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Er konnte vernünftiger Weise nicht weiter. In Dante und Petrarca, Rafael und Michel Angelo, Ariost und Tasso, in der spanischen und portugiesischen Literatur, in Balde und Sarbiemski traten ihm Gestalten entgegen, welche Herder als Dichter und Schriftsteller lieben, als Generalsuperintendent aber verfluchen mußte; die Bannerführer der sogen. Refor= mation aber haben so an aller Humanität gefrevelt und Deutschland in ein solches Chaos der Unmenschlichkeit gestürzt, daß der kluge Geschichtsforscher es für praktischer fand, den Entwicklungsgang der Menschheit nicht weiter systematisch zu verfolgen, sondern wie ehedem wieder fragmentarisch in allen Jahrhunderten umherzuschweifen. So entstanden (1792-1797) die „Briefe zur Beförderung der Humanität“. In diesen kehrte Herder, unter dem augenscheinlichen Einfluß Göthe's, Wielands und des übrigen Weimarer Hofes, zur altgriechischen Kunst und Literatur als dem Höhepunkt aller wahren Humanität zurück und verrichtete vor der Statue der Venus Anadyomene ein viel andächtigeres Gebet, als er es zuvor in den Jdeen" an Christus gehalten hatte:

Dir nahen wir uns, himmlische Aphrodite, unübertroffenes Ideal des weiblichen Liebreizes, einer sittlichen Schönheit. Aus der Welle des unruhigen Meeres stiegst du hervor, vom lauen Zephyr getragen; da legten sich die Wellen. Deine sittsame Gegenwart machte sie zum Spiegel der Lüfte. Bescheiden trocknetest du dein Haar, und jeder fallende Tropfen deines irdischen Ursprungs ward ein Geschenk, eine Perle der Muschel, die dich wollüstig in ihrem Schooße wiegte. Du stiegst zum Olymp, und die Götter empfingen dich in deiner Gestalt; denn sie selbst war deine Hülle; die Grazie, mit der du dich, durch und durch sichtbar, dem Auge unsichtbar zu machen weißt, diese in sich gehüllte Scham und Bescheidenheit ist dein Charakter. Auch auf dem häuslichen Altar der Griechen standest du nicht anders, als unter diesem Bilde; denn nur Scham kann Liebe erwecken und zeugen.' # 1

So langte Herder nach seiner weitausschauenden Weltfahrt schließlich bei demselben schalen Humanismus an, in welchem Wieland cynisch sein Faß wälzte und mit welchem Göthe seine „Rosenmonate" vergötterte. Im Grunde ist nichts gethan. Herders Ideen" sind nur das Wrack einer gescheiterten Weltreligion, ansehnliche Trümmer, aber - Trümmer. Seine Weltgeschichte bleibt am Schlusse des Mittelalters stecken und bietet wesentlich nichts Neues dar. Seine Weltbeschreibung hält sich im Äußerlichen, ohne zu einer festen Einheit zu gelangen oder irgend eine der kosmologischen Hauptfragen zu lösen. Seine Philosophie gelangt nicht

1 Herders Werke [Hempel]. XIII. 310. 311.

einmal zu einem festen, haltbaren Gottesbegriff. An die Stelle Gottes wird thatsächlich der Mensch gesetzt, an die Stelle der Religion die „Menschlichkeit“, an die Stelle des Christenthums ein vager Naturalismus, der sich fast vollständig mit Göthe's oberflächlicher Weltanschauung deckt; nur hebt Göthe mehr die Natur hervor, Herder den Menschen als das Höchste in der Natur.

