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Wegen ihrer Leiblichkeit bedürfen die Götter des Schlafes und der Nahrung: „Also nunmehr so Götter wie reisige Männer schliefen die ganze Nacht“ (Jl. 2, 1–3). Freilich die Himmlischen „essen kein Brod und trinken keinen funkelnden Wein" (Jl. 5, 341), sondern sie nähren sich von Nektar und Ambrosia (Od. 5, 196 ff.). Ambrosia heißt wörtlich „Unsterblichkeit“, so daß wir schon an diesem Beispiele sehen, wie die griechische Phantasie es liebt, innere Eigenthümlichkeiten des göttlichen Wesens durch rein äußere Attribute zu bezeichnen; denn gerade weil sie Ambrosia genießen und keine irdische Speise, sind nach homerischer Auffassung die Götter „blutlos und unsterblich" (Il. 5, 342).

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Da jedes körperliche Wesen an einen bestimmten Raum gebunden ist, so müssen folgerichtig die Götter auch ihre Wohnsize haben: Poseidon zu Ägä, wo ihm in den Tiefen des Sundes ein goldener, schimmerreicher, unvergänglicher Palast erbaut war (Jl. 13, 21), Ares der Menschenvertilger" und sein Sohn Phöbus, beide aus Thrakien kommen sie" (J. 13, 301). Für die Mehrzahl der Götter „prangt ein schöner Palast auf den steigenden Höhen des Olympus“ (Jl. 11, 77). Dort „sind sie in Zeus' Palast, des Olympiers, alle versammelt" (Od. 1, 27).

Wenn also die Götter in ihrer Seinsweise so beschränkt sind, wie steht es mit ihrem Wissen und Können?

„Alles wissen die Götter“ (Od. 4, 379). Aber allzu wörtlich darf man das nicht nehmen; denn die Götter sind eben doch nicht allgegenwärtig, sondern müssen sich von einem Orte zum andern bewegen. Freilich ist ihnen die räumliche Entfernung ein geringeres Hinderniß als den Erdenbewohnern wegen ihrer außerordentlichen Schnelligkeit. So durcheilt Athene „das unendliche Land wie im Schwung anwehender Winde" (Od. 1, 97); und Hermes fährt über die Woge der flüchtigen Möve vergleichbar" (Od. 5, 51). Immerhin aber ist mit dem räumlichen Gebundensein eine Beschränkung des Wissens unvermeidlich. Zeus kann ein Gewölk um sich verbreiten „strahlend von Gold, nie würde selbst Helios hindurch spähen“ (Jl. 14, 344), der sonst doch gerade Alles sieht und Alles hört. Daher sehen wir denn auch die Götter einander hintergehen und überlisten, und Here muß sich auf's Spähen verlegen, wenn sie die Rathschläge ihres Gemahls erfahren will (Jl. 1, 541 bis 550). Ja selbst was die Menschen thun, erfahren die Olympier nicht immer sogleich, sondern oft erst durch Mittelspersonen. Helios z. B. hört erst von der Nymphe Lampetia, daß die Gefährten des Odysseus seine Rinder geschlachtet hatten (Od. 12, 374).

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Macht der Götter.

Auch in dieser Beziehung wird uns versichert: „Zeus gibt das Eine und versagt das Andere, wie er's im Herzen beschließt; denn er kann Alles“ (Od. 14, 445—446). Allein dieses Alles-Können ist in der mythologischen Praris nur ein Viel-, über menschliche Kraft hinaus sehr Viel-Können und ist bemessen nach der Stellung der Einzelnen im Götterstaate und nach ihrer

physischen Kraft. Selbst Zeus, der doch Menschen und Götter an Macht weit überragt (Jl. 8, 27), kann nicht alles, was er will (Jl. 14, 53), sondern im Grunde beschränkt sich die Allmacht darauf, daß die Götter auch das Schwerste mit großer Leichtigkeit vollbringen. Darum begegnen wir oft ähn lichen Ausdrücken wie: Das that er sehr leicht, da er ja ein Gott ist" (Jl. 20, 444).

