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sinnigen Leuten, häufig herumschweifenden Zigeunern, als zu welchen er sich fleißig gehalten und die Chiromantie von ihnen erlernen wollen, sehr vieles beigetragen haben möge. Vgl. auch Widman Th. I, Cap. I, S. 3:,,So brauchte er auch an hohen Festtagen, wann die Sonne zu morgens früh aufging, das Crepusculum matutinum, vnd andere mehr Zauberstücke." Und ebendaselbst Th. I, Cap. I, S. 2: „Als aber damals das alte Båpstisch wesen noch im gang war, vnnd man hin vnd wieder viel segensprechen vnd ander abergläubisch thun vnd Abgötterey trieb, beliebte solchs dem Fausto vberauß sehr. Weil er dan in Geselfchafft vnd an solche Burße geriete, welche mit abergläubischen Characteribus oder Zeichenschrifften vmbgiengen, war er bald vnd leicht verführet. Als er nun auch durch solche leichtfertige Geselschafft an die Zigeuner oder vmblauffende Tattarn kam, wie man dann dieselben im gemein also pflegt zu nennen, hielt er viel auff ste, vnd lernete, seiner meinung nach, von jhnen die Chiromantiam, wie man auß denn Henden wicken vnd weissagen könne." Mit der Beschwörung des Makro

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kosmus, des Weltgeistes, des Alls der Natur, dem Fauft sich so nahe verwandt fühlt, und dessen Zeichen (denn die Geister haben ihre magischen Zeichen wie die Planeten, und sie stehen in Cornelius Agrippa's gesammelten Schriften: Arbatel, de Magia Veterum) in ihm die höchften Hoffnungen erweckt (das Zeichen des Makrokosmus findet sich übrigens nicht in dem Buche des Nostradamus; ebenso wenig wie das des Erdgeistes), so daß er sich der Menschlichkeit schon entrückt, gottåhnlich wähnt, will es ihm nicht gelingen. Kein Sterblicher vermag es, ihn zu gewältigen. Besser gelingt es ihm mit dem Erdgeiste, bei dessen Personificirung als geheimnißvoll schaffenden und zerstörenden Naturdåmon den Dichter zunächst Paracelsische Fictionen geleitet zu haben scheinen, die aber tiefer in uralten kosmologischen Ideen der Orphiker vom Archaeus wurzeln (vgl. Lucan. Pharsalia VI, 745 fgg., I. H. Voß Idyllen VIII, 77, Weber S. 80). In Dr. Faust's Höllenzwang von Chr. Wagner heißt der dem Faust zuerst erschienene Geist: Astaroth. Mit Recht bemerkt Weiße S. 87 fgg., daß diese vereinzelte Erscheinung des mächtigen Geistes der Erde, von dem Mephistopheles nach dem Inhalt des Faustischen Monologes in entschiedener Abhängigkeit gedacht wird, ,,etwas Befremdliches" behalte und sich nur dadurch erklåre, wenn man annimmt, daß Goethe bei dem ersten Entwurf des Fragmentes dem Erdgeiste eine wesentlichere Rolle" zugedacht, bei der spåtern Ausführung der Tragödie aber freilich die gedichteten Scenen benußte, doch seine ursprünglichen Intentionen zu ändern sich veranlaßt und gezwungen fand. - Aber auch diesen Geist des Erduniversums vermag Faust nicht gebannt zu halten, und fühlt sich durch die lezten

