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den Anschein, als ob die Jungfrau aus dem Schosse der Mutter oder, wenn eine solche nicht da sei, aus ihrer nächsten Verwandtschaft räuberisch entführt würde, da man sie zum Manne schleppe. Die Braut wurde zum Schein überfallen, von ihren Angehörigen weggerissen und unter Sträuben und Tränen dem Manne zugeführt1). Freilich kann dies nur ein symbolischer Nachhall aus weitentlegener Vergangenheit sein, da die geschichtliche Zeit der Römer von einer Raubehe nichts weiss.

Bei den Germanen ist aus TACITUS2) bekannt das Beispiel des Arminius, der seine Gattin Thusnelda als einem Anderen verlobte Braut wider den Willen ihrer Eltern entführte; daher der Hass des Segestes und die unheilvolle Parteiung, die den Germanen mehr schadete, als die Waffen der Römer. Die Bemerkung des Tacitus, die er hierzu macht, ist typisch für die aus dem Frauenraub erwachsenden Streitigkeiten: »So war der Eidam verhasst, verfeindet die Schwiegereltern und, was bei Einträchtigen ein Band der Liebe ist, ward zum Stachel des Zorns bei den feindselig Gesinnten.< Und doch war diesen ehernen Geschlechtern, die den Strohtod verachteten und Kampf und Streit suchten, der Erwerb der Frau mit der gewaffneten Hand der edelste gerade wie Dionys den Romulus sprechen lässt. So feiern die alten Sagen den Helden, der sich sein Weib durch kühne Waffentat aus des Feindes Haus erbeutete. Und andererseits ist dem Heldenlied, gerade wie in der altrussischen Sage, der Freier ein Räubersmann, gegen den man sich wohl vorsehen muss; so verweigert in der Dichtung von König Rother der Griechenkönig Constantin seine Tochter jedem Mann und lässt die Gesandten des Freiers ins Gefängnis werfen3). Noch zur Zeit

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1) AUG. ROSSBACH, Untersuchungen über die römische Ehe, S. 329, 336 ff., 359 und Note 1215; Dargun, S. 100 ff.

2) Annalen 1, 55.

3) König Rother, herausg. v. HEINR. RÜCKERT (deutsche Dichtungen des Mittelalters, herausg. v. BARTSCH) v. 326 ff.

der Volksrechte behielt der Räuber die Geraubte als Ehefrau auch wider den Willen ihrer Verwandten, wenigstens wenn sie selber einwilligte. Und die altschwedischen Rechtsbücher räumen dem Bräutigam, dem die Übergabe der Braut verweigert wird, das Recht ein, sie sich mit einer gewaffneten Freundesschar gewaltsam zu holen. Erst das kirchliche Recht führte das Ehehindernis des Raubes oder der Entführung (raptus) ein1). Aber noch lange nachher bis in die neuesten Zeiten hinein haben die Hochzeitsspiele in mannigfacher Gestalt die Erinnerung an die gewaltsame Eheschliessung der Vergangenheit erhalten). So ist noch heute der Brauch weit verbreitet, dass Frauen und Kinder, ja auch Männer Seile oder Ketten über den Weg spannen, den das Brautpaar zu nehmen hat, und es selbst oder die Braut und ihren Ausstattungswagen pfänden3).

In den alten Heldengedichten der Kelten heiratet die Tochter ohne Anstand den Recken, der ihren Vater erschlagen hat, also den Räuber, der die Tochter und den Thron dazu nahm). Die Entführung war derart allgemein verbreitete Sitte, dass die keltisch-irischen Rechtsbücher die Folgen genau regeln. So gehören die im ersten Monat nach dem Raub erzeugten Kinder der Familie der Frau, doch können sie dem Vater verkauft werden 5). Und als Hochzeitsspiel bestand in den

1) Vergl. über das Vorstehende DARGUN, S. 111 ff.; BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 1, S. 72, 73 und in HOLTZENDORFFS Encyklopädie der Rechtswissenschaft, Systematischer Teil, 5. Aufl., S. 282; HÄUSLER, Institutionen Bd. 2, S. 277 ff.