So wenig gelingt es dem Dichter, die Unvollkommenheiten des leiblichen Daseins bei den Göttern wegzudenken, daß Leid und Qualen diesen so gut wie den Menschen nahen.

Hephästus martert mit seinem Feuer den Flußgott Xanthus (Jl. 21, 380), Zeus droht den Göttern mit Schlägen (Jl. 8, 12) und züchtigt sie wirklich (Jl. 19, 256), Aphrodite klagt: „Heftig schmerzt mich die Wunde, die mir ein sterblicher Mann schlug“ (Jl. 5, 36), und ihre Mutter Dione tröstet sie: Dulde du, liebes Kind, und fasse dich, herzlich betrübt zwar; viele der Unsrigen, die olympische Gemächer bewohnen, duldeten Gram von den Menschen" (JI. 5, 382 ff.).

Vermag aber die Mythologie ihre Gottheiten wenigstens frei zu halten von sittlichen Schwächen? Der Versuch wird wohl gemacht: „Nicht schmähliche Thaten lieben die seligen Götter, sondern Gerechtigkeit ehren sie und billige Werke" (Od. 14, 83). Indessen auch in diesem Gebiete kommen die Unsterblichen thatsächlich über die allermenschlichsten Natürlichkeiten kaum hinaus. Was ihr Interesse, ihre Liebe, ihr Mitleid erregt, dem sind sie geneigt, und mag es noch so niedrig und schlecht, was aber ihren Neid oder ihre Nachsucht reizt, dem sind sie entgegen, und mag es noch so gut und heilig sein. Die olympische Moral ist zu bekannt, um einer weitern Erörterung zu bedürfen.

Was nun das Verhältniß der Götter zur Welt anbelangt, so werden sie nirgends als Schöpfer derselben bezeichnet. Die Welt ist da, und die Götter schalten mit derselben wie mit ihrem Eigenthum.

Wogen, Winde und Wolken stehen immer zu ihrem Dienste bereit; ja unaufgefordert gerathen dieselben ihrer Gebieter wegen in Aufruhr (Jl. 14, 392). Daher erzitterte die Erde, als die Götter auf einander losrannten, und der weite Himmel ertönte wie Trompetenstöße (Jl. 21, 387). „Kronion sprach's und winkte mit den dunklen Brauen, und die ambrosischen Locken wallten vom unsterblichen Haupte des Herrschers, und er erschütterte den großen Olympus" (Jl. 1, 529-531).

Dieser Macht über die Natur bedienen sich die Götter zum Schuß oder zum Verderben der Erdenbewohner; denn der homerische Mensch erkennt in den Göttern die Lenker des Geschickes der Einzelnen sowohl wie der Völker. "Zeus selbst, der Olympische, vertheilt Glück unter die Menschen, die wackeren

und die bösen, wie es ihm gefällt, ohne Ausnahme“ (Od. 6, 188). So wird denn folgerichtig alles Bedeutende, der Heereszug der Griechen, der Erfolg des Kampfes, die Zerstörung Trojas u. s. w. den Göttern zugeschrieben. Darum beten die homerischen Menschen in allen wichtigen Anliegen und bringen Opfer; „denn alle Menschen bedürfen der Götter" (Od. 3, 45). Diese erhören die Gebete und greifen so häufig ein, daß sie die eigentliche Triebfeder der epischen Handlung werden.

