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unzweideutig auf derartige frühere Zustände zurück. Bei einigen Völkern Senegambiens, z. B. den Serern, verbirgt sich, nach Vereinbarung des Frauenpreises, die ganze Familie der Braut, und nun findet im Scherzspiel der Frauenraub statt. Der Bräutigam stürmt mit einer Schar hinein, sucht die Braut und, nachdem er sie gefunden, entspinnt sich ein Kampf, bei dem ihm die Rolle des Siegers gesichert ist1). Und in Bornu (im Mittel-Sudan) entführt bei anbrechender Nacht der Bräutigam die anscheinend widerstrebende, in einen Burnus gehüllte Braut, hebt sie auf sein Ross und bringt sie in sein Haus2). In Ostafrika bei den Wakamba entfernt sich an ihrem Hochzeitstage die Braut von Hause unter dem Vorwand, dass sie Wasser holen wolle; die Freunde des Bräutigams überfallen sie und führen die sich scheinbar Sträubende ihm zu3). Bei den BaRonga an der Delagoabai wird die Braut von ihrer Familie verteidigt; man setzt sich zur Wehr, und es kommt zu einer Prügelei, bei der es ohne Stockschläge nicht abgeht1). Ebenso wird der Frauenraub als Hochzeitsspiel am Kilimandjaro geübt, wo den Helfern des Bräutigams das Recht der Brautnacht eingeräumt wird 5).

In Nordamerika bestand in alter Zeit bei allen Indianerstämmen die Raubehe in einer seltsamen, uns an heroische Zeiten erinnernden Form. Dort konnte jeder Mann den anderen zum Ringkampf herausfordern und der Obsiegende die Frau des Überwundenen als Siegespreis mit sich nehmen®) also wie die Hirsche des Waldes und wie die Recken der Vorzeit! Auch sonst war die Raubehe stark im Gange. Die Comanches

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 11, S. 436.

2) NACHTIGAL, Sahara und Sudan, Bd. 1, S. 739.

3) HILDEBRANDT in Zeitschrift für Ethnologie 1878, S. 401.

4) Zeitschrift, Bd. 14, S. 466.

5) JOHNSTON, der Kilimandjaro, übersetzt von VON S. 406, 412.

6) LUBBOCK, S. 81, 82; LUBBOCK, Vorgeschichte, KULISCHER in Zeitschrift für Ethnologie 1876, S. 142 ff.

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FREEDEN,

Bd. 2,

S. 220;

verstärkten sich durch Frauen- und Kinderraub.

Das Stehlen

der Weiber war durchweg Ursache und Ziel der meisten Kriege, und die Kalifornier sangen beim Antritt eines Kriegszuges: >Lass uns ziehn, Führer, in den Krieg! Lass uns ausziehen und erbeuten ein schmuckes Mädchen!« 1).

Wie sich bei den in Abgeschiedenheit lebenden Polarvölkern noch manche uralte Sitte erhalten hat, so finden wir bei den Eskimos die Raubehe in Grönland zum Teil noch in voller Übung, zum Teil starke Anklänge daran im Hochzeitsspiel 2). So wird bei ihnen die Braut, auch wo der Raub nicht mehr im Ernst ausgeführt wird, scheinbar gewaltsam aus ihrer Familie entführt 3). Und bei den Eskimos am Kap York hat der Bräutigam einen Ringkampf mit der Braut zu bestehen, ehe die Schöne ihm folgt).

Und ebenso bei den Naturvölkern des ganzen südamerikanischen Kontinents. Hier führten die Stämme am Orinoco, Rio Negro und Amazonenstrom und desgleichen die kannibalischen Kariben unaufhörliche Kämpfe mit den Nachbarvölkern, um die Männer zu töten und die Frauen zu rauben 5). Dem bekannten Reisenden Martius erzählte sein Wirt, der Anführer der Miranhas, das er seine Frau einem benachbarten Stamme geraubt habe. Und Martius fährt fort: >>So sollen »So die Mandrucus den Parentintins Mädchen und Weiber entführt

1) WAITZ, Anthropologie, Bd. 4, S. 242. Wegen der Indianer überhaupt BANCROFT, The native races, Bd. 1, S. 380, 411, 412 und DARGUN, S. 81. Über die eigentümliche universale Sitte der Schwiegerscheu, die möglicherweise auf denselben Grund zurückzuführen ist, wird später zu handeln sein.

2) NORDENSKJÖLD, Grönland, Leipzig 1886, S. 467; er berichtet sogar von einem Versuch, die Tochter eines amerikanischen Missionars mit Gewalt als Frau zu entführen.

3) BESSELS, die amerikanische Nordpolarexpedition, S. 367; Zeitschrift,

Bd. 12, S. 379.

4) DARGUN, S. 88.

5) DARGUN, S. 81; FRIEDRICHS in Zeitschrift, Bd. 12, S. 479.

und dadurch Grund zu dem tödlichen Hass zwischen beiden Völkern gelegt haben; und die Tecunas rauben die wegen ihrer schlanken Ebenmässigkeit berühmten Schönen der Marauhas<1). Fast durchweg wurden die Weiber besiegter oder überfallener Nachbarstämme zu Frauen gemacht'). So kommt es, dass die Weiber der brasilianischen Naturvölker häufig eine andere Sprache sprechen als der Stamm, unter dem sie sich befinden. Solche Räubersitten finden sich bis zu der südlichsten Spitze Amerikas bei den Feuerländern oder Pescherähs vor3). Es ist daher nicht wunderbar, dass wir auch hier bei milder gewordenen Sitten die Entführung der Braut als Eheform finden). Bei den Araukanern holt der Bräutigam die Braut mit Gewalt und bringt sie zu Pferd in das Gebüsch, von wo sie erst nach zwei Tagen sich in seine Wohnung begeben 5).

