heisst, s. i. D. or.?", in der, wie wir gesehen haben, Kant beide Begriffe gleichsetzt, hat also seine Richtigkeit. Somit ist die eingehende Betrachtung alles dessen, was mit dem Postulatsbegriff zusammenhängt und auf den ersten Blick als nicht direkt zur Untersuchung der Glaubenstheorie Kants gehörig erscheinen kann, gerechtfertigt.

V.

Der Glaubensbegriff Kants in der ,,Kritik
der Urteilskraft" (1790).

Die Kr. d. Urt. resp. die in ihr enthaltene Teleologie bedeutet für Kant „das Verbindungsmittel der zwei Teile der Philosophie zu einem Ganzen" (Einl. S. 13), die Vereinigung des Gegensatzes zwischen Natur und Freiheit, sinnlicher und sittlicher Welt, theoretischer und praktischer Vernunft, zwischen Naturbegriffen und Freiheitsbegriffen.

Für unsere Betrachtung sind vor allem die letzten Paragraphen der Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft heranzuziehen: Die blosse Physik otheologie (S. 329 ff.) kann, soweit sie auch getrieben werden mag, uns doch nichts von einem End

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