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Worte desselben aufs Tiefste erschüttert und gedemüthigt, da sie aussprechen, daß nur eine eingebildete Größe den Menschengeist bethöre, daß niemand über sich selbst hinaus könne, und daß alle Begriffe, alle eingebildete Einsicht in das irdische Wesen, die Productionen des eignen beschränkten menschlichen Auffassungsvermögens sind, welchem die objective Wahrheit als ein Problematisches, Unerfaßbares, fern liegen bleibt. Wohl erkennt Faust die Wahrheit dieser Geistesworte und drückt ihren Inhalt nur anders aus, wenn er nachher zu Wagner fagt:. Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bes spiegeln"; und eben in dieser Hinsicht, im Gefühl menschlicher Unzulånglichkeit und hoffnungsloser Blindheit contrastirt er so bedeutsam mit des pe= dantischen Wagner's selbstgefålliger genügsamer Beschränktheit, die so ganz das Wesen der Dinge aus den Augen verliert, und der ganz in seiner Bücherweisheit aufgeht. Ein Famulus im akademischen Sinne ist bekanntlich ein ålterer, gewöhnlich mittellofer Student, dessen der Professor zur Besorgung seiner Angelegenheiten sich bedient, der die Honorare von den Studenten eintreibt, die Collegien arrangirt u. dgl. m. und der dafür oft im Hause des Professors freie Wohnung, Unterhalt und Erlaubniß zum unentgeldlichen Besuch der Collegien genießt. In dem Volksbuch heißt des Faust Famulus Christoph Wagner. Seine untergeordnete Stellung zum Faust geht schon aus der Anrede hervor. Faust redet ihn Er“ an. Wenn er ihr" sagt, so meint er die Menschen überhaupt, die er der Mehrzahl nach als der Wagner'schen gleiche Naturen bezeichnet. Der folgende Dialog Wagner's mit Faust bedarf kaum einer Erklärung. „Herz zu Herzen schaffen“, d. h. von eurem Herzen zu fremden Herzen dringen; herzlich die Herzen anderer treffen und rühren. Das Buch mit sieben Siegeln" bezieht sich auf Apocalypsis Cap. 5 fgg. Sowohl die Siebenzahl als die Siegel sind Symbole des Geheimnißvollen und Unerklärbaren. — In dem zweiten Monolog des Faust beziehen sich die Worte: Ich Ebenbild der Gottheit" u. s. w., „ich mehr als Cherub" auf seine frühere Entzückung beim Anblick des Zeichens des Makrokosmus. „Wer lehret mich? was soll ich meiden?" d. h. was soll ich thun, was soll ich unterlassen?,,Fremd und fremder" sind Adverbien, die sich auf,, andrången" beziehen. — Das zunächst Folgende ist so klar, daß kein erklårendes Wort hinzugefügt zu werden braucht. Der sinnige Leser verstehts ohnehin und empfindet den schönen, besånftigenden Eindruck, den bei der, zum Entschluß des Selbstmords gesteigerten Verzweiflung des Faust, die aus dem nahen Dom herüberschallenden Chorgesånge zur Morgenfeier des Osterfestes auf die ringende Seele machen, so daß sie,

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an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt, durch ihn auch jezt beschwichtigt sich dem Leben wieder zuwendet.