Vergleichen wir nun all diese Citate, so läßt sich nicht läugnen, daß der griechische Gottesbegriff auffallende Widersprüche enthält. Die Gottheit ist allmächtig und kann nicht Alles, ist allwissend und weiß nicht Alles, ist heilig und begeht Ungerechtigkeiten, ist selig und voll von Kummer und Leid. Wie wollen wir das reimen? Nun wir werden unterscheiden müssen zwischen dem Gott, wie er dem religiösen Bewußtsein der Griechen vorschwebt, und dem Gott, wie er in der Mythe auftritt. Sollen uns theoretisch die Eigenschaften der Götter angegeben werden, so sind diese heilige, gerechte, allwissende, unsterbliche Beherrscher der Welt, aber die dichterische Erzählung vermag sie nicht auf dieser Höhe zu erhalten, sondern läßt sie immer wieder zu außerordentlichen Menschen herabsinken. So „stellt sich denn jederzeit ein Widerspruch des menschlichen Glaubens von den Göttern mit der Wirklichkeit der im Epos handelnd eingeführten Gottheit heraus. Die Menschen Homers denken besser von ihren Göttern, als diese sind; es ist die Erscheinung derselben der Vorstellung, die sich der Mensch von ihnen bildet, durchaus nicht angemessen. Die Sehnsucht, das Bedürfniß des Menschen nach einer Gottheit, die nicht Bein von seinem Bein und Fleisch von seinem Fleische ist, reicht weiter als sein Vermögen, diesem Bedürfniß Befriedigung zu verschaffen" 1. Diesem Ausspruch Nägelsbachs stimmt Max Müller bei, wenn er sagt: „Wenngleich Homer seine Götter in ihrer mythologischen Erscheinung als schwach, leicht zu täuschen und durch die niedrigsten Leidenschaften zu verführen darstellt, so sind sie den= noch in der ehrwürdigen Sprache der Religion mit fast all den Eigenschaften begabt, welche wir einem göttlichen und vollkommenen Wesen beilegen. Jener Ausruf, welcher, wenn auch nur gleichsam parenthetisch eingefügt, doch in vielen Neden des Odysseus den Grundton angibt, die Götter wissen ja Alles', offenbart uns mehr von dem wirklichen Gefühl der unzähligen Millionen, unter denen die Idiome der Sprache zur Reife herangewachsen, als all die Erzählungen von den durch die List der Juno

1 Nägelsbach, Homerische Theologie. 2. Aufl. Nürnberg 1861. S. 38.

dem Jupiter oder durch Mars dem Vulkan gespielten Streiche zusammengenommen. In entscheidenden Augenblicken, wenn das menschliche Herz bis in seine Tiefen aufgeregt wird, scheinen die alten Griechen Homers plötzlich alle gelehrten und mythologischen Metaphern wegzuwerfen und in die allgemeine Sprache der wahren Neligion zurückzufallen.“ 1

Somit haben wir gesehen, daß der homerische Mensch, d. h. das griechische Volk überhaupt das Walten überirdischer persönlicher Mächte anerkennt, und es erübrigt noch die Frage nach dem Verhältniß der einzelnen Göttergestalten zu einander; denn weil es in dem Begriffe der griechischen Gottheit liegt, sich in eine Menge von Göttern zu spalten, so müssen wir diese Gliederung auch kurz berücksichtigen.

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Daß nun selbst zur Zeit des ausgebildetsten Polytheismus Zeus der oberste, ja in gewissem Sinne der einzige wirkliche Gott für die Griechen war, ergibt sich schon aus dem ihm so oft beigelegten Attribut: Vater der Götter und Menschen". In der That, die übrigen Götter sind selbst in ihrem Dasein nicht unabhängig von Zeus. In Bezug zu nächst auf Zeus und Here zeigt sich die wohl allgemein geltende Annahme, daß sich dem Dichter die höchste Gottheit in der Doppelgestalt von Zeus und Here darstelle, vollkommen begründet" 2. Diese beiden Götter bildeten augenscheinlich ursprünglich eine Einheit, traten aber beim Dichter so sehr auseinander, daß unter Umständen selbst die Einigkeit ganz bedeutende Störungen erfahren kann. Immerhin jedoch vermag Here nichts ohne oder gegen den Willen des Zeus auszurichten, so daß offenbar dieser selbst es ist, der in seiner Gemahlin herrscht.

