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Im einfachen Erzählungsstil, in geistreicher Causerie und leichter journalistischer Behandlung hat er Lessing entschieden übertroffen, und während Göthe später einen diplomatisch abgemessenen, feierlichen, geheimnißvollen Stil annahm, hat er bis ins höchste Alter seine frische, plauderselige Munterfeit bewahrt.

Als Recensent hat er fast alle bedeutenderen Erscheinungen der Zeit selbst besprochen oder zu Besprechungen Anderer wenigstens seine Bemerkungen gemacht. Dabei verräth er ein gesundes Urtheil, feinen Blick, große Belesenheit, auch eine gewisse Selbständigkeit 1. Nie tritt er allerdings mit jener Schärfe, Bestimmtheit, Klarheit auf, welche Lessing auszeichnet, aber dafür leidet er auch nicht an dessen galliger Professoren= Unfehlbarkeit. Auch wenn er tadelt, zeigt er noch immer ein freundliches, gemüthliches Herz, nur nicht ernsten Sittenpredigern gegenüber. Göthe's burschikose Farce gegen seine Alceste hat er ganz meisterlich abgeschüttelt, ein wahres Muster, wie man einen lästigen, petulanten Angriff mit Anstand behandeln muß. Seine Recension über Göt von Berlichingen verräth eben so viel gesunden Sinn und klares Urtheil, als Lessings Zorn über das Stück Einseitigkeit und Leidenschaftlichkeit bekundet. In seinem Verhältniß zu den übrigen Schriftstellern zeigt er die Vorzüge, wie die Fehler eines gutmüthigen Sanguinikers, gemüthlich fast bis zur Schwäche, ohne alle Anmaßung, neidlos, bei Beleidigungen rasch versöhnt und ohne Gedanken an Rache, freundlich gegen Jedermann; dagegen hinwieder weich, eitel, wankelmüthig, über Kleinigkeiten glücklich und unglücklich, mehr ein Kind, als ein Mann.

An philosophischer Schulung, vielseitiger Belesenheit, Sprachkenntnissen, bibliographischem, philologischem, historischem und literaturgeschicht

1 Ein merkwürdiges Beispiel ist sein kleiner Aufsatz „Ein paar Worte für die Jesuiten" (Wielands Werke [Hempel]. XXV. 211-220). Der Apostat Jagemann hatte ihm für das Februarheft des Teutschen Mercur 1789 einen sehr giftigen Angriff gegen die Herz-Jesu-Andacht eingeliefert: „Historische Nachrichten von der sogen. Andacht zum Herzen Jesu." Wieland nahm diesen Beitrag zwar auf, widerlegte ihn aber in einem ebenso langen Zusak, vertheidigte die Jesuiten gegen die von dem abgefallenen Priester erhobenen Beschuldigungen und bewies, daß die bestrittene Andacht durchaus in der katholischen Lehre begründet sei und so gut wie die katholische Kirche überhaupt, gemäß dem Grundsaße der allgemeinen Toleranz, wenigstens auf Duldung Anspruch mache. Die Jesuiten," sagt er dabei (S. 219), haben vor vielen ihrer Gegner den Vorzug, consequent zu sein", und von ihrem „Probabilismus“ bemerkt er: „Man sollte ihnen keinen Vorwurf daraus machen, daß sie tiefer in das menschliche Herz und in die Natur der Dinge hineingesehen haben, als Andere."