Bet der nun folgenden bürgerlichen Scene am ersten Ostertage vor dem Stadtthore wird der Leser ganz besonders versucht, die Annahme einer ganz bestimmten Localität zu statuiren. Ein Jägerhaus und eine Mühle fånden sich auch wohl anderswo, aber der Wasserhof und Burgdorf könnten allerdings bestimmtere Bezie= hungen in sich schließen, so wie nachher der öfter erwähnte große Strom: „Man sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten".,,Vom Eise befreit sind Strom und Båche“. „Wie der Fluß in Breit und Långe so manche lustige Nachen bewegt"; wo beiläufig die beiden Daktylen einen sehr bezeichnenden malenden Rythmus zum Ohre bringen, der das Tanzen der Nachen auf der Fluth versinnlicht. Weber S. 81 hat vermuthet, daß der Dichter unter den etwas veränderten Namen die Erinnerung an Frankfurter Localitåten zu seiner Schilderung be= nuzt habe. Daß im Einklange mit der Sage entweder Ingolstadt oder Wittenberg als Schauplaß såmmtlicher erster Scenen der Tragödie zu denken, und daß also mit dem großen Strom die Donau oder die Elbe gemeint sey, ist keinem Zweifel unterworfen; doch kann von ge= nauerer Nachforschung über das angeführte topographische Detail die Einsicht in die Verschiedenheit der historischen und poetischen Darstellung und Zwecke überhaupt abhalten, insbesondere aber auch eine mißbilligende Aeußerung unsers Dichters, bei Eckermann Th. I, S. 274, wo er sagt: „In åsthetischer Hinsicht ist jezt (1826) an gar keine Verbindung und Correspondenz zu denken. Da wollen sie wissen, welche Stadt am Rhein bey meinem Herrmann und Dorothea gemeint sey! Als ob es nicht besser wåre, sich jede beliebige zu denken! Man will Wahrheit, man will Wirklichkeit und verdirbt dadurch die Poesie." So betrachten wir denn in poetischer Hinsicht und im Sinne des Dichters eine kindlich neugierige Frage nach jenen Ortsnamen als irrelevant und abirrend, und finden unsere Phantasie bei unbefangener Auffassung des mittelalterlichen scenischen Bildes im Allgemeinen den dichterischen Zwecken entsprechend genugsam firirt. Dagegen ist die Zeit der Handlung absichtlich durch einzelne Züge wieder sehr charakteristisch bezeichnet. Die Erwähnung des Tobacks (deffen hier befolgte Schreibart, so wie die des Burgemeisters in ålteren Schriften sehr gewöhnlich war) ist um so interessanter, weil dieses Kraut zu Faust's Zeit kaum erst aus dem neuentdeckten Amerika in Europa bekannt geworden und noch keineswegs ganz allgemein verbreitet seyn fonnte. Die Worte: „Wenn hinten, weit in der Türkey die Völker auf einander schlagen" bezeichnen theils die geo

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graphische Unkunde jener Zeit sehr treffend, als dem ehrlichen Bürger bei so mangelhafter Communication und ungenügender Kenntniß jene Gegenden noch weit hinten, in nebelgrauer, undeutlicher Ferne zu liegen schienen, theils berühren sie die furchtbaren Türkenkriege, die sich durch die Regierungen Marimilian's I. und Karl's V. hinziehen. Auch der Aberglaube jener Zeit wird in der alten Here zur Anschauung gebracht. Der heilige Andreas ist bekannt genug als Schußpatron des weiblichen Geschlechts, und das an ihn gerichtete alte Lied: ,,Andreas, lieber Schußpatron" steht in des Knaben Wunderhorn Bd. I, S. 341 fgg. Bei den ersten Worten Faust's, der sich auch mit seinem Wagner unter die bunte Schaar der Spaziergånger mischt, giebt sich in dem Verse: „Aber die Sonne duldet kein Weißes" schon Goethe's spätere Vorliebe für optische Phänomene und ihre Erklärung zu erkennen. Dem Gesange der Bauern unter der Linde liegt vielleicht ein altes Volkslied zum Grunde. In des Knaben Wunderhorn steht es nicht. Jedenfalls ist der Ton durchaus einzig getroffen. Die von dem Bauern erwähnte Seuche ist ebenfalls historisch. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts herrschte oft wiederkehrend die Pest durch ganz Deutschland, und konnte um so gråßlicher wüthen, weil es damals noch keine Grenzcordons und Quarantainen gab. Vgl. z. B. Widman's Höfer Chronik zum Jahr 1517 u. 1519, bei Dobeneck I, 108 u. II, 75 fg. - Adepten (von adipiscor) heißen bekanntlich die angeblichen Besizer des Steins der Weisen, eines Universalmittels gegen alle Krankheit, welches zugleich das Leben zu erneuern vermochte. „Da ward ein rother Leu, ein kühner Freier" u. s. w. bis : „die junge Königin im Glas“. Das sind technische Ausdrücke, den alchymistischen Schriften jener Zeit entnommen. „Ein kühner Freier" bildet Apposition zu rother Leu". ,, daß kein Flügel mich vom Boden hebt". Hier spricht Faust den sehnsüchtigen Wunsch nach einem Zaubermantel involvirt aus, der ihn mit der Sonne um die Erde zu führen vermöge. Welch eine wunderbar schöne ethische, allgemein menschliche Bedeutung hat der Dichter hier wieder dem Inhalt der Sage zu verleihen gewußt! Ueber den Nachtmantel des Faust, worauf er drei junge Freiherren von Wittenberg nach München zur Hochzeit des Bayern-Fürstensohns und zurück durch die Lüfte führt, f. Widman 1, 33, 259 u. 264. —,,Doch scheint die Göttin endlich weg zu sinken“, d. h. profaisch: Aber die Sonne geht unter.