2) DARGUN, S. 128 ff.

3) Diese Sitte ist auch in Ober- und Mittelitalien (wo sie fare il serraglio genannt wird), aber auch bei den Esthen nachgewiesen; WEINHOLD, Deutsche Frauen 3. Aufl. Bd. 1, S. 376.

4) DARGUN, S. 102.

5) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 363 ff., 412; es ist möglich, dass dies eine der Ursachen für die unten näher zu besprechende Enthaltung während der sogenannten Tobiasnächte war.

bergigen, also abgeschlossenern Teilen Irlands bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Entführung, zu welcher der Bursche, auch wenn ihm die Hand seiner Schönen gesichert war, sich ehrenhalber gezwungen sah1).

Ebenso altertümlich sollen die Hochzeitsbräuche im polnischen Litauen sein, wo noch bis in die jüngste Zeit bei der ländlichen Bevölkerung gleichfalls eine Scheinentführung zur Hochzeitsfeier gehörte 2). Jedenfalls ist bei den Litauern wie bei den russischen Völkerschaften und in den Ostseeprovinzen nach dem Zeugnis des Erzbischofs von Upsala Olaus Magnus, der sein Geschichtswerk über die nördlichen Völker im Jahre 1555 herausgab3), zu jener Zeit die Raubehe gang und gebe gewesen: die Familie des jungen Mannes überfiel beritten aus dem Hinterhalt die erkorene Schöne; diese rief meistens um Hilfe und nun entspann sich ein Gefecht; das Mädchen aber musste dem Sieger folgen. Auch hier wie bei den Germanen zu Arminius Zeiten, war die von dem gelehrten Bischof bezeugte Wirkung ein fort währender Kriegszustand »propter raptas virgines aut arripiendas *)<<. Derselbe Zustand wird uns aus diesen Gegenden von einem anderen Schriftsteller aus dem Jahre 1698 bestätigt 5).

Das war der böse Cirkel. Die Gewalttat erzeugte Gewalttat, auf die Entführung folgte die Blutrache, und ein Ziel war bei den alten Slaven nur gesetzt, wenn der Mann mit dem Mädchen entrann und sie als seine Frau freiwillig bei ihm blieb ). Das alte polnische Reichsgesetz Kasimirs III. (1333-70) regelt dies ausdrücklich: der gewaltsame Jungfrauenräuber ist

1) DARGUN, S. 102.

2) DABGUN, S. 104.

3) Historia de gentibus septentrionalibus, Romae 1555, L. XIV c. IX, p. 481. Vergl. auch NESTOR'S Chronik, Bd. I, c. XII.

4) OLAUS MAGNUS, ebenda, L. X c. II, p. 328.

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mit Leib und Leben der Gnade des Mädchens und ihrer Verwandten ausgeliefert (vita ipsius sit in oppressae virginis gratia et amicorum ejusdem), d. h. die Blutrache ist entfesselt; ist die Entführte damit aber einverstanden, beim Räuber zu bleiben, so verliert sie den Anspruch auf Ausstattung1). Ein wildes Bild kühner Zügellosigkeit! Die Frau, ein Streitstück der Männer, konnte nur durch Duldung zum Einhalten des Blutvergiessens beitragen. Viel Blut und Tränen stehen hinter diesen wenigen Gesetzeszeilen.

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Und das Volkslied hat diese alten Klagen erhalten. grossrussischen Liede heisst der Bräutigam jetzt noch der Fremdling, der Feind, der Adler, der den Schwan rauben will, und an ihrem eigenen Hochzeitstag singt die Braut: »Am Ende des heutigen Tages wird das ganze Volk besiegt, wird die Freiheit zur Unfreiheit werden2)«.