„Das Christenthum," schrieb ihm Göthe am 4. September 1788 1, „hast Du nach Würden behandelt; ich danke Dir für mein Theil. Ich habe nun auch Gelegenheit, von der Kunstseite es näher anzuschen, und da wird's auch recht erbärmlich. Überhaupt sind mir bei dieser Gelegenheit so manche Gravamina wieder rege geworden. Es bleibt wahr: das Märchen von Christus bleibt Ursache, daß die Welt noch 10/M Jahre stehen kann und Niemand recht zu Verstand kommt, weil es ebenso viel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffes braucht, um es zu vertheidigen, als es zu bestreiten. Nun gehen die Generationen durcheinander, das Individuum ist ein armes Ding, es erkläre sich für welche Partei es wolle, das Ganze ist nie ein Ganzes, und so schwankt das Menschengeschlecht in einer Lumperei hin und wieder, das alles nichts zu sagen hätte, wenn es nur nicht auf Punkte, die dem Menschen so wesentlich sind, so großen Einfluß hätte.“

So wenig wie Herder selbst, fühlte sich Göthe von Herders „Ideen“ befriedigt. Sie beseitigten die „Lumperei" nicht; aber sie boten doch immerhin einen gewissen allgemeinen Rahmen, in welchem Göthe's zerstückeltes Treiben einige scheinbare Einheit erhielt. Der Generalsuperintendent, der nicht über das „Natürliche“ und „Humane“ hinauskam und darum die Höhe menschlicher Bildung im schönen Griechenthum sah, war für ihn ein willkommener Bundesgenosse, ein angenehmer Freund, der einzige für ihn mögliche „Theologe".

Zur Reise nach Italien war Herder nicht durch eine großmüthige Vergünstigung des Weimarer Hofes veranlaßt worden, sondern durch den Freiherrn Joh. Friedrich Hugo von Dalberg, Domcapitular von Trier, den jüngsten Bruder des Coadjutors, welcher an dem gelehrten und feingebildeten Superintendenten einen angenehmen, poetischen Gesellschafter zu finden hoffte. Herder glaubte nicht anders, als daß Dalberg die Reisekosten bestreiten würde, sah sich aber, in Augsburg angelangt, bitter enttäuscht. Dalberg zahlte ihm nur die Reise bis Augsburg, und Herder war genöthigt, zu seinen früheren Schulden noch neue Schulden zu machen, um nur weiterreisen zu können. Zu dem tiefen Verdruß, welchen

1 Aus Herders Nachlaß. I. 94. Vgl. Göthe's Werke [Hempel] XXIV. 419.

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ihm das bereitete, gesellte sich beständiger Ärger über die verwittwete Frau von Seckendorf, welche Dalberg überall mit sich schleppte und deren Verhältniß zu Dalberg zu Weimar als „beinah eine öffentliche H . sache" tractirt wurde. Dazu war der Winter ungewöhnlich kalt und brachte viel Unannehmlichkeit mit sich. Herder wurde der Reise nicht froh, bis er mit der Herzogin-Mutter am 4. Januar 1789 in Neapel eintraf. Da thaute er endlich auf und schrieb an seine Frau (12. Januar):

Hier ist's nicht möglich, daß Jemanden ein Wölfchen auf die Stirne kommen oder lang darauf weilen sollte; man gibt's den Wellen und den Winden. Und wenn der König mich hier irgendwo zum Erzbischof machte und der Papst mir erlaubte, Dich und die Deinigen zu behalten, so kämst Du mir mit den sechs Kindern nach, oder vielmehr, ich holte Dich ab, und wir wollten hier leben."

Weder dem König noch dem Papst fiel dergleichen ein; dagegen wandte sich Heyne in Göttingen an seine Frau mit der Anfrage, ob Herder Luft hätte, als Professor der Theologie, erster Universitätsprediger und Consistorialrath nach Göttingen zu kommen. Mit diesem Antrag durchkreuzte wieder schwere Sorge um die Zukunft den weitern Aufenthalt des Reisenden in Italien. Es drängte ihn mächtig, nicht mehr nach Weimar zurückzukehren.

