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muß. Daraus entspringt dann die Nothwendigkeit, die Noten ohne den Text zu geben, was die stylistische Abfassung und die Lecture sehr erschwert. Diese unangenehmen Erfahrungen haben ohne Zweifel schon manche Ausleger und deren Leser gemacht, aber dennoch möchte sich vom Goethe'schen Faust nicht eher eine, in der Form der classischen Editionen eingerichtete Ausgabe unternehmen lassen, bis es den vereinten Bemühungen der Erklårer gelungen sein wird, etwas vollständig Genügendes, ein in sich Abgeschlossenes, mit Benußung aller vorhandenen einzelnen Erklärungsversuche zu liefern. Wenn der Verfasser des vorliegenden Buches auch hofft, dieses Problem durch seine Arbeit in mancher Beziehung einer Lösung nåher ge= führt zu haben, so ist er sich der Mångel derselben und der Schwierigkeit der ganzen Aufgabe doch zu sehr bewußt, als daß er ein Unternehmen in jenem Sinne håtte wagen mögen, und zog es vor, die, besonders in Bezug auf die Erläuterungen sich geltend machenden Nachtheile einer undankbaren Form lieber auf sich zu nehmen, oder sie möglichst zu vermeiden, und dem einsichtigen Urtheile sinniger Leser zu vertrauen. Günstig ist es dabei für ihn, daß ein Werk wie der Goethe'sche Faust selbst in seinen Einzelheiten in dem Geiste aller Gebildeten der Nation lebt, und daß niemand wohl leicht ein Interesse für die vorliegende Arbeit nehmen möchte, der nicht mit dem Dichterwerke selbst schon eine genauere Bekanntschaft sich erworben hat, welche dann durch ein Nachschlagen des Textes in einzelnen Fållen immerhin unterstüßt werden mag.

Sehr erfreulich war es dem Verfasser, und munterte ihn bei der bereits begonnenen Arbeit nicht wenig auf, daß er bei der Lecture der Goethe'schen Schriften auf Aeußerungen des großen Dichters stieß, welche ähnlichen Bemühungen zur Förderung des Verständnisses von Dichterwerken überhaupt und von neuern Dichtern insbesondere, durch Noten und Betrachtungen, eine entschiedene Billigung und Zustimmung angedeihen lassen. So sagt er den 14. Februar 1821 in Bezug auf Lucrez (f. Riemer's Mittheilungen Bd. II, S. 645): „Es darf uns nicht verdrießen, den Dichter auf solche Weise gleichsam zu zerstückeln. Ich kenne nur diesen Weg, um aus der allgemeinen in die besondere Bewunderung zu ge langen." Und früher schon in einem Briefe an Schiller, vom 17. Mai 1795: „Man braucht ja auch Noten zu einem alten nicht allein, sondern auch zu einem benachbarten Schriftsteller." Ausführlicher noch äußert er sich in seinen Tischreden den 31. März 1818 (s. Riemer's Mitth. Bd. II, S. 719 fg.): „Wenn man das Leben zugebracht hat, sein Innerliches auszubilden, mit dem Wunsche, auch nach außen genießbar und nühlich zu werden, so kann uns Nichts erfreulicher begegnen, als wenn wir vernehmen, daß Gleichzeitige, noch mehr aber, daß Jüngere sich mit unsern bekannt gewordenen Arbeiten dem Werden nach beschäftigen. Denn in

dem sie dieses thun, so sprechen sie aus: daß sie nicht nur dasjenige, was einer Jugend gemäß ist, sich aus dem Vorliegenden herausnehmen würden, welches bequem wäre, auch gewöhnlich geschieht und allenfalls gelten kann; sondern daß sie gerne erführen, wie es denn eigentlich um ihren Vorgänger gestanden, und wie solcher, bei entschiedenen, von der Natur aufgedrungenen Anlagen, erst dem Genius indulgirt, durchs Ungeschick sich durchgehalten, dann dem Geschick nachgeholfen und auf der wilden Woge des Lebens doch noch, ohne gerade zu stranden, sich in irgend eine heilsame Bucht geworfen."

