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währender Umwandlung begriffen sind; sodann auch die Physiologie soweit sie die organischen Specialvorgänge in physikalische und chemische Processe aufzulösen bestrebt und fähig ist. In die zweite Klasse gehören die morphologischen Disciplinen; also insonderheit die organische Entwicklungslehre, unter welche auch die Descendenz und Selectionstheorie fällt. Ob und wie eine Ausgleichung dieses factisch fortbestehenden Gegensages möglich ist, muß die Zukunft lehren. Aber es fehlt nicht an Anzeichen dafür, daß man, auf eine gewisse eigensinnig immanente, bei aller Macht äußerlich mechanischer Einwirkung, doch von innen her regirende Entwicklungs- und Gestaltungstendenz stoßend, entweder zu dem resignirten Eingeständnißz genöthigt sein wird, daß das mechanistische Erklärungsideal hier zu scheitern droht, oder, ohne die nur postulirte Durchführbarkeit jenes Ideals preiszugeben, den Entschluß faßt, den gesammten Weltmechanismus einer allgemeinen Welttechnik unterworfen zu denken. Namentlich dann macht sich das geltend, wenn man die psychologischen Attribute und Leistungen der organischen Wesen nicht, wie dies aus methodologischen Nüglichkeitsgründen in der Regel geschieht, ignorirt, sondern mit in Betracht zieht. Eines eigenen Urtheils in dieser Angelegenheit enthalte ich mich an diesem Ort. Nur sei noch erwähnt, daß mutatis mutandis die nomokratische Ansicht der platonischen Ideenlehre sich mit spinozistischer Naturnothwendigkeitstheorie, und die idiotypische Entelechieenlehre des Aristoteles mit morphologischer Entwicklungstheorie zwanglos zur Deckung bringen läßt. Auf moralisch-praktischem Felde scheinen ähnliche Gegensätze einer ähnlichen Ausgleichung zu harren. Die Sittenlehre, Gesellschafts- und Staatsauffassung des griechischen Alterthums, wie sie sich in der ethisch communistischen Idealconstruction der platonischen Republik ausgeprägt zeigt, unterwirft das politische Atom, die menschliche Einzelperson, durchaus den Zwecken der Gesammtheit und deducirt aus diesen das für den Einzelmenschen gültige Geseß. Die Staats- und Rechtsphilosophie der neueren Zeit, wie sie seit

Grotius und Hobbes bis auf Rousseau sich ausgebildet hat, stellt dem antiken Ideal eine atomistisch-mechanische Auffassung gegenüber, deren sprechende Analogie zur rein mechanistischen Naturlehre des Cartesius wohl aus wirklicher Stammverwandtschaft hervorgegangen ist. Sie will die Sittlichkeit des Individuums, die politische und Rechtsordnung der Gesellschaft aus den moralischen Impulsen, dem angeborenen Rechtsanspruch und Gerechtigkeitsjinn oder auch dem Egoismus der Einzelnen, aus der Collision, der Reibung und dem Compromiß zwischen den Vielen psychomechanisch ableiten, auf ähnliche Weise wie der Physiker den Bewegungszustand eines Körpersystems aus den individuellen Kraftwirkungen und Wechselbeziehungen der zum System vereinigten Einzelkörper ableitet. Aus ihrem Gesichtspunkt erscheint das Ganze als Mittel, nicht als Zweck für den Einzelnen. Wer mit aufmerksamen Blicken die praktischen Controversen der Gegenwart verfolgt, der wird wohl finden, daß diese diametral entgegengesetzten Auffassungsweisen noch heute nebeneinanderbestehen, und daß irgendein Austrag zwischen ihnen das Ziel zu sein scheint, auf welches die Zukunft hinarbeiten wird. Uebrigens bleibt ein weiter Spielraum von Denkmöglichkeiten offen; und da bei der Ausgestaltung philosophischer Weltansichten außer der rein verstandesmäßigen Einsicht noch ganz andere Geisteskräfte der menschlichen Natur energisch mitbetheiligt sind, so scheinen bestimmtere Prophezeiungen nicht thunlich.

Vor allen Dingen aber gibt es eine Denkaufgabe, mit welcher verglichen die Erörterung von Problemen der eben berührten Art doch nur secundäre Bedeutung besitzt; eine Aufgabe, deren Stellung man als die bleibende Hinterlassenschaft des Weisen von Königsberg zu betrachten hat. Dies ist die aus dem Bewußtsein der Subjectivität aller menschlichen Ansichten, Ueberzeugungen, Hypothesen und Theorieen entspringende Aufgabe der Selbstkritik. Der skeptisch-kühle Zug, welcher durch die heutige Gelehrtenwelt geht, und der auf das philosophische Denken eine heilsam erfrischende Wirkung ausübt, er

weht aus kantischen Regionen herüber. Versteht man unter dem Namen „Metaphysik“ eine Theorie der Vorbedingungen des empirisch Gegebenen, so trat die vorkantische Metaphysik in der angemaßten Rolle einer apodiktischen Wissenschaft vom absoluten Wesen der Dinge auf. Diese Prätention ist seit Kant nicht mehr möglich. Hingegen Metaphysik als Discussion und Prüfung menschlicher Ansichten über das Wesen der Dinge bleibt nicht nur möglich, sondern ist sogar Verstandespflicht. Die allgemeinsten Grundbegriffe und Grundsäge, welche vor wie nach Kant vom gewöhnlichen Menschenverstande wie von der strengen Wissenschaft mit dem stillschweigenden Anspruch auf ihre ariomatische Gültigkeit in Anwendung gebracht worden sind, bedürfen sehr entschieden der kritischen Revision. Wir verwenden die Begriffe der Möglichkeit und Nothwendigkeit, des Raumes und der Zeit, der Continuität und der unendlichen Theilbarkeit, der beharrlichen Substanz und des Geschehens, der wirkenden Ursache und des Zwecks, der Masse, der Trägheit und der Kraft, des gesetzlich geordneten Weltganzen und des selbständigen Atoms, der organischen Entwicklung und des causalen Mechanismus, des Materiellen und des Geistigen, der sittlichen Verantwortlichkeit, der Verpflichtung und der psychologischen Determination, wir ver wenden diese und manche andere Begriffe je nach Bedarf und mit dem Vertrauen auf ihren objectiven Erkenntnißwerth, ohne sie in der Regel einer Prüfung auf ihre Haltbarkeit und Compatibilität hin unterworfen zu haben. Wir glauben an die Gewißheit zahl= reicher Grundsäge, an die Berechtigung nicht weniger Postulate, wir ziehen aus diesen mit dem Bewußtsein richtigen Schließens näher und entfernter liegende Consequenzen, während doch neben dem logischen Formalprincip des Widerspruchs, worin das exclusive Verhältniß zwischen der Bejahung und der Verneinung desselben Urtheilsinhaltes ausgesprochen wird, kaum irgendwelche Fundamentalüberzeugungen aufweisbar sein dürften, deren Evidenz-und absolute Allgemeingültigkeit wirklich über jeden Zweifel erhaben wäre. Hier

liegen Probleme, deren gründliche Erörterung einen einzigen Werth und eine centrale Bedeutung besißt. Hier fesselt uns eine Arbeit, die nie rasten darf, wenn das menschliche Denken nicht in selbstverschuldeter Unmündigkeit stecken bleiben soll. Sie hat, verglichen. mit allen, auch den universellsten Unternehmungen der Specialforschung im Gebiete der Natur, des Geistes und der Geschichte, den Rang einer Fundamentalwissenschaft xar' ¿§oxv. Sie soll und muß den Wissensstoff, welcher von der Specialforschung zu Tage gefördert wird, auf Schritt und Tritt sorgsam beachten und entgegennehmen. Sie weiß aber zugleich, daß der lezte und höchste Maßstab für unsere Ueberzeugungen in der Logik gegeben ist. Sie wird keinen von den großen Gedanken der Vergangenheit jeweilig herrschenden Tagesmeinungen leichtfertig zum Ofper bringen, keinen aber auch im Widerspruch gegen echten Erkenntnißfortschritt eigensinnig festhalten. Sie soll, im lebendigen Bewußtsein der durch alle Jahrhunderte menschlicher Geistesbildung hindurchwaltenden Gedankencontinuität eine Tradition pflegen, welche höher steht als jede temporäre Schulüberlieferung. Sie zu pflegen ist unsere Pflicht. Denn ein Zeitalter ohne Philosophie wäre ein Zeitalter ohne Cultur.

Verlag von K. Z. Trübner in Straßburg.

Einleitung

in die

vergleichende Religionswissenschaft

von

Mar Müller.

Vier Vorlesungen nebst zwei Essays

über falsche Analogien in der vergleichenden Theologie

und

über die Philosophie der Mythologie.
Zweite unveränderte Auflage. 8. pp. V, 353.
Mit dem Portrait des Verf. 1876.
Preis: 6 M.

„Was Mar Müller schreibt, enthält immer so viel des Anregenden und Belehrenden, daß man dem rastlosen Arbeiter für jede seiner Gaben zu neuem Danke verpflichtet ist. Daß dies auch von den vorliegenden Vorlesungen über Religion s w i s se n s chaft gelte, erhellt schon aus dem äußeren Umstande, daß dieselben seit ihrem ersten Erscheinen überall mit regstem Interesse aufgenommen wurden und zahlreiche Besprechungen veranlaßt haben.“

(Literar. Centralblätt).

„Die hohe Bedeutung dieses Werkes, das einen Ausblick auf ein neues Gebiet der Wissenschaft eröffnet, ist so unverkennbar, wie der Adel und die Schönheit der sprachlichen Form, in die es gegossen, bewundernswerth ist.“ (Wiener Abendpost.)

Vorlesungen

über den

Ursprung und die Entwickelung der Religion

mit besonderer Rücksichl auf die Religionen des alten Indiens

von

Max Müller.

8. XVI. und 439 S. 1880.
Preis: 7 M.

„Es ist das große Verdienst Max Müller's, von diesem Abweg (daß alle Religion ursprünglich Fetischismus sei), auf welchem von wirklicher Erkenntniß der Religion keine Rede sein kann, die Forschung zurück und in das richtige Geleise eingelenkt zu haben. Auch er geht von dem echt modernen Grundsaß eines gefunden Realismus aus, daß die Religion als eine in steter Entwickelung begriffene Erscheinung bis zu ihrem Ursprung historisch verfolgt und dann in ihren Entfaltungen begriffen werden müsse. Aber mit diesem historischen Begreifen der Religion hat er ganz anders Ernst gemacht, unvergleichlich gründlicher und besonnener als irgend Einer vor ihm."

(Dtsche Literaturztg. 1880 Nr. 2.)

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