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ursprüngliche unbewusste Einheit des Menschen mit dem in der Natur wirkenden göttlichen Geiste, die göttliche Mitgabe der Wahrheit auf dem irrthumsvollen Wege der Entwickelung, besonders durch die Sprache fortdauert und forterbt und wo das reflectirende. Bewusstsein nicht ausreicht, ergänzend hervortritt. So hat jeder in sich eine divinatorische, ahnende Kraft, welche dem bewussten Denken vorauseilend, sich in der Zukunft zurechtzufinden sucht, ein unwillkürliches Combiniren und Streben die Wahrheit festzuhalten. Plato leitet hieraus die innere Stimme ab, welche vor dem Irrthum warnt. In einzelnen Menschen und zu einzelnen Zeiten tritt aber diese Kraft wahrhaft

prophetisch hervor. Eine zweite Art göttlicher Begeisterung bezieht sich auf die Sühnung vorangegangenen Unrechts. In jedem Menschen ist eine Sehnsucht nach Erlösung aus den drückenden Fesseln seiner eigenen Vergangenheit; dies trieb, wie Plato ausführt, die Griechen in die Mysterien, wo sie durch begeistertes Versenken in das Göttliche innern Frieden suchten. Dieser sühnende, heiligende Enthusiasmus also bezieht sich auf die Vergangenheit, während der divinatorische in die Zukunft drang. Auf die Gegenwart aber geht eine dritte Art der Begeisterung: die künstlerische, schaffende. Sie rettet uns aus der unvollkommenen Wirklichkeit in eine Welt der Ideale, welche doch als wirklich gesetzt wird; ja jede schaffende Thätigkeit bis zum niedrigsten Handwerk geht aus solchem Triebe hervor und idealisirt das Leben, indem sie die Unvollkommenheiten der Wirklichkeit aufzuheben sucht. Und hierzu tritt die vierte höchste Art des Enthusiasmus, nämlich die Liebe, die sich auf keine Zeit, sondern auf das Ewige bezieht. Denn die Liebe ist nach Plato das Streben, das Vergängliche zum Unvergänglichen zu erbeben. In jedem Organismus ist der Grundtrieb, seine Gestalt in dem beständigen Stoffwechsel zu erhalten; die Vererbung ist die Fortsetzung dieses Selbsterhaltungstriebes. Die Blume, welche dem Untergange verfällt, erzeugt die Frucht, aus welcher die dahingewelkte Gestalt verjüngt wieder emporsteigt. Die Liebe aber ist das Streben, das Schöne zu erhalten und zu pflegen, der höchste Ausdruck des Selbsterhaltungstriebes; denn in dem Schönen und durch das Schöne soll unser Ideal, der bessere Theil unseres Selbst fortleben. So offenbart sich das Göttliche in uns; gottähnlich aber werden wir durch den Genius, d..h. durch das freie Denken, welches sich der gottgewirkten Naturanlage bewusst wird und Gottes ewige Gedanken, wie sie sich in Natur und Menschenleben offenbaren, nachdenkt. Plato hat in allen seinen Schriften den Geist des Sokrates als wissenschaftlichen Genius dargestellt. Es ist bekannt, dass Sokrates behauptete, eine göttliche Kraft leite ihn, indem sie ihn warne und zurückhalte, wenn er im Begriff sei zu irren, ohne dass indess dadurch seine selbst