Gleiche Trauer im Hause der Braut herrscht in Oberalbanien beim Bergstamm der Maljsoren am Hochzeitstag. Schon am Tage vorher stimmen die Braut und ihre Freundinnen stundenlanges Wehgeschrei unter Tränenvergiessen, Heulen und Schluchzen an. Bei der Abholung wird die Braut regungslos, als ob sie steif an den Gliedern geworden wäre, auf das Pferd gehoben und von zwei Verwandten an den Armen festgehalten; in das Haus des Mannes und in das Brautgemach wird sie gestossen; auch bei dem Jawort vor dem Traualtar wird ihr der Kopf mit Gewalt von einer Gefährtin hinabgestossen3). Auch hier liegt der Grund dieser seltsamen Ge

1) BANDTKIE, Jus Polonicum, Warschau 1831, S. 106; vergl. TURNER a. a. O., S. 18. Die Mazowischen Statuten von 1386 (bei BANDTKIE a. a. O., S. 420) suchen die Blutrache nach Möglichkeit einzuschränken und verbieten vor allem, dass die Familie des Räubers weitere Blutrache für seinen Tod nehmen darf (Si vero tempore detentionis ejusdem präfatis parentibus vel amicis ipsum violatorem occidere contigerit, tunc pro hujusmodi occisione nullus amicus ejusdem occisi ipsum debebit vindicare). 2) KULISCHER in Zeitschr. f. Ethnol. 1878, S. 207.

3 GOPCEVIC, Oberalbanien und seine Liga, S. 447 ff.

bräuche in den Gewalttaten der Vorzeit. Bei den mittelalbanesischen Mirediten ist es bis in neuere Zeit vorgekommen, dass die Häuptlinge ihre Frauen aus türkischen Familien raubten und gewaltsam tauften 1). Ganz schlimm sah es aber bis in die Neuzeit im Königreich Serbien, in Bosnien2) und vereinzelt auch bei den österreich-ungarischen Serben aus. Noch am Anfang des 19. Jahrhunderts war es nichts Ungewöhnliches, dass aus dem Anlass solcher räuberischer Überfälle sich blutige Gefechte entspannen, bei welchen auf beiden Seiten Tote blieben; die Ehe wurde dann im Walde durch einen Geistlichen vollzogen, der hierzu mit Gewalt angehalten wurde; kehrte der Bursche aber von einem solchen Zuge ohne das Mädchen heim, so galt dies als der ärgste Schimpf und wurden Spottlieder auf ihn verfasst und abgesungen 3). Und den ungarischen Slovenen musste die österreichische Regierung noch 1720 das Rauben von Mädchen verbieten'). Im Banat aber soll zuweilen jetzt noch wirklicher Frauenraub vorkommen, die Braut entführt und vor Zeugen als Frau erklärt werden3). Auch hier sehen wir, den Zusammenhang von Hochzeitsspiel und alter Raubehe bezeugend, soweit nicht mehr geraubt und entführt wird, den Schein der Gewalt bei Begehung der Hochzeitsfestlichkeiten. So müssen in Serbien die Hochzeitsgäste möglichst glänzend gewaffnet erscheinen, und es wird soviel als möglich geschossen"). Und bei den Rumänen (Motzen) Siebenbürgens wurde eine vollständige Komödie aufgeführt. Der Bräutigam kam mit Begleitern herangerückt und verlangte ungestüm die Braut. Der Schwiegervater weigerte sich und brachte dann statt der Braut ein altes Weib.

1) GOPCEVIC a. a. O., S. 458.

2) A. STRAUSS, Bosnien, Land und Leute, Bd. 1, S. 323.
3) Zeitschrift, Bd. 9, S. 52 nach STEFANOVIC.

4) DARGUN, S. 98.

5) BERGNER, Siebenbürgen, S. 180.

6) WESNITSCH in Zeitschrift a. a. O.

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