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geben Zeugniß von der großen Sorgfalt des Volkes für die Todten; in den Inschriften wird der Zorn der Götter herabgerufen über Jeden, der die Gräber zu verlegen wagt.

Ein letztes indogermanisches Volk Kleinasiens waren die Armenier, über deren ursprüngliche Religion wir aber nur soviel wissen, daß dieselbe im Allgemeinen mit der iranischen identisch war. Wenn es einmal gelingt, die zahlreichen Keilinschriften des Landes mit Sicherheit zu entziffern, dürfen wir auch auf genauere Aufschlüsse über den armenischen Glauben und Kultus hoffen. Von seiner Zeit bemerkt Strabo, daß die Armenier die Kriegsgöttin Anahita am meisten verehrten, welche da= mals auch eine Hauptrolle in der Religion der Franier spielte.

Auf den Inseln des Mittelmeeres war phönizischer und späterer griechischer Kult mit einander verschmolzen. Auf Cypern herrschte ein weit berüchtigter Mylittadienst, nach der Sage von dem Priesterkönige Kinyras begründet. Von hier aus verbreitete sich der Kult nach Westen, weßhalb die Aphrodite bei den Griechen auch Kypris hieß und nach griechischer Sage auf Cypern geboren sein soll. Von Kreta berichten verschiedene Überlieferungen aus dem Alterthume, daß die Insel von Kanaaniten kolonisirt worden sei. Die Richtigkeit dieser Aussage bewährt sich durch den Kultus. Vor der ehernen Statue des Sonnengottes Tallaios wurden Menschenopfer dargebracht. Der kretische König Minos ist ebenfalls nichts Anderes als ein Sonnenheld, und der kinderfressende Minotaurus erinnert sofort an Baal Moloch. An den Dienst des Moloch knüpft auch wohl die Sage von dem ehernen Talos, der dreimal des Tages um die Insel lief, die an den Strand Verschlagenen in seine Arme nahm und an seine glühende Brust drückte, bis sie verbrannten. Der kretische Zeus wurde hauptsächlich mit Rücksicht darauf verehrt, daß er auf der Insel von Rhea geboren worden. Auch zeigte man das Grab des Zeus, der als Sonnengott im Winter starb. Es war eben Zeus und Apollo und Dionysus und Helios im Grunde dieselbe Gottheit. Die gleiche Gottheit wurde als Saturn auch auf Rhodus verehrt, wo man zur Zeit der ärgsten Sommerhitze ihm einen Menschen opferte. Der rhodische Koloß ist offenbar ein Idol des Moloch.

Ähnlich könnte man die Spuren phönizischen Einflusses auf vielen anderen Jujeln nachweisen. Doch das Gesagte mag genügen. Es kommt ja für uns nicht darauf an, die einzelnen Sagen und Mythen vorzus führen, sondern nur, einigermaßen zu zeigen, wie die vielen einander oft so fremden Züge in der Religion gewisser Volksstämme erklärt werden

können. Es fand eben eine synkretistische Vereinigung indogermanischer und semitischer Elemente statt, und diese Verschmelzung bedeutete im Allgemeinen eine Verschlechterung, indem gerade diejenigen Bestandtheile, welche dem verdorbenen Menschen am meisten gefielen, am liebsten aus anderen Religionen herübergenommen wurden. „Jam pridem Syrus in Tiberim defluxit Orontes", flagte ein Juvenal in dieser Beziehung.

6. Die Ägypter.

Die Ägypter waren das bedeutendste Kulturvolk Afrikas. Von Asien her in das Nilthal eingedrungen, entwickelten sie dort, von Norden nach Süden fortschreitend, eine geistige Regsamkeit, deren Früchte wir in den Wunderwerken der Pyramiden und Obelisken, in den Riesengestalten der Sphinxe und den übrigen gewaltigen Bauwerken ebenso gut bewundern wie in den zahlreichen schriftlichen Aufzeichnungen, die sich in keinem Lande der Welt aus so hohem Alterthume bis auf unsere Tage erhalten haben.

Während die ältesten Sanskrit-Handschriften nur einige Jahrhunderte zählen, während alle Klassiker-Manuskripte dem christlichen Zeitalter an= gehören, während wir von keinem einzigen Stück des Neuen Testaments mehr den Urtext haben, besißen wir dagegen ägyptische Papyrus-Rollen, die viele Jahrhunderte oder auch Jahrtausende vor Christus geschrieben wurden. In einem Lande mit ganz trockenem Klima wurden diese Schriftwerke in hermetisch verschlossenen Gefäßen, oft tief im Felsen und noch dazu bedeckt von dem Wüstensande, unter den allergünstigsten Umständen aufbewahrt, die sich nur denken lassen. In dieser Beziehung steht darum die auf uns gekommene ägyptische Literatur ganz einzig da.