„Die Herzogin, weißt Du," so schrieb er an seine Frau (3. April), „liebe ich am meisten; Du kennst aber ihre unkräftige Güte. Der Herzog ist gut und brav, was kann, was mag er aber für mich thun? Und überhaupt, wie müde ich des Zusammenhanges mit Fürsten und Fürstinnen geworden bin, die immer unverständige Kinder bleiben, welche Unsereins nicht lenken kann, mag ich Dir nicht sagen. Daß Göthe wenig mehr für uns sein kann, wird mir beinah ein leuchtend; er ist's im öffentlichen Bezuge nie gewesen. Die Damen gehen ihren Weg hin, und überhaupt ist ja für uns eigentlich keine Sphäre in Weimar. Wir sind einsam und werden es mit jedem Jahre mehr werden."

Die schwermüthigen Deliberationen zogen sich bis in den Sommer hinein und wurden um so peinlicher, je näher der Augenblick rückte, wo er wieder nach Weimar zurückkehren sollte:

„Die Hauptsache ist, in Göttingen an einem Play zu sein, wo ich für mich selbst verdienen kann, nachdem ich fleißig bin und Glück habe. Das ersehen mir keine Titel, keine leeren Gnaden, keine 200 Thaler jährlich, bei denen ich

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Brief Caroline's an Herder vom 24. Sept. 1788.

S. Herders Reise nach Italien. Herders Briefwechsel mit seiner Gattin vom August 1788 bis Juni 1789, herausg. von H. Dünzer und F. G. von Herder. Gießen 1859. Herders Werke [Hempel]. I. S. CI ff. — Blätter für Lit. Unt. 1860. II. S. 684 ff.

doch umkommen muß. Ich schäße Alles, wie ich soll; aber auf's Neue Tüpe zu werden, nachdem ich's so lange gewesen bin, sollte mich in der Seele schmerzen. Was kann ich in Weimar angreifen, woran nicht alter Kummer und Verdruß hängt? Fast mag ich keine Person in Geschäften wiedersehen, so sehr ist mir Alles verbittert und verleidet."

Troy dieser tiefgehenden und wohlbegründeten Verstimmung gelang es Göthe, seinen Freund abermals und dießmal für den ganzen Rest seines Lebens zu „düpiren“, d. h. an Weimar zu fesseln. Die Mittelsperson dabei war Herders Frau, Caroline.

Schon am Tag nach Herders Abreise kam Göthe zu ihr, um sie „gutmüthig“ zu trösten. Am nächsten Tag war er wieder da und versprach ihr von der Reise die besten Erfolge. Da Christiane zu dumm und ungebildet war, das Verhältniß zu Frau von Stein sich schon nahezu gelöst hatte, ward Caroline seine literarische Vertraute. Fast alle anderen Tage war er bei ihr, „wie ein Chamäleon, bald gut, bald nur halb gut“. Er verfolgte mit größtem Interesse Herders Reise, ereiferte sich über Dalbergs schlechtes Benehmen und sagte kategorisch: „Er muß bezahlen!“ Als Göthe in seinen Werken den „Pater Brey" wieder abdrucken ließ, wurde sie ungehalten, weil sie sich in der „Leonore“ gezeichnet glaubte; Göthe wußte sie indeß bald wieder zu beruhigen, und sie schrieb mit Begeisterung den „Tasso“ für Herder ab, ließ sich vom Verfasser „im Vertrauen“ den eigentlichen Sinn des Stückes erklären und dachte sich dabei in einen nicht geringen Grad von Götheverehrung hinein:

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„Über Göthe habe ich wirklich einen großen Aufschluß bekommen. Er lebt eben wie der Dichter mit dem Ganzen oder das Ganze in ihm, und da wollen wir als Individuen nicht mehr von ihm verlangen, als er geben kann. Er fühlt sich als ein höheres Wesen, das ist wahr, aber er ist doch der Beste und Unwandelbarste unter Allen. Seitdem ich weiß, was ein Dichter und ein Künstler ist, seitdem verlange ich kein engeres Verhältniß, und doch, wenn er zu mir kommt, fühle ich, daß ein sehr guter Geist um und in ihm ist.“