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Endlich läßt Goethe noch im 45sten Bande seiner Werke, S. 315 bis 332, den erfolgreichen, eindringlichen Bemühungen mehrerer seiner frühern Commentatoren das verdiente Lob zu Theil werden, und schließt in Bezug auf Kannegießer's Programm über die Harzreise im Winter" mit den Worten:,,Giebt man nun dem Erklärer zu, daß er nicht gerade beschränkt seyn foll, alles, was er vortrågt, aus dem Gedicht zu entwickeln, sondern daß er uns Freude macht, wenn er manches verwandte Gute und Schöne an dem Gedicht entwickelt, so darf man diese kleine, gehaltreiche Arbeit durchaus billigen und mit Dank erkennen."

Wenn nun also der Dichter schon für die kleinern lyrischen Productionen aus seiner frühern Lebensperiode erläuternde Bemühungen als wünschenswerth, ja als nothwendig anerkennt, wie viel mehr würde ein ähnliches Verfahren, welches sich das umfangreichste, tiefsinnigste Werk seiner Poesie, das Hauptwerk seines Lebens, die am sp åt est en gereifte Frucht seiner Muse, zum Gegenstande nimmt, der Intention nach wenigstens, seinem Sinne gemåß seyn, indem hier sowohl für das sprachliche und historische, als für das åsthetische und philosophische Verständniß so åußerst viel zu entwickeln und heranzuziehen ist. Bei dieser so reichhaltigen und complicirten Aufgabe, an welcher, ohne sie zu erschöpfen, schon so manche Kräfte, und darunter sehr bedeutende, sich erprobt haben, blieb bei dem hier vorliegenden Versuche die Aufspürung und Darlegung des, in dem Werke waltenden genetischen Dichtungsprocesses stets ein Hauptaugenmerk. Es war für die Betrachtung besonders anziehend und belohnend, die ersten, oft scheinbar unbedeutenden und schwachen Anknüpfungspunkte aufzufinden, welche den bunt durcheinander gewirkten Fåden des riesigen Gewebes Haltung und Festigkeit verliehen.

Die Bestimmung des Verhältnisses, in welches die vorliegenden Studien zu früheren Arbeiten treten, die denselben Gegenstand behandeln, und das Urtheil, welch eigenthümlicher Werth ihnen, nach dem bereits von Andern Geleisteten, in Bezug auf Objectivität der Auffassung und Eindringlichkeit zuzusprechen sey, muß einer gründlichen und ernsten Vergleichung anheimgestellt bleiben. Nur so viel mag hier bevorwortet seyn, daß der Verfasser bestrebt war, sich weder durch unnöthige Besprechung bekannter

Gegenstände zu einer trivialen Breite verlocken zu lassen, noch durch zu weite Verfolgung einzelner Ideen, über die Grenzen der Dichtung hinaus, von dem eigentlichen Zusammenhange mit dem Ganzen abzuirren; beides Fehler, die er von seinen Vorgängern nicht immer glücklich vermieden sah. Im Uebrigen hat er eben so wenig Bedenken getragen, einzelne Bemerkungen früherer Commentatoren, wenn er sie mit seiner Ueberzeugung und mit der Sache im Einklang fand, zu benußen, als er andererseits sehr oft zu Ergånzungen, zu Abweichungen und zu Widerlegung fremder Ansichten sich veranlaßt sah. Doch darf er wohl die Versicherung geben, daß überwiegend viel Neues und Eigenes von ihm hinzugefügt worden ist. Besonders auch für die speciellere Erläuterung des ersten Theils der Tragödie waren noch große Lücken auszufüllen übrig geblieben, so förderlich und willkommen auch die allgemeiner gehaltenen Schubarth'schen Vorlesungen, und das Weber'sche Buch, besonders für die Scenen der Herenküche und des Blocksberges, waren. Freilich bleibt noch immer manche Einzelheit unaufgeklärt.