thätige Willensentscheidung beschränkt, oder er irgendwie positiv zu einem Entschluss oder Gedanken bestimmt werde. Plato erklärt diese Kraft als die divinatorische Begeisterung, welche bei Sokrates zum wissenschaftlichen Gewissen wurde. Dieser alles prüfende Wahrheitsdrang war in ihm zugleich der Grund der begeisterten Liebe, welche ihn antrieb, sein Ideal - die wissenschaftliche Wahrheit in den Gemüthern der Jugend fortzupflanzen. Und diese Liebe, wie jener Wahrheitsdrang, verlieh ihm ausserdem den schöpferischen Trieb, aus welchem seine tiefe Kunst hervorging, den Geist seiner Schüler vom Vorurtheil zu befreien und zum wissenschaftlichen Denken zu leiten. Das wissenschaftliche Denken will nun nach Sokrates die Herrschaft der Vernunft, und damit die Gottähnlichkeit des menschlichen Geistes herstellen; dies ist nur möglich durch die begeisterungsvolle Hingabe an das Göttliche. Darin liegt die befreiende, erlösende Kraft der Wissenschaft. Daraus ging in Sokrates jener innere Friede hervor, der über das Irdische erhaben ihn fähig machte, für die Waarheit den Giftbecher zu leeren. So offenbart sich nach Plato's Ansicht gerade in dem wissenschaftlichen Genius die ganze Fülle des göttlichen Geistes ).

Die vierte Grundeigenschaft im Wesen Gottes ist nach Plato die Thatkraft. Wenn ich vom Wirken der Natur spreche, sagt er, so meine ich damit das Wirken der göttlichen Kunst'). Nicht blinde Nothwendigkeit schafft und waltet in der Natur, sondern die ewigen und unabänderlichen Gesetze derselben sind nur die Mittel, um das erhabene Kunstwerk des Universums herzustellen. In unendlicher Mannigfaltigkeit sollen alle möglichen Gestalten sich entwickeln, neben und nacheinander; aber die Sphären der Welt bilden eine grosse Harmonie und die Dissonanzen sind so angelegt, dass sie sich zu einem schöneren Einklang auflösen. Denn Gott ist gut, und weil er als solcher neidlos ist, will er, dass alles ihm nach Möglichkeit ähnlich werde. Durch den Weltplan Gottes also sind von Ewigkeit her die nach mechanischen Gesetzen wirkenden Bewegungen der Atome so gerichtet, dass der ewige Fortschritt möglich ist, ein Fortschritt, den Plato wie wir saben trotzdem in der Entwickelung der Gesellschaft durch das Gesetz der Vererbung und Concurrenz erklärte. Das Princip der Vererbung ist ja auch aus dem blossen Spiel der Atome ohne einen Plan nicht zu begreifen. Und diesen Plan erkennt man aus dem Endergebniss. Die Erde ist angelegt, der Wirkungsplatz von geistigen Wesen zu sein, die Gott auch in der Thatkraft ähnlich, sie organisiren sollen als seine Gehülfen bei dem Aufbau des Universums Aus der ewigen Thatkraft Gottes aber folgert Plato die Unmöglichkeit, dass die ihm gleichartige menschliche Seele als Schatten ohne Wirksam

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keit auf die Körperwelt existire. Allein aus der Thatkraft Gottes folgt zugleich die Unsterblichkeit der Seele. In der griechischen Sage bangen die Götter um ihre Söhne, die dem Tode entgegengehen sie trauern und klagen um die Gestorbenen. Plato findet dies unwürdig: Gott erhält sein Ebenbild. Gott erhält sein Ebenbild. Nicht als Wunder ist es zu betrachten, wenn die Seele nicht mit dem irdischen Körper untergeht. Inwieweit entwickelt sich denn die Seele wie der Körper? Die Kraft der Sinne, die Fähigkeit der Empfindung, die Fähigkeit, den Körper zu bewegen, also mit einem Worte der Zusammenhang der Seele mit der Körperwelt hängt mit von der Entwickelung des Leibes ab. Aber wenn das nothwendige Werkzeug unbrauchbar wird, und darum die Wirksamkeit der Seele aufhört, so kann darum die Kraft, welche es bis dahin regierte, fortdauern und in anderer Weise wirken. Gottes schöpferische Thatkraft besteht darin, dass er die Welt der Formen, die ewigen Ideen in dem Stoffe durch die Bewegung ausführt. Die einzelnen Seelen sind dabei seine freien Organe und haben insoweit als sie dies sind, an der Ewigkeit Gottes Antheil. Die hieraus hervorgehenden Gründe für die Unsterblichkeit der Seele hat Plato in dem Dialoge Phaedon ausführlich entwickelt, der seit der Bearbeitung von Moses Mendelssohn in weiten Kreisen bekannt geworden ist. Wie das Leben nach dem Tode des Leibes beschaffen ist, lässt sich nach Plato ebensowenig feststellen, als in welcher Weise die Seele vor diesem Leben als Organ des göttlichen Geistes gewirkt hat. Aber, wie Plato in jenem schönen Dialoge sagt, der Mensch behält immer etwas von der Natur des Kindes, welches sich vor Gespenstern fürchtet, indem es das Unbekannte mit Phantasiebildern ausfüllt. Daher sucht er zur Stillung dieses Dranges auch die Möglichkeit der Fortdauer zu schildern. Diese Vorstellungen entsprechen zum Theil nicht mehr den Resultaten unserer Naturwissenschaft, weil ihm noch der Ueberblick über die Oberfläche der Erde fehlte. Aber schon finden wir bei ihm die Hypothese von dem Fortleben auf anderen Gestirnen, und er nimmt an, dass nach gewissen Perioden dieselben Seelen von neuem auf Erden zu einer wiederholten Prüfung geboren werden. Für sicher erweisbar gilt ihm indessen nur, dass die Seele unsterblich ist, nicht die Art, wie die Unsterblichkeit zu denken.