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lichem Wissen dem viel jüngeren Göthe weit voraus, hat er diesem, wie Schiller, Jean Paul und den Romantikern, in weitestem Umfang das Feld bereitet, aller Art Material herbeigeschafft, Shakespeare, Horaz, Lucian, Plinius übersetzt, den ganzen culturhistorischen Anekdotenkram der Griechen und Römer hervorgeholt, die altfranzösischen Romane und Rittergeschichten, Ariost, Cervantes, italienische und spanische Novellistik wieder auf's Tapet gebracht, Swift, Fielding, Sterne deutsch verarbeitet, Voltaire, Rousseau, Diderot, Crebillon und die französische Tagesliteratur zu deutschen Essays verwerthet, orientalische Märchen neu aufgeputzt, deutsche Curiosa aus allen Zeitaltern hervorgesucht, in allen literarischen Genres Versuche angestellt, den deutschen Pegasus auf italienische und freie Stanzen, Reimverse des verschiedensten Tempo zugeritten, Novelle und Erzählung zu hoher Vollkommenheit gebracht, die romantische Epopõe geschaffen, die Kritik geschäftsmäßig eingerichtet und betrieben, kurz nach allen Seiten hin vorgearbeitet und der nächsten Dichter- und Literaten-Generation das Geschäft erleichtert. Während Göthe und sein Herzog in Wald und Feld herumtollten und Theater spielten, hat er im Merkur die Emancipation der neuen Literatur von den begründeten Forderungen christlicher Zucht und Sitte theoretisch und praktisch durchgefochten, und ist dadurch zum allgemeinen Prügeljungen und Sündenbock des Musenhofes geworden. Wer irgend einen Groll gegen Weimar hatte, ließ ihn fürder gewöhnlich nicht an Göthe, sondern an Wieland aus. Da er indeß weit mehr von seinem Publikum beherrscht war, als er dasselbe beherrschte, so ist jenes Verdammungsurtheil über ihn nur dann gerecht, wenn man seine zahlreichen Verehrer, d. h. den Musenhof von Weimar und einen ansehnlichen Theil des deutschen Publikums, mit in dasselbe einschließt.

In seinem Privatleben steht Wieland von allen Koryphäen Weimars am unbescholtensten da, ein ehrsamer Familienvater, der mit treuer Liebe ganz den Seinigen lebt, in unermüdlicher Arbeit für sie sorgt, in be scheidener Einfachheit das höchste Greisenalter erreicht und die Feder erst aus der Hand legt, um zu sterben. Es war indeß eine recht schmutzige Feder. Von Haus aus eine durch und durch sinnliche Natur, ohne männliche Kraft und idealen Schwung, hatte er schon in seiner Jugend mit dem Idealen nur geliebelt, dann sich plößlich offen zum Lüsternen, Verfänglichen und Schlüpfrigen, als dem eigentlichen Höhepunkt und der

1 Siehe Unterredungen mit dem Pfarrer von *** (Teutscher Mercur 1775. Wielands Werke [Hempel]. XXXII. 217-268).

II—IV.

Quintessenz alles „Schönen“, bekannt, durch Widerspruch gereizt, sich nur um so eigensinniger daran angeklammert, es zu seinem Lieblingsthema erkoren und, da er gute Geschäfte damit machte, es in seinen Studien und Arbeiten bis in's Greisenalter festgehalten.