Einer besondern Verwahrung wegen der Dürrheit der Bemerkungen gerade zu den schönsten Stellen, besonders des ersten Theils, wird es hoffentlich bei Einsichtigen nicht bedürfen. Wo der Dichter selbst auf das Einfachste, Vollständigste und Klarste sich ausspricht, da ist es für den Commentator am angemessensten, zu verstummen.

Eben so wenig wird der Abdruck der auf den Fauft bezüglichen Stellen aus des Dichters Werken, den Briefwechseln und andern Schriften über ihn, eine besondere Verantwortung erfordern. Jene zerstreuten Winke und Notizen gewinnen erst in ihrer Gesammtheit eine rechte Bedeutung, und es möchte bei ihrer Fülle jedem ernsten Betrachter des Werkes durch ihre Zusammenstellung ein wahrer Dienst zur Unterstüßung des Gedächtnisses erwiesen seyn. Die Sammlung war nicht mühlos, und es darf die größte Vollständigkeit von derselben mit Sicherheit vorausgesezt werden.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß die Citate aus den Goethe'schen Werken sich auf die vollständige Ausgabe letter Hand beziehen, welche bei Cotta in Stuttgart und Tübingen 1828 bis 1842 in 60 Bånden in 16. erschienen ist. Die Hefte über Kunst und Alterthum sind nur in den wenigen Fällen citirt, wo sich deren Inhalt nicht in diese Ausgabe aufgenommen fand. — Bei den Unführungen ferner aus Jacob Grimm's Deutscher Mythologie wurde die erste Ausgabe dieses vortrefflichen Werkes, Göttingen 1835. 8., benußt, welche bis jetzt noch verbreiteter ist, als die erst vor Kurzem erschienene zweite Auflage.

Einleitung.

Die erste Aufgabe, welche eine gründliche Betrachtung der Faustsage im Allgemeinen zu lösen hat, möchte wohl die seyn, die historischen Elemente derselben aufzudecken, und deren allmähliche Entstellung und mährchenhafte Ausbildung zu verfolgen. Daran schließt sich dann die Darlegung, wie spåtere Dichter, und vor allen Goethe, rein poetische Zwecke verfolgend, die Ueberlieferung benugt, und in ihr eine große ethische Bedeutung erkannt und gesteigert haben. Jene Absicht bedingte eine historische Untersuchung, wie sie in ålterer und neuerer Zeit schon mehrere Forscher (z. B. Dürr, Neumann, Weiße, Köhler, Görres, Stieglit, von der Hagen) mehr oder minder lebhaft beschäftigt hat, und so fanden sich gleichzeitige Zeugnisse, welche darthaten, daß die Persönlichkeit eines Faust, um welchen sich nach und nach alle die Erzählungen von Zauberstücken und schwarzkünstlerischen Herereien concentrirten, die im Glauben der mittelalterlichen Menschheit lebten, zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts wirklich existirt habe, und daß dieser Faust, wie viele irrthümlich wähnten und wähnen, durchaus nicht identisch seh mit dem Goldarbeiter und Buchdrucker Johann Fuft, der, früher zu Mainz mit Guttenberg und Peter Schöffer verbunden, schon im Jahr 1466 zu Paris verstarb, s. C. A. Schaab: Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunft III, S. 9 und I, S. 236.

Da die Beweisstellen für diese Behauptung zum Theil in seltenen und schwerer zugänglichen Büchern zerstreut stehen, und theilweise nur in wenig verbreiteten, älteren Abhandlungen und Dissertationen gesammelt sind, so scheint es nicht unpassend, bei dem Interesse, welches der Gegenstand überhaupt erregt hat, in der Einleitung eines Buches, welches dem Faust ausschließlich gewidmet ist, diese nicht mühlos so vollständig zusammengebrachten Citate voranzustellen, um jeden Sprachkundigen selbst urtheilsfähig zu machen.