Von den vielen tausend Texten, die man bis jetzt entdeckt hat, sind aber äußerst wenige, die nicht auch einen religiösen Inhalt haben. Le Page Renouf erzählt, ein mathematischer Papyrus des Britischen Museums sei ihm oft deßhalb aufgefallen, weil derselbe einen so wenig religiösen Charakter zur Schau trage, erst ganz am Ende würden Gebete um gutes Wetter und einen hohen Nilstand erwähnt; ein anderer Papyrus dagegen, der über Heilkunde und Heilmittel berichte, enthalte so viele Gebete und fromme Vorschriften, daß er einfachhin als ein religiöses Buch gelten

1 Nach G. Ebers (Über das hieroglyphische Schriftsystem. Berlin 1871. S. 5) sind die Papyrus zum Theil an 4000 Jahre alt.

könne. So zeigt sich, wie wahr Herodot (II, 37) sagen konnte: „Die Ägypter sind überaus gottesfürchtig, mehr als alle anderen Menschen.“

Gewiß ist uns also bei der großen Zahl der schon entzifferten Inschriften und Papyrus-Rollen ein reiches Material zur Kenntnißnahme der ägyptischen Religion geboten. Allein wenn man bedenkt, daß die verschiedenen Schriftwerke oft Hunderte und Tausende Jahre von einander Liegen, so sieht man leicht ein, wie nöthig es ist, Altes und Neues wohl von einander zu sondern; denn obschon die religiösen Einrichtungen der Ägypter von Anfang bis zu Ende die gleichen waren, so mußte doch die Auffassung des Glaubensinhaltes im Laufe der Zeit mannigfachen Veränderungen unterliegen.

Welcher Art diese Veränderungen waren, von welchen Überzeugungen sie ausgingen, welche Übergänge sie durchmachten, zu welchen Endergebnissen sie führten, das können uns am besten die Ägyptologen von Fach sagen, die seit Champollion mit solchem Eifer und nicht selten mit einer solchen Fülle von Geist und Wissen die Geschichte und Kultur der Bewohner des Nilthales durchforscht haben. Le Page Renouf sagt, kein Gelehrter habe ein größeres Recht, in der Frage nach der ursprünglichen Form der ägyptischen Religion gehört zu werden, als M. E. de Nougé, da die Thatsachen, auf die derselbe sich stüße, in der Hauptsache unanfechtbar seien.

De Rougé war aber seinerseits der festen Überzeugung, daß in Ägypten der Monotheismus das Ursprüngliche gewesen sei, und durch unermüdlich fortgesetzte Studien fand er sich in dieser Anschauung immer mehr bestärkt 2. Schon im Jahre 1851 hatte er sich in diesem Sinne ausgesprochen in einer Notice sur les monuments égyptiens du Louvre3. Im Jahre 1860 schrieb er: „Die Einheit eines höchsten Wesens, das aus sich selbst ist, ... die Schöpfung der Welt und aller lebenden Wesen, welche diesem höchsten Gott zugeschrieben wird, die Unsterblichkeit der Seele... das ist der tiefe und ständige Gehalt, der dem Glauben der Ägypter eine sehr ehrenwerthe Stellung unter den Religionen des Alterthums sichern muß." Im Jahre 1869 sprach er sich also aus: „Niemand hat noch die Grundbedeutung der vorzüglichsten Stellen

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1 P. Le Page Renouf, Lectures on the Origin and Growth of Religion as illustrated by the Religion of ancient Egypt. London 1880. p. 27.

2 Revue des questions historiques, Oct. 1878. p. 458.

3 4 éd. Paris 1865. p. 103.

De Rougé, Etudes sur le Rituel funéraire. Paris 1860. p. 8 sq.

in Zweifel gezogen, vermittelst deren wir im Stande sind zu bestimmen, was das alte Ägypten über Gott, die Welt und den Menschen gelehrt hat. Ich sage Gott, nicht Götter. Die erste Eigenthümlichkeit dieser Religion ist ein sehr entschiedener Ausdruck der Einheit: Gott, Einer, Einzig und Allein, keine Anderen mit ihm... Er hat Alles gemacht und ist allein nicht gemacht. Die klarste, einfachste, genaueste Auffassung.“ 1

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Ebenso entschieden redet Robiou: „Der ursprüngliche Glaube der Ägypter an einen einzigen Gott ist eine Thatsache, die heutzutage von der Wissenschaft laut ausgesprochen wird." 2