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Fassen wir das Resultat dieser Weltanschauung zusammen. Plato verwirft wie die Naturwissenschaften eine zeitliche Schöpfung der Welt und einen dämonischen Kampf in derselben aber er nimmt eine ewige Schöpfung der Welt in ihrem Stoffe und ihrer Kraft an; er verwirft eine äusserliche Zweckmässigkeit der Natur und im Anschluss daran eine willkürliche Prädestination - aber er nimmt in dem Kampf ums Dasein eine innere Zweckmässigkeit und eine Erziehung des Menschengeschlechts, eine gerechte Prä

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destination zur Freiheit an; er verwirft Offenbarung durch übernatürliche Zeichen und Wunder aber er lässt eine Offenbarung der ewigen Weisheit Gottes in Natur und Menschenleben gelten; er verwirft eine wesenlose Fortdauer der Seele in einem ausserweltlichen Himmel aber er behauptet fest eine lebendige Fortdauer derselben als Organ des lebendigen Gottes.

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So liegt denn in dieser Philosophie in der That ein Mittel zur Versöhnung der Naturwissenschaft mit dem Gottesglauben. Sie wäre von der grössten Bedeutung für die Lösung der religiösen Fragen unserer Zeit, wenn sie in unserer Nation ebenso lebendig wäre wie die Naturwissenschaften. Nun wohl, sie hat Leben in unserer Nation und es ist nicht schwer, sich dies zum Bewusstsein zu bringen. Seit Jahrhunderten ist unsere tiefere Bildung gegründet auf das Studium des Alterthums und der Cultur, welche auf dem Boden des Alterthums erwachsen ist. Die sogenannte Renaissance, die Wiedergeburt des klassischen Alterthums, die in Italien mit Petrarca begann, hat nicht nur die Kunst, die Sprachwissenschaft und Geschichtswissenschaft, sondern auch die ganze historische und sittliche Lebensanschauung der abendländischen Völker der Neuzeit bestimmt. Eine Blüthe dieser Bildung ist unsere klassische Literatur, unsere Philologie und Geschichtsforschung. Wenn ich zu Anfang meines Vortrages sagte, das Interesse des deutschen Volkes an der Wissenschaft sei grossentheils durch die Fortschritte der Naturwissenschaften hervorgebracht, so darf man doch nicht den andern wichtigen Faktor vergessen unsere poetische und geschichtliche Nationalliteratur. Wie nun aber in der Zeit der Renaissance Plato mit höchster Begeisterung studirt wurde, so sind durch das Studium des Alterthums Plato's Ideen überall bewusst und unbewusst verbreitet worden. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts begann man indessen erst die Werke des tiefsinnigen Philosophen wirklich zu verstehen. Der grosse Philolog Friedr. August Wolf trug hierzu besonders bei und sein Schüler August Boeckh, einer der tiefsten Kenner des Plato, hat sein ganzes philologisches System auf dessen Philosophie gegründet. Es ist schon hieraus klar, welchen immensen Einfluss die Platonische Weltanschauung so mittelbar durch die Schüler Wolf's und Boeckh's und ihrer Nachfolger, d. h. durch die Lehrer unserer höheren Schulen in der Nation gewonnen hat. Das Bedeutendste zum eigentlichen Verständniss Plato's hat Schleiermacher beigetragen durch seine klassische Uebersetzung der Werke Plato's und die Einleitungen zu diesen. Seitdem ist Plato in Deutschland vielfach übersetzt worden. Im Anfang unseres Jahrhunderts fand er an allen deutschen Universitäten enthusiastische Jünger und auch jetzt wird er an allen Hochschulen studirt und viele Gelehrte beschäftigen sich mit seiner Erklärung. Allein, was das Wichtigste ist, unsere gesammte