Erst als Herder das viele Lobesgerede über Göthe unangenehm zu werden schien, schlug sie einen andern Ton an:

über Göthe, gestehe ich, habe ich bisher immer zu parteiisch geschrieben, wie ich's jedesmal empfunden habe. Liebster Engel! Du hast über ihn ganz und vollkommen recht; du beurtheilst ihn Mann gegen Mann. War unser Gefühl nicht schon lange hierüber berichtigt? und wenn er es eine Zeit lang durch Umstände zu mildern gewußt hat, so hat er doch seine Natur nicht ab

1 Dünzer, Göthe und Karl Aug. I. 306 ff. 313 ff.

gelegt. Seine Alleinherrschaft und hundert kleine Eitelkeiten empfanden ja Freunde und Feinde, und meine Abgötterei ist nicht so weit gediehen, daß ich fie gar für göttliche Eigenschaften ansehe. O mein Einziger auf der Welt, verkenne mich doch hierinnen nicht."

Herder wallte gerechter Weise auf, als er in den „Gedichten“ Göthe's neben vielem Werthoollen auch die Lappalien seiner Jugend verewigt und sich dabei für immer der Lächerlichkeit preisgegeben fand.

"Göthe's Gedichte sind hier angekommen," schrieb er den 7. April an Caroline, „er hat ein Exemplar, noch ohne Titel, an Angelica (Kaufmann) geschickt. Ich kenne die meisten, und es sind unglaublich schöne Stücke darunter; aber Alles wie es da ist hätte er nicht sollen drucken lassen. Nicht nur daß er den Kritikern das Maul darüber aufreißt, sondern weil die jugendlichen Fraßen und Spässe doch niemals für den Druck sind. Was du, gutes Herz, zu seiner Entschuldigung sagst, reicht meinem Gefühle nicht zu. Hole der Henker den Gott, um den Alles rings umher eine Fraße sein soll, die er nach seinem Gefallen braucht; oder gelinder zu sagen, ich drücke mich weg von dem großen Künstler, dem einzigen rückstrahlenden Al im All der Natur, der auch seine Freunde und was ihm vorkommt blos als Papier ansieht, auf welches er schreibt, oder als Farben des Paletts, mit dem er malt."

Wie es Göthe indeß gelang, diese richtigen Eindrücke bei Caroline Herder zu verwischen, so wußte diese wieder ihren Mann für Göthe umzustimmen. Sie beschrieb ihm, wie er am 23. April, dem Geburtstag ihres Luischens, die Familie besuchte und dabei ausrief: „Der Herzog kann und darf ihn nicht gehen lassen, er ruinirt sich selbst, Jena und Weimar zugleich. Auch nicht einmal nach Jena wünsche ich Herder, ich hab ihn viel zu lieb, er ist zu gut zum Professor; er kennt ihre kleinlichen Leidenschaften noch nicht!"

wie bestrafe ich mich," schreibt sie den 10. Mai 1789, „daß ich ihn auch nur einen Augenblick verkenne. Er ist durchaus eine treue, männliche Seele, und es freut mich, daß du dieß in einem deiner letzten Briefe so gut wiedererkennst."

Den 29. Mai versichert sie Herder:

„Göthe liebt dich und ist's vor allen Menschen werth, von dir geliebt zu werden. Wende dich nicht von ihm ab! Du achtest und liebst an der Angelica, was die Natur ihr Glückliches und Heiliges gegeben hat; er ist von dieser Seite ihr Bruder, und wir wollen ihn nicht mehr verlieren, wie du es einmal (vor sechs Jahren war's) so heilig zusagtest.“

Die Gründe, welche Herders Berufung einst herbeigeführt hatten, dauerten für Göthe noch fort. Er konnte in sein Kartenspiel keinen

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