Der gleichen Meinung sind Grébaut, Lenormant und Andere. Le Page Renouf schreibt: „Es ist unzweifelhaft wahr, daß die höher stehenden Bestandtheile der ägyptischen Religion nicht das verhältnißmäßig späte Ergebniß eines Entwicklungsprozesses oder einer Abhebung aus den gröberen sind. Die höheren Theile sind erweisbar alt, und die lezte Stufe der ägyptischen Religion, wie sie den griechischen und lateinischen Schriftstellern, Heiden oder Christen, sich darstellte, war bei weitem gröber und verdorbener." 3

Man darf aber diese Aussprüche der Ägyptologen nicht so auffassen, als ob sie sagen wollten, es lasse sich irgendwie ein geschichtlicher Zeitraum nachweisen, sei es aus den Denkmälern oder den Papyrus, in welchem die Ägypter einen einzigen Gott mit Ausschluß anderer Götter verehrt hätten. Nein, sie wollen nur sagen, neben aller Vielgöt terei fänden sich in den ägyptischen Glaubenslehren sehr deutlich monotheistische Gedanken ausgesprochen; da aber der Polytheismus in stetem. Wachsthum begriffen sei, so müßten die monotheistischen Spuren sich aus einer frühern, besseren Anschauungsweise herübergerettet haben; ein Schluß, an dem sicher nach den Geseßen der Logik Niemand rütteln kann.

Das älteste ägyptische Manuskript, das wir besißen, dürfte wohl der Papyrus Prisse sein. Derselbe wurde geschrieben mehrere hundert Jahre, bevor Moses geboren war. Es ist aber diese Handschrift kein Original, sondern sie selbst bezeichnet sich am Schlusse als eine Ab

P. 327.

1 De Rougé in den Annales de la Philosophie chrétienne. Tom. 20.

2 F. Robiou, Histoire ancienne des peuples de l'Orient. Paris 1862. p. 163. Tiele läßt natürlich auch die ägyptische Religion von Anfang an Fetischismus und „Animismus“ sein und erklärt die Annahme eines ursprünglichen Monotheismus für „gänzlich verkehrt“. 3 Le Page Renouf, 1. c. p. 91.

schrift. Der Verfasser lebte also noch viel früher; und er hinwiederum bezeugt, daß er nur die Lehren der Vorfahren überliefern wolle '.

Das Werk Ptahhoteps (denn so nennt sich der Verfasser) ist eine Sammlung von Sittensprüchen, die große Ähnlichkeit mit einigen Abschnitten des biblischen Spruchbuches haben. Doch ist die Übersetzung nur zum Theil gelungen; denn die überaus alterthümliche Sprache hat an vielen Stellen bis jetzt allen Erklärungsversuchen getrozt. Was uns aber von dem Schriftstück erschlossen ist, enthält sehr bemerkenswerthe Aufschlüsse über die damaligen ägyptischen Anschauungen. „Die abstrakte Auffassung der Gottheit," sagt Chabas, „kommt häufig im Texte vor, als ob der Verfasser den Begriff der göttlichen Einheit und Untheilbarfeit gehabt hätte." 3. B.: „Geliebt von Gott ist der Gehorsam; der Ungehorsam wird gehaßt von Gott." „Ein im Dienste Gottes gelehriger Sohn wird glücklich sein in Folge seines Gehorsams, er wird alt werden und zu Gunst gelangen." "Ein guter Sohn ist eine Gabe Gottes."

Daneben kommt der Name Osiris als einziger Gottesname vor. Die Osiris-Mythen waren dem Verfasser schon bekannt, so daß das Alter derselben außer allem Zweifel steht. Die klassischen Schriftsteller berichten daher mit Recht, daß Osiris der älteste Gott der Ägypter sei.

Osiris ist unstreitig auch die Hauptgottheit des sogen. Todtenbuches, des wichtigsten Denkmales zum Studium der altägyptischen Religion.

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Der Name Todtenbuch" stammt von Lepsius und bezeichnet eine Sammlung von Texten, die erst mündlich überliefert, dann aber schon in sehr frühen Zeiten aufgezeichnet wurden. Zahlreiche Mumien tragen größere oder kleinere Auszüge aus diesem Buche bei sich, einzelne Stellen finden sich auf den Mumien selbst, auf Särgen, Gräbern, Bildsäulen u. s. m.

Das vollständigste, bis jetzt aufgefundene Exemplar ist der von Lepsius herausgegebene 57 Fuß lange Turiner Papyrus. Derselbe enthält 165 Kapitel, von denen die vier letzten als spätere Zuthaten angesehen werden. Dagegen sind gerade einige der ältesten Abschnitte ausgelassen. Der Papyrus ist sicher nicht älter als die 26. Dynastie und stammt so

1 Le plus ancien livre du monde. Par M. Chabas (Revue archéologique, Avril 1858. p. 1–25).

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