Wir sehen also die Raubehe universal durch alle Zonen über den Erdkreis verbreitet, und, da den Zeiten roher Kraftentfaltung die .rohe Gewalttat überall entspricht, so können wir wohl annehmen, dass in der fernabliegenden Vergangenheit der meisten Kulturvölker die Raubehe eine ursprüngliche und anerkannte Eheform war. Es lässt sich aber auch begreifen, dass aus solchen Zuständen, wo trotzige Manneskraft alles galt, sich das Vaterrecht entwickeln konnte. Die Frau war Beutestück wie die Kostbarkeit, die man aus dem angezündeten Hause des Feindes wegraffte, wie die fortgetriebene Viehherde, wie der Knecht, der dem neuen Herrn folgen musste; die geraubte Frau war eben, wie das beredte altgriechische Wort (dáμap) es sagt, dem Mann, der sie mit eisernem Arm packte und fortführte, zunächst nichts als die Knechtin.

1) MARTIUS, Brasilien, S. 55.
2) Zeitschrift, Bd. 13, S. 306.

3) OCHSENIUS, Chile, S. 141.

4) DARGUN, S. 87.

5) MUSTERS, Unter den Patagoniern (Deutsch von MARTIN) S. 255.

5. Kapitel

Kaufehe

Auch die Eheschliessungsform der Kaufehe bedeutet

keine Höherstellung des Weibes. Der Mann erstand die Frau von ihrer Familie, wie er eine Kuh aus dem Stalle kaufte. Auf diesem rohen, unser Empfinden tief verletzenden Standpunkt stehen noch manche Völker, und so manches spricht dafür, dass es in ältesten Zeiten der Kulturvölker nicht anders war. Die Stellung des Weibes erschöpfte sich rechtlich darin, dass sie des Mannes Eigentum war und ihm Gehorsam und Kinder schuldete. Freilich konnte das einzelne Weib, wenn sie Adel und Kraft der Gesinnung hatte und einen gleichgesinnten Mann fand, sich aus dieser Stellung im Bereiche des Hauses emporheben und tatsächlich in ihrer Familie mehr sein, als was ihr das Recht äusserlich einräumte. Aber bis sich im Ganzen ein Wandel schuf, bis der Kaufpreis der Frau nur noch dem Namen nach festgesetzt wurde und dann zu Morgengabe und Wittum wurde und darüber hinaus zu unserer modernen Gestaltung der Dinge war ein weiter Weg zurückzulegen. Denn hier handelte es sich um tiefwurzelnde Auffassungen, die sich nur langsam im Laufe der Generationen umzugestalten vermögen.

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Mit den Einzelnen sind die Geschlechter selbst den Gesetzen aller Sterblichkeit untertan. Eins wie das Andere. Es kommt WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts I

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uns bisweilen, wenn wir im hellen Sonnenschein wandern, und Wald und Meer vor uns liegt, so unglaublich vor, dass diese Sonne leuchten kann, diese Bäume rauschen, diese Klippen ragen können, auch wenn unser Leben erloschen, unser Auge, mit dem wir durstig alle die Schönheit eintrinken, gewesen ist. Gerade so hängt jede Kulturstufe der Menschheit fest an ihren Anschauungen und kann sich nicht denken, dass Sonne und Erde bleiben wird, auch wenn das Auge, aus dem sie die Dinge dieser Welt betrachtet hat, nicht mehr ist. Wie langsam muss unter diesen Umständen die Entwickelung von einer Kulturform zur nächsten stattgefunden haben!

Die Kaufehe setzt, wie wir sahen, eine Beruhigung kriegerischer Leidenschaften, die Bildung von Vermögen, Habe und Ansiedelung voraus. Sie ist daher begrifflich jünger als die Raubehe, die als Quelle dauernder Zerrüttung zugleich in der unauslöschlichen Fehdelust eines kriegerischen Zeitalters ihre Nahrung findet. Konnte zunächst wegen des Raubes der Frau die Rache der Familie durch eine Busse abgekauft werden, so wurde dies in ruhigeren Zeiten zu einer festen Einrichtung, und so mag sich langsam, wie mit der allgemeinen Wandlung der Sitten der Raub zum Handelsverkehr wurde, auch die Wandlung von der Raub- zur Kaufehe vollzogen haben. So wird es wenigstens oft gewesen sein. Viel hing hier sicherlich von Lebensweise und Charakter des einzelnen Volksstammes ab. Hirtenvölker werden von Anfang oder wenigstens viel früher zur Kaufehe gelangt sein als nomadische oder wilde Bergvölker. Es ist immer festzuhalten, dass wie das Recht überhaupt nur eine Seite der menschlichen Kultur und untrennbar von ihren anderen Erscheinungen ist, so auch Raub- und Kaufehe nur Reflexe tiefer liegender Ursachen, der gesamten Denkweise und des Kulturstandes der Völker sind. So hat die Kaufehe bei den Hellenen und Römern wie bei unseren germanischen Altvordern, soweit die geschichtlichen Überlieferungen und die Erinnerungen der Sage zurückreichen, niemals den widerwärtigen

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