Die älteste der hierher bezüglichen Stellen findet sich in einem Briefe des Abtes Johannes Tritheim aus Würzburg († 1516) vom 20. Avqust 1507 (f. Trithemii Epistolae familiares ed. J. Spiegel. Hagenoae 1580,

pag. 312, und in Trithemii Opera. Francofurti 1601. Vol. II, pag. 559) und lautet folgendermaßen:

,,Homo ille, de quo mihi scripsisti, Georgius Sabellicus, qui se principem necromanticorum ausus est nominare, gyrovagus, battologus et circumcellio est, dignus qui verberibus castigetur, ne temere deinceps tam nefanda et ecclesiae sanctae contraria publice audeat profiteri. Quid enim sunt aliud tituli, quos sibi assumit, nisi stultissimae ac vesanae mentis indicia, qui se fatuum, non philosophum ostendit? Sic enim titulum sibi convenientem formavit:,,Magister Georgius Sabellicus, Faustus junior, fons necromanticorum, astrologus, magus secundus, chiromanticus, agromanticus, pyromanticus, in hydra arte secundus." Vide stultam hominis temeritatem,

quanta feratur insania, ut se fontem necromantiae profiteri praesumat, qui vere omnium bonarum literarum ignarus, fatuum se potius appellare debuisset, quam magistrum. Sed me Sed me non latet eius nequitia. Cum anno priore de Marchia Brandenburgensi redirem, hunc ipsum hominem apud Geilenhusen oppidum inveni, de quo mihi plura dicebantur in hospitio frivola, non sine magna eius temeritate ab eo promissa. Qui mox, ut me adesse audivit, fugit de hospitio, et a nullo poterat persuaderi, quod se meis praesentaret aspectibus. Titulum stultitiae suae, qualem dedit ad te, quem memoravimus, per quendam civem ad me quoque destinavit. Referebant mihi quidam in oppido sacerdotes, quod in multorum praesentia dixerit, tantam se omnis sapientiae consecutum scientiam atque memoriam, ut si volumina Platonis et Aristotelis omnia cum tota eorum philosophia in toto perissent ab hominum memoria, ipse suo ingenio, velut Ezras alter Hebraeus, restituere universa cum praestantiore valeret elegantia. Postea, me Neometi (Speier) existente, Herbipolim venit, eademque vanitate actus, in plurimorum fertur dixisse praesentia, quod Christi Salvatoris miracula non sint miranda, se quoque omnia facere posse, quae Christus fecit, quoties et quandocunque velit. In ultima quoque huius anni quadragesima venit Stauronesum (Creuznach), et simili stultitia gloriosus de se pollicebatur ingentia, dicens se in Alchimia omnium, qui fuerint unquam, esse perfectissimum, et scire atque posse, quicquid homines optaverint. Vacabat interea munus docendi scolasticum, in oppido memorato, ad quod Francisci ab Sickingen Balivi principis tui, hominis mysticarum rerum percupidi, promotione fuit assumtus; qui mox nefandissimo fornicationis genere, cum pueris videlicet voluptari coepit, quo statim deducto in lucem, fuga poenam declinavit paratam. Haec sunt, quae mihi certissimo constant testimonio de homine illo, quem tanto venturum esse desiderio praestolaris. Cum venerit ad te, non philosophum, sed hominem fatuum et nimia temeritate agitatum invenies."

Obgleich die hier entworfene Charakteristik dieses Georg Sabellicus, der sich Faustus junior nannte, und auch die Zeit seines Auftretens, mit dem in den übrigen Schilderungen des Faust enthaltenen Bilde wohl übereinstimmen würde, so behält diese Stelle doch manches Räthselhafte. Der Vorname Georg, statt des in den späteren Zeugnissen sich findenden Johannes, wird freilich auch in einem Briefe des Gothaischen Canonicus Conradus Mutianus Rufus, vom 7. October 1513, einem Fauft beigelegt (s. dessen Epistola bei Tentzel Supplement. Hist. Goth. Jenae 1701. Tom. I, pag. 95), wo es heißt: ,Venit octavo abhinc die quidam Chiromanticus Erphurdiam, nomine Georgius Faustus, Helmitheus Hedebergensis (Tengel schlägt vor zu lesen :

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