Es wirft ein seltsames Licht sowohl auf die Moralität des Weimarer Hofes, als auch des weitern deutschen Publikums jener Zeit, daß Wieland seinen „Teutschen Mercur“ bis 1790 nicht bloß in mehr als 1600 Exemplaren abseßte, sondern das Pikanteste daraus noch alljährlich in Separatausgaben verbreiten konnte, daß er trotz aller Angriffe des Hainbundes und trot Göthe's Spott in Ehre und Anschen blieb, ja als „Philosoph“ und Dichter bewundert, geliebt und gelesen wurde, und Nachahmer fand, welche ihn in schlüpfrigen Darstellungen noch zu überbieten suchten und deßhalb bei der unverschämtesten Pornographie anlangen mußten. Viel ließ ihnen Wieland zu thun nicht übrig; denn nahezu seine ganze Poesie, in Prosa wie in Versen, läuft durchweg darauf hinaus, seine Helden und Heldinnen von den „Irrthümern" stoischer oder christlicher Sittenlehre zu curiren, sie deßhalb in verfängliche Situationen und schlüpfrige Posituren zu bringen, ihnen die Scham aus dem Herzen zu reißen, und dann in langem Salbader darzuthun, daß die wahre Keuschheit in der Unkeuschheit, die Unschuld in der Nacktheit, die Sittlichkeit in mäßiger Befriedigung aller Triebe, das höchste Glück des Menschen in der Geschlechtsliebe bestehe. Bis in's hohe Greisenalter blieb ihm dieses Kapitel der Höhepunkt aller Poesie. Allem Hohen, Edlen und Würdigen in der classischen Literatur ging er mehr oder weniger aus dem Wege. Sein Classicismus hält sich wesentlich an der Schattenseite und an dem Schmuße der antiken Welt. Doch hatte er dann und wann auch seine lichten Augenblicke, und als er z. B. einmal die Pia hilaria, Scherzgedichte des Jesuiten P. Angelinus Gazäus las, kam ihm die Zeit unendlich glücklich vor, wo die Leute ohne allen Nachtheil an ihrem Herzen und an ihrem Glauben" sich an solchen Geschichten belustigten, viel glücklicher als „eine Zeit, wo wir Alle, Katholiken und Hugenotten, mit dem einfältigen Glauben unserer Alten auch die selige Einfalt ihrer Sitten verloren und uns alle Gefühle wegräsonnirt haben, die in tausend Fällen dieses Erdenlebens des Menschen Labsal, Trost und letzte Zuflucht sind." 1

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Atheist war Wieland nicht, auch nicht Pantheist.

1 Wielands Werke [Hempel]. XXXV. 405.

„Der Glaube an Gott," sagt er, nicht nur als an die erste Grundursache aller Dinge, sondern auch als unumschränkten und höchsten Gesetzgeber, Regenten und Richter der Menschen, macht nebst dem Glauben an einen künftigen Zustand nach dem Tode die ersten Grundartikel der Religion aus. Diesen Glauben auf alle mögliche Weise zu bekräftigen und zu unterstützen, ist eines der würdigsten und nützlichsten Geschäfte der Philosophie, ist in Rücksicht der Unentbehrlichkeit desselben sogar Pflicht; ihn anzufechten und durch alle Arten von Zweifeln und Scheingründen in den Gemüthern der Menschen. wankend zu machen, oder gar umzustoßen, kann nicht nur zu gar nichts helfen, sondern ist im Grunde um gar nichts besser, als ein öffentlicher Angriff auf die Grundverfassung des Staats, wovon die Religion einen wesentlichen Theil ausmacht, und auf die öffentliche Ruhe und Sicherheit, deren Stütze sie ist.

„Ich trage also kein Bedenken, meinem unmaßgeblichen Rath an den König oder Fürsten, der mich (wider alles Vermuthen) nach 50 Jahren etwa über diese Dinge um Rath fragen sollte, noch diesen Artikel hinzuzuseßen: daß das ungereimte und ärgerliche Disputiren gegen das Dasein Gottes oder gegen die angenommenen Beweise desselben, wenn man teine bessern. zu geben hat, ingleichen das öffentliche Bestreiten der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele für ein Attentat gegen die Menschheit und gegen die bürgerliche Gesellschaft erklärt und durch ein ausdrückliches Strafgesetz verboten werden sollte.

„Die Philosophie hat nützlichere Dinge zu thun, als die Schärfe ihrer Werkzeuge an den Grundpfeilern der moralischen Ordnung und an dem, was zu allen Zeiten der Trost und die Hoffnung der besten Menschen gewesen ist, zu probiren; und der Philosoph ist kaum des Namens werth, der nicht bedenkt, daß gegen einen Menschen, der der Religion ohne Nachtheil seiner Moralität und Gemüthsruhe entbehren kann, zehntausend sind, die, wofern sie auch ihren edelsten Zweck an ihnen verfehlte, doch ohne den Zaum, den sie ihnen anlegt, schlimmer, oder ohne die Hoffnung, die sie ihnen gibt, unglücklicher sein würden, als sie sind."

Einen festen Rückhalt hatte jedoch dieser sein Gottesglaube nicht, weder in der Autorität, noch in der Vernunft.