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,,Allein der neue Trieb erwacht.

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Ich eile fort ihr ew'ges Licht zu trinken,
Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht,

Den Himmel über mir, und unter mir die Wellen.“

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Sollte Goethe beim 3. Verse an die Ausfahrformel der Heren gedacht haben: „Vor mir Tag, hinter mir Nacht!" wie Jacob Grimm sie in seiner Deutschen Mythologie S. 613 anführt? Der Flug der Phantaste verrichtet in der herrlichen Stelle den Dienst des Zaubermantels wahrhaft. Aber Faust besinnt sich und fåhrt fort: „ Ein schwerer Traum, indessen sie (die Sonne) entweicht. Ach“, u. f. w. Hier nun thut sich der glebae adscriptus, der an der Scholle klebende Wagner recht entschieden charakteristisch hervor, der diesen Flug nicht mitmachen kann, und auch nie einen Trieb dazu gefühlt zu haben trocken bekennt; ja er bezieht des Faust nun deutlicher ausgesprochenen Wunsch höchft materiell auf die Winde, die wohlbekannte Schaar, und fügt hausbackene Warnungen hinzu. Er charakterisirt den Nordwind als kalt, den Ost als trocken und trocknend, den Süd als hize-, den West als wolken- und regenbringend. Ebenso erblickt er denn auch in dem Dåmonischen, welches nun in der Gestalt des Pudels sich nähert, nur die pure blanke Wirklichkeit und Alltäglichkeit, so daß er den aufgeregten, überall Geister ahnenden Faust sogar irre macht. Ueber die öfter vorkommende hündische Gestalt des Teufels vgl. J. Grimm Deutsche Mythologie S. 558. Als Beweis, daß der Teufel Thiergestalt annehmen könne, citirt Widman I, 8, 39 Genesis Cap. 3. — Die Benuzung der Sage von Faust's Pudel zur ersten Einführung des Teufels in Faust's Wohnung ist Goethen ganz eigenthümlich. Den Feuerstrudel, welchen der Pudel hinter sich herzuziehen scheint, hat Goethe nachmals in den Nachträgen zur Farbenlehre, s. Werke Bd. 60, S. 38, nach eigner Erfahrung sogar optisch gerechtfertigt, obgleich dies zur dichterischen Zulässigkeit der Stelle nicht erforderlich gewesen wäre.

Faust nimmt also den Pudel mit nach Haus, als Stubengenoffen; doch bald schon nach seinem Eintritt ins Studirzimmer offenbart sich der unheilige Geist deutlicher. Faust beginnt nämlich an einer deuts schen Bibelüberseßung zu arbeiten, und zwar mit dem 1. Capitel des Evangelium Johannis. Erinnern wir uns, daß es damals wenigstens noch keine allgemein lesbare und verständliche deutsche Uebertragung gab, da die Luther'sche erst spåter fållt. Der griechische Ausdruck des Evangelisten, deffen Uebertragung ins Deutsche und dessen Sinngehalt allen Ueberseßern und Commentatoren zu schaffen gemacht hat, heißt Logos (2óyos). Im Anfange war der Logos". Der Ausdruck ist sehr vielbedeutend, wie jedes griechische Lericon zeigt. Luther überseßt: ,,Im Anfange war das Wort". Logos heißt aber auch: Das Denkende, das Sinnende, die Vernunft; nicht allein der Gedanke, sondern auch die denkende Kraft, die durch Realisirung des Gedankens zur That wird. Reflerionen dieses Inhalts spricht Goethe_durch

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