klassische Nationallitteratur trägt das Gepräge des platonischen Geistes. Von Plato ist zuerst das Wort Idee in die Wissenschaft eingeführt. Eine Idee in seinem Sinne ist ein schöpferischer Gedanke, der sich in den Dingen, in der Natur wie im Menschenleben, verwirklicht und ideal ist eine Weltanschauung, welche die Dinge als Verwirklichung eines solchen Gedankens betrachtet. Die Dinge sind hiernach Produkte des Denkens, nicht umgekehrt das Denkeu ein Produkt des Stoffes, eine blosse mechanische Bewegung des Gehirns. Eine solche ideale Weltanschauung bildet den Grundzug unserer poetischen und historischen Nationallitteratur, ja auch den Grundzug unserer klassischen Kunst. Der von den Naturwissenschaften ausgehende Materialismus steht daher in einem scharfen Widerspruch mit dem innersten Wesen der deutschen Nation, wie es in den Heroen unserer Literatur Ausdruck gefunden hat. Eigenthümlich grell tritt dieser Widerspruch in dem erwähnten Buche von Strauss entgegen. Zuerst nach Beseitigung des alten Glaubens an einen schöpferischen bewussten Gott der neue Glaube, wonach aus der Bewegung der Atome alles, auch der Geist des Menschen sich planlos zusammenwürfelt dann ein Moralcodex mit der Ueberschrift Wie ordnen wir unser Leben?" worin auch unsere grossen Dichter und Musiker besprochen werden, und hier ist nun abgesehen von einigen engherzigen Urtheilen über Tagesfragen - alles ideal, alles von platonischen Gedanken durchtränkt. Aber zwischen diesem praktischen und jenem theoretischen Theil der Schrift liegt eine unausfüllbare Kluft. Dies springt jedem unbefangenen Leser sofort in die Augen und ist bereits gründlich auseinandergesetzt, besonders von Ludwig Weis in der Schrift „Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniss als Antwort. Berlin Verlag v. F. Henschel" und von Huber „Der alte und der neue Glaube, ein Bekenntniss von D. F. Strauss, kritisch gewürdigt (Nördlingen Beck'sche Buchh.)".

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In dem Bewusstsein des deutschen Volkes ist in der That eine bedenkliche Spaltung zwischen dem neuen Glauben und den alten Idealen eingetreten. Aber der Glaube Plato's und der Glaube unserer Klassiker stimmt ausserdem auch nicht mit der orthodoxen Kirchenlehre. Es ist bekannt, wie die Heroen unserer Literatur in dem letztverflossenen Menschenalter als unchristlich, heidnisch verschrien sind, wie man sie mit allen erdenklichen Mitteln dem Volke zu entfremden gesucht hat, besonders auch, indem man ihre Lectüre von der Vorbildung der Volkslehrer ausschloss. Die religiöse Frage wird dadurch noch verwickelter. Die positiven Confessionen, der Vernunftglaube und der neue naturwissenschaftliche Glaube kämpfen mit einander. Ich behaupte nun, die platonische Philosophie ist berufen, den Ver

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