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„Die Wahrheit," sagt er 2, ist weder hier noch da, sie ist wie die Gottheit und das Licht, worin sie wohnt, allenthalben; ihr Tempel ist die Natur, und wer nur fühlen und seine Gefühle zu Gedanken erhöhen und seine Gedanken in ein Ganzes zusammenfassen und ertönen lassen kann, ist ihr Priester, ihr Zeuge, ihr Organ. Keinem offenbart sie sich ganz; Jeder sieht nur stückweise, nur von hinten oder nur den Saum ihres Gewandes aus einem andern Punkt, in einem andern Lichte; Jeder vernimmt nur einige Laute ihres Göttermundes, Keiner die nämlichen."

1 Der Gebrauch der Vernunft in Glaubenssachen (Wielands Werke [Hempel]. XXXII. 336. 337).

2 „Was ist Wahrheit?" (Wielands Werke [Hempel]. XXXII. 21.)

Damit war jede objective, allgemeine Richtschnur der Wahrheit in Zweifel gestellt, der Freigeisterei Thür und Thor geöffnet. Ganz folge= richtig verwarf Wieland deßhalb jede verbindliche Autorität der Bibel, alle protestantischen Bekenntnißschriften, alle Orthodoxie. Er stellte den Protestanten sogar ganz unumwunden die Alternative: „Entweder sich einem unfehlbaren Richter in Glaubenssachen, der allein über den Sinn zweifelhafter Worte und Säße zu entscheiden berechtigt ist, zu unterwerfen

oder Allen, die darin mit uns übereinstimmen, daß sie sich zur Religion Christi halten und keinen unfehlbaren Richter in Sachen des Glaubens über sich erkennen, das Recht, nach ihrer eigenen Überzeugung zu glauben, einzugestehen."1 Im ersten Fall, erklärt er, bleibt nichts übrig, als sich dem Papste zu unterwerfen; im zweiten allgemeine Toleranz und Religionsfreiheit trotz aller Verschiedenheit der Bekenntnisse. Er wählte entschieden das Lettere, schrieb unermüdlich für Toleranz und Gewissensfreiheit und philosophirte und theologisirte ohne alle Rücksicht auf Autorität, wie es ihm Laune und Gefühl, Lectüre und Gelegenheit eben eingab, meist herzlich oberflächlich und mit steter Rücksicht auf die Lebemannsmoral, welcher er sich bei seiner „Befehrung“ zugewandt hatte.

Seine zahlreichen ethischen und politischen Auffäße haben insofern einigen Werth, als sie recht flach und unverblümt die Glückseligkeitslehre ausschwatzen, welcher Göthe und die meisten Weimarer Größen ergeben waren, welche diese aber bald mit poetischen Phantasmagorien, bald mit philosophischer Geheimthuerei zu verhüllen strebten. Seine Schriften und Anschauungen bereiteten im Publikum denjenigen Göthe's wesentlich den Boden vor. Eine Menge Anspielungen auf seine Werke in den Briefen Göthe's und seiner Freunde bezeugen, daß sie mit Freude und Interesse gelesen wurden. Bestand auch kein innigeres Zusammenwirken zwischen den beiden Dichtern, so gewährten sie sich doch gegenseitig mannigfache Anregung. Wieland kehrte, nach kleinen Pausen von Unwillen oder unzufriedenem Schmollen, immer wieder zu einer tiefen Verehrung Göthe's zurück; dieser erwies Wieland vorläufig noch manche Artigkeit und ließ ihn die Überlegenheit seines Talentes nicht eben zu peinlich em pfinden. Im Teutschen Mercur" erschienen die ersten Früchte der italienischen Reise: „Auszüge aus einem Reisejournal: 1. Rosaliens Heiligthum, 2. Zur Theorie der bildenden Künste, 3. Stundenmaß der Jta= liener, 4. Frauenrollen auf dem römischen Theater durch Männer gespielt,

1 Wielands Werke [Hempel]. XXXII. 327.

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