Dasselbe ist der Fall rücksichtlich der Brüder des Zeus, Poseidon und Hades, die im Meere und in der Unterwelt regieren. Beide erkennen bereitwillig ihre Unterordnung unter den Gott des Himmels an und werden vom Dichter mit ihm identifizirt (z. B. Jl. 9, 457 und 569). Athene stellt sich durch Abkunft und Thätigkeit sofort als eine aus Zeus herausgeborene Seite seines Wesens, als seine Doppelgängerin dar. Apollo ist wesentlich ein Organ, der Mund des Zeus; Ares, Hephāstus, Aphrodite, Artemis, Hermes sind seine Kinder. Somit beruht ihr Wesen nicht auf ihnen, sondern ist ein Ausfluß des seinen. Die verschiedenen Göttergestalten repräsentiren im Grunde nur verschiedene Thätigkeiten des einen höchsten Prinzipes. In dieser Zurückfüh

1 M. Müller, Wissenschaft der Sprache, II. S. 389 f.
2 Nägelsbach, Homerische Theologie, S. 102.

rung göttlicher Thätigkeiten auf Zeus als deren Urquell verräth sich deutlich eine der homerischen Weltanschauung eingepflanzte monotheistische Tendenz."

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Es fragt sich nur: Jst diese Tendenz das Bestreben, sich aus einem niedern Standpunkte emporzuarbeiten oder aber einen frühern höhern Standpunkt zu behaupten? An und für sich ist natürlich Beides möglich, über den Thatbestand aber kann uns nur die frühere Geschichte der griechischen Religion Aufklärung bieten. Wenden wir uns zur Periode der Pelasger, so ist hier nicht viel Erkundigung einzuholen; denn die Quellen fließen spärlich und lassen uns zudem schon einen wenn auch weniger ausgebildeten Polytheismus erkennen, der sich von dem homerischen hauptsächlich durch eine geringere Vermenschlichung der Götterwesen unterscheidet. Anders gestaltet sich die Sache, wenn wir den engen Kreis des Hellenenthums überschreiten und an der Hand der Sprachwissenschaft unsere Forschungen auf die ältesten Vertreter des indogermanischen Stammes ausdehnen.

Die Griechen bildeten mit den Indern ursprünglich ein Volk und hatten mit denselben die gleiche Neligion. Wirklich ist Zeus ja von dyu durchaus nicht verschieden, und beide decken sich vollständig mit theos 2 und deva, dem allgemeinen Namen für die Gottheit. Daraus folgt, daß wir keine Erklärung annehmen können, die nicht auch auf die Inder und Perser anwendbar wäre. Bei diesen herrschte anfänglich Monotheismus, der erst später zum Polytheismus herabsank, und mithin ist auch die monotheistische Tendenz in der griechischen Religion eine Rückerinnerung an den frühern Zustand. „Zeus strahlte klar und rein als der wahre Gott der Griechen, ehe er sich in das Gewölk der olympischen Mythologie hüllte, und an mancher Stelle, wo theos gesagt ist, können wir es ohne Bedenken mit Gott (statt ein Gott) übersetzen." 3

Daraus ist auch erklärlich, daß Zeus stets ein panhellenischer Gott war und blieb, während die übrigen Götter mehr lokaler Natur waren.

1 Nägelsbach, Homerische Theologie, S. 113. Auch nach Preller (Grie chische Mythologie, I. S. 85) verräth die griechische Götterwelt „einen vernehmlichen Zug zum Monotheismus".

2 Nach Georg Curtius (Grundzüge der griechischen Etymologie. 3. Aufl. Leipzig 1869. S. 466 f) ist die Verwandtschaft von theos mit dyu allerdings nicht sicher; doch stimmen die meisten Autoritäten seinen Zweifeln nicht bei.

3 M. Müller, Wissenschaft der Sprache, S. 390

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