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diesen Kreisen pflegt darüber selten schmeichelhaft zu sein. So sehr auch die Praxis der Schule bedarf, sie urteilt nur allzu gern hochmütig über dieselbe und huldigt am liebsten einem für sie begreiflichen Utilitarismus, dem namentlich der Wert einer allgemeinen. Bildung unverständlich bleibt. Was sollen wir aber sagen, wenn Männer der Schule sich diesem oberflächlichen Urteile anschließen? Der Realschulmann sägt an dem Ast, auf dem er selbst sigt, wenn er meint an der Beseitigung des Gymnasiums zu arbeiten.

Es giebt gewiß manche Fälle zu berichten, in denen ein pedantischer Humanist seine Kenntnisse am unrechten Play angewendet hat. Meine Herren, um an einem Beispiele zu zeigen, daß auch das Vordrängen realistischer Kenntnisse zur Geschmacklosigkeit führen kann, erlaube ich mir als Gegenstück eine Anekdote zu erzählen, die ich der Rede des berühmten Astronomen Arago entnehme, welche derselbe vor 50 Jahren vor der französischen Deputiertenkammer zu Gunsten der realen Bildung gehalten hat.*)

Zu dem Mathematiker Euler sagte eines Tags ein ihm befreundeter Berliner Pastor: „Mit der Religion ist es aus; der Glaube hat keinen Boden mehr, die Herzen lassen sich nicht einmal mehr durch die Schilderung der Schönheiten der Wunder der Schöpfung rühren. Sollten Sie es glauben? ich habe diese Schöpfung nach dem Schönsten, Poetischsten und Wunderbarsten, was in ihr gefunden werden kann, dargestellt, ich habe die alten Philosophen und selbst die Bibel citiert, die Hälfte der Zuhörer hat mich nicht angehört, die andere Hälfte hat geschlafen oder die Kirche verlassen." Machen Sie den Versuch, den ich Ihnen vorschlagen will", erwiderte Euler. Anstatt die Welt nach den griechischen Philosophen oder nach der Bibel zu schildern, nehmen Sie die Welt der Astronomie: enthüllen Sie die Welt, sowie sie nach den astronomischen Untersuchungen besteht. In Ihrer Predigt haben Sie wahrscheinlich, dem Anaxagoras folgend, aus der Sonne eine Masse gleich dem Peloponnes gemacht. Sagen Sie dagegen Ihren Zuhörern, daß nach genauen unbestrittenen Messungen unsre Sonne zwölfhunderttausendmal größer ist als die Erde. Sie haben unstreitig von ineinander geschachtelten Himmeln aus Krystall ge

*) Abgedruckt in der Gaea XXII S. 80 f. aus dem 16. Band der Hankelschen Übersetzung von Arago's Werken.

sprochen; sagen Sie, daß es solche nicht giebt, daß die Kometen sie zerbrechen würden. Die Planeten haben sich nach Ihren Erklärungen von den Fixsternen nur durch die Bewegung unterschieden; weisen Sie darauf hin, daß es Welten sind; daß Jupiter vierzehnhundertmal und Saturn neunhundertmal größer als die Erde ist; beschreiben Sie die Wunder des Saturnringes, sprechen Sie von den vielfachen Monden dieser entfernten Welten.“ In dieser Weise wird der Vorschlag weiter ausgeführt; hören wir nur noch das Ende. Der Rat wurde befolgt: anstatt der Welt der Fabel enthüllte der Geistliche die Welt der Wissenschaft. Euler erwartete seinen Freund mit Ungeduld. Er kommt endlich, mit trübem Blick und in einer Haltung, welche die Verzweiflung auszudrücken schien. Der Mathematiker ruft sehr erstaunt: „Was ist denn geschehen?“ „Ach! mein Herr Euler", erwiderte der Geistliche, ich bin sehr unglücklich; sie haben die Achtung vergessen, die sie dem heiligen Orte schuldig sind, sie haben mir Beifall geklatscht." Also erzählt Arago; wollte er damit ein Zukunftsbild unserer Kirchen zeichnen, wenn erst Realschulabiturienten die Kanzel besteigen werden?

Beifall geklatscht! Das Gegenstück dazu existiert nur auf den Gymnasien, wenn wir ihren Gegnern glauben wollen. Eine tödliche Langeweile in den Sprachstunden! Der Vorsißende der neunten Jahresversammlung des allgemeinen deutschen Realschulmännervereins konnte zwar nicht umhin anzuerkennen, daß die Vorliebe für die Gymnasien bei ihren Vertretern wenigstens zum Teil auf der Dankbarkeit für das, was man in ihnen gelernt habe, beruhe; aber am liebsten schenkt man doch denjenigen Gehör, welche sich aus ihrer Jugendzeit dunkel erinnern, mit dem grausigen Unterschied der Partikeln que und et und der geheimnisvollen Bedeutung von dý und aọa gequält worden zu sein, und darüber die geistigen Anregungen, die sie sonst empfangen haben, vergessen. Mir ist's, als hätte ich mehr als einmal über den naturwissenschaftlichen Unterricht klagen hören, daß durch die vielen lateinischen Namen und die Zählung der Staubfäden die Liebe zur Natur erstickt würde; aber ich bin weit entfernt, mich in meinem Urteil durch so oberflächlichen Tadel bestimmen zu lassen; denn ich kenne die menschliche Natur, die das Gute zu vergessen, des Bösen zu gedenken liebt und bei einem einzigen Regentag über schlechtes Wetter in der Woche klagt.

Wenn man sich aber nur begnügte, Methode und Ziele unsers Gymnasiums anzugreifen! Aber nein, um die gute Meinung von dem Idealismus des Gymnasiums gründlich zu zerstören, sammelt man eifrig über das Verbindungswesen auf Gymnasien und Universitäten. Meine Herren, der Gymnasiallehrer hat sich niemals gescheut, Ausschreitungen und Zuchtlosigkeit auf seiner Schule schonungslos aufzudecken, und Pilger hat die redlichsten Absichten gehabt, als er über das Verbindungswesen auf den Gymnasien schrieb. Vorsicht dürfte aber auch hierin zukünftig geboten sein; denn alles das bietet unsern Gegnern willkommenes Beweismaterial; bemüht man sich doch diese Ausschreitungen als eine unvermeidliche Folge der klassischen Bildung zu erklären, als ob unsre Jugend das Trinken von den Griechen und Römern und nicht vielmehr von den immer noch eins" genehmigenden Vorfahren überkommen hätte. Und hat man nicht, wo immer ein Polytechnikum gegründet worden ist, nichts eiliger zu thun gehabt, als das Verbindungswesen der Universitäten nachzuahmen? Und auf den Realschulen?

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Doch ich breche ab; denn es erscheint mir kleinlich, Anklage mit Anklage zu erwidern. Übrigens bin ich der Meinung, daß die Sitten unsrer gesamten studierenden Jugend zahmer geworden sind, als dies nach drastischen Schilderungen in früherer Zeit gewesen sein muß. Die Schulen werden aber zu jeder Zeit unter der üblen Gewohnheit der Alten zu leiden haben, über zunehmende Verwilderung der Jugend zu klagen; seit Nestors Tagen hat sie bestanden.

Als Meister des induktiven Beweises haben unsre Gegner auch in anderen Angriffspunkten die Statistik in ihren Dienst gestellt. Die Berechnungen des Prof. Conrad wollen ihnen freilich nicht gefallen, nach denen von der Zulassung der Realschulabiturienten eine ungesunde Überfüllung der gelehrten Berufszweige zu befürchten ist; auch die Schüler ihrer Primen zählen sie nicht gern, so leicht diese Arbeit wäre; da wenden sie ein, daß erst die Freigebung der Universitätsstudien einen ehrlichen Wettstreit beider Schulen ermögliche; es wäre gerecht diesen Einwand in anderen Fällen zu Gunsten des Gymnasiums gelten zu lassen. Denn es ist klar, daß gerade der Vorzug der Berechtigungen dem Gymnasium manche Elemente zuführt, die nur um dieser willen seine Bänke füllen, Elemente, die gewiß zum guten Teil der Realschule zugeführt werden würden, wenn diese erst im ersehnten Voll

besiz aller Rechte sein wird. Schon aus diesem Grunde kann eine Statistik der Abgangscensuren zu keinem Resultat führen, ganz abgesehen davon, daß die Censuren an verschiedenen Anstalten verschiedene Werte haben und die Güte einer Schule durchaus nicht nach den Graden ihrer Abgangscensuren beurteilt werden darf. Reden wir lieber beiderseits bescheiden von den Leistungen unsrer Schüler; das dem Lehrer vorschwebende Ideal wird ja, wie alles in der Welt, so selten erreicht; und jederzeit werden dem Abiturientenexamen winzige Geister mit entschlüpfen, die dann doch vielleicht mit ihrem mühseligen Fleiße ihre Stelle im praktischen Leben vortrefflich ausfüllen. Ich denke, der Realschulabiturient, der in seinem Berufsexamen über die deutsche Reichsverfassung geprüft den dunklen Spruch gefällt: „Bei Stimmengleichheit entscheidet relative Majorität“, kann troß dieser Weisheit ein tüchtiger Beamter werden, und es wäre ungerecht, nach dieser Antwort die von ihm besuchte Bildungsanstalt beurteilen zu wollen. Überlegen denn aber die heftigen Gegner des Gymnasiums, daß sie unsern im Ausland gerühmten Beamtenstand, unsre Geistlichen und Ärzte für unfähig zu ihrem Berufe erklären, wenn sie behaupten, daß sie den denkbar ungeeignetsten Grund ihrer Bildung gelegt haben? Überlegen sie, daß sie selbst zum größten Teil zu diesen Verbildeten gehören? Kennen sie den scherzhaften Kettenschluß: „Epimenides sagt: Alle Kreter sind Lügner"?

Unsre ehrenwerten Kollegen begnügen sich aber nicht die Leistungen unsrer Schüler zu prüfen; ihre Kritik erstreckt sich auch auf die der Lehrer, auf die Programmarbeiten der Gymnasien. „Man füllt Bände über den Namen Vergil oder Virgil, über die unermeßliche Zeugungskraft des Stammes 6a u. s. w." schreibt Schmeding. Der lettere Wiz stammt aus Treitschkes erwähnter Abhandlung, und da an derselben Stelle von einem Konrektor erzählt wird, der seine Schüler eine Stunde lang mit der Frage, ob Vergil oder Virgil, gelangweilt habe, so kann man erraten, was es mit den Bänden über diesen Namen auf sich hat. Ein beliebter Sport ist es neuerdings geworden, die stilistischen, womöglich auch die orthographischen Fehler der deutsch geschriebenen Gymnasialprogramme aufzuspüren. Als Mustersaß eines Philologen muß eine ungefüge Periode G. Hermanns dienen, die, einmal aufgespürt, mit Behagen von dem ganzen Chorus wiederholt wird. Meine

Herren, keiner von uns wird sich die gleiche Mühe mit den jenseitigen Programmen nehmen; dazu haben wir zu wenig Zeit; die Bemerkung aber sei mir gestattet, daß ich manche Broschüre dieser Herren durchgelesen habe mit Entseßen über die Verwilderung der deutschen Sprache. Doch halten wir ein und gebrauchen unsre Waffe nur notgedrungen! Die Achtung vor der deutschen Schule und den deutschen Schulmännern gewinnt wahrhaftig nicht, wenn Gymnasien und Realschulen sich in so gehässiger Weise bekämpfen; und wie an den Gymnasien Mathematiker und Philologen in gegenseitiger Hochschätzung und Vertrauen gemeinsam an ihrer dankbaren Aufgabe arbeiten, nicht, wie die Gegner es darzustellen belieben, in unversöhnlichem Streit mit einander leben, so sollten auch beide Schulgattungen in loyalem Wetteifer der Welt beweisen, daß die Beschäftigung mit jeder Wissenschaft ihre Jünger mit wahrhaft vornehmer Gesinnung erfüllt.

Dies führt mich endlich zu einem anständigeren Gegner unsrer klassischen Bildung, der darum aber auch umsomehr zu fürchten ist: ich meine Paulsen mit seiner Geschichte des gelehrten. Unterrichts, Leipzig 1885. Paulsen ist zweifellos ein gelehrter Kenner der Geschichte des deutschen Schulwesens, durch seine Studien über die deutschen Universitäten der gelehrten Welt bereits vorteilhaft bekannt, und seine Versicherung in der Vorrede, im Gegensatz zu seinem Vorgänger v. Raumer objektiv sein und frei von Liebe und Haß jede Zeit über sich selbst urteilen lassen zu wollen, erweckt in uns das günstigste Vorurteil. Aber es giebt Leute, welche aus allzu großer Ängstlichkeit, unparteiisch zu bleiben, nach der anderen Seite parteiisch werden; zu ihnen würde ich Paulsen rechnen, wenn ich mir die günstigste Meinung von ihm erhalten wollte. Paulsen ist, wie ich höre, Protestant; um den Ruf der Unparteilichkeit zu wahren, ist er zu einem Lobredner der Scholastik und des 15. Jahrhunderts, zu einem Tadler des Humanismus *) und der Kirchenrevolution" geworden. Man wird vielfach an Janssen erinnert; kein Wunder, daß sein Werk von dem Abge

*) Wenn einmal jede Zeit und Richtung nach dem Maßstab, den sie an sich selbst legt, beurteilt werden soll, warum läßt P. die gleiche Gerechtigkeit, wie der Scholastik, nicht auch dem Humanismus widerfahren, der sich in seiner Befriedigung bis zu dem:,,o saeculum! o litterae! iuvat vivere